Der Klinikarzt 2004; 33(3): 51
DOI: 10.1055/s-2004-823137
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chronische Herzinsuffizienz

H.-J. Gilfrich1
  • 1Frankfurt
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Prof. Dr. H.-J. Gilfrich(Gasteditor)

Frankfurt

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Publication Date:
15 April 2004 (online)

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    Mit Blick auf die Kostenentwicklung, die Zahl der Krankenhausaufenthalte und die Letalität ist die chronische Herzinsuffizienz eines der bedeutendsten gesundheitspolitischen Probleme der kardiovaskulären Medizin in den Industriestaaten: Ihre Inzidenz in der Gesamtbevölkerung beträgt 1-2 %, überwiegend sind ältere Patienten betroffen (10 %), demzufolge besteht eine steigende Tendenz. Trotz der in den letzten Jahren stets verbesserten Behandlungsmöglichkeiten sind immer häufiger stationäre Behandlungen nötig. So ist die Herzinsuffizienz inzwischen bei Patienten über 65 Jahren die häufigste Diagnose bei der Krankenhausaufnahme. Und die Mortalitätsrate ist weiterhin hoch: Je nach Schweregrad der Erkrankung versterben etwa 5-70 % der Patienten.

    Im Gegensatz zur arteriellen Hypertonie und Hyperlipidämie fehlt bei der Herzinsuffizienz ein leicht zugänglicher diagnostischer Parameter, der nicht nur zur Detektion und Risikostratifikation beiträgt, sondern auch ein Therapiemonitoring zulässt. Es überrascht daher nicht, dass die Diagnose der Erkrankung nicht selten verfehlt wird und auch die Therapieführung deprimierende Ergebnisse aufweist. Hohe Erwartungen werden deswegen in die routinemäßige Anwendung von Biomarkern der Herzinsuffizienz gesetzt. Ein solcher ist das „Brain Natriuretic Peptide” (BNP), dessen Wertigkeit bisher allerdings nur bei bestimmten Patientengruppen erfasst ist. Einen Beitrag zum Therapiemonitoring könnte aber auch die nichtinvasive Ermittlung der pulmonal-venösen Hypertonie leisten.

    Die medikamentöse Therapie der chronischen Herzinsuffizienz hat im letzten Jahrzehnt einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel erfahren: War die Behandlung der Patienten zuvor auf eine Verbesserung der Hämodynamik ausgerichtet (kurzfristige Ausrichtung), zielen die Strategien heute mit der Intervention in die neurohormonellen pathophysiologischen Abweichungen des versagenden Herzens eher auf langfristige und reparative Effekte. Diesen Wandel verdeutlichen die Erfolge der Betablockade bei allen Schweregraden der Behandlung in besonderer Weise. Zuvor hatte bereits der Einsatz der ACE-Hemmer gezeigt, dass es möglich ist, durch eine Beeinflussung der pathophysiologischen Pfade der Herzinsuffizienz die Lebenserwartung von Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion zu erhöhen.

    Es überrascht daher nicht, dass es möglich ist, mithilfe einer Blockade von Aldosteron - einer weiteren Substanz, die bei einer Herzinsuffizienz vermehrt gebildet wird und die den Verlauf der Erkrankung ungünstig beeinflusst - einen zusätzlichen Effekt zu erzielen. Mit diesem Befund trat auch das lange als antikaliuretisches Diuretikum eingesetzte, preiswerte Spironolacton wieder in das Blickfeld des Interesses, weitere Aldosteronantagonisten werden in Studien erprobt. Andererseits leuchtet auch ein, dass damit eine nahezu komplette neurohormonelle Blockade erreicht ist und weitere Neuropharmaka, welche die pathophysiologischen Veränderungen modulieren, kaum noch wahrnehmende Effekte erzielen.

    Daher liegt in Anbetracht der letztlich noch bescheidenen Erfolge ein neuer Paradigmenwechsel hin zu nichtmedikamentösen elektrischen, mechanischen und auch zellulären Therapieformen nahe. Denn die biventrikuläre Schrittmacherstimulation beispielsweise hat bereits eindrucksvolle Verbesserungen der Symptomatik herzinsuffizienter Patienten ergeben - zudem bestehen Hinweise auf einen prognostischen Vorteil für Patienten mit QRS-Zeit-Verlängerung. Auch interventionelle, nichtkardiochirurgische mechanische Verfahren vermögen im Hinblick auf die Symptome und die Entwicklung einer kardialen Dekompensation mit wahrscheinlich auch prognostischem Benefit einen bedeutenden Beitrag zu leisten.

    Wie viele andere Organe ist der Herzmuskel nicht - oder nur in begrenztem Umfang - zur Regeneration fähig. Die Stammzellentransplantation ist ein innovatives Verfahren, durch welches eine Regeneration des geschädigten Herzens ermöglicht werden soll. Allerdings sind noch einige wichtige Fragen zu beantworten. Faszinierend ist der Gedanke, dass in jedem von uns eine Quelle erneuerbaren Lebens liegt, welches die Chance einer Revitalisierung des zerstörten Gewebes bietet.

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    Prof. Dr. H.-J. Gilfrich(Gasteditor)

    Frankfurt

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