Der Klinikarzt 2004; 33(3): 58-61
DOI: 10.1055/s-2004-823139
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Altbewährtes neu entdeckt - Aldosteronantagonisten und chronische Herzinsuffizienz

Well Tried but Newly Discovered - Aldosterone-Antagonists and Chronic Heart FailureA. Römer1 , H. Sievert1 , H.-J. Gilfrich1
  • 1CardioVasculäres Centrum Frankfurt, Innere Medizin I (Kardiologie/Angiologie/Intensivmedizin), Sankt Katharinen Krankenhaus, Frankfurt/Main (Leiter: Prof. Dr. H. Sievert)
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Anschrift für die Verfasser

Dr. A. Römer

CardioVasculäres Centrum Frankfurt

Innere Medizin I, Sankt Katharinen Krankenhaus

Seckbacher Landstr. 65

60389 Frankfurt

Publication History

Publication Date:
15 April 2004 (online)

Table of Contents

Zusammenfassung

In der neurohormonalen Theorie der Herzinsuffizienz spielt Aldosteron eine bedeutsame Rolle, durch seine Effekte auf die Endothelfunktion, auf die glatte Gefäßmuskulatur, auf die Adventitia, auf den PAI-1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1) und auf die Fibrosierung des Myokards. Der therapeutische Ansatz mit Aldosteronantagonisten konnte sowohl tierexperimentell als auch in klinischen Studien (RALES, EPHESUS) eine günstige Wirkung auf die Herzinsuffizienzentwicklung zeigen sowie die Mortalität signifikant verbessern, wobei auf eine Niereninsuffizienz und engmaschige Kaliumkontrollen besonders geachtet werden muss.

Summary

Aldosterone has an important role in the neurohumoral pathophysiology of heart failure. This is caused by aldosterone effects on endothelium, smooth muscle cells, adventitia, PAI-1 and fibrosis of the myocardium. Experimental studies with aldosterone-antagonists were able to show a positive effect on the development of heart failure and large clinical trials could prove a significant reduction of mortality in patients with left ventricular dysfunction (RALES, EPHESUS). Close monitoring of potassium and renal failure is crucial for safe therapy with aldosterone-receptor-antagonists.

In der Vergangenheit wurden Aldosteronantagonisten als Diuretikum insbesondere bei Leberzirrhose eingesetzt. Inzwischen kristallisiert sich jedoch die Bedeutung des Aldosterons im Zusammenhang mit der neurohumoralen Theorie der Herzinsuffizienzentstehung immer stärker heraus. Traditionell galt Angiotensin II als Trigger für eine Erhöhung des Aldosteronspiegels mit seinen Folgen für die Natriumretention und den Kaliumverlust. Neuere Daten zeigen jedoch, dass die Aldosteronproduktion der Nebenniere, des Herzens und des Gefäßsystems - unabhängig von Angiotensin II - pleiotrope Wirkungen am Herz-Kreislaufsystem bewirkt [Abb. 1]; [25].

Die alleinige Hemmung des ACEs („angiotensin converting enzyme”) oder des Angiotensinrezeptors reicht daher nicht für die Aldosteronblockade aus - ein Befund, der als „Aldosteron-Escape” bezeichnet wird [20] [33]. So konnte beispielsweise die RESOLVD[1]-Studie zeigen, dass auch die Kombination von ACE-Inhibitor, Angiotensin-II-Rezeptorantagonist und Beta-Blocker den Aldosteronspiegel nicht senken konnten [16]. Zudem können auch andere Trigger wie Kalium, Kortikotropin, Stickstoffmonoxid, Endothelin, freie Sauerstoffradikale oder Adrenomedullin die Aldosteronproduktion verändern [1] [11] [18] [23].

Aldosteroneffekte

Endothel

In Endothelzellen und glatten Muskelzellen wurden aldosteronproduzierende Enzyme und Mineralokortikoidrezeptoren nachgewiesen [40], weshalb Aldosteron die Wirkung anderer Vasokonstriktoren verstärken kann [39]. Ein primärer Hyperaldosteronismus und eine Herzinsuffizienz (sekundärer Hyperaldosteronismus) vermindern die Vasodilatation durch Acetylcholin [35], während die Therapie mit Spironolacton die Endothelfunktion verbessert [7] sowie in Situationen mit aktiviertem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System die Bioverfügbarkeit von Stickstoffmonoxid erhöht [24] [32]. Da Aldosteron ein starker Generator für freie Sauerstoffradikale darstellt [19], ist zudem ein proinflammatorischer Effekt zu vermuten.

PAI-1

In humanen Endothelzellen und glatten Muskelzellen trägt Aldosteron zusammen mit Angiotensin II zur Regulation der Expression des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors-1 (PAI-1) bei [5]. Daher korrelieren die Aldosteronspiegel eng mit dem PAI-1-Spiegel [4]. Eine therapeutische Reduktion der Wirkung von Angiotensin II bzw. Aldosteron verbessert so die Fibrinolyse und beugt der Entstehung von Thrombosen vor [3]. Damit ist auch eine günstige Wirkung auf die Fibrosierung gegeben, weil das Plasminsystem eine bedeutsame Rolle bei der Regulation einer Vielzahl von Proteasen wie zum Beispiel der Matrix-Metalloproteinasen (MMP) spielt [14].

Adventitia und Gefäßstruktur

Bei der Herzinsuffizienz und der arteriellen Hypertonie kommt dem Aldosteron eine wichtige Rolle in der Compliance der großen Gefäße zu [2] [6]. Fibroblasten, die sich im Interstitium von Adventitia und Media befinden, besitzen Typ-I- and Typ-II-Mineralokortikoid-Rezeptoren, die für die Aldosteronwirkung verantwortlich sind [13]. Andere Untersuchungen [44] zeigten, dass Aldosteron die Synthese von Kollagen I steigert. Eine unproportionale Vermehrung von Kollagen (Typ I und III) jedoch erhöht die Gewebesteifigkeit und vermindert die Compliance.

Tierexperimentelle Untersuchungen unterstützen die Rolle des Aldosterons für das Gefäßremodeling nach einer perkutanen Koronarintervention. So war beispielsweise die Verdickung der Neointima nach einer Ballonverletzung im Bereich der Aorta und der Iliakalarterie in hyperlipidämischen Schweinen bei den Tieren signifikant stärker, die zusätzlich Aldosteroninfusionen erhielten. Spironolacton dagegen inhibierte die Neointimaproliferation [37].

Glatte Gefäßmuskulatur

Zahlreiche Studien wiesen ein aldosteronproduzierendes System in den glatten Gefäßmuskelzellen nach [10]. Bereits fünf Minuten nach der Injektion von Aldosteron steigen sowohl der periphere Gefäßwiderstand als auch der Blutdruck schnell an (12). Zudem verstärkt Aldosteron den Hypertrophieeffekt von Angiotensin II [41].

Myokard

Eine Erklärung für den günstigen Effekt von Spironolacton auf Mortalität und Morbidität bei Patienten mit Herzinsuffizienz ergibt sich unter anderem aus der Wirkung von Aldosteron auf die myokardiale und vaskuläre Fibrosierung, die eine bedeutsame Rolle für die Mortalität spielen [26] [27] [28].

Dass das Herzgewebe die Fähigkeit zum Steroidmetabolismus besitzt, konnte durch den Nachweis terminaler Enzyme der Kortikosteroid- und Aldosteronsynthese (11-Beta-Hydroxylase und Aldosteronsynthase) und der Produktion von Steroiden in Rattenherzen bestätigt werden [30]. Der Nachweis von Mineralokortikoidrezeptoren und der 11b-Hydroxysteroiddehydrogenase deutet auf eine mineralokortikoidselektive Wirkung am Herzen hin. Dies legt die Vermutung nahe, dass systemisch oder lokal synthetisiertes Mineralokortikoid das ventrikuläre Remodeling beeinflusst [9] [31].

Die Infusion von Aldosteron verursacht in Verbindung mit einer hohen Salzzufuhr einen überproportionalen Anstieg der Fibrosierung im Bereich der Vorhöfe und des perivaskulären Gewebes der Pulmonalarterie, der Aorta [31] sowie der Koronararterien [38]; [Abb. 2]. Diese stärkere Fibrosierung im Bereich von Niederdruckgebieten wie den Vorhöfen unterstützt die Hypothese, dass der fibrosierende Effekt des Aldosterons wahrscheinlich von hämodynamischen Effekten unabhängig ist [34].

In diesen Untersuchungen scheint die vermehrte Fibrosierung nur in Kombination mit einer gleichzeitigen Erhöhung der Salzzufuhr zu entstehen. Zwar ist die Rolle von Salz in der Pathogenese der Fibrosierung noch nicht ganz klar [8], doch seine ungünstigen Wirkungen scheinen im Zusammenhang zum Aldosteron zu stehen [36].

Klinische Studien mit Aldosteronantagonisten

Die Erkenntnisse der tierexperimentellen Befunde, in denen Aldosteron einen wichtigen Effekt auf den Kollagenumsatz im Myokard zeigte, konnten inzwischen auch klinische Studien bestätigen. Eine kleine randomisierte Studie mit dem Aldosteronrezeptor-Antagonisten Kaliumkankreonat bei Patienten mit Vorderwand-Myokardinfarkt wies eine Verminderung der Kollagensynthese und der linksventrikulären Dilatation nach. Über 40 % der Patienten erhielten zusätzlich eine Medikation mit einem Beta-Blocker [17].

Laut den Ergebnissen einer Substudie von RALES[2] [43] reduziert Spironolacton die Kollagenformation signifikant - und zwar über eine Abnahme von Prokollagen I und III. Hierdurch ist eine Verbesserung der diastolischen Myokardfunktion anzunehmen, entsprechend wird das Fortschreiten zur progressiven Herzinsuffizienz mit pulmonaler Stauung gebremst.

Positive Auswirkungen sind auch bezüglich des arrhythmogenen Potenzials zu erwarten, da die Erregungsausbreitung durch die geringere Fribrosierung verbessert wird. So konnte die Gabe von Spironolacton die Herzfrequenzvariabilität [15] und QT-Dispersion [42] verbessern - beide Parameter sind für die Prognose des plötzlichen Herztodes von Bedeutung. In RALES konnten diese Studienergebnisse bestätigt werden [22].

Aus der Reihe von Substanzen mit einer blockierenden Wirkung auf den Mineralokortikoidrezeptor hatte sich in den vergangenen Jahren in der Praxis lediglich Spironolacton durchgesetzt. Aufgrund seines Nebenwirkungsspektrums wird die Substanz jedoch relativ häufig abgesetzt. Dies führte - über eine Modifikation am Steroidkern - zur Suche nach selektiven Aldosteronrezeptor-Antagonisten.

Ein solcher selektiver Antagonist ist das Eplerenon, das sich von Spironolacton nur geringfügig unterscheidet - statt einer Laktongruppe in der Position C-17 trägt die neue Substanz dort eine Carbomethoxyl-Gruppe. Auf diese Weise hat Eplerenon fast keine antiprogestationale und antiandrogene Wirkung. Die Halbwertszeit beträgt etwa 3,5 Stunden, und es bestehen keine signifikanten Metaboliten.

Wann und wie einsetzen?

In der RALES-Studie (22) wurde Spironolacton bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz (NYHA III-IV) und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von maximal 35 % eingesetzt [Tab. 1]. Hier konnte Spironolacton die Mortalität nach 24 Monaten um 30 % reduzieren [Abb. 3].

Bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und pulmonaler Überwässerung ist die Kombination aus ACE-Hemmer, Schleifendiuretikum mit oder ohne Digoxin und Spironolacton die bevorzugte Therapie. In einem stabilen Status ohne Dekompensation ist zusätzlich ein Beta-Blocker indiziert, zumal in der RALES-Studie die Reduktion der Mortalität durch Spironolacton bei den Patienten, die zusätzlich unter einer Beta-Blocker-Therapie standen, am höchsten war.

Die erste große Studie, welche die Wirkung des selektiven Aldosteronrezeptor-Antagonisten bei insgesamt 6632 Postinfarktpatienten mit einer linksventrikulären systolischen Dysfunktion (LVEF ▭ 40 %) untersuchte und somit auch Patienten in einem NYHA-Stadium II einbezog, ist die EPHESUS[3]-Studie ([Tab. 2]; [43]). Eplerenon konnte in dieser Studie die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität signifikant senken [Abb. 4]. Gynäkomastien traten nicht signifikant häufiger auf als unter Plazebo.

Ein bedeutsamer Aspekt in der Therapie mit einem Aldosteronrezeptor-Antagonisten ist die Kontrolle des Kaliumwertes sowie die Beachtung einer Niereninsuffizienz. Die Richtlinien der „European Society of Cardiology” (ESC) empfehlen einen Therapiealgorithmus, der eine sichere Anwendung dieses Prinzips ermöglicht [Abb. 5]. Die Therapie mit Spironolacton sollte mit 25 mg/Tag begonnen und das Serumkalium in den ersten zwei bis drei Monaten wöchentlich bestimmt werden. Steigen die Serumspiegel auf 5,0-5,5 mmol/l sollte die Dosis von Spironolacton auf 12,5 mg reduziert werden. Falls der Kaliumspiegel zwischen 5,5 mmol/l und 6,0 mmol/l liegt, muss Spironolacton nicht zwingend abgesetzt werden - zumindest solange keine hyperkaliämietypischen EKG-Veränderungen vorliegen. Ab einem Kaliumwert ≥ 6,0 mmol/l ist jedoch das Absetzen unbedingt erforderlich. Zuvor sollte aber geprüft werden, ob die Blutprobe nicht hämolytisch war oder ob die Erhöhung des Kaliumspiegels sekundär durch andere Medikamente verursacht wurde (z.B. nichtsteroidale Antirheumatika = NSAR). Bleibt der Kaliumwert im Normbereich und ist der klinische Befund identisch, sollte die Dosierung von Spironolacton auf 50 mg täglich erhöht werden. Die entsprechenden engmaschigen Kaliumkontrollen müssen natürlich weitergeführt werden. Grundsätzlich sollte auch der Kreatininwert in regelmäßigen Abständen mit kontrolliert werden.

Denn die RALES-Studie zeigt, dass das Risiko einer Hyperkaliämie besteht - es sollte jedoch minimal sein, sofern Spironolacton nicht bei einer Niereninsuffizienz mit Kreatininwerten > 2,5 mg/dl oder einem Kaliumwert ≥ 5,0 mmol/l eingesetzt wird. Fälle von Hyperkaliämie traten in der klinischen Praxis hauptsächlich bei Dosen über 25 mg/Tag auf oder wenn der Kaliumspiegel nicht engmaschig kontrolliert wurde [29].

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Abb. 1

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Abb. 2a) zeigt einen Normalbefund des Herzens mit einer normalen Koronararterie. (b) zeigt einen Ausschnitt eines Rattenherzens nach Aldosteron- und Salzbelastung mit betonter perivaskulärer Fibrose des Koronargefäßes und des interstitiellen Raumes zwischen den Muskelfasern

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Abb. 3

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Abb. 4

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Abb. 5

Tab. 1 RALES-Studie
  • 1163 Patienten

  • Endpunkt: Gesamtsterblichkeit

  • Einschlusskriterien

    • NYHA III und IV

    • linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) ▭ 35 %

  • Spironolacton: 25-50 mg/Tag

  • mittlere Nachbeobachtungszeit: 24 Monate

Tab. 2 EPHESUS-Studie
  • 6632 Patienten (mittlere Ejektionsfraktion 33 %)

  • Eplerenon (25-50 mg/Tag)

  • Endpunkte

    • Gesamtsterblichkeit

    • kardiovaskuläre Sterblichkeit

    • Hospitalisierung (Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Arrhythmie)

Literatur

1 randomized evaluation of strategies for left ventricular dysfunction

2 randomized aldactone evaluation study

3 eplerenone post-acute myocardial infarction heart failure efficacy and survival trial

Anschrift für die Verfasser

Dr. A. Römer

CardioVasculäres Centrum Frankfurt

Innere Medizin I, Sankt Katharinen Krankenhaus

Seckbacher Landstr. 65

60389 Frankfurt

Literatur

1 randomized evaluation of strategies for left ventricular dysfunction

2 randomized aldactone evaluation study

3 eplerenone post-acute myocardial infarction heart failure efficacy and survival trial

Anschrift für die Verfasser

Dr. A. Römer

CardioVasculäres Centrum Frankfurt

Innere Medizin I, Sankt Katharinen Krankenhaus

Seckbacher Landstr. 65

60389 Frankfurt

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Abb. 1

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Abb. 2a) zeigt einen Normalbefund des Herzens mit einer normalen Koronararterie. (b) zeigt einen Ausschnitt eines Rattenherzens nach Aldosteron- und Salzbelastung mit betonter perivaskulärer Fibrose des Koronargefäßes und des interstitiellen Raumes zwischen den Muskelfasern

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Abb. 3

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Abb. 5