Einleitung
Die verschiedenen Formen der Leukämien werden als maligne Neoplasien des hämatopoetischen
Systems definiert, wobei es nach einer Generalisation im Knochenmark und einer Ausschwemmung
der malignen Zellreihen in das periphere Blut zu einem Befall extramedullärer Organsysteme
einschließlich der Haut kommen kann [1]. Auf Grund des biologischen Verhaltens und des jeweils vorliegenden Differenzierungsgrades
der neoplastischen Zellen werden akute und chronisch verlaufende Leukämieformen voneinander
abgegrenzt. Die akute lymphatische Leukämie, deren Inzidenz mit 1 : 100 000 Einwohner
pro Jahr angegeben wird, zeichnet sich durch eine biphasische Häufigkeitsverteilung
aus mit einem ersten Häufigkeitsgipfel bei Kindern im Alter zwischen zwei und vier
Jahren und einem zweiten Gipfel in der siebenten Lebensdekade. Mit 30 % ist die akute
lymphatische Leukämie die häufigste Krebserkrankung der Kinder überhaupt [2]. Die akute myeloische Leukämie zeigt hingegen eine grundsätzlich andere Häufigkeitsverteilung.
Während sie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis zum 30. Lebensjahr nur selten
beobachtet wird, steigt ihre Inzidenz anschließend kontinuierlich an. Bei den über
70-Jährigen wird mit einer jährlichen Häufigkeit von zehn Neuerkrankungen pro 100
000 Menschen gerechnet [3]. Die Subtypisierung der akuten Leukämien erfolgt auf der Grundlage der Empfehlungen
der French-American-British Cooperative Group (FAB) unter Berücksichtigung morphologischer,
zytogenetischer und immunphänotypischer Merkmale [4]. Dabei wird die akute lymphatische Leukämie in die Typen L1 - L3 und die akute myeloische Leukämie in die Typen M1 - M7 eingeteilt. Die akute Monozytenleukämie, die bei den beiden hier vorgestellten Patienten
diagnostiziert werden konnte, entspricht dem Typ M5 der akuten myeloischen Leukämie. Innerhalb der Gruppe der chronisch verlaufenden
Leukämien ist die chronische lymphatische Leukämie mit 30 % die häufigste Leukämieform
der westlichen Welt. Auch ihre Inzidenz ist altersabhängig, wobei die Erkrankung in
den ersten vier Lebensdekaden selten ist, um dann bei den 50-Jährigen eine Inzidenz
von 5 : 100 000 und bei den 80-Jährigen eine solche von 30 : 100 000 zu erreichen
[5]. Die chronische myeloische Leukämie, deren Inzidenz mit jährlich zwei Neuerkrankungen
pro 100 000 Einwohner angegeben wird, zeigt einen Altersgipfel in der fünften Lebensdekade,
wobei etwa 20 % aller Leukämien der chronischen myeloischen Form zugerechnet werden
können [6].
Die klinische Symptomatik der Leukämien hängt von ihrer Verlaufsform ab. Bei den akuten
Leukämien wird das klinische Bild durch eine häufig fulminant zunehmende Knochenmarkinsuffizienz
geprägt. Dabei ist ein schweres Krankheitsbild mit hohem Fieber, Infektionen der oberen
Luftwege, gastrointestinalen Symptomen, Anorexie, Knochen- und Gelenkschmerzen sowie
Blutungen der Haut und Schleimhäute typisch [2]. Im Gegensatz hierzu werden die chronischen Leukämien häufig zufällig entdeckt,
z. B. durch routinemäßige Blutbilduntersuchungen oder durch asymptomatische Splenomegalien
bei Oberbauchsonographien. Allgemeines Unwohlsein, zunehmende Schwäche, schleichender
Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen und uncharakteristische Oberbauchbeschwerden
sind klinische Symptome der chronischen Leukämieformen [7].
Die diagnostische Einordnung der spezifischen oder unspezifischen Hautveränderungen
einer Leukämie dürfte in den meisten Fällen zunächst nur als Möglichkeit im Rahmen
differentialdiagnostischer Überlegungen erfolgen. Die Kenntnis der aufgeführten epidemiologischen
Daten und der allgemein-klinischen Symptome der Leukämien kann dabei im Einzelfall
hilfreich sein, um eine weiterführende Diagnostik zu veranlassen, wie sich dies auch
am Beispiel der folgenden Kasuistiken zeigen lässt.
Kasuistiken
Kasuistik I: Patient LK, 69 Jahre
Anamnese
Vier Wochen vor der stationären Aufnahme hatte der Patient erstmals juckende Hautveränderungen
an den Unterschenkeln bemerkt, die anschließend generalisierten. Im Zusammenhang mit
einem femoro-poplitealen Bybass bei bekannter AVK war der Patient seit einem Jahr
marcumarisiert. Die Einnahme weiterer Medikamente verneinte er. Die Einweisung des
Patienten erfolgte durch eine niedergelassene Dermatologin unter der Verdachtsdiagnose
eines papulösen Arzneimittelexanthems. Das Allgemeinbefinden war bei stationärer Aufnahme
in keiner Weise eingeschränkt.
Dermatologischer Aufnahmebefund
An den oberen und unteren Extremitäten sowie am Stamm in exanthematischer Ausbreitung
einzeln stehende oder auch konfluierende, linsen- bis halbkirschkerngroße, derbe,
hautfarbene oder rötlich tingierte Papeln und Knoten (Abb. [1], [2]). Im Bereich der Mundschleimhäute einzelne linsengroße, geringfügig infiltrierte
Erytheme. Die allgemein-körperliche Untersuchung war unauffällig. Insbesondere Lymphknoten
konnten nicht getastet werden.
Abb. 1 Pat. I: Disseminiert stehende Knoten Beugeseiten linker Arm.
Abb. 2 Pat. I: Konfluierende, plaqueförmige Knoten Streckseite linker Unterschenkel.
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Histopathologische Befunde
Biopsie einer Papel linker Unterarm: Bei unauffälliger Epidermis monomorphe Population atypischer monozytärer Zellen
mit ovalen Zellkernen und breitem eosinophilen Zytoplasma in der oberen und mittleren
Dermis. Immunhistochemisch exprimieren die atypischen Zellen CD43, Lysozym, CD68 und
fokal Chloracetatesterase. Diagnose: Leucaemia cutis bei myelomonozytärer Leukämie.
Knochenmarkbiopsie Beckenkamm: Ausgedehnte, etwa 80 % der Markfläche einnehmende Infiltrate, bestehend aus Blasten
mit polymorphen, teilweise auch gelappten Kernen. Helles Kernchromatin, zum Teil deutliche
Nukleolen. Hämatopoese stark vermindert. Immunhistochemisch positive Expression Monozytenmarker
Ki-M1p und Lysozym, negativ hingegen bei myeloischem Marker Ki-My2, B-Zell-Marker
CD79a und T-Zell-Marker CD3. Diagnose: Akute Monozytenleukämie FAB M5.
Laborbefunde
Blutbild: Leukozyten 6,9 (NW: 4 - 10,5/nl), Erythrozyten 4,85 (NW: 3,5 - 5,8/pl), Hämoglobin
12.9 (NW: 14,0 - 18,0 g/dl), Hämatokrit 38.8 (NW: 38 - 51 cl/l), MCV 79.8 (NW: 83
- 99 fl), HbE 26.6 (NW: 27 - 34 pg/Ery), RDW 17.1 (NW: 11 - 16 % VC), Thrombozyten
115 (NW: 130 - 450/nl).
Differentialblutbild: Myelozyten 1 (NW: 0 %), Stabkernige 8 (NW: 0 - 6 %), Segmentkernige 22 (NW: 45 -
85 %), Basophile 1 (NW: 0 - 3 %), Monozyten 29 (NW: 1 - 11 %), Lymphozyten 34 (NW:
10 - 50 %), atypische Zellen 5 (NW: 0 - 3 %). BSG n. W. 32/66 (NW: 10 - 20 mm), CRP
49 (NW: 3 - 15 mg/l), LDH 733 (NW: 240 - 480 U/l).
Ohne pathologischen Befund: Nierenpflichtige Substanzen, Lebertransaminasen, Bilirubin, Elektrolyte, Eiweißelektrophorese
und Urinstatus.
Ergänzende Untersuchungen
Rö.-Thorax und Oberbauchsonographie ohne pathologische Befunde. Sonographie Leisten
und Achseln mit Nachweis einzelner bis zu einem cm durchmessender, sonomorphologisch
unauffälliger Lymphknoten. CT Thorax und Abdomen: vereinzelt sehr kleine axilläre,
mediastinale und paraaortale Lymphknoten. Keine größeren Lymphknotenpakete, intrapulmonal
keine pathogenen Befunde, keine Hepatosplenomegalie oder andere pathologische Befunde
intraabdominell.
Therapie und Verlauf
Auf Grund der erhobenen Befunde wurde bei dem Patienten die Diagnose einer Leucaemia
cutis bei akuter Monozytenleukämie gestellt. Zur weiteren Behandlung erfolgte die
Verlegung in eine hämatologisch-onkologische Klinik. Unter der dort durchgeführten
Chemotherapie mit Daunorubicin und Cytarabin kam es zu einer vollständigen Remission,
die durch eine komplette Rückbildung des dermatologischen Befundes und eine Kontrollbiopsie
des Knochenmarks dokumentiert werden konnte. Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten.
Kasuistik II: Patientin BC, 72 Jahre
Anamnese
Die zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme bereits schwer kranke Patientin war unter
der Diagnose eines fieberhaften Infektes in die Medizinische Klinik des Hauses eingewiesen
worden. Seit einer Woche bestanden Temperaturen bis 40°C, Husten sowie schmerzhafte
Erosionen der Mundschleimhaut. Unmittelbar vor der Einweisung waren eine Makrohämaturie
und erstmals auch nicht juckende Hautveränderungen an den Extremitäten beobachtet
worden.
Dermatologischer Aufnahmebefund
Unter Betonung der Streckseiten der Unterschenkel an den oberen und unteren Extremitäten
münz- bis handtellergroße, auch konfluierende, unscharf begrenzte, teilweise deutlich
infiltrierte, druckdolente Erytheme (Abb. [3], [4]). Im Bereich der Mundschleimhäute linsen- bis fingernagelgroße, schmierig belegte
Erosionen.
Abb. 3 Pat. II: Flächenhaft infiltrierte Erytheme distaler Unterschenkel rechts.
Abb. 4 Pat. II: Einzeln stehende, infiltrierte Erytheme rechte untere Extremität.
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Histopathologische Befunde
Biopsie linker Unterschenkel: Bei durchgehend erhaltener Epidermis hochgradig ödematös aufgelockertes Korium.
Perivaskulär finden sich hier mononukleäre Infiltrate, die eine mittlere Proliferationsaktivität
von 20 % mit Ki-67 aufweisen. Sie exprimieren Ki-M1P zu über 90 %. Diagnose: Neoplastische Monozyteninfiltration. Befund passt in erster Linie zu einer akuten
Monozytenleukämie (FAB M5). Gelegentlich treten derartige Hautbefunde bereits in der
myelodysplastischen Vorphase einer Monozytenleukämie auf.
Knochenmarkbiopsie Beckenkamm: Normozelluläre Hämatopoese. Quantitativ etwas vermehrte, deutlich linksverschobene
Megakaryopoese. Linksverschobene Erythropoese mit Reifungsstörung. Granulopoese ganz
erheblich linksverschoben und hochgradig reifungsgestört. Nur ganz vereinzelt segment-
oder stabkernige Granulozyten. Vorherrschen von myeloischen blastären Vorstufen. Blastenanteil
ca. 30 %. Diagnose: Myelodysplastisches Syndrom mit Reifungsstörung aller Zellreihen und Blastenexzess.
Laborbefunde
Blutbild: Leukozyten 1,9 (NW: 4 - 10,5/nl), Erythrozyten 2,90 (/NW: 3,5 - 5,8/pl), Hämoglobin
8,3 (NW: 12,3 - 15,3 g/dl), Hämatokrit 25,2 (NW: 38 - 51 cl/l), MCV 86,9 (NW: 83 -
99 fl), HbE 28,7 (NW: 27 - 34 pg/Ery), RDW 28,1 (NW: 11 - 16 % VC), Thrombozyten 65
(NW: 130 - 450 /nl).
Differentialblutbild: Neutrophile 8 (NW: 45 - 85 %), Eosinophile 0 (NW: 0 - 6 %), Basophile 1 (NW: 0 -
2 %), Monozyten 48 (NW: 0 - 11 %), Lymphozyten 43 (NW: 10 - 50 %). BSG n. W. 56/98
(NW: 10 - 20 mm), CRP 81 (NW: 3 - 15 mg/l). Protein- und Hämaturie.
Ohne pathologische Befunde: Nierenpflichtige Substanzen, Lebertransaminasen, LDH, CK, Bilirubin und Elektrolyte.
Ergänzende Untersuchungen
Rö.-Thorax: Ausgedehnte Oberlappenpneumonie beidseits mit Begleiterguss. Flaues Infiltrat rechts,
offenbar im Mittellappen gelegen.Oberbauchsonographie: Splenomegalie (14,5 × 6,5 cm),
leichte Hepatomegalie.
Therapie und Verlauf
Trotz intensivmedizinischer Betreuung, bei der die Behandlung der Pneumonie im Vordergrund
stand, verschlechterte sich der Zustand der Patientin kontinuierlich. Gleichzeitig
entwickelte sich eine Leukozytose von maximal 90/nl mit 95 % Leukämiezellen sowie
einer Thrombozytopenie von 5/nl. Die Patientin verstarb an der nicht beherrschbaren
Pneumonie im akuten Herz-Kreislaufversagen.
Diskussion
Die Leukämien können sich durch eine sehr unterschiedliche kutane Symptomatik auszeichnen,
wobei spezifische und unspezifische Hautveränderungen voneinander abgegenzt werden.
Als spezifisch gelten Hautveränderungen, die sich histopathologisch durch ein leukämisches
Infiltrat auszeichnen. Unabhängig von der jeweils vorliegenden klinischen Morphologie
werden diese Hautveränderungen zusammengefasst auch als Leucaemia cutis bezeichnet.
Die unspezifischen Hautveränderungen entwickeln sich hingegen als Folge einer gestörten
Hämatopoese oder stellen paraneoplastische Reaktionen dar [8]. Einzelne Hautveränderungen, z. B. hämorrhagische Phänomene oder Ulzera, können
sowohl Ausdruck einer spezifischen als auch einer unspezifischen Genese sein. Die
spezifischen Manifestationen der Leukämien sind insgesamt seltene Ereignisse, wenngleich
ihre Häufigkeit bei den verschiedenen Leukämieformen deutliche Unterschiede aufweisen
kann. Dabei sind die in der Literatur gemachten Angaben zur Häufigkeit der Leucaemia
cutis untereinander nicht immer vergleichbar, da die Terminologie und die Klassifikation
der Leukämien in der Vergangenheit nicht einheitlich benutzt worden sind. Unbestritten
werden spezifische Hautveränderungen in der Praxis am häufigsten bei der chronischen
lymphatischen Leukämie beobachtet, ein Umstand, der allerdings darauf zurückzuführen
sein dürfte, dass die chronische lymphatische Leukämie selbst die häufigste Leukämieform
darstellt und darüber hinaus einen meist langfristigen Verlauf zeigt [9]
[10]. Die entsprechende Häufigkeit wird in der Literatur mit 8 - 27 % angegeben [11]
[12]. Betrachtet man die Häufigkeit der Leucaemia cutis bezogen auf die absolute Zahl
der einzelnen Leukämieformen, finden sich spezifische Hautveränderungen relativ am
häufigsten bei den akuten myeloischen Leukämien [9]
[13]. In größeren Studien fanden sich über 40 % der spezifischen Hautveränderungen bei
Patienten mit akuten myeloischen Leukämien [14]
[15]. Innerhalb dieser Gruppe ist wiederum die akute Monozytenleukämie mit 25 - 33 %
am häufigsten mit einer Leucaemia cutis verbunden [14]
[15]
[16]
[17]. Interessanterweise finden sich bei den akuten myeloischen Leukämien auch überproportional
häufig leukämische Lungeninfiltrate. Eine Erklärung hierfür ist möglicherweise die
für reife myeloische Zellen typische Expression von Adhäsionsmolekülen [18]. Diese biologische Eigenschaft könnte dann auch als Grund für die Häufigkeit der
Leucaemia cutis bei den akuten myeloischen Leukämien herangezogen werden. Im Gegensatz
zu den genannten Leukämieformen sind spezifische Hautveränderungen bei der akuten
lymphatischen und der chronischen myeloischen Leukämie deutlich seltener. Die Häufigkeitsangaben
liegen hier zwischen 2 und 3 % [19]
[20].
Die spezifischen Hautveränderungen der Leukämien zeichnen sich durch eine ausgeprägte
klinische Polymorphie aus. Dabei können alle Variationen der Leucaemia cutis bei jeder
Leukämieform auftreten, so dass auf Grund der im Einzelfall vorliegenden klinischen
Morphologie nicht auf die Art der zu Grunde liegenden Leukämie geschlossen werden
kann [10]. Allerdings können einzelne Formen der Leucaemia cutis bei bestimmten Leukämien
deutlich häufiger beobachtet werden, wie z. B. die Gingivahyperplasie, die Makrulie,
bei der akuten Monozytenleukämie [21]. Darüber hinaus können die spezifischen Hautveränderungen in einer einzelnen Form
oder in jeder beliebigen Kombination der Morphen auftreten. In den meisten Fällen
manifestiert sich eine Leucaemia cutis erst im Verlauf einer bereits bekannten Leukämie.
Seltener können die spezifischen Hautveränderungen parallel mit der internistischen
Symptomatik auftreten oder dieser in Einzelfällen als so genannte aleukämische Leucaemia
cutis sogar vorausgehen [22]
[23]
[24]. Die häufigsten Manifestationsformen der Leucaemia cutis sind Papeln, Knoten oder
plaqueförmige Infiltrationen, die exanthematisch oder in Form weniger Einzelherde
auftreten können. Die Häufigkeit der knotigen Morphen wird in einzelnen Untersuchungen
mit bis zu 60 % angegeben [10]. In Abhängigkeit von ihrer Größe und Lokalisation innerhalb der kutanen Strukturen
werden hautfarbene, gelbliche, erythematöse, livide oder auch braun pigmentierte Knoten
beobachtet [21]
[25]
[26]. Zu den bevorzugt betroffenen Arealen zählen in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit
der Stamm, die Extremitäten, der Kopf und der Nacken [10]. Der Befall des Gesichtes mit monströsen Knoten oder Plaques wird dabei als Facies
leontina bezeichnet [21]. Als eine weitere Sonderform knotiger Manifestationen der Leucaemia cutis wird das
sogenannte Chlorom beschrieben. Dieser seltene Tumor, der durch leukämische Infiltrationen
der Perioststrukturen der Orbita oder anderer Knochen entsteht, ist gekennzeichnet
durch eine grünliche Verfärbung, verursacht durch eine hohe Gewebekonzentration von
Myeloperoxidase [27]. Für alle knotigen Strukturen typisch ist ein derber Palpationsbefund. Vereinzelt
können größere Knoten sekundär ulzerieren [21]
[25]
[26]
[28]. Umschriebene, unscharf begrenzte Erytheme mit oder ohne Schuppung, Ekchymosen,
die sowohl Ausdruck einer leukämischen Infiltration als auch Folge einer Thrombozytopenie
sein können, sowie Erythrodermien stellen weitere, jedoch seltener vorkommende Manifestationen
der Leucaemia cutis dar. Dabei variieren die Häufigkeitsangaben zwischen 19 % für
Erytheme, 17 % für Ekchymosen und weniger als 5 % für Erythrodermien [10]. Letztere werden in ihrer klinischen Ausprägung als Erytheme ohne weitere morphologische
Kriterien oder als exsudativ-ekzematöse Formen beschrieben [29]. Als gelegentlich beobachtete Manifestation einer Leucaemia cutis gelten primär
auftretende, einzeln oder disseminiert vorkommende Ulzera, die mit einem maximal beschriebenen
Durchmesser von bis zu 10 cm eine beachtliche Größe erreichen können [30]
[31]. Die ebenfalls nur selten vorkommenden Blasen vervollständigen das klinische Spektrum
der Leucaemia cutis [10]. Neben den beschriebenen Manifestationen der Leucaemia cutis am äußeren Integument
findet sich eine Vielzahl spezifischer Hautveränderungen auch im Bereich der Mundschleimhäute.
Dabei steht die Gingivahyperplasie mit einer Häufigkeit von 3 - 5 % zahlenmäßig im
Vordergrund [32]. Klinisch-morphologisch finden sich ödematös-knotige oder plattenförmige Infiltrationen,
die die Zähne überwuchern können. Nekrosen, tiefgreifende Ulzera und Zahnverlust sind
mögliche Folgen der leukämischen Infiltrationen.
Von den unterschiedlichen Erscheinungsformen der Leucaemia cutis sind die deutlich
häufiger vorkommenden, unspezifischen Hautveränderungen der verschiedenen Leukämien
abzugrenzen, wobei spezifische und unspezifische Hautveränderungen auch gleichzeitig
auftreten können. Bezogen auf die gesamte Gruppe der Leukämien finden sich bei 25
- 40 % der betroffenen Patienten unspezifische Hautveränderungen [33]. Allerdings gibt es auch hier wieder teilweise deutliche Unterschiede zwischen den
einzelnen Leukämieformen [34]. So wird z B. die Häufigkeit der unspezifischen Hautveränderungen bei der Monozytenleukämie
vereinzelt mit bis zu 80 % angegeben [8]. Die unspezifischen Hautveränderungen entwickeln sich auf der Grundlage der gestörten
Hämatopoese oder werden als paraneoplastische Reaktionen verstanden. Die besonders
bei den akuten Leukämien häufig vorkommende Thrombozytopenie ist dabei für verschiedene
hämorrhagische Phänomene verantwortlich, z. B. für Petechien, Ekchymosen oder Sugillationen.
Hingegen dürfte die ebenfalls zu beobachtende palpable Purpura typischerweise auf
eine paraneoplastische Vasculitis allergica zurückzuführen sein [34]
[35]. Die gestörte Granulozytopoese wird für die gehäuft vorkommenden opportunistischen
Infektionen verantwortlich gemacht. Für Leukämien typisch sind dabei chronisch-persistierende
Herpes simplex-Eruptionen, der Herpes zoster generalisatus, chronische Follikulitiden,
Abszessbildungen und klinisch-morphologisch ungewöhnliche Mykosen [10]
[21]
[28]
[34].
Zu den paraneoplastischen Reaktionen zählen der generalisierte, häufig therapieresistente
Pruritus, urtikarielle, ekzematoide oder makulopapulöse Exantheme sowie das Erythema
nodosum und das Erythema exsudativum multiforme [27]. Auch das Sweet-Syndrom und das Pyoderma gangraenosum können als unspezifische Hautveränderungen
im Rahmen einer Leukämie auftreten. Bei einer umfangreichen Literaturstudie zum Sweet-Syndrom
fanden sich bei 20 % der Patienten assoziierte Malignome, von denen wiederum fast
40 % an einer akuten myeloischen Leukämie erkrankt waren [36]. Das mit einem Malignom verbundene Sweet-Syndrom kann dabei klinisch ungewöhnliche,
bullöse oder ulzerierende Formen aufweisen. Die Assoziation zwischen einem Pyoderma
gangraenosum und den verschiedenen Leukämieformen ist ebenfalls gehäuft beobachtet
worden. Auch hierbei gilt, dass klinisch ungewöhnliche Manifestationsformen eines
Pyoderma gangraenosum als Hinweis für die Existenz einer malignen Grunderkrankung
gelten müssen [27]. Auf Grund ihrer ungewöhnlichen Häufigkeit können auch Arzneimittelexanthme als
unspezifische Hautveränderungen der Leukämien eingeordnet werden. Bei einzelnen Untersuchungen
konnten bei mehr als 50 % der Patienten Arzneimittelexantheme beobachtet werden, die
durch chemisch völlig unterschiedliche Arzneimittelgruppen ausgelöst worden waren
[38]. Als besondere Form einer Arzneimittelreaktion wird die sogenannte „eruption of
lymphocyte recovery” von den herkömmlichen Arzneimittelexanthemen abgegrenzt. Dabei
entwickelt sich meist während der Induktionsphase einer Chemotherapie ein makulopapulöses
Exanthem, das typischerweise unmittelbar nach dem Tiefpunkt der Leukozytopenie auftritt
[39]. Die differentialdiagnostischen Überlegungen zu den verschiedenen Formen der Leucaemia
cutis sind von der jeweils vorliegenden klinischen Morphologie abhängig. Darüber hinaus
ist von entscheidender Bedeutung, ob bei einem betroffenen Patienten eine Leukämie
bereits bekannt ist oder ob in der möglicherweise initialen Phase der Erkrankung eine
allgemeine Symptomatik besteht, die auf eine Leukämie hindeuten könnte. So die eine
oder die andere Situation gegeben ist, wird man insbesondere beim Auftreten der doch
relativ charakteristischen papulösen Morphen frühzeitig an eine Leucaemia cutis denken
müssen. Ist hingegen eine Leukämie nicht bekannt, fehlen richtungsweisende Symptome
einschließlich der entsprechenden Blutbildveränderungen oder wird eine allgemeine
Krankheitssymptomatik zunächst als Ausdruck einer banalen Infektion gewertet, dürfte
die Leucaemia cutis im Allgemeinen eine Zufallsdiagnose sein, die erst durch eine
histopathologische Untersuchung der vorliegenden Hautveränderungen aufgedeckt wird.
Eine solche Situation war auch bei den hier vorgestellten Patienten gegeben. Bei dem
ersten Patienten hatte sich ein papulöses Exanthem entwickelt, ohne dass Einschränkungen
des Allgemeinbefindens erfragt werden konnten. Auch eine Leukämie war zum Zeitpunkt
der stationären Aufnahme nicht bekannt gewesen. Auf Grund des klinischen Befundes
hatte die einweisende Dermatologin die Verdachtsdiagnose eines papulösen Arzneimittelexanthems
gestellt, während unsererseits an eine Sarkoidose gedacht wurde. Beide Differentialdiagnosen
werden in der Literatur beschrieben [8]
[21]
[24]. Die stationäre Einweisung der zweiten Patientin in die Innere Klinik des Hauses
erfolgte unter der Diagnose eines fieberhaften Infektes, wobei die Rö.-Aufnahme der
Thoraxorgane eine beidseitige Pneumonie zeigte. Die erst sehr kurzfristig bestehenden
Hautveränderungen wurden zunächst als Erythema nodosum eingeordnet. Erst die nachgewiesene
Panzytopenie und die Therapieresistenz der Pneumonie waren Anlass zur Durchführung
einer Biopsie, deren histopathologische Beurteilung dann zur Diagnose einer Leucaemia
cutis führte. Dabei zählen sowohl das Erythema nodosum als auch das Erythema exsudativum
multiforme zu wiederholt genannten Differentialdiagnosen der Leucaemia cutis [8]
[10]
[28]. Die weiteren im Einzelfall zu berücksichtigen Differentialdiagnosen umfassen maligne
Lymphome und Pseudolymphome, kutane Metastasen viszeraler Karzinome, makulöse oder
papulöse syphilitische Exantheme sowie atypische Formen der Pityriasis rosea. Die
leukämischen Manifestationen im Bereich der Mundschleimhäute sind insbesondere von
der Angina Plaut-Vincent abzugrenzen [8]
[21]
[24].
Das Spektrum der möglichen Differentialdiagnosen und die Besonderheiten im klinischen
Verlauf der verschiedenen Leukämieformen unterstreichen die Probleme bei der diagnostischen
Einordnung einer Leucaemia cutis. Auf Grund der phänomenologischen Ähnlichkeiten mit
zahlreichen Dermatosen wird die Diagnose einer Leucaemia cutis letztendlich immer
histopathologisch gestellt werden müssen.