Auch auf unsere gute alte Haut ist die aktuelle Fitness-Wellness-Welle übergeschwappt.
Straff und jung soll sie sein, ergo der Kampf gegen Fettpolster und Falten ist eröffnet.
So ausufernd wie die Liste der vermeintlichen Ursachen von Cellulite und anderen Makeln
der schönen fitten Welt, liest sich auch die Litanei der angeblichen Erfolgstherapien:
Massagen mit Bürsten, Rollern oder Vibratoren, Vakuumpumpen, Bodywrapping à la holländische
Salatgurke und natürlich Cremes, Lotionen sowie Badezusätze, die die abgelagerten
Schlacken auflösen sollen (im Körper und nicht in der Badewanne). Natürlich nicht
zu vergessen die „rein pflanzlichen” Kapseln und Pillen mit den „lebenswichtigen Vitaminen
und Mineralstoffen”, die die Fettverbrennung anregen, freie Radikale abfangen, den
Stoffwechsel ankurbeln oder sonstige medizinische Wunder vollbringen, die bis dato
dem Weihwasser vorbehalten waren.
Schaut man einmal hinter die Kulissen der wunderbaren Versprechungen, sieht es dann
doch eher mau aus. Generell wird in der Fachliteratur beklagt, dass z. B. bis heute
„noch keine effektive Behandlung oder Verhütung der Cellulite nachgewiesen wurde”
und dass „nur wenig wissenschaftliche Evidenz existiert, um auch nur eine der vielen
beworbenen Behandlungsmethoden zu unterstützen”. Wenn es schon nicht wirkt - so schadet
es doch wenigstens nicht? Irrtum, sagen Dermatologen, wenn sie an Anti-Cellulite-Cremes
denken. Finnische Wissenschaftler hatten 32 Produkte unter die Lupe genommen. Insgesamt
waren 263 verschiedene chemische Substanzen darin enthalten. Sie fanden allein 44
verschiedene pflanzliche Inhaltsstoffe, 39 verschiedene „Emolletien” und natürlich
allerlei Konservierungsstoffe und Duftstoffe. Ein Viertel der gefundenen Zutaten war
als allergen bekannt, in vielen Fällen aber nicht in geeigneter Weise deklariert.
Eine englische Forschergruppe wandte sich gezielt einer so genannten Aminophyllin-Creme
zu, die das Cellulite-Fett angeblich in Fettsäuren zerlegt. Wie erwartet zeigte das
Produkt im Experiment ebenfalls keinen Effekt - außer Hautreizungen und allergische
Reaktionen bei jeder vierten Versuchsperson. In einer anderen Studie aus Großbritannien
wurde eine Kapsel, die Cellulite von innen heraus bekämpfen sollte, gegen ein Plazebo
getestet. Selbst die vereinten Kräfte von Gingko, Süßklee, Grapefruitsamen, Blasentang,
Nachtkerzenöl, Sojalecithin, Borretschsamenöl, Fischöl und anderen Leckereien brachten
keinen Erfolg. Bedenklich stimmt jedoch der hohe Jodanteil des Präparates. Jede Kapsel
enthielt 240 mg des Mineralstoffes. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt
nur 150 mg Jod pro Tag aufzunehmen. Zu viel Jod kann Schilddrüsenstörungen hervorrufen.
Von den Kapseln sollten die Frauen laut Hersteller aber gleich 2 - 3 pro Tag einnehmen
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Bodywrapping - das Einpacken in Folie und Gummianzüge - vermag entgegen den Werbeversprechen
prinzipiell kein „Fett abzuschmelzen”. Schließlich bestehen die Fettdepots nicht aus
Butter, sondern aus Fettzellen. Das Verfahren presst lediglich etwas Lymphflüssigkeit,
also Wasser, aus den Pobacken - etwa so, wie auch ein Saftschinken unter Druck etwas
Wasser absondert. Ebenfalls nicht empfehlenswert ist nach Auffassung von Alexander
Konstantinow, Dermatologe an der Universitäts-Hautklinik München, die so genannte
Cellulipolyse. Dabei soll - so die eigenwillige Theorie - der Stoffwechsel der Fettzellen
mit Hilfe von Gleichstrom angeregt werden. „Wissenschaftlich haltbare Studien sind
nicht bekannt”, so Konstantinow. „Das Verfahren ist teuer, zeitaufwändig und schmerzhaft.”
Auch die Stiftung Warentest nahm sich jüngst des klebrigen Themas an. Fazit der Tester:
„es hat nicht gewirkt (u) weder Creme, Gel, Serum oder Spray noch das Massagegerät
haben einen positiven Einfluss auf die welligen Pölsterchen. Nach wie vor gilt: schlanker
wird nur das Portemonnaie.” Die einzige wirksame Methode, um das Fett zurückzudrängen,
besteht deshalb weder in Cremetöpfchen noch in Massageapparaten, sondern ausschließlich
im Kampf gegen das Unterhautfettgewebe, verkünden einige Experten. Und sie wissen
auch schon wie: mit fettarmer, ballaststoffreicher Diät und viel Sport, „am besten
Joggen”. Warum? Weil das „in den betroffenen Hauptpartien Muskeln aufbaut” orakelt
Gisela Albrecht, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allerlogie am Klinikum
Berlin-Spandau, in der Zeitschrift test.
Also raus aus dem Bodywrapping, weg mit den Cremes und rein in die Joggingschuhe.
Schön wär’s, leider sind die versprochenen positiven Wirkungen der täglichen Ertüchtigung
durchaus wissenschaftlich umstritten. Weder kann durch zusätzlichen Sport eine nachhaltige
Gewichtsverringerung erzielt werden, und auch die Kombination mit einer Diät bringt
im Vergleich zur Nur-Diät-Gruppe keinen weiteren Gewichtsverlust. Zum Trost für die
Jogger sei allerdings hier nicht verschwiegen, dass alle Diäten nach spätestens 2
Jahren wieder zum Ausgangsgewicht zurückführen - und als Sahnehäubchen zum Andenken
noch mit ein paar Extrakilos dazu.
Joggen eignet sich dagegen, insbesondere für schlanke Frauen, ganz besonders gut als
Einstiegsdroge in die athletische Triade mit Essstörung, Osteoporose und Menstruationsstörungen.
Auch besonders sensible Stellen der Haut, unsere Brustwarzen entzünden sich nicht
selten, wenn sie im Laufrhythmus an der Kleidung scheuern. In der Fachliteratur als
„Joggernippel” bekannt, empfehlen Fachleute deshalb einen passenden BH oder das Überkleben
bzw. regelmäßige Fetten der Warzen. Übrigens kein rein weibliches Problem.
Zu besonderer Zurückhaltung rät Janet T. Wallis von der Universität Bloomington stillenden
Joggerinnen. Sie erkannte, dass man nicht gleich an eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung
denken sollte, wenn Säuglinge sich weigern, an der Brust ihrer sportlichen Mama zu
nuckeln. Vielleicht ist ja nur die Milch sauer. Bekanntlich steigt bei körperlicher
Aktivität die Laktat- sprich die Milchsäurekonzentration im Blut und damit natürlich
auch im Brustsekret. Wallis’ Messungen ergaben, dass bereits mäßiges Joggen das Laktat
so stark ansteigen lässt, dass so manche Muttermilchprobe von erwachsenen Testpersonen
als sauer empfunden wird. Folge des mütterlichen Bewegungsdrangs: Die Säuglinge treten
in den Hungerstreik. Wer trinkt schon gern verdorbene Milch?
Da nun auch bei der Radikallösung des Fettpölsterchenproblems, der Fettabsaugung,
die Erfolge durchaus geteilt gesehen werden können - die abgesaugten Fettmengen wachsen
nämlich nach einiger Zeit wieder nach, nur weiß man nicht an welchen Stellen! -, scheint
die einzige Lösung die gesunde Ernährung zu sein, um das Ziel jugendliche Haut und
straffer Hintern zu erreichen. Doch leider ist das Konzept einer allgemeingesunden
Ernährung so plausibel wie eine allgemeingesunde Schuhgröße, so groß ist unsere genetisch
bedingte Streuung unterschiedlicher Verdauungsenzyme. Auch die vielgerühmte ballaststoffreiche
Ernährung bringt durch Überlastung der Darmflora letztlich keinen anderen Erfolg als
Blähungen mit viel heißer Luft.
Alles ziemlich schwer verdaulich für die Gemeindemitglieder der Forever-young-Community.
Glauben sie doch inbrünstig, alles sei nur eine Frage des disziplinierten Lebensstils,
weshalb sie gerne herabschauen auf Menschen, die mit dem bewährten Standardmodell
herumspazieren und sich dabei noch gut fühlen. Übertrieben? Immerhin 42 % unter den
Dreißigjährigen stimmen z. B. dem Satz zu: „Wer nicht an sich arbeitet, um eine gute
Figur zu haben und leistungsfähig zu bleiben, ist selbst schuld, wenn er z. B. berufliche
Nachteile hat oder nicht so leicht einen Partner findet.” Das ermittelte das Institut
für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Körperstiftung im Oktober 2000.
Was also tun? Am besten wir hören anstatt auf diverse „Experten” in Funk und Fernsehen
lieber wieder mehr auf die eigentlichen Bedürfnisse unseres eigenen Körpers, die er
uns ganz individuell in Form von Instinkten wie Appetit oder auch Befindlichkeit mitteilt.
Er hat ein Recht darauf, schließlich trägt er uns durch dick und dünn und darf dabei
die eine oder andere Schramme abbekommen. Tragen wir im Alter unsere schrumpelige
Haut als Zeichen der Würde und der Bewältigung eines ereignisreichen Lebens. Seien
wir ruhig stolz auf sie. Eine andere Wahl scheinen wir eh nicht zu haben.