Die akute mechanische Verlegung der pulmonalen Strombahn mit thrombotischem Material
ist in mehr als 90 % der Fälle eine Folge einer Thrombose im Bereich der tiefen Beinvenen,
wesentlich seltener im Bereich des rechten Herzens oder der oberen Extremitäten. Das
klinische Spektrum ist breit und reicht von asymptomatischen Verläufen bis zu fulminanten,
lebensbedrohlichen Verläufen mit akutem Cor pulmonale, Schock und schwerer arterieller
Hypoxie. Gegenwärtige Therapiemaßnahmen beinhalten bei submassiven Lungenembolien
eine therapeutische Heparinisierung mit intravenös verabreichtem, unfraktioniertem
Heparin mit einer Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit auf das 2,5- bis
3fache der Norm mit anschließender überlappender oraler Antikoagulation mit Cumarinen.
Weiterhin kommen - insbesondere bei fulminanten Verläufen - die thrombolytische Therapie
und - als ultima ratio - die chirurgische oder katheterbasierte Embolektomie zur Anwendung.
Ergebnisse von klinischen Studien der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass die
subkutane Verabreichung von niedermolekularem Heparin ein sicheres und effektives
Therapieregime bei der Behandlung tiefer Beinvenenthrombosen ist [1]
[2]
[3]
[4]. In einer von Gould 1999 veröffentlichten Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass
bei Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose die Behandlung mit niedermolekularem Heparin
- im Vergleich zu intravenös verabreichtem, unfraktioniertem Heparin - weniger Blutungskomplikationen
hervorruft, seltener zu erneuten thromboembolische Ereignissen führt und die Mortalität
signifikant reduziert [1]. Weniger klar ist die Rolle von niedermolekularem Heparin bei der Behandlung von
akuten Lungenembolien, und die klinische Praxis besteht weiterhin darin, solche Patienten
mit unfraktioniertem Heparin intravenös zu behandeln.
Ziel einer kürzlich publizierten Metaanalyse von D. J. Quinlan u. Mitarb. war deshalb
der Vergleich zwischen niedermolekularem, subkutan verabreichtem Heparin und intravenös
verabreichtem, unfraktioniertem Heparin hinsichtlich Sicherheit und Effektivität bei
der Behandlung von Lungenembolien [5].
Es handelt sich um eine Metaanalyse von 12 randomisierten, kontrollierten Studien
und schließt insgesamt 1951 Patienten mit submassiver Lungenembolie oder asymptomatischer
Lungenembolie bei symptomatischer tiefer Beinvenenthrombose ein. Grundlage zur Auswahl
der Studien waren die Literaturdatenbanken Medline, Embase und Cochrane Library.
Primärer Endpunkt war das erneute Auftreten von einem thromboembolischen Ereignis
(tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie) während des Behandlungszeitraums, sekundäre
Endpunkte waren das erneute Auftreten von einem thromboembolischen Ereignis innerhalb
von 3 Monaten, die Mortalität und das Auftreten von Blutungskomplikationen.
In der Gruppe der mit niedermolekularem Heparin behandelten Patienten wurde eine niedrigere
Häufigkeit erneuter thromboembolischer Ereignisse während des Behandlungszeitraums
(1,4 vs. 2,4 % in der Gruppe der mit unfraktioniertem Heparin behandelten Patienten)
und innerhalb von 3 Monaten (3,0 vs. 4,4 %) beobachtet. Diese Unterschiede waren jedoch
nicht statistisch signifikant. Ebenso fanden sich keine signifikanten Unterschiede
hinsichtlich Mortalität am Ende des Behandlungszeitraumes (1,4 vs. 1,2 %) und nach
3 Monaten (4,7 vs. 6,1 %). Größere Blutungskomplikationen traten in 1,4 % der mit
niedermolekularem Heparin behandelten Patienten auf. Im Vergleich hierzu erlitten
2,3 % der mit unfraktioniertem Heparin behandelten Patienten größere Blutungen. Kleinere
Blutungskomplikationen traten häufiger bei niedermolekularem Heparin auf (6,8 vs.
5,5 %). Auch diese Unterschiede waren nicht statistisch signifikant.
Für Patienten mit nicht-fulminanter Lungenembolie besteht ein zunehmendes Interesse,
niedermolekulares, subkutan applizierbares Heparin anstelle von unfraktioniertem,
intravenös zu verabreichendem Heparin therapeutisch einzusetzen. Unfraktioniertes
Heparin hemmt Faktor Xa und Thrombin gleichermaßen, während niedermolekulares Heparin
präferenziell Faktor Xa inhibiert. Wesentliche Argumente für den Einsatz von niedermolekularem,
subkutan applizierbarem Heparin bestehen in einer Erhöhung der Lebensqualität des
Patienten und einer potenziellen Kostenreduktion im Vergleich zu unfraktioniertem
Heparin, insbesondere weil die subkutane Applikation eine Behandlung zu Hause, d.
h. außerhalb des stationären Rahmens, ermöglicht [3]
[4]. In einer Studie aus dem Jahre 1999 konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung
von Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose mit niedermolekularem Heparin im Vergleich
zu einer intravenösen Behandlung mit unfraktioniertem Heparin vor allem dann kostengünstiger
ist, wenn 8 % dieser Patienten vollständig ambulant behandelt bzw. wenn 13 % dieser
Patienten frühzeitig aus dem Krankenhaus entlassen werden können [6]. Weiterhin wird niedermolekulares Heparin in einer gewichtsadaptierten, festen Dosierung
verabreicht und bedarf keiner Kontrolle von Blutgerinnungsparametern.
Neben diesen Vorteilen hinsichtlich Kosten und Einfachheit der Anwendung hat sich
niedermolekulares, subkutan verabreichtes Heparin auch hinsichtlich Sicherheit und
Effektivität in zahlreichen Studien als mindestens gleichwertig im Vergleich zu unfraktioniertem,
intravenös verabreichtem Heparin in der Behandlung tiefer Beinvenenthrombosen erwiesen
[1]
[2]
[3]
[4]. Außerdem ist die Behandlung mit niedermolekularem Heparin im Vergleich zur Behandlung
mit unfraktioniertem Heparin in einem deutlich geringerem Prozentsatz mit der Entwicklung
einer Heparin-induzierten Thrombopenie assoziiert [7].
In der vorliegenden Studie von D. J. Quinlan u. Mitarb. zeigte sich kein signifikanter
Unterschied hinsichtlich des Auftretens von erneuten thromboembolischen Ereignissen,
Mortalität und Blutungskomplikationen zwischen beiden Behandlungsformen. Ein wesentlicher
Nachteil der vorliegenden Studie besteht jedoch in der für eine solche Meta-Analyse
doch relativ geringen Anzahl von Patienten in Verbindung mit einer insgesamt eher
niedrigen Frequenz der den primären oder sekundären Parametern zugrunde liegenden
Ereignissen (Tod, erneutes thromboembolisches Ereignis, Blutung), die letztlich keine
verlässliche Aussage zulassen, ob es signifikante Unterschiede zwischen beiden Therapieregimen
gibt. Weiterhin liefert die vorliegende Studie keine Ergebnisse, die einen Vergleich
beider Therapieregime, aufgeschlüsselt nach verschiedenen Patientenkollektiven (z.
B. Lungenembolien bei Patienten mit Tumorleiden), ermöglicht. Dies könnte jedoch durchaus
klinische Relevanz haben. Darüber hinaus bleiben die Mechanismen einer möglichen Reduktion
der Mortalität nach 3 Monaten (4,7 vs. 6,1 %) - wie auch in vorherigen Studien - unklar.
In der oben bereits erwähnten Metaanalyse von Gould u. Mitarb. [1] konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose die Behandlung
mit niedermolekularem Heparin - im Vergleich zu intravenöse verabreichtem unfraktioniertem
Heparin - die Gesamtmortalität signifikant reduziert, dies war jedoch nicht das Resultat
einer reduzierten Mortalität infolge einer geringeren Anzahl thromboembolischer Ereignisse
oder von weniger Blutungskomplikationen. Letztlich ermöglicht die vorliegende Studie
auch keinen sicheren Aufschluss über mögliche Unterschiede hinsichtlich Sicherheit
und Effektivität zwischen den verschiedenen niedermolekularen Heparinpräparaten, die
sich durchaus hinsichtlich des Molekulargewichtes, der Plasmaclearance und der spezifischer
Aktivität unterscheiden [8].
Zusammenfassend legen die Ergebnisse der Metaanalyse von Quinlan u. Mitarb. den Schluss
nahe, dass die Therapie mit niedermolekularem Heparin eine sichere und effektive Alternative
zu unfraktioniertem Heparin bei der Behandlung von nicht fulminanten Lungenembolien
sein kann. Zur abschließenden Beurteilung, ob niedermolekulares, subkutan verabreichtes
Heparin routinemäßig in der - auch bevorzugt ambulanten - Behandlung von Patienten
mit submassiver Lungenembolie eingesetzt werden kann, bedarf es der Durchführung weiterer
Studien mit größeren Patientenzahlen. Neben niedermolekularem Heparin dürften in Zukunft
auch selektive Faktor Xa Inhibitoren, von denen sich Fondaparinux in einer Studie
aus dem Jahre 2003 als gleichermaßen sicher und effektiv bei der Behandlung von Patienten
mit symptomatischer Lungenembolie erwies [9], eine größere Rolle spielen und zur klinischen Anwendung kommen.