Pneumologie 2005; 59(6): 417-419
DOI: 10.1055/s-2004-830313
Workshop
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Morphologie pulmonaler Infektionsmodelle bei unterschiedlichen Spezies und ihre Bewertung

M.  Rosenbruch1
  • 1Bayer HealthCare AG - PH-R & D-T, Wuppertal
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Publication Date:
01 July 2005 (online)

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Pulmonale Infektionsmodelle werden in der Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung eingesetzt. Sie dienen in der Human- und Veterinärmedizin einmal zur Untersuchung der Pathogenese bakterieller oder viraler Infektionen, aber auch, um Wirkstoffe gegen diese Erreger zu entwickeln [1]. Je nach Fragestellung bzw. Anwendung der zu untersuchenden Wirkstoffe erfolgen die Studien an Nagern (Ratte, Maus) oder Nichtnagern (z. B. Hund, Schwein oder Rind). Untersuchungen an Nagern haben den Vorteil, dass sie einfacher in der Durchführung sind (z. B. Applikation/Exposition, Haltung, Sektion der Tiere) und dass mehr Vergleichsdaten aus der Literatur zur Verfügung stehen. Bezüglich der morphologischen Auswertung besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die gesamte Nager-Lunge zu untersuchen, wohingegen bei den Nichtnager-Lungen immer eine Probenauswahl erfolgen muss. Die Versuchstiere werden im Regelfall intranasal oder intratracheal, in Einzelfällen auch intrabronchial [2] oder aerogen, infiziert, wobei die intranasale Applikation einfacher durchzuführen ist und einen geringeren Artefakt-Grad aufweist. Die Verbreitung der Infektionserreger im Respirationstrakt sowie gegebenenfalls auch systemische Effekte lassen sich nach intranasaler Applikation realitätsnäher mikrobiologisch und morphologisch untersuchen.

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Planung

Möglichst vor Studienbeginn ist im Dialog der beteiligten Disziplinen festzulegen, welches Studien-Design angewandt werden soll, einschließlich der Modalitäten der pathomorphologischen Auswertung. Dazu sind folgende Fragen zu klären:

  • Welche Applikationsmethode wird durchgeführt und wo werden Erreger-induzierte Veränderungen erwartet?

  • Welche Organe sollen untersucht werden: nur Lungengewebe (wie detailliert?), der gesamte Respirationstrakt oder auch Organe/Gewebe außerhalb des Atmungstraktes?

  • Wie häufig werden die Erreger verabreicht, welche Interim-Untersuchungstermine sind vorzusehen und ist eine Nachbeobachtungsphase (Recovery) geplant?

  • Welche Kontrollgruppen werden mitgeführt (Negativ-, Vehikel- und/oder Positivkontrolle)?

  • Soll die pathomorphologische Auswertung offen oder verblindet erfolgen?

  • Welche Methoden (außer morphologische Untersuchungen) werden eingesetzt und können sich gegebenenfalls bezüglich des Probenmaterials, der anzuwendenden Methodik und der Ergebnisse gegenseitig beeinflussen (z. B. klinische Beobachtungen, Lungenfunktions-Analytik, broncho-alveoläre Lavage [BAL], Radiologie, klinische Chemie/Hämatologie, mikrobiologische Untersuchungen)?

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Methodik

Die häufigsten seitens der Pathologie eingesetzten Methoden sind, im Anschluss an eine genaue makroskopische Beurteilung während der Sektion einschließlich der Bestimmung der Organgewichte, die konventionelle Lichtmikroskopie nach Paraffin-Einbettung. Neben der H & E-Färbung als Übersicht zur primären Orientierung können - je nach Notwendigkeit - zahlreiche Spezialfärbungen sowie immunhistochemische Methoden zur Darstellung bestimmter Strukturen angewandt werden. Bei speziellen Fragestellungen werden darüber hinaus elektronenmikroskopische Untersuchungen (Raster- und Transmissions-Elektronenmikroskopie), Proliferationsmarker (PCNA, BrdU) oder molekularbiologische sowie morphometrische Methoden eingesetzt. Die Anwendung spezieller morphologischer Methoden beinhaltet dabei die Möglichkeit, pulmonale Infektionsmodelle bis in den Bereich subzellulärer Befunde zu untersuchen bzw. sekundäre Effekte, wie eine meist lokal begrenzte, erhöhte Zellproliferation oder entzündungsassoziierte Mediatoren zu erfassen [3].

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Auswertung

Bezüglich der pathomorphologischen Auswertung pulmonaler Infektionsmodelle besteht einmal die Möglichkeit, rein qualitative Auswertungen vorzunehmen. Dabei kann die grundsätzliche Frage nach der Entwicklung von Entzündungsprozessen allgemein beantwortet werden. Weiterhin können detailliertere Befunde wie z. B. das Vorhandensein von Blutungen, Nekrosen, Thrombosen, interstitiellen Veränderungen oder die Beteiligung der Pleura erhoben werden [4] [5]. Auch bestimmte infektions- und entzündungsassoziierte morphologische Parameter, wie das (Nicht)-Vorhandensein bestimmter Zellen (neutrophile Granulozyten, Mastzellen) sowie z. B. von Fibrin oder Kollagenfasern sind relevante Parameter bei pulmonalen Infektionsmodellen. Die Lokalisation im Organ, z. B. hinsichtlich einer bevorzugten Ausprägung der Läsionen in bestimmten Lungenarealen/Lungenlappen ist dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Lokalisation im Gewebe. Bei bakteriellen Infektionen dominieren Befunde in den Luftwegen sowie im Alveolarbereich (Abb. [1]) sowie spezies-abhängig auch im Interstitium. Bei viralen Infektionsmodellen ist darüber hinaus häufig das bronchus-assoziierte lymphatische Gewebe (BALT) massiv im Sinne einer lymphatischen Hyperplasie (Abb. [2]) verändert [1] [5] [6].

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Abb. 1 Entzündliche Reaktion in den Luftwegen mit fokaler Epithel-Verdickung sowie massiver Entzündung im Alveolarbereich nach Applikation von bakteriellen Infektionserregern in Agar-Beads (Ratte, H & E-Färbung).

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Abb. 2 Bronchiale und peribronchiale Entzündung sowie ausgeprägte lymphatische Hyperplasie des bronchus-assoziierten Gewebes (BALT) 14 Tage Infektion mit PI-3-Virus (Rind, H & E-Färbung).

Um die Möglichkeiten der Histopathologie möglichst optimal auszunutzen, ist es jedoch vorteilhaft, Art und Ausmaß sowie die zeitliche und gewebebezogene Entwicklung der Veränderungen semiquantitativ zu bewerten. Dabei erfolgt die pathomorphologische Auswertung, wenn möglich unter Verwendung eines entsprechenden Pathologie-Computer-Programms (z. B. PathData®), mit einer Graduierung der Befunde zwischen 0 und 3 oder 0 und 5 [2] [4]. Diese Vorgehensweise bietet die Möglichkeit, bei der Untersuchung mehrerer Lokalisationen Mittelwerte für die einzelnen Versuchstiere und später für die Behandlungsgruppen zu errechnen [7]. Der so ermittelte „Lung Inflammation Index” (LII) ist dabei als morphologische Maßzahl für die pulmonale Infektion zu sehen. Bei Studien zur Wirkstoffentwicklung dient er im Vergleich zur Kontrolle (meist unbehandelte Positivkontrolle) als Anhalt für den Effekt der anti-inflammatorischen Behandlung. Besonders zur Beurteilung geringgradig ausgeprägter Effekte ist es wichtig, dass entsprechende Kontrollgruppen mitgeführt werden. Die semiquantitative Erfassung morphologischer Befunde hat darüber hinaus den Vorteil, dass - ohne den Aufwand genauer morphometrischer Untersuchungen - sehr einfach Vergleiche mit den Daten anderer Disziplinen angestellt werden können, die primär quantitative Ergebnisse liefern (Lungenfunktions-Analytik, BAL).

Die Notwendigkeit morphometrischer Untersuchungen (von der Zählung einzelner Zellen bis hin zur Anwendung bildanalytischer Methoden) kann dann notwendig sein, wenn bezüglich der zu untersuchenden Parameter mit qualitativen oder semiquantitativen Methoden keine Effekte bzw. kein no-observed-effect level (NOEL) zu ermitteln ist, oder wenn verschiedene Modelle bzw. Substanzen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit verglichen werden sollen.

Beim Vergleich verschiedener Modelle, Substanzen oder Studien ist die methodische Vergleichbarkeit jedoch eine unbedingte Voraussetzung: Durchführung und Auswertung pathomorphologischer Untersuchungen müssen bezüglich Sektionstechnik, Probennahme, Fixierung und Trimming bis hin zu den diagnostischen Kriterien, einschließlich der Terminologie, vergleichbar sein. Ein zumindest an die Grundsätze der „Guten Labor Praxis” (GLP) angepasstes Vorgehen erleichtert derartige Prozesse.

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Bewertung

Grundsätzlich ist bei der Bewertung struktureller Veränderungen zwischen Artefakten, Spontanbefunden, „Handling”-induzierten Läsionen und „wirklichen” Infektions- bzw. Substanz-Effekten zu unterscheiden. Neben den Kontrollen aus der aktuellen Studie muss in diesem Zusammenhang gegebenenfalls zusätzlich auf historische Kontrolldaten zurückgegriffen werden.

In Relation zu Art und Ausmaß der Veränderungen sind die morphologischen Befunde dahingehend zu bewerten, ob es sich beispielsweise um degenerative oder proliferative Effekte, um adaptive und möglicherweise reversible Veränderungen oder um spezies-spezifische Reaktionen handelt.

Die Ergebnisse morphologischer Untersuchungen bei der Etablierung pulmonaler Infektionsmodelle bzw. bei der Bewertung der Effektivität von Wirkstoffen haben wesentlichen Einfluss auf die Validität des Modells und tragen (mit)-entscheidend zur Klärung der Pathogenese einer Modellerkrankung bei. In der Substanzentwicklung sind die Resultate wichtig für das Prozedere von Forschung und Entwicklung, sowohl bezüglich der eventuell notwendigen Durchführung weiterer Studien wie auch hinsichtlich der (Nicht)-Entwicklung und der Einstufung einer Prüfsubstanz.

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Literatur

  • 1 Opriessnig T, Thacker E L, Yu S. et al . Experimental reproduction of postweaning multisystemic wasting syndrome in pigs by dual infection with mycoplasma hyopneumoniae and porcine circovirus type 2.  Vet Pathol. 2004;  41 624-640
  • 2 Youssef S A, Clark M E, Caswell J L. Effect of bovine granulocyte colony-stimulating factor on the development of pneumonia caused by Mannheimia haemolytica.  Vet Pathol. 2004;  41 649-657
  • 3 Malazdrewich C, Ames T R, Abrahamsen M S. et al . Pulmonary expression of tumor necrosis factor alpha, interleukin-1 beta, and interleukin-8 in the acute phase of bovine pneumonic pasteurellosis.  Vet Pathol. 2001;  38 297-310
  • 4 Cho W S, Chae C. Expression of nitric oxide synthase 2 and cyclooxygenase-2 in swine experimentally infected with actinobacillus pleuropneumoniae.  Vet Pathol. 2004;  41 666-672
  • 5 Schneider T. Untersuchungen zu experimentellen Parainfluenzavirus-Typ-3-Infektionen bei Rindern. Justus-von-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich Veterinärmedizin, Dissertation 1997
  • 6 Afshar A, Terlecki S. Experimental infection of goats with parainfluenza virus type 3.  Zbl Vet Med B. 1979;  26 641-651
  • 7 Edingloh M, Rosenbruch M. The clinical efficacy of a single injection therapy with enrofloxacin in experimental bovine pasteurellosis. Punta Del Este (Uruguay): Poster, XXI World Buiatrics Congress 2000
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Literatur

  • 1 Opriessnig T, Thacker E L, Yu S. et al . Experimental reproduction of postweaning multisystemic wasting syndrome in pigs by dual infection with mycoplasma hyopneumoniae and porcine circovirus type 2.  Vet Pathol. 2004;  41 624-640
  • 2 Youssef S A, Clark M E, Caswell J L. Effect of bovine granulocyte colony-stimulating factor on the development of pneumonia caused by Mannheimia haemolytica.  Vet Pathol. 2004;  41 649-657
  • 3 Malazdrewich C, Ames T R, Abrahamsen M S. et al . Pulmonary expression of tumor necrosis factor alpha, interleukin-1 beta, and interleukin-8 in the acute phase of bovine pneumonic pasteurellosis.  Vet Pathol. 2001;  38 297-310
  • 4 Cho W S, Chae C. Expression of nitric oxide synthase 2 and cyclooxygenase-2 in swine experimentally infected with actinobacillus pleuropneumoniae.  Vet Pathol. 2004;  41 666-672
  • 5 Schneider T. Untersuchungen zu experimentellen Parainfluenzavirus-Typ-3-Infektionen bei Rindern. Justus-von-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich Veterinärmedizin, Dissertation 1997
  • 6 Afshar A, Terlecki S. Experimental infection of goats with parainfluenza virus type 3.  Zbl Vet Med B. 1979;  26 641-651
  • 7 Edingloh M, Rosenbruch M. The clinical efficacy of a single injection therapy with enrofloxacin in experimental bovine pasteurellosis. Punta Del Este (Uruguay): Poster, XXI World Buiatrics Congress 2000
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Abb. 1 Entzündliche Reaktion in den Luftwegen mit fokaler Epithel-Verdickung sowie massiver Entzündung im Alveolarbereich nach Applikation von bakteriellen Infektionserregern in Agar-Beads (Ratte, H & E-Färbung).

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Abb. 2 Bronchiale und peribronchiale Entzündung sowie ausgeprägte lymphatische Hyperplasie des bronchus-assoziierten Gewebes (BALT) 14 Tage Infektion mit PI-3-Virus (Rind, H & E-Färbung).