Die Komplikationen der chronischen Pankreatitis (CP) wie exokrine Insuffizienz,
Gangerweiterung, Verkalkungen und Diabetes mellitus treten nach Erkrankungsbeginn
mit zunehmender Häufigkeit auf. Bei diesen Patienten wurde auch der Übergang in
ein Pankreaskarzinom (PaCa) beschrieben. Allerdings liegt nur bei wenigen Prozenten
der Patienten mit PaCa zuvor eine CP vor. In dieser Übersicht soll die Frage geklärt
werden, ob man bestimmte Risikofaktoren identifizieren kann, welche genetischen
Mechanismen hierbei eine Rolle spielen und ob man dies rechtzeitig diagnostizieren
kann.
Häufigkeit des Pankreaskarzinoms bei chronischer Pankreatitis
Häufigkeit des Pankreaskarzinoms bei chronischer Pankreatitis
In einer retrospektiven, bis ins Jahr 1945 zurückreichenden Analyse von etwa 2500
Patienten mit CP wurden 53 Patienten mit PaCa entdeckt [8]. Bei der Hälfte der Patienten war das Malignom kurz nach Diagnose der CP aufgetreten.
Schließt man diese Patienten aus, bleibt immerhin noch eine 16fach höhere Inzidenz
des Malignoms übrig.
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kurzgefasst: Das Pankreaskarzinom ist bei Patienten mit chronischer Pankreatitis etwa 16 Mal
häufiger als bei Kontrollen.
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Die solideste Arbeit zu diesem Thema wurde von Malka et al [10] publiziert, hierbei handelt es sich um eine prospektive Studie an 373 Patienten
mit nachgewiesener CP. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Median fast 10 Jahre
und in dieser Zeit sind 23 Patienten gestorben. Es fällt jedoch auf, dass ein
PaCa nur bei vier Patienten aufgetreten ist, etwa 3mal häufiger fanden sich Malignome
der Atemwege, des HNO-Bereichs und des Ösophagus. Die anderen identifizierten
Todesursachen waren kardiovaskuläre Erkrankungen. Dies deutet auf ein wesentliches
Gesundheitsproblem der Patienten hin, das vermutlich im exzessiven Konsum von
Alkohol und Nikotin liegt. Die Befunde lassen sich durch Zusammenfassung von insgesamt
sieben Studien zu diesem Thema bestätigen [10]
[12]. Hierbei konnten unter 2166 Patienten mit CP bei 40 ein Pankreasmalignom nachgewiesen
werden, wohingegen 124 an extrapankreatischen Tumoren erkrankten. Allerdings finden
sich auch bei Patienten mit nicht-alkoholischer CP gehäuft extrapankreatische
Malignome [12]. Ob es hier eine genetische Disposition gibt, die sowohl die CP, das PaCa als
auch das extrapankreatische Malignom begünstigt, muss offen bleiben.
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kurzgefasst: Patienten mit chronischer Pankreatitis haben viel häufiger extrapankreatische
Malignome und kardiovaskuläre Ereignisse als Pankreaskarzinome
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Die hereditäre Pankreatitis und das Pankreaskarzinom
Die hereditäre Pankreatitis und das Pankreaskarzinom
Bei Patienten mit der sehr seltenen, autosomal-dominant vererbten hereditären
Pankreatitis soll ein PaCa sehr häufig sein [9]. Dies ist für die alltägliche klinische Praxis allerdings nicht wirklich relevant,
da die Inzidenz dieser Form der Pankreatitis unter 0,05/1 000 000 Personen liegt.
Unsere Untersuchungen zu dieser Patientengruppe finden keine außergewöhnliche
Häufung des PaCa [6]. Kürzlich wurden Daten zu recht vielen Patienten publiziert [5], die Auswertung ist allerdings zu hinterfragen, da die Erkrankung nicht (wie
bei allen anderen Studien) anhand des Follow-up nach Erkrankungsbeginn, sondern
nach dem Patientenalter ausgewertet wurde. Außerdem berichten die Autoren über
einen besonders schweren Verlauf bei diesen Patienten und widersprechen damit
den Befunden aus anderen Studien [6]
[7].
Die Problematik der Kontrollgruppe
Die Problematik der Kontrollgruppe
Ein bedeutender Kofaktor bei chronisch-alkoholischer Pankreatitis ist das Zigarettenrauchen,
das selbst ein wesentlicher Risikofaktor des PaCa ist [3] und alleine eine 3 - 4fach höhere Inzidenz erklären würde. Die Zufuhr von
nichtkonservierten, frischen oder rohen Nahrungsmittel ist bei den Patienten mit
chronischer Pankreatitis reduziert. Dies erhöht nach epidemiologischen Studien
die Wahrscheinlichkeit für ein PaCa um den Faktor 2. Schließlich bleiben die weiteren
Risikofaktoren Diabetes mellitus, familiäre Assoziation, Helicobacter pylori und
Übergewicht [2] [3]. Wahrscheinlich bleibt somit insgesamt allenfalls ein um Faktor 2-3 gesteigertes
Risiko des PaCa infolge der CP übrig.
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kurzgefasst: Die Risikofaktoren der Malignomentstehung sind die chronische Entzündung, das
Zigarettenrauchen und der Alkoholkonsum.
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Natürlich muss man zugestehen, dass es sich bei dieser Kalkulation um eine grobe
Überschlagsrechnung handelt, da nicht geklärt ist, ob diese einzelnen Risikofaktoren
tatsächlich voneinander unabhängig sind. Aber dennoch kann dies belegen, wie kritisch
man diese Studien lesen muss, um das auf die chronische Entzündung bezogene
Risiko korrekt einzuschätzen.
Genetische Veränderungen beim Pankreaskarzinom
Genetische Veränderungen beim Pankreaskarzinom
In den letzten Jahren hat sich das Konzept der „pankreatischen intraepithelialen
Neoplasie” (PanIN) etabliert, welches von der Adenom-Karzinom-Sequenz des Kolons
abgeleitet wurde. Man geht davon aus, dass sich das PaCa aus Vorstufen bildet.
In Abb. [1] ist das Konzept dargestellt [4]. Es unterteilt die Pankreasläsionen in PanIN 1A, 1B, 2 und 3. Jede dieser Stufen
ist durch bestimmte morphologische Veränderungen charakterisiert. Mit der
Progression der Läsionen ist eine Akkumulation von genetischen Veränderungen assoziiert,
die schrittweise die Kontrolle des Zellzyklus und der Apoptose durch die Zelle
unterbindet und damit zum Malignom führt.
Abb. 1 Progression der PanIN-Läsionen ( = pankreatische intraepitheliale Neoplasie,
Abbildung modifiziert nach [4]).
Genetische Veränderungen beim Übergang einer chronischen Pankreatitis in das Pankreaskarzinom
Genetische Veränderungen beim Übergang einer chronischen Pankreatitis in das Pankreaskarzinom
Es existieren keine gesicherten Erkenntnisse, über welche Mechanismen die CP in
ein Malignom übergeht. PanIN-Läsionen finden sich nicht nur beim PaCa, sondern
auch bei einer CP. Allerdings fanden beispielsweise Rosty et al. [11] bei der CP wesentlich seltener einen Verlust von p16 (ein Tumorsuppressor-Gen,
das in der Zellzyklus-Regulation eine wichtige Rolle spielt) als bei PaCa, obwohl
die Morphologie der Läsionen nach der PanIN-Klassifikation ähnlich war. Als
weitere, zumindest hypothetische Mechanismen kann man aberrierende Methylierung
oder genetische Instabilität sehen, die durch reaktive Sauerstoffspezies, verändertes
Zytokinmilieu, verstärkten turnover der Zellen oder lang dauernde Entzündung getriggert
werden [11]. Ein jüngst publizierter Mechanismus ist der bei CP nachgewiesene Verlust von
Teleomeren, der zu chromosomaler Instabilität führt [11]. Die Rolle dieser einzelnen Faktoren muss jedoch derzeit als hypothetisch bezeichnet
werden.
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kurzgefasst: Eine wichtige Rolle in der Pathogenese des Pankreaskarzinoms spielt die Akkumulation
genetischer Veränderungen.
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Frühdiagnostik des Pankreaskarzinoms in der chronischen Pankreatitis
Frühdiagnostik des Pankreaskarzinoms in der chronischen Pankreatitis
Es gibt nach wie vor kein Verfahren, was zuverlässig ein PaCa bei einem Patienten
mit einer CP nachweisen oder ausschließen kann. In einer sehr großen prospektiven
Studie haben Rosewicz und Mitarbeiter [1] Patienten mit unklarer Raumforderung im Pankreaskopf untersucht. Dabei zeigte
sich ein gewisser Stellenwert von klinischen Kriterien wie weibliches Geschlecht,
Alter, schmerzloser Ikterus, neu aufgetretener Diabetes mellitus bzw. kein Vorbestehen
einer CP. Die Sensitivität von MRT und ERCP lag über 90 %, die Spezifität
nur bei 70-80 %. Damit haben wir, trotz Durchführung aller diagnostischen Maßnahmen
und unter Studienbedingungen, immer noch eine Irrtumsquote von über 10 %.
Dieses Dilemma kann nach wie vor nur durch eine chirurgische Exploration bzw.
Operation aufgelöst werden. Überwachungsstrategien bei Patienten mit chronischer
Pankreatitis zur Früherkennung des Pankreasmalignoms sind somit auch nicht etabliert.
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kurzgefasst: Das diagnostische Dilemma chronische Pankreatitis - DD Pankreaskarzinom - DD
chronische Pankreatitis mit Pankreaskarzinom ist ungelöst.
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Fazit
Das Pankreaskarzinom ist bei chronischer Pankreatitis häufiger als in der Kontrollbevölkerung,
allerdings besteht nur bei wenigen Prozent der Patienten mit Pankreaskarzinom
zuvor eine chronische Pankreatitis. Als Risikofaktoren spielen neben der chronischen
Entzündung auch Ernährungs- und Konsumgewohnheiten eine Rolle. Nicht vergessen
werden sollte, dass bei der alkoholischen chronischen Pankreatitis sowohl extrapankreatitische
Malignome als auch kardiovaskuläre Ereignisse deutlich häufiger sind als Pankreaskarzinome.
Es ist nicht genau bekannt, über welche Mechanismen die chronische Entzündung
in ein Malignom übergeht, man kann aber eine Akkumulation erworbener genetischer
Faktoren vermuten. Nach wie stehen wir vor dem diagnostischen Dilemma, dass das
Pankreaskarzinom bei einem Patienten mit chronischer Pankreatitis mit keinem Verfahren
zuverlässig nachgewiesen oder ausgeschlossen werden kann.