Anamnese
Eine 38-jährige Patientin wurde mit seit Wochen bestehenden Durchfällen in einer
täglichen Frequenz von bis zu 30 und einer äußerst schmerzhaften Schwellung des
rechten Sprunggelenks stationär aufgenommen. Seit 25 Jahren war die Diagnose eines
Morbus Crohn bekannt. Nach Angaben der Patientin bestand die bisherige Therapie
in der wiederholten Gabe von systemischen Steroiden. Unter dieser Therapie sei
die Erkrankung regelmäßig zu beherrschen gewesen, bei Dosisreduktion träten
die Symptome jedoch wieder auf. Da sie zunehmend an Nebenwirkungen der Therapie
leide, insbesondere der Entwicklung eines „Mondgesichts”, habe sie die Therapie
jetzt unterbrochen. Aufnahmegrund seien weniger die Durchfälle, an die sie sich
mittlerweile gewöhnt habe, als die neue, äußerst schmerzhafte Gelenkentzündung.
Befunde
Bei der klinischen Untersuchung war die Patientin auffallend blass und zeigte ein deutliches „cushingoides”
Erscheinungsbild insbesondere im Gesicht. Bei der abdominellen Untersuchung gab
die Patientin einen diskreten Druckschmerz im Bereich des Kolonrahmens an, die
Darmgeräusche waren regelrecht auskultierbar. Das rechte Sprunggelenk imponierte
massiv gerötet, überwärmt und stark geschwollen. Die Patientin hatte Fieber mit
39º C.
Die Labordiagnostik ergab folgende pathologische Befunde: BSG 75 mm/h, Hämoglobin 73 g/l, Hämatokrit
27 %, Thrombozyten 818 Giga/l, C-reaktives Protein 34,2 mg/dl, Procalcitonin
0,3 ng/ml. Der Abdomen-Ultraschall zeigte eine akzentuierte Darmwandschichtung im Bereich des Kolonrahmens mit einer
segmentalen Wandverdickung insbesondere im Bereich des Colon transversum bis zu
5 mm. Die Ileokoloskopie ergab den Befund eines floriden Morbus Crohn mit segmentaler Pancolitis insbesondere
im Bereich des Colon transversum und Colon descendens mit Beteiligung des terminalen
Ileums. Die Dünndarm-Kontrastaufnahme nach Sellinck zeigte im Bereich des terminalen Ileums auf einer Länge von 10 cm ein typisches
Pflastersteinrelief ohne Hinweis auf Stenose.
Therapie und Verlauf
Die Patientin litt offensichtlich an einem akuten Schub bei steroidabhängigem
Verlauf ihres Morbus Crohn. Die Sprunggelenksarthritis interpretierten wir als
extraintestinale Manifestation der Grunderkrankung. Unter einer Therapie mit systemischen
Steroiden (Prednisolon 1 mg/kg Körpergewicht) sistieren die Beschwerden, die Gelenkschwellung
war vollständig rückläufig, die Stuhlfrequenz normalisierte sich nahezu. Supportiv
behandelten wir zur Osteoporoseprophylaxe mit Vitamin D und Kalzium. Zeitgleich
zur Steroidtherapie leiteten wir eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin
in einer Dosierung von 2,5 mg/kg Körpergewicht ein. Diese Therapie wurde von der
Patientin gut vertragen und unter anfangs 2-wöchentlicher, später monatlicher
Kontrolle von Blutbild und Leberenzymen traten keine Zeichen der Hämato- oder
Hepatotoxizität auf. Im weiteren Therapieverlauf konnten unter der Azathioprintherapie
die Steroide über einen Zeitraum von 10 Wochen ausgeschlichen werden, ohne dass
erneute Symptome auftraten.
Fazit
Etwa die Hälfte der Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind
Kandidaten für eine dauerhafte immunsuppressive Therapie. Dies sind die Patienten
mit häufigen Krankheitsschüben, Patienten, bei denen mit Steroiden alleine keine
Remission erzielt werden kann (steroidrefraktärer Verlauf) oder, wie im präsentierten
Fall, solche bei denen die Steroidgabe zwar eine Remission erzielt, die aber bei
Reduktion unter eine individuell unterschiedliche Schwellendosis regelhaft ein
Rezidiv erleiden (steroidabhängiger Verlauf). Immunsuppressivum der ersten Wahl
ist Azathioprin. Bei unserer Patientin kam komplizierend eine Sprunggelenksarthritis
hinzu (periphere Arthropathie Typ I, große Gelenke betroffen, in der Regel Schub-assoziiert).
Die Differentialdiagnostik zur septischen Arthritis kann schwierig sein, insbesondere
bei hohem Fieber und massiv erhöhten Entzündungsparametern. Hier kann die Bestimmung
von Procalcitonin hilfreich sein. Die Therapie dieser extraintestinalen Manifestation
besteht in der Therapie der Grunderkrankung.