Dr. Hans Philipp Springorum
Der Hüftgelenksersatz ist seit Jahren einer der häufigsten auf dem Gebiet der Endoprothetik.
Jedes Jahr werden deutschlandweit mehr als 180000 dieser Eingriffe durchgeführt. Die
Ergebnisse sind nach Betrachtung der Schwedenstudie (Malchau et al. 2002) mit einer
Prothesenstandzeit von 95% nach 15 Jahren inzwischen auf so einem hohen Niveau angelangt,
dass selbst jüngere Patienten sich heute in steigender Anzahl bei gesenkter Komplikationsrate
mit einer Hüftgelenkendoprothese behandeln lassen. Das ist unter anderem bedingt durch
das in den letzten Jahren um viele neue Modelle gewachsene Spektrum der Prothesentypen.
Es existieren etwa 150 verschiedene Modelle auf dem Markt.
Renaissance des "Wagner-Cup"
Renaissance des "Wagner-Cup"
So erlebte vor einigen Jahren die Idee des "Wagner-Cup" eine Renaissance. Mit dem
BHR-System (Birmingham Hip Replacement/McMinn et al. 2002) wurde wieder ein Oberflächenersatz
implantiert. Mittlerweile haben zahlreiche Endoprothesenhersteller ähnliche Modelle
auf den Markt gebracht. Davon profitieren insbesondere jüngere Patienten, da durch
den Verzicht auf die Resektion des proximalen Femurs eine Vielzahl an Möglichkeiten
zur Revision verbleibt. Für die zu erwartende Wechseloperation gab es nun vernünftige
und aufwandsarme Strategien durch die geringere Knochenresektion.
Lateraler versus dorsalem Zugang
Lateraler versus dorsalem Zugang
Es gibt für die unterschiedlichen Prothesentypen wegen der diversen Verankerungsprinzipien
und der jeweiligen Morphologie verschiedene Zugangswege zum Hüftgelenk. Ziel unserer
Untersuchung war es, zwei unterschiedliche Zugänge hinsichtlich der subjektiven Patientenzufriedenheit
zu vergleichen. Ein Zugang für die konventionellen Spotorno-Schaft-Prothesen ist an
der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der Universität zu Köln der laterale Zugang.
Dabei wird in Rückenlagerung der Muskulus gluteus medius im ventralen Ansatz vom Trochanter
major abgelöst und auf dem Schenkelhals bis zum Hüftgelenk vorpräpariert, wobei die
Luxation nach vorne erfolgt. Für die Implantation der McMinn-Oberflächenersatzprothese
wird der dorsale Zugang genutzt, bei dem der Patient in Seitenlage positioniert wird.
Nun wird über eine ca. 15 bis 20 cm lange Hautinzision der M. gluteus maximus in Faserrichtung
ge-spalten und der Muskulus piriformis nach Anschlingen ansatznah durchtrennt. Die
Kapsel wird von hinten eröffnet, die Luxation erfolgt nach dorsal.
Lateraler Zugang bei konventioneller Spotorno-Schaft-Prothese.
Im Rahmen einer Matched-pair-Studie wurden an der Universitätsklinik für Orthopädie
in Köln jeweils 40 Patienten nach Implantation einer Hüftgelenksendoprothese konventioneller
Art (Spotorno-Schaft) mit lateralem Zugang mit der gleichen Anzahl mit dem Oberflächenersatz
(BHR-System) von dorsal implantiert hinsichtlich ihrer Zufriedenheit verglichen. Vergleichsgegenstand
war die Patientenzufriedenheit, die über subjektive und objektive Kriterien erfasst
wurde. Dazu dienten die Vergleichsparameter des postoperativen Analgetikabedarfes,
die Mobilisationsfähigkeit, die Dauer des stationären Aufenthaltes und die anschließende
Rehabilitation. Nebenbei konnten Unterschiede hinsichtlich Schnittlänge, Transfusions-
und Antibiotikabedarf und Operationszeit bestimmt werden. Verglichen wurden die Patientendaten
mittels des t-Tests.
Zögerliche Mobilisation nach lateralem Zugang
Zögerliche Mobilisation nach lateralem Zugang
Alle Patienten mit Hüftgelenkendoprothese wurden am ersten Tag nur mit Anleitung durch
Physiotherapeuten neben dem Bett mobilisiert. Die ersten Schritte wurden in beiden
Prothesengruppen erst am zweiten Tag nach der Operation vorgenommen. Hierbei waren
noch keinerlei Unterschiede auszumachen, erst nach der ersten Woche wurden Mobilisationsunterschiede
deutlich, insofern, als die über den dorsalen Zugang versorgten Patienten bereits
am 7. Tag in den Vierpunktgang wechselten, wohingegen die von lateral versorgten Patienten
dazu im Schnitt fast zwei Tage länger benötigten. Gleiches gilt für die Bewältigung
von Treppen, wozu der Vierpunktgang nötig ist.
Insgesamt beschrieben die Patienten, die von dorsal versorgt worden waren, ihre Mobilisation
nach einer Woche als zufrieden stellend. Sie bewerteten sie hinsichtlich Fähigkeit
und Schmerzhaftigkeit mit durchschnittlich 6,7 von zehn möglichen Punkten, wohingegen
in der anderen Gruppe nach einer Woche nur 5,2 Punkte vergeben wurden. Offensichtlich
ist nach dorsalem Zugang schneller eine bessere und schmerzärmere Mobilisation möglich.
Sechs Monate nach der Operation hat sich der initiale Vorsprung der dorsalen Gruppe
verloren. Nach dieser Zeit bewerten beide Gruppen die Mobilisation insgesamt, d.h.
bezüglich der Mobilisationsfähigkeit und der Schmerzbelastung, mit einem Wert von
8,51 (dorsal) bzw. 8,37 (lateral) von 10 möglichen Punkten.
Weniger Schmerzen und frühere Rehabilitation nach dorsalem Zugang
Weniger Schmerzen und frühere Rehabilitation nach dorsalem Zugang
Alle Patienten erhielten während der Operation einen Periduralkatheter bzw. anschließend
eine Schmerzpumpe zur Analgesie, die im Schnitt zwei Tage verblieb. Hinsichtlich des
Verbrauches wiesen die beiden Gruppen keinen Unterschied auf. Erst anschließend zeigte
sich, dass der Bedarf an oralen Analgetika in der von lateral versorgten Gruppe höher
war, als in der Gruppe der Patienten mit dorsalem Zugang. Der Verbrauch an Opioiden
war höher bzw. dauerte über einen längeren Zeitraum an. Alle Patienten wurden über
mindestens 10 Tage den gesamten stationären Aufenthalt hinweg mit nichtsteroidalen
Antirheumatika als Kalzifikationsprophylaxe behandelt. Die schmerzlindernde Wirkung
dieser Stoffgruppe ist insbesondere bei Skelett- und Muskelschmerzen nicht zu unterschätzen.
Auch in der Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes zeigten die Gruppen deutliche
Unterschiede. In der von lateral versorgten Gruppe lag die durchschnittliche stationäre
Verweildauer bei 14,1 Tagen, in dem anderen Patientenkollektiv bei nur 12,7 Tagen.
Anschließend an den stationären Aufenthalt begannen 20% der dorsal versorgten gegenüber
nur 12% der lateral versorgten Patienten eine ambulante Rehabilitation, die übrigen
Patienten begaben sich in eine stationäre Rehabilitation. Hinsichtlich des Transfusionsbedarfs
waren ebenfalls Differenzen auszumachen. Während in der dorsalen Gruppe nur drei Patienten
(7,5%) mit Erythrozytenkonzentraten behandelt wurden, war das im lateralen Kollektiv
in sieben Fällen (17,5%) notwendig.
Die mittlere Schnittlänge lag bei der dorsalen Gruppe bei 20,35 cm, der durchschnittliche
laterale Zugang war dagegen nur 15,20 cm lang.
Größe des Weichteiltraumas wenig relevant
Größe des Weichteiltraumas wenig relevant
Diesen Ergebnissen zufolge korreliert die Lebensqualität bzw. das Schmerzempfinden
des Patienten nicht mit der Größe des Weichteiltraumas. Ganz im Gegenteil fanden sich
die Patienten nach dorsalem Zugang schneller schmerzarm mobilisiert, als das nach
dem Zugang von lateral der Fall war.
Das Patientengut mit dorsalem Zugangsweg ist ein gesondert Ausgewähltes. Ähnlich den
Erfahrungen von Wright et al. sowie Wenz et al. handelt es sich hier meist um Patienten
jüngeren Alters, die den älteren Patienten aus der Gruppe des lateralen Zuganges schon
von daher postoperativ überlegen sind.
Im Rahmen des Matchings, also der Zuordnung zweier Patienten aus den beiden Gruppen
nach Geschlecht, Alter und BMI, wurde darauf geachtet, dass hier zwei möglichst homogene
Gruppen miteinander verglichen werden. Während aller Befragungen der Patienten wurde
darauf geachtet, dass möglichst keine Fragen ausgewählt wurden, die dem jeweils implantierten
Prothesentyp eine Relevanz verliehen hätten. Vielmehr zielten die Fragen auf die postoperativen
Schmerzen und objektive, perioperative Parameter, bei welchen das verwendete Prothesenmodell
keinerlei Rolle spielen durfte.
Das größere Weichteiltrauma des dorsalen Zugangs belastet den Patienten in unserer
Untersuchung also nicht, es führt anfangs sogar zu einer schnelleren und unkomplizierten
Rehabilitation und größerer Patientenzufriedenheit.
Literatur beim Verfasser.
Dr. Hans Philipp Springorum
Orthopädische Universitätsklinik Köln