ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2004; 113(10): 463-467
DOI: 10.1055/s-2004-835697
Colloquium
Recht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Juristische Probleme in der restaurativen Zahnheilkunde - I. Juristische Grundlagen

Legal Aspects of Restorative Dentistry - Part IC. Crasselt, M. Hülsmann
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. Hülsmann

Abt. Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie

Georg-August-Universität Göttingen

Robert-Koch-Str. 40

37099 Göttingen

Email: michael.huelsmann@med.uni-goettingen.de

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Publication Date:
27 October 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Unzufriedenheit von Patienten mit den Ergebnissen einer zahnärztlichen Behandlung resultiert u. U. in einer nachfolgenden juristischen Auseinandersetzung. In Abhängigkeit vom behaupteten Schaden des Patienten kann es sich durchaus um Verfahren mit Streitwerten von weit über € 10000,- handeln.

In diesem dreiteiligen Artikel wird auf der Basis einer Auswertung von über 100 Urteilsbegründungen der letzten Jahre ein Überblick über die häufigsten Klagegründe im Bereich der restaurativen Zahnheilkunde (ohne Endodontie), die Argumentation der Gutachter sowie die Entscheidungen und Entscheidungsgründe der Gerichte gegeben. Im folgenden ersten Teil werden die juristischen Grundlagen der zahnärztlichen Tätigkeit dargestellt.

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Summary

The outcome of restorative treatment procedures not always will satisfy the patients' expectations or scientific demands resulting in patients' claims of malpractice. Although the majority of such claims still concerns expensive treatment such as implants or prosthetic work there seems to be an increase in such malpractice claims even in restorative dentistry.

In this first part of the paper the legal background of dental treatment will be discussed including aspects of pre-operative information of the patient, documentation of treatment, and standard of care.

In den letzten Jahren wurde des Öfteren über eine Zunahme rechtlicher Kontroversen zwischen Zahnarzt und Patient berichtet. Eine subjektive Unzufriedenheit des Patienten über vermeintlich nicht fachgerechte Behandlungsmaßnahmen resultiert immer häufiger in einem juristischen „Nachspiel”, insbesondere wenn die Behandlung für den Patienten sehr kostenaufwändig war. Postoperative Schmerzen oder Beschwerden, Unzufriedenheit mit dem funktionellen oder ästhetischen Ergebnis der Therapie werden in solchen Fällen ohne Umstände als Behandlungs- oder „Kunstfehler” des Zahnarztes interpretiert.

Sowohl fehlerhaftes Handeln im zahnärztlichen Beruf als auch ein Heileingriff, der nach den Richtlinien der zahnärztlichen Tätigkeit ausgeführt wird, können strafrechtliche Folgen oder zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen. Nach der geltenden Rechtsauffassung stellt der zahnärztliche Eingriff in die Unversehrtheit des Menschen tatbestandsmäßig gesehen eine Körperverletzung dar, wenn er nicht durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt wird.

Betrachtet man die täglichen Eingriffe des Zahnarztes - in diesem Fall speziell im restaurativen Bereich der Zahnheilkunde -, so scheint die Tätigkeit auf den ersten Blick relativ risikolos zu sein. Doch Komplikationen und Fehler während der Behandlung treten immer wieder auf, und einige Fälle ziehen juristische Konsequenzen nach sich.

Zunehmende Auseinandersetzungen zwischen dem Patienten und dem behandelnden Zahnarzt müssen notwendigerweise zu einer wachsenden Bedeutung wissenschaftlich fundierter zahnärztlicher Sachverständigengutachten führen, da derartige Prozesse ohne urteilssichere gutachterliche Zusammenarbeit vor Gericht für den Juristen kaum praktikabel sind.

Im folgenden Beitrag sollen die juristischen Probleme, die Behandlungsfehler in der restaurativen Zahnheilkunde mit sich bringen können, herausgearbeitet und deren gerichtliche Bewertung dargestellt werden.

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Juristische Grundlagen

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Der Behandlungsvertrag

Der Vertrag zwischen Patient und Zahnarzt ist der Ausgangspunkt einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise.

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Der Dienstvertrag

Im Falle des Behandlungsvertrages handelt es sich um einen Dienstvertrag:

„Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher seine Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.” (§§ 611 ff. BGB Abs. 1). Sein Zustandekommen bedarf keiner schriftlichen Willenserklärung; das Erscheinen des Patienten in der zahnärztlichen Praxis und die Bereitwilligkeit des Zahnarztes, die Behandlung durchzuführen, reichen aus, um diesen Vertrag rechtsgültig werden zu lassen. Gegenständlich sind im Dienstvertrag Dienste jeder Art verankert [10]. Gemäß § 620 BGB endet das Dienstverhältnis nach der Behandlungszeit. Das Vertragsverhältnis kann vorzeitig gekündigt werden, ohne dass die Einhaltung einer Kündigungsfrist beachtet werden muss bzw. ein dringender Grund vorliegt. Allerdings garantiert der Zahnarzt nicht für den Erfolg seiner erbrachten Leistung (Rekonvaleszenz des Patienten), sondern lediglich für eine qualifizierte und regelmäßige Therapie, d. h., der Erfolg wird nicht geschuldet [14]. Eine Schadensregulierung durch Zahlung eines bestimmten Betrages tritt ein, wenn eine positive Vertragsverletzung (pVV) des Dienstvertrages durch den Zahnarzt vorliegt, d. h., dass der Schuldner (Zahnarzt) für die Fehler einer besonderen vertraglichen Übereinkunft nach den gesetzlichen Leistungsstörungsregeln wie Unmöglichkeit, Verzug und Gewährleistung haftet. Allerdings regulieren diese Vorschriften die Leistungsstörungen nicht vollständig, d. h., die Schlechterfüllung eines Vertrages unterliegt nicht immer einer gesonderten Regelung. Dies betrifft ebenfalls die Verletzung der Sorgfaltspflicht, auf die später noch näher eingegangen werden soll. Um diese Lücken der gesetzlichen Regelung zu schließen, treten die Grundsätze der pVV in Kraft. 3 Voraussetzungen für eine pVV müssen gegeben sein: Das Schuldverhältnis, die gesetzlich nicht geregelte Pflichtverletzung und das Verschulden. Als Rechtsfolgen ergeben sich daraus Schadensersatzleistungen und der Rücktritt bzw. Kündigung unter besonderen Voraussetzungen [1].

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Der Werkvertrag

Der Behandlungsvertrag kann zudem auch einen Werkvertrag beinhalten:

„Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrages kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.” (§§ 631 ff. BGB). Diese Art des Vertrages bezieht sich allein auf die „Werkstücke” (Kronen, Inlays, Brücken, Prothesen und Teilprothesen); erst wenn das vertraglich intendierte Gelingen eintritt, ist der Werkvertrag erfüllt; zudem ist er erfolggeschuldet. Der Zahnarzt kann vom so genannten Nachbesserungsrecht Gebrauch machen, wenn die Erstellung eines Werkes Mängel aufweist [19]. Das Nachbesserungsrecht wird auch als Mängelbeseitigungsrecht bezeichnet: „Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk so herzustellen, dass es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern” (§ 633 Abs. 1 BGB). Ein individuelles Gewährleistungsrecht zeichnet den Werkvertrag aus. Dieses Recht sagt nach § 634 Abs. 1 BGB aus, dass die Mängelbeseitigung innerhalb einer vorher festgelegten Frist erfolgen muss; wird diese nicht eingehalten, ist der Besteller (Patient) dazu berechtigt, die Beseitigung des Mangels abzulehnen. Eine Vertragswandlung (Rückgängigmachung) oder Minderung (Herabsetzen der Bonifikation) kann ebenfalls erfolgen, wenn der Fehler nicht fristgerecht behoben wurde [28].

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Besondere Pflichterfüllungen des Zahnarztes

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Aufklärungspflicht

Eine individuelle und qualifizierte Aufklärung ist die Einwilligungsvoraussetzung für einen Heileingriff (28) und muss nicht schriftlich erfolgen. Eine im Kurzstil gehaltene Dokumentation sollte in der Patientenakte festgehalten werden. Die Aufklärung ist ein Teil der Behandlung durch den Zahnarzt und muss von ihm selbst angesprochen und rechtzeitig durchgeführt werden; andere Personen dürfen zu dieser Handlung nicht ermächtigt werden. Eine ordnungsgemäße Aufklärung beinhaltet die Information über die Diagnose, Prognose und Behandlungsvorschläge sowie die möglichen Risiken und Nachwirkungen. Kann keine konkrete Diagnose gestellt werden, ist der Patient darüber aufzuklären [4]. Die notwendige Dringlichkeit und Alternativbehandlungen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Bedeutung, Art und mögliche Folgeerscheinungen eines zahnärztlichen Eingriffs müssen für den Patienten nachvollziehbar sein [23]. Weiterhin muss der Zahnarzt dafür Sorge tragen, dass der Patient über die Entwicklung seines Gesundheitszustands bei Verzicht auf den geplanten Eingriff und über die Erfolgschancen einer Therapie aufgeklärt wird [6].

Demzufolge kann eine Gliederung in 3 Gruppen vorgenommen werden [21]:

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Autonome Aufklärung

Dem Patienten soll eine Entscheidungsfreiheit über die Einwilligung und die Auswahl der Methode einer Behandlung zusagt werden.

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Durchführungsaufklärung

Diese Art der Aufklärung beinhaltet den Typ, den zeitlichen Umfang und den Verlauf des Eingriffs sowie die Schmerzhaftigkeit und den damit verbundenen Gebrauch von Arzneimitteln. Die gesundheitliche Entwicklung ohne diesen Eingriff und die Chance auf Erfolg nach einer erfolgten Behandlung sollten vom Zahnarzt dargelegt werden.

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Komplikations- und Risikoaufklärung

Hier sollte eine Aufklärung über mögliche zeitlich begrenzte oder andauernde Folgeerscheinungen einer Heilbehandlung stattfinden.

Der Risikoaufklärung wird vom juristischen Standpunkt her die größte Bedeutung beigemessen, wobei eine Aufklärung über die Risiken im Rahmen eines fehlerhaft durchgeführten Eingriffs nicht erfolgen muss [25].

Allerdings sollte der Patient im Rahmen einer Sicherheitsaufklärung, die mehr dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten unterliegt, über Verhaltensmaßregeln, Auswirkungen bestimmter Medikationen, z. B. auf die Fahrtüchtigkeit [22], und über Gesundheitshinweise informiert werden.

Die Dringlichkeit einer Behandlung bestimmt die Intensität und das Ausmaß der zahnärztlichen Aufklärungspflicht [27]. Das Bundesverfassungsgericht definierte durch eine juristische Bestimmung die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufklärungsumfang und Dringlichkeit der Behandlung: Je dringender der Eingriff, desto geringere Anforderungen sind an den Umfang der Aufklärung zu stellen; je weniger dringlich der Eingriff, desto größere Anforderungen sind an die Aufklärungspflicht zu stellen. Das Unterlassen der Aufklärung stellt bereits einen Behandlungsfehler dar [12].

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Dokumentationspflicht

Dem § 11 der Berufsordnung für deutsche Ärzte ist zu entnehmen, dass der Arzt über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen habe, wobei ihm diese nicht nur eine Gedächtnisstütze seien, sondern auch dem Interesse des Patienten an seiner ordnungsgemäßen Dokumentation dienen. Folglich besteht für jeden Zahnarzt die Pflicht, ordnungsgemäß zu dokumentieren. Hinzu kommt, dass die Dokumentationspflicht eine vertraglich geregelte Obliegenheit des Behandlungsvertrages ist [26]. Aus den für jeden Patienten angefertigten Aufzeichnungen sollten sämtliche behandelten Zähne, die damit verbundenen Einzelleistungen wie auch Behandlungsdaten und die Diagnose erkennbar sein; hinzu kommen Überweisungen, Medikamentenverordnungen und im Falle einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Dauer und Gründe. Es besteht eine Aufbewahrungspflicht von mindestens 3 Jahren [28].

Der Patient hat einen aus dem Behandlungsvertrag hervorgehenden nebenvertraglichen Anspruch auf den Einblick in seine Kartei, dies gilt allerdings erst nach Ende einer abgeschlossenen Behandlung [3]. Der Zahnarzt ist generell nicht verpflichtet, die Dokumente an den Patienten herauszugeben.

Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht (Nichtführen, verfrühtes Liquidieren) ist zugleich eine Verletzung des Kassen- und Berufszahnarztrechts.

Der Patient kann eine nachträgliche Anfertigung seiner Unterlagen beanspruchen, sofern diese in fehlerhafter und unvollständiger Weise vorliegen. Aus dieser Dokumentationspflichtverletzung können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn es zu einem Behandlungsfehler kommt, der sich auf eine fehlende Dokumentation zurückführen lässt. Gleiches gilt für den nachbehandelnden Zahnarzt. Statt einer Schadensersatzforderung kann der Geschädigte im Rahmen des Zurückbehaltungsrechts das Honorar einbehalten.

Kommt es aufgrund der o. a. Verletzung der Dokumentationspflicht zu einem Gerichtsverfahren, so kommt die Beweislastumkehr zum Tragen, wenn eine Unzulänglichkeit des Zahnarztes feststeht [7]. Der Patient unterliegt nicht mehr der Beweisführung, fehlerhaft behandelt worden zu sein [28].

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Sorgfaltspflicht

Die Sorgfaltspflicht ist eine der zahnärztlichen Grundpflichten und wird vom Gesetz als Vermeidung von Fahrlässigkeit beschrieben. Es wird zwischen einer inneren und äußeren Sorgfalt differenziert: Der Zahnarzt handelt äußerlich nach dem Prinzip der Sorgfaltspflicht, wenn er zum Augenblick der Behandlung das Richtmaß der wissenschaftlichen Lehre gebraucht. Der Sorgfaltsstandard muss mindestens dem eines durchschnittlich arbeitenden und akkurat behandelnden Zahnarztes entsprechen. In Bezug auf die innere Sorgfalt handelt es sich um ein geistiges und expressives Geschehen, welches sein Augenmerk auf das Einhalten der äußeren Sorgfalt lenkt [5].

Der Sorgfaltsmaßstab orientiert sich an den gültigen Bestimmungen der zahnärztlichen Erkenntnislehre - definiert von den zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften für die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, z. B. der DGZMK [8].

Gemäß § 276 BGB kommt die Verletzung der Sorgfaltspflicht dem Tatbestand der Fahrlässigkeit gleich: „(Haftung für eigenes Verschulden) Der Schuldner hat, sofern nicht ein anderes bestimmt ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die Vorschriften der §§ 827, 823 finden Anwendung.”

Hinzuzufügen ist, dass es eine Differenzierung zwischen unbewusster und bewusster Fahrlässigkeit gibt: Der unbewusst fahrlässig Handelnde erfasst den Erfolgseintritt nicht (ihm ist nicht bewusst, dass aus seiner Behandlung ein Schaden resultiert), den er bei einer verantwortungsbewussten Ausübung der Sorgfaltspflicht hätte voraussehen müssen [17]. Handelt es sich um die bewusste Form der Fahrlässigkeit, so war sich der behandelnde Zahnarzt über den Eintritt eines wahrscheinlichen Behandlungsfehlers bewusst, hoffte jedoch darauf, dass eine daraus resultierende Schädigung nicht eintreten werde [2]. Darüber hinaus beinhaltet die Sorgfaltspflicht eine Fortbildungspflicht und die Pflicht zur Anleitung und Kontrolle seiner Angestellten (Helferinnen, Assistenzzahnärzte).

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Zahnärztliche Haftung

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Kunstfehler

Die fortwährende Jurisdiktion charakterisiert den Kunstfehler als Handeln gegen die anerkannten Regeln der medizinischen Lehre. Nach Virchow geht mit diesem Begriff ein Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit oder Vorsicht Hand in Hand. Im zahnmedizinischen Bereich ist der Kunstfehler definiert als Missachtung der allgemein anerkannten Prinzipien der zahnärztlichen Wissenschaft sowie als Sorgfaltspflichtverletzung [13]. Eine Beurteilung des Tatbestands muss in erster Linie vom Standpunkt der (zahn-)ärztlichen Wissenschaft aus ermessen werden. Nicht jeder Behandlungsschritt kann in eine Regel gefasst werden, noch kann die Behandlung selbst einem Reglement unterworfen werden.

Da einem Zahnarzt während seiner Behandlung mitnichten eine kunstgerechte Ungebundenheit erlaubt werden kann, sondern die Behandlung gängigen Grundsätzen folgt, gibt es Einwände gegen die Definition des Kunstfehlers.

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Behandlungsfehler

Die Justiz bezeichnet denjenigen Tatbestand als Behandlungsfehler, der aus einer nicht fachgerechten zahnmedizinischen Behandlung heraus resultiert. Der Behandlungsfehler kann durch Unterlassen einer bestimmten Tätigkeit entstehen; er kann aus dem Gebiet der Diagnostik oder der Therapie resultieren.

Entspricht eine zahnmedizinische Behandlung nicht den gängigen Grundsätzen der wissenschaftlichen Erkenntnis und wird der obligatorischen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, liegt ein Behandlungsfehler vor [16]. Da der Zahnarzt der Pflicht untersteht, sich fortwährend fortzubilden, muss er auch die jüngsten Neuerungen auf seinem Gebiet einhalten und beherrschen. Beherrscht er diese nicht, begeht er einen Behandlungsfehler und haftet für den daraus resultierenden Schaden am Patienten.

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Körperverletzung, Schmerzensgeld, Schadensersatz

Unter dem Begriff Körperverletzung ist eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung gemäß § 223 StGB und § 229 StGB zu verstehen:

§ 223 Körperverletzung. [1] „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”

§ 229 Fahrlässige Körperverletzung. „Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”

Die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden werden durch eine unangemessene und schlechte Behandlung erheblich beeinträchtigt. Eine Schmerzzufügung muss nicht zwingender Weise Teil der Körperverletzung sein. Sie kann sowohl durch Versäumen einer bestimmten Behandlung als auch durch Verletzung des Behandlungsvertrages entstehen.

Die zahnärztliche Behandlung wird generell als Körperverletzung definiert, allerdings wird sie durch die Einwilligung des Patienten in die Behandlung legitimiert [9] [21] [24].

Die Schmerzensgeldregelung unterliegt dem § 847 BGB und sorgt für einen Schadensausgleich eines erlittenen immateriellen Schadens: § 847 (Schmerzensgeld) [1] „Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.” Aus diesem Paragraphen geht hervor, dass bei der Haftung aus unerlaubter Handlung neben dem Schadensersatz unter Umständen Schmerzensgeld beansprucht werden kann, wenn ein Kunstfehler bzw. Behandlungsfehler mit der Folge einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Gesundheitsschädigung vorliegt. Das Gericht setzt die Höhe des Schmerzensgeldes nach freiem Ermessen gemäß § 287 ZPO fest.

Geht ein Anspruch auf Schadensersatz aus der pVV und/oder aus unerlaubter Handlung hervor, so steht dem Patienten ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu:

§ 823 (Schadensersatzpflicht) [1] „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.”

Schadensverursachung und Verschuldung sind Voraussetzungen für die Haftung. Gesetzlich wird nicht zwischen einer vorsätzlichen, grob fahrlässigen oder leicht fahrlässigen Handlung unterschieden. Gemäß

§ 254 BGB ist allerdings ein Mitverschulden der geschädigten Person zu bedenken [28]. Ein Ausgleich für den immateriellen Schaden wird bei der Haftung aus unerlaubter Handlung gemäß § 253 BGB geltend gemacht. Zu den Schäden nichtvermögendlicher Art zählen die Verletzung der Gesundheit, des Körpers und der Freiheit. Diese Schäden werden im Rahmen einer Schmerzensgeldzahlung (Ersatz bzw. Wiedergutmachung) reguliert [11].

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Zahnmedizinischer Sachverständiger

Auf dem Gebiet der Zahnmedizin wird dem Sachverständigen im Zusammenhang mit juristischen Verfahren eine sehr große Bedeutung beigemessen [18]. Dem § 402 ff. ZPO kann entnommen werden, dass der Beweis eines Sachverständigen in sämtlichen Verfahrensordnungen vorgesehen ist. Zur Gutachtenerstellung werden in den meisten Fällen nur Einzelpersonen herangezogen (Benennung eines Gutachters in Person) [20].

Durch seine Gutachtendarlegung trägt der Sachverständige eine sehr große Verantwortung, da er vor Gericht de facto den Prozess entscheiden kann. Gleichzeitig steht die Zusammenarbeit der Justiz mit dem Gutachter an vorderster Stelle: Die Betrachtungsweise eines Juristen und die eines Zahnarztes weisen im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung durchaus Differenzen auf. Der Sachverständige muss sowohl dem Zahnarzt als auch dem Juristen eine für beide Seiten verständliche Darlegung der wertenden Kriterien vermitteln und u. a. als Helfer des Richters fungieren; das Gutachten dient hierbei als Beweismittel. Sein Aufgabenbereich beschränkt sich dabei auf Erkenntnisse seines Wissensgebietes, sowie darauf, diese zu erörtern und bestimmte Sachlagen zu beurteilen bzw. festzustellen [15].

Die Tätigkeit des Gutachters soll als Beitrag zur künftigen Fehlervermeidung gesehen werden. Immer wieder muss sich der Sachverständige 3 Fragenkomplexen stellen [18]:

  • Worin besteht die Komplikation?

  • In welcher Größenordnung bewegt sich die Wahrscheinlichkeit?

  • Wie ist der aktuelle zahnmedizinische Standard definiert?

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Literatur

  • 1 Alpmann J, Alpmann AT JA. Schuldrecht. Band 1. Verlagsgesellschaft, Münster 1995
  • 2 Becker R. Zahnärztliche Haftung und Sachverständigenbeweis. Med. Diss. Münster 1995
  • 3 BGH Urteil.  (Oldenburg) NJW. 1978;  46 2337-2349
  • 4 Bockelmann P. Strafrecht des Arztes. Stuttgart: Thieme 1968
  • 5 Deutsch E. Medizinrecht. 4. Auflage. Berlin: Springer 1999
  • 6 Ehlers APF. Die ärztliche Aufklärung vor medizinischen Eingriffen: Bestandsaufnahme und Kritik. In: Gitter W, Henz M (Hrsg.). Arzt-, Krankenhaus-, und Gesundheitsrecht. Band 5. Köln, Berlin, Bonn, München: Heymann 1987
  • 7 Fiebelkorn W. Dokumentation der zahnärztlichen Behandlung.  Zahnarztl Prax. 2000;  4 338-342
  • 8 Fiebelkorn W, Klammt J. Zahnärztliches Haftungsrecht. Schwerin: Högsdorfer Verlag 2000
  • 9 Figgener L. Zahnarzt und Recht II. Die Aufklärungspflicht aus juristischer Sicht (1. Teil).  Zahnarztl Mitt. 1989;  79 1781-1785
  • 10 Günther H. Zwischenfälle in forensischer Sicht.  Dtsch Zahnarztl Z. 1968;  35 70-82
  • 11 Günther H. Zahnarzt, Recht und Risiko. München: Hanser 1982
  • 12 Hahn W. Die Aufklärungspflicht aus der Sicht des Zahnarztes.  Dtsch Zahnarztl Z. 1980;  35 165-168
  • 13 Keil A. Forensische Fragen in der Zahnerhaltungskunde.  Dtsch Zahnarztl Z. 1955;  10 1698-1701
  • 14 Köhler S, Ortsmann-Müller E. Haftungsrechtliche Fragen in der Zahnarztpraxis.  Dent Spiegel. 2000;  6 18-21
  • 15 Laufs A. Arztrecht. 5. Auflage. München: Beck 1993
  • 16 Laufs A, Uhlenbruck W. Handbuch des Arztrechts. München: Beck 1992
  • 17 Medicus D, Schuldrecht I. Allgemeiner Teil. 7. Auflage. München: Beck 1993
  • 18 Oehler K. Der zahnärztliche Sachverständige: Behandlungsfehler in Begutachtung und Rechtssprechung. Dtsch. München: Zahnärzte-Verlag 1999
  • 19 Oexmann B, Georg A. Die zivilrechtliche Haftung des Zahnarztes. Düsseldorf: Werner-Verlag 1989
  • 20 OLG München.  Urteil vom 22.9.1967 - 8 U 707/67 NJW. 1967;  5 202-203
  • 21 Rahn R. Einwilligung und Aufklärung bei zahnärztlichen Eingriffen.  Quintessenz. 1988;  40 505-510
  • 22 Sachs HW. Verkehrstüchtigkeit nach zahnmedizinischen Eingriffen.  Dtsch Zahnarztl Z. 1980;  35 179-182
  • 23 Schleicher D. Zahnärztliche Aufklärungspflicht aus juristischer Sicht (1. Teil).  Zahnarztl Mitt. 1985;  75 702-711
  • 24 Schleicher D. Zahnärztliche Aufklärungspflicht aus juristischer Sicht (2. Teil).  Zahnarztl Mitt. 1985;  75 836-840
  • 25 Schleicher D. Zahnärztliche Aufklärungspflicht aus juristischer Sicht (3. Teil).  Zahnarztl Mitt. 1985;  75 1115-1123
  • 26 Schmid H. Über den notwendigen Inhalt der ärztlichen Dokumentation.  NJW. 1987;  40 681-687
  • 27 Tempel O. Inhalt, Grenzen und Durchführung der ärztlichen Aufklärungspflicht unter Zugrundelegung höchstrichterlicher Rechtsprechung.  NJW. 1980;  33 609-617
  • 28 Tiemann S. Das Recht in der Zahnarztpraxis. Berlin: Quintessenz-Verlag 1982
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. Hülsmann

Abt. Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie

Georg-August-Universität Göttingen

Robert-Koch-Str. 40

37099 Göttingen

Email: michael.huelsmann@med.uni-goettingen.de

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Literatur

  • 1 Alpmann J, Alpmann AT JA. Schuldrecht. Band 1. Verlagsgesellschaft, Münster 1995
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  • 5 Deutsch E. Medizinrecht. 4. Auflage. Berlin: Springer 1999
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  • 13 Keil A. Forensische Fragen in der Zahnerhaltungskunde.  Dtsch Zahnarztl Z. 1955;  10 1698-1701
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  • 25 Schleicher D. Zahnärztliche Aufklärungspflicht aus juristischer Sicht (3. Teil).  Zahnarztl Mitt. 1985;  75 1115-1123
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. Hülsmann

Abt. Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie

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