Einleitung
Einleitung
Neben seiner Bedeutung als gasaustauschendes Gewebe spielt das respiratorische Epithel
eine wichtige Rolle als Grenzbarriere zwischen dem Organismus und seiner Umwelt. Die
große Oberfläche kann dabei zur Administration verschiedenster Pharmaka bei Erkrankungen
wie Asthma bronchiale, COPD, Mukoviszidose, Pneumonien oder chronischem Husten genutzt
werden [1 ]
[2 ]. Allerdings ist die Wirksamkeit einer topischen Anwendung von verschiedenen Faktoren
abhängig, einschließlich der chemischen Struktur des Pharmakons, der Eigenschaften
des Transportsystems und der Möglichkeiten des Abtransports von Fragmenten [3 ].
In Anbetracht der Tatsache, dass die Lunge beim erwachsenen Menschen eine innere Oberfläche
von 70 - 140 m2 besitzt und über die Lungenvenen eine enge Verbindung zum systemischen Kreislauf
besteht, kann die aerosolische Pharmaka-Administration zwei Ziele erreichen: Erstens
können Atemwegstherapeutika topisch angewendet und damit systemische Nebeneffekte
vermindert werden. Zweitens kann die aerosolische Gabe auch bei systemischen Erkrankungen
Verwendung finden, da die Pharmaka über die Lungenvenen direkt in den systemischen
Kreislauf gelangen. Ist die Anwendung von Medikamenten mit geringer oraler Bioverfügbarkeit
unabdingbar, können so intravenöse Gaben vermieden werden.
Bereits jetzt spielt die aerosolische Gabe von Arzneimitteln bei der Behandlung einer
Vielzahl von pulmonalen und systemischen Erkrankungen eine große Rolle. Allerdings
wurden die genauen molekularen Transportvorgänge einzelner Pharmaka im respiratorischen
Epithel und die damit verbundenen Optionen bezüglich eines Rational Drug Designs neuer
Substanzen bis jetzt noch nicht im Detail analysiert. Hinsichtlich des möglichen Vorteils
topischer Therapien und der neuesten Erkenntnisse über die Expression und Funktion
von Pharmakatransportern in den Atemwegen, befasst sich der vorliegende Übersichtsartikel
mit Aspekten des optimierten aerosolischen Pharmakatransportes und neuen Methoden
topischer Administration. Im Vordergrund steht dabei der Vorteil einer Transporter-vermittelten
Pharmakaaufnahme, die im Vergleich zur passiven Diffusion wesentlich höhere Konzentrationen
zulässt (Abb. [1 ]).
Abb. 1 Unterschied zwischen aktivem Transport und passiver Diffusion. Ausgehend von der Situation
einer aerosolischen Gabe eines Pharmakons, bietet sich die Möglichkeit einer passiven
Diffusion und eines aktiven Pharmakatransportes. Dabei können durch aktive Transportvorgänge
sogar gegen einen Konzentrationsgradienten wesentlich höhere Konzentrationen aufgebaut
werden, als durch passive Diffusion.
Geschichtlicher Hintergrund
Geschichtlicher Hintergrund
Bereits vor 4000 Jahren wurden inhalative Pharmaka zur Behandlung respiratorischer
Erkrankungen verwendet, z. B. in Form von Atropa belladonna-Blättern, die geraucht
wurden, um Husten zu unterdrücken.
Auch zu Hippokrates Zeiten waren Aerosole, heiße Dämpfe und Meerwasser-Inhalationen
üblich, um Atemwegsobstruktionen zu erleichtern. Während der industriellen Revolution
gab es so genannte Asthma-Zigaretten, die Stramoniumextrakte aus der Pflanze Datura
stramonium (Weißer Stechapfel) enthielten. Im späten neunzehnten Jahrhundert wurde
erstmals eine Vielzahl von Verneblern konstruiert, die hauptsächlich mit Luftdruck
arbeiteten.
Die Geschichte der modernen aerosolischen Pharmaka kann bis zur ersten Hälfte des
letzten Jahrhunderts zurückverfolgt werden [4 ]. Nachdem sich herausragende Perspektiven abzeichneten, die sich durch die topische
Verabreichung von Medikamenten in den Atemtrakten ergaben [5 ]
[6 ]
[7 ], wurden verschiedenste topische und systemische Aerosole propagiert [8 ].
Es wurde schnell klar, dass die geeignetsten Verbindungen für eine aerosolische Administration
niedermolekulare Substanzen waren, weil sie die Fähigkeit besitzen, direkt die Zielzellen
im Respirationstrakt zu erreichen bzw. schnell in die Lungenvenen zu diffundieren
und so in den systemischen Kreislauf zu gelangen. Folglich waren es die Anästhesisten
und Notfallmediziner, die als erste die Verabreichung von Medikamenten über die Luftwege
anwendeten, um so einen schnellen Zugang zum systemischen Kreislauf zu haben. Dadurch
wurden bedeutsame neue Therapiestrategien entwickelt, angefangen von inhalativen Anästhetika
bis hin zu Opioiden.
Obwohl die orale und intravenöse Verabreichung von Medikamenten derzeit in der Behandlung
von systemischen Erkrankungen den medizinischen Alltag beherrschen, wächst doch das
Interesse an neueren inhalativen Anwendungen, nicht zuletzt wegen der großen Nachfrage
nach angenehmeren Therapieformen seitens der Patienten [9 ]. Auch hinsichtlich der Fortschritte auf den Gebieten der aerosolischen Verabreichungstechniken
und der als „Rational Drug Design” bezeichneten rationalen Substanzentwicklung [10 ] werden Peptidomimetika und Proteine mit Hilfe der systemischen pulmonalen Therapie,
die Möglichkeit eröffnen, chronische Krankheiten, wie z. B. Diabetes mellitus nicht-invasiv
zu behandeln [11 ].
Im Gegensatz zu der Behandlung von systemischen Erkrankungen mittels aerosolischer
Pharmaka wird in der Lungenheilkunde die inhalative Therapie mit kleinen Molekülen
bereits dominierend bei Erkrankungen wie dem Asthma bronchiale eingesetzt.
Eine Vielzahl von Substanzklassen wie Steroide [12 ]
[13 ]
[14 ], β2 -Sympathomimetika [15 ], und Anticholinergika [15 ]
[16 ]
[17 ] werden üblicherweise inhalativ eingesetzt. Auch für die Therapie anderer Atemwegserkrankungen
werden Inhalativa verwendet. Z. B. haben sich inhalative Prostaglandine bei der Behandlung
der pulmonalen Hypertension als effektiv erwiesen. Ebenso können Antibiotika bei rekurrenten
Atemwegsinfektionen, z. B. bei der Mukoviszidose eingesetzt werden [10 ]
[18 ]
[19 ].
Bezüglich des „Rational Drug Designs” stellt die Identifikation von spezifischen Transportern
in den Atemwegsepithelien eine notwendige Voraussetzung dar.
In dieser Hinsicht eröffnete 1996 die molekulare Identifikation eines hochaffinen
Peptidtransporters PEPT2 [20 ] und die Darstellung seiner funktionalen Expression in den Atemwegen [21 ]
[22 ] einen viel versprechenden neuen Angriffspunkt für zukünftige aerosolisch applizierte
Pharmaka.
Expression und Funktion von PEPT2 in den Atemwegen
Expression und Funktion von PEPT2 in den Atemwegen
Nachdem der hochaffine Pharmakatransporter PEPT2 in den Nieren [20 ] und der niedrig-affine Pharmakatransporter PEPT1 im Dünndarm [23 ]
[24 ] entdeckt wurden, versuchte man Zusammenhänge zwischen bereits dargestellten Aufnahmekapazitäten
in den Atemwegen [25 ]
[26 ] und den Transporterproteinen zu entschlüsseln [1 ].
Mittels Northern Blot und RT-PCR konnte dabei PEPT2 nicht jedoch PEPT1 im respiratorischen
Epithel der Ratte nachgewiesen werden [27 ]. Um die Expression von PEPT2 zellspezifisch nachweisen zu können, wurde das Verfahren
der nicht radioaktiven mRNA In-situ-Hybridisierung angewendet. Die Expression von
PEPT2 mRNA konnte so im respiratorischen Epithel und in Typ 2 Pneumozyten dargestellt
werden [21 ]. Nachdem Antikörper gegen den Transporter entwickelt wurden [28 ]
[29 ], konnte durch Immunhistochemie in den Atemwegen von Ratte und Maus eine Kolokalisation
von PEPT2-Protein und mRNA im respiratorischen, Epithel und in Pneumozyten Typ 2 gefunden
werden.
Um diesen Beobachtungen auch auf der funktionellen Ebene nachgehen zu können, wurden
ex vivo Aufnahmestudien („uptake studies”) durchgeführt. Dabei wurde das Fluoreszenzfarbstoff-konjugierte
Dipeptid D-Ala-Lys-AMCA für die Visualisierung der pulmonalen Peptidaufnahme verwendet.
Die Inkubation von Mäuselungen mit dem Reportermolekül zeigte eine Aufnahme und intrazelluläre
Anreicherung des markierten Substrates entlang des Atemtraktes in Pneumozyten Typ
2 sowie auch in Bronchial- und Trachealepithelzellen. Dadurch wurden die morphologischen
Daten der Immunhistochemie und In-situ-Hybridisierung bestätigt [21 ]. Die gleichzeitige Darstellung von Transporter-mRNA und Protein sowie der Transporterfunktion
konnte so beweisen, dass Peptidomimetika durch PEPT2 transportiert werden [21 ]. Letztlich wurde der Peptidtransporter in der humanen Lunge durch Immunhistochemie
nachgewiesen, wobei die PEPT2-Proteinexpression mit der in der Ratten- und Mäuselunge
korrelierte [30 ].
Da wiederholte Atemwegsinfekte bei Mukoviszidose-Patienten die primäre Indikation
für aerosolische Antibiotika-Therapie darstellen, wurde ebenfalls untersucht, ob PEPT2
im Lungengewebe von Mukoviszidose-Patienten exprimiert wird, wobei ein qualitativ
identisches Expressionsmuster mittels Immunhistochemie festgestellt wurde [22 ]. Jedoch zeigte sich in funktionellen Studien zur Quantifikation der Aufnahmekapazität
des Transportersystems, dass durch die großen Mengen an Mukus im Atemwegslumen das
markierte Substrat unter den Bedingungen der Mukoviszidose weniger stark im Atemwegsepithel
angereichert wurde [31 ]. Die Quellen des Mukus liegen dabei in Bereichen von epithelialen Becherzellen und
Schleimdrüsen [32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ].
Funktionelle Eigenschaften der Pharmakatransporter
Funktionelle Eigenschaften der Pharmakatransporter
Der Pharmakatransporter PEPT2 gehört zur Familie der Protonen-abhängigen Oligopeptid-Transporter
(POT), die zur Zeit ˜ 70 klonierte Transporter in einer Vielzahl von Spezies umfasst.
PEPT2 war zusammen mit dem intestinalen PEPT1-Transporter der erste identifizierte
Säugetier-Transporter, der einen elektrochemischen Gradienten als treibende Kraft
(Abb. [2 ]) benutzt [37 ].
Abb. 2 Transportmechanismen in den Atemwegen. Topisch applizierte Pharmaka können, wie Oligopeptide
mittels des Transporters PEPT2 vom Atemwegsepithel aufgenommen werden. Dabei folgt
die Substrattranslokation einem transmembranären elektrochemischen Protonengradienten
vom Lumen ins Innere der Epithelzelle. Der Protonengradient wird über einen Na+ /H+ -Austausch aufrechterhalten.
Die Mechanismen der Substraterkennung, Aufnahme und der Transfer durch PEPT2 sind
stark abhängig vom Membranpotential und dem extrazellulären pH-Wert. Der PEPT2-abhängige
Transport von Pharmaka und Peptiden ist elektrogen und hat, abhängig von der Ladung
des jeweiligen Substrates, ein pH-Optimum bei 4,5 - 6,5 [38 ].
Da die Umgebung des respiratorischen Epithels unter normalen Bedingungen einen relativ
stabilen, leicht sauren pH von ˜ 6.5 besitzt, findet ein physiologisch optimaler Transport
von Peptidomimetika statt, die bei einem pH von 6.5 ungeladen vorliegen.
Die Transportrate kann erhöht werden, wenn das Membranpotential hyperpolarisiert ist
und ein niedrigerer pH mit einem extrazellulären Überschuss an Protonen vorliegt,
wie es beispielsweise bei Asthma bronchiale der Fall ist.
Somit kann die Kapazität des über PEPT2 vermittelten Transportes von einzelnen Medikamenten
in pathologischen Situationen mit einem saurem Oberflächen-pH sogar erhöht sein.
Durch die Kopplung des Substrattransports an einen elektrochemischen Gradienten, kann
das PEPT2-System ebenfalls als ein zellulärer Säure-Lieferant im Lungenepithel angesehen
werden. Aufgrund der Abhängigkeit von einem Na+ -H+ -Antiport wird auf der anderen Seite die Na+ -Aufnahme in die Zelle erhöht, um die intrazelluläre pH-Homöostase zu gewährleisten.
Im Verdauungstrakt konnte nachgewiesen werden, dass der Na+ -H+ -Austauscher NHE3 als sekundär aktiver Transport in die Prozesse eingebunden ist [39 ]. Dieser Austauscher ist in den Atemwegen nicht vorhanden [40 ]. Daher könnten es andere Transporter wie z. B. NHE1 [41 ] sein, die die Aufgabe des Na+ -Austausches in den Atemwegsepithelzellen übernehmen.
Nach Aufnahme von Di- und Tripeptiden in die Epithelzellen der Atemwege werden diese
schnell durch zelluläre zytosolische Peptidasen hydrolysiert. Die so entstehenden
Aminosäuren können dann von den Zellen für die Synthese spezifischer Mediatoren oder
auch für den zellulären Stoffwechsel genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht
im Abtransport durch basolaterale Aminosäuretransporter.
Hydrolyse-resistente Substrate von PEPT2, wie z. B. Peptidomimetika, akkumulieren
in den Atemwegszellen, wie es in den Aufnahmestudien gezeigt werden konnte, und werden
dann über bislang noch nicht auf der molekularen Ebene identifizierte Transporter
in den Extrazellulärraum entlassen. Renale und intestinale Epithelzellen besitzen
in dieser Hinsicht basolaterale Transportsysteme, die ähnliche Merkmale haben wie
PEPT2 und die den basolateralen Transport von Oligopeptiden und Peptidomimetika vermitteln
[42 ]
[43 ]
[44 ]. Ob es ähnliche Transportproteine in der basolateralen Membran des Atemwegsepithels
gibt, ist noch unbekannt.
Während PEPT2 ein hochaffiner Transporter (Km-Werte 5 - 500 µM) mit geringerer Transportkapazität
ist, besitzt PEPT1 eine hohe Transportkapazität mit niedriger Affinität (Km-Werte
200 µM - 10 mM) [44 ]. Neben diesen funktionellen Unterschieden werden die beiden Transporter auch in
unterschiedlichen Organen exprimiert. PEPT2 wird in den Atemwegen [21 ]
[22 ], den Nieren [45 ]
[46 ], im peripheren und zentralen Nervensystem [47 ]
[48 ]
[49 ] und in der laktierenden Brustdrüse [50 ] exprimiert. Die Expression von PEPT1 konnte demgegenüber im Intestinaltrakt [51 ], den Nieren [52 ] und im Gallengangsepithel [53 ] nachgewiesen werden.
Transporterstruktur
Transporterstruktur
Der humane PEPT2-(hPEPT2)-Transporter wurde durch homologes Screening [54 ] identifiziert und das kodierende Gen auf dem Chromosom 3q13.3-q21 (55) lokalisiert.
Er gehört zur POT-Familie genannten Peptid-Transporter-Familie. Diese Transporterproteine
variieren in ihrer Größe von 450 bis über 700 Aminosäuren. Dabei sind sie in Prokaryonten
wesentlich kleiner als in Eukaryonten. Die cDNA besteht aus einem 2,190-bp-langem
offenen Leserahmen mit einem Protein aus ˜ 729 Aminosäuren (Abb. [3 ]). Die Molekulargröße von hPEPT2 ist noch nicht identifiziert, jedoch beträgt die
Größe des homologen PEPT2 aus dem Kaninchen für das glykosylierte reife Protein ˜
107 kD und für das nicht-glykosylierte Protein ˜ 83 kD. Die Analyse der Aminosäuresequenz
lässt auf 12 transmembranäre Domänen schließen mit ähnlicher Struktur wie bei PEPT1.
Sowohl das N- als auch das C-terminale Ende liegen im Zytosol (Abb. [3 ]). Die Primärstruktur von PEPT2 weist eine 50 %ige Identität zum humanen intestinalen
H+ -Peptid-Kotransporter PEPT1 auf [54 ]. Die größten Unterschiede zwischen den beiden Transporterproteinen wurden in der
großen extrazellulären Schleife gefunden, die die transmembranären Domänen (TMDs)
9 und 10 miteinander verbindet. Bisher wurde PEPT2 aus humanem [54 ], Kaninchen- [20 ], Ratten- [56 ] und Mäusegewebe [57 ] kloniert. Parallel zur humanen Form wurde das Maus PEPT2-Gen auf der korrespondierenden
Region des zentralen Mauschromosoms 16 nahe D16Mit4 und D16Mit59 lokalisiert [57 ]. PEPT2 Gen-depletierte Mäuse wurden vor kurzem erstmals beschrieben [58 ]
[59 ], aber bislang noch nicht auf die Atemwegsphysiologie und -pathophysiologie untersucht.
Abb. 3 Topologie des Transporterproteins. Das Transporterprotein PEPT2 bildet 12 Transmembrandomänen
(TMD) mit jeweils intrazellulär lokalisierten C- und N-terminalen Enden.
Um herauszufinden, welche genaue Rolle die Proteindomänen für die funktionellen Eigenschaften
von PEPT1 und PEPT2 spielen, wurden Mutagenese-Studien durchgeführt und chimäre Peptidtransporter,
bestehend aus bestimmten PEPT1 und PEPT2 Regionen analysiert. Diese Studien zeigten,
dass erhaltene Histidin-Reste in der zweiten und vierten TMD von PEPT2 und PEPT1 für
die Transportaktivität notwendig sind [60 ]
[61 ]
[62 ]. Weitere Studien mit chimären Peptidtransportern zeigten außerdem, dass es insgesamt
die ersten 6 TMDs und Schleifen des PEPT2-Proteins sind, die den Phänotyp determinieren
[63 ]
[64 ] und dass die TMD 7 bis 9 für die Affinität zu Zwitterionen eine Rolle spielen. Die
ersten 6 TMDs stellen insgesamt die Basis für die Substratbindungsstelle dar (Abb.
[3 ]) [65 ].
Andere PEPT1-PEPT2-Chimären wurden mit dem Ziel hergestellt, kleinere Segmente innerhalb
des N-terminalen Endes, die zu den kinetischen Eigenschaften des Transporters beitragen,
zu analysieren [66 ]. Im Einzelnen wurden die ersten 59 bzw. 91 Aminosäure-Reste von PEPT1 benutzt, um
korrespondierende Stellen von PEPT2 zu ersetzen. Xenopus laevis Oozyten wurden dabei
als Expressionssystem verwendet, und zeigten, dass die Substrataffinität von beiden
Chimären für das Zwitterionensubstrat D-Phe-Ala zwischen denen für PEPT1 bzw. PEPT2
liegt. Wenn jedoch geladene Substrate angewendet wurden, besaßen beide Chimären die
Affinität von PEPT1. Chimären mit dem N-terminalen Ende des 59-Aminosäurerests von
PEPT1 wiesen in Bezug auf die pH- und Spannungabhängigkeit einen PEPT2-ähnlichen Phänotyp
auf. In Chimären mit dem 91-Aminosäuren-Ende von PEPT1 konnte eine starke Veränderung
der pH-Abhängigkeit beobachtet werden, mit den höchsten Transportraten bei pH-Werten
von pH 4.0. Aus diesen Beobachtungen wurde geschlossen, dass die zwei identifizierten
Regionen des Amino-Endes die entscheidende Rolle bezüglich der Substrataffinität spielen
[66 ].
Transportmechanismen
Transportmechanismen
PEPT2 wurde ursprünglich als Transportsystem für Oligopeptide (Di- und Tripeptide)
identifiziert. In Anbetracht der Tatsache, dass es 20 proteinogene L-alpha-Aminosäuren
gibt, ergeben sich 400 verschiedene Di- und bis zu 8000 verschiedene Tripeptide, die
ein Molekulargewicht zwischen 96,2D (Di-Glycine) bis zu 522,6 D (Tri-Tryptophan) besitzen
und die durch PEPT2 transportiert werden können. Da außerdem Oligopeptide mit einer
D-enantiomeren Aminosäure im N-terminalen Ende eine hohe Affinität und Transportrate
aufweisen können, ist die Anzahl möglicher PEPT2-Substrate sogar noch erheblich größer.
Neben Peptiden transportiert PEPT2 ebenso eine große Anzahl von pharmakologisch aktiven
Substanzen (Abb. [4 ]) und ist dadurch in das Blickfeld therapeutischer Überlegungen gerückt worden. Zusammen
mit den endogenen Oligopeptiden bilden Arzneimittel, die durch PEPT2 transportiert
werden, eine große Bandbreite molekularer Strukturen mit einer Vielzahl an verschiedenen
physikalischen und chemischen Eigenschaften.
Abb. 4 Expression und Funktion von PEPT2 im Atemtrakt. Durch Kinetikstudien konnte der PEPT2-abhängige
Transport einer Vielzahl von Pharmakaklassen nachgewiesen werden. Dazu gehören unter
anderem Antibiotika, antivirale Substanzen, antineoplastische Substanzen und Delta-Aminolävulinsäure,
die zur photodynamischen Therapie und Diagnose von Atemwegsneoplasien verwendet werden
kann. Bis jetzt konnte die Expression und Funktion unter normalen Bedingungen und
bei Mukoviszidose entschlüsselt werden.
Definition der minimalen strukturellen Anforderungen für PEPT2-Substrate
Definition der minimalen strukturellen Anforderungen für PEPT2-Substrate
Um ein Rational Drug Design für PEPT2-transportierte Pharmaka zu ermöglichen, ist
es notwendig, die molekularen Merkmale, die die Substrataffinität und den Transport
bestimmen, zu kennen. Deswegen wurden eine Reihe von Aminosäure-Derivaten und modifizierten
Dipeptiden synthetisiert [67 ] und kinetische Konstanten für die Interaktion zwischen Test-Verbindungen und PEPT2
in kompetitiven Versuchen ermittelt, in denen man heterologe PEPT2-Expressionssysteme
benutzte. Die elektrogenen Transporteigenschaften des Substrates wurden mit der „Voltage-clamp”-Technik
in PEPT2-exprimierenden Xenopus laevis Oozyten untersucht. In diesen Experimenten
konnte gezeigt werden, dass im Gegensatz zu Omega-Amino-Fettsäuren, die keine Affinität
zu PEPT2 aufweisen, nur das Hinzufügen einer einzigen Carbonylgruppe im Grundgerüst
des Substrats sowohl die Affinität als auch den Transportfluss um mehr als das 30fache
erhöht. Durch Elongation von Omega-Amino-Fettsäuren an ihrem N-terminalen Ende mit
einem Alaninrest konnte gezeigt werden, dass dadurch die Affinität und Funktion abnahmen.
Im Gegensatz dazu verursachte die Elongation am Carboxylende einen weniger deutlichen
Effekt [67 ]. Aufgrund dieser Kenntnisse und der Vielzahl von Substraten, die erkannt und transportiert
werden, können neue Atemwegstherapeutika und Prodrugs entwickelt werden und in heterologen
Expressionssystemen auf ihre Transportfähigkeit via PEPT2 getestet werden [68 ]. Im Folgenden werden einige der pharmakologisch relevanten Substratgruppen und ihr
potenzieller Nutzen in der Therapie von Atemwegserkrankungen diskutiert (Abb. [4 ]).
Antibiotika: Bakterielle Pneumonien
Antibiotika: Bakterielle Pneumonien
Neben ihrer Bedeutung im Bereich von stationär und ambulant erworbenen Pneumonien
spielen bakterielle Infektionen ebenfalls im Verlauf von chronischen Lungenerkrankungen
wie der Mukoviszidose eine entscheidende Rolle und können durch eine progressive Zerstörung
des Lungengewebes zu einem progredienten Lungenversagen führen [69 ]. Bei Patienten mit Mukoviszidose treten stets Infektionen der unteren Atemwege auf,
und trotz der bestehenden Therapiemöglichkeiten bleibt die Pneumonie eine der Hauptursachen
für die Morbidität und Mortalität bei Mukoviszidose [70 ]. Da die lokale Konzentration des antimikrobiellen Agens in der Lunge als entscheidender
Faktor für eine erfolgreiche Erreger-Eradikation angesehen wird, stellt das Alveolar-
und Bronchialepithel theoretisch ein hervorragendes Anwendungsgebiet für die topische
Gabe von Antibiotika dar [71 ]. Folgende Vorteile sind dabei durch die direkte Administration mittels hochaffiner
Transportersysteme, wie PEPT2 zu erwarten: 1) Deposition am Ort der Infektion ermöglicht
eine hohe lokale Konzentration des Wirkstoffes [72 ]. 2) Möglichkeit der Dosisreduktion bei inhalativer Anwendung, wodurch systemische
unerwünschte Wirkungen reduziert werden können.
Innerhalb der verschiedenen Lungenkompartimente gelten das Alveolarepithel und die
Makrophagen als wesentlich in Bezug auf die Erregerabwehr [73 ]
[74 ]
[75 ]
[76 ]. In diesen Kompartimenten ist deshalb eine hohe Konzentration des antimikrobiellen
Wirkstoffes für die Erreger-Eradikation von entscheidender Bedeutung und in einer
Vielzahl von Studien wurde das Verhältnis der Wirkstoffkonzentration in diesen Kompartimenten
im Verhältnis zur klinischen Effektivität von Antibiotika ermittelt [77 ]
[78 ]
[79 ]
[80 ]
[81 ]. In Hinsicht auf die zentrale Rolle der Antibiotikatherapie und in Anbetracht der
zahlreichen klinischen Studien, die sich mit der Entwicklung der lokalen Antibiotikaadministration
befassen [82 ]
[83 ]
[84 ], führte die Identifikation des Transporters PEPT2 als ein wesentlicher Transportweg
für Antibiotika in das Atemwegsepithel zu neuen Optionen im Bereich des „Ration Drugs
Designs”. In der großen Gruppe der Antibiotika sind es vor allem die Betalaktame mit
Penicillinen und Cephalosporinen, die aufgrund ihrer hohen Wirksamkeits- und Sicherheitsprofile
am häufigsten angewendet werden. Eine große Anzahl an Betalaktamen wird durch das
Transportsystem PEPT2 transportiert, da ihre Basisstruktur denen der Tripeptide ähnelt
und die C-terminale Peptidbindung in den Betalaktamring integriert ist. Wenn die C-N
Bindung des Betalaktamringes um 180° rotiert wird, verhält sich die D-enantiomere
Stereochemie der Betalaktame wie die L-enantiomere Stereochemie eines endogenen Tripeptids.
So erklären sich die hohe Affinität und der Transport dieser Antibiotika durch PEPT2.
Ein beispielhaftes Substrat von PEPT2 ist das Aminocephalosporin Cefadroxil. Mit einer
Michaelis-Menten-Kinetik (Km) von 50 µM [85 ] wurde es unter anderem benutzt, um die Funktion von PEPT2 im Atemtrakt nachzuweisen
[22 ]. In der Erkennung und dem Transport von Antibiotika bestehen zwischen den beiden
Transportersystemen PEPT2 und PEPT1 Unterschiede. PEPT2 hat diesbezüglich eine höhere
Affinität für zwitterionischen Betalaktame, während anionische Betalaktame wie Ceftibuten
und Cefixime eine höhere Affinität für PEPT1 zeigen [86 ]
[87 ]. Wenn man den pH-Abfall der Atemwegsoberfläche bei Asthma bronchiale oder COPD berücksichtigt,
so führt diese Ansäuerung im extrazellulären pH zu einem verbesserten Transport von
anionischen oder dianionischen Substraten wie Cefixime. Insofern kann angenommen werden,
dass unter pathologischen Bedingungen wie der COPD, aufgrund des stärker ausgeprägten
sauren Milieus die Transporterfunktionen sogar optimiert sind. Neben dieser Funktionssteigerung
bei erniedrigten pH-Werten behindern jedoch wahrscheinlich größere Mengen an Schleimproteinen
wie MUC5AC oder MUC5B [33 ]
[35 ] die Transportersysteme. Der kürzlich entwickelte PEPT2 Gen-depletierte Mausstamm
wird eine genauere Charakterisierung der Rolle von PEPT2 als Antibiotika-Transporter
in den Atemwegen ermöglichen und zeigen, ob die aerosolische Administration von Antibiotika
eine verminderte klinische Effizienz in einem Pneumoniemodell bei PEPT2 Gen-depletierten
Mäusen hervorruft.
Antineoplastische Pharmaka: Lungenneoplasien
Antineoplastische Pharmaka: Lungenneoplasien
Im Hinblick auf den potenziellen Anwendungsbereich von Peptidomimetika im Rahmen der
Therapie von Neoplasien konnte gezeigt werden, dass die Expression von Peptidtransportern
in epithelialen und nicht epithelialen Tumorzellen außerhalb der Lunge hochreguliert
sein kann [53 ]
[88 ]
[89 ]. Das Peptidomimetikum Bestatin (Ubimex) ist ein Zytostatikum, welches durch PEPT1
und PEPT2 transportiert wird. Es inhibiert kompetitiv die Leucin-Aminopeptidase und
die Aminopeptidase B und wirkt so als ein indirektes antineoplastisches Substrat [90 ]
[91 ]. Zur Erfassung der Bedeutung von Peptidtransportern für die antineoplastische Therapie
wurden Peptidtransporter-exprimierende HeLa-Zellen in Balb/c nu/nu Mäuse implantiert.
Bei der Charakterisierung der Bedeutung von Peptidtransportsystemen für den tumor-selektiven
Pharmakatransport stellte sich heraus, dass die Administration von Bestatin über einen
Monat die Lebensfähigkeit der implantierten Tumorzellen signifikant verringern konnte
[90 ]. Zum Nachweis der therapeutischen Relevanz von Peptidtransporter-vermitteltem Zytostatika-Transport
in Tumoren, müssen weitere Studien über die Expression von Transportern in pulmonalen
Neoplasien, gefolgt von funktionellen Aufnahmestudien, durchgeführt werden. Diesbezüglich
konnte bereits für epitheliale Gallenblasentumorzelllinien eine Peptidtransporter-Expression
beschrieben werden [53 ], ebenso für Pankreaskarzinomzelllinien [88 ] und Fibrosarkomzelllinien [89 ].
Delta-Aminolävulinsäure und die photodynamische Therapie
Delta-Aminolävulinsäure und die photodynamische Therapie
Die Identifikation der Delta-Aminolävulinsäure (d-ALA) als ein PEPT2-transportiertes
Substrat führt ebenso zu einer neuen Perspektive in der photodynamischen Therapie
(PDT). Die PDT ist eine relativ neue Technik in der diagnostischen und therapeutischen
Onkologie, die die Akkumulation von verschiedenen Photosensibilisatoren (lichtsensibilisierende
Wirksubstanzen) durch Tumorzellen nutzt [92 ]. Durch Lichtexposition einer bestimmten Wellenlänge aktiviert, generiert das sensibilisierende
Agens reaktive Sauerstoff-Radikale, die Apoptose und Nekrose in neoplastischen Zellen
verursachen [93 ]. Die Erzeugung von indirekten Photosensibilisatoren, die nach Applikation von Vorläufer-Molekülen endogen generiert werden, ist eine attraktive
Alternative zur Injektion direkter Photosensibilisatoren im Rahmen der PDT und stellt
ein sich schnell entwickelndes Forschungsfeld dar. Eine der vielversprechendsten Methoden
ist in diesem Zusammenhang die intrazelluläre Akkumulation von Porphyrinen, wobei
der Precursor d-ALA oral, parenteral oder topisch für die Synthese von Protoporphyrin
IX verabreicht wird [94 ]. Die Akkumulation von Porphyrinen kann auch erreicht werden, indem Enzyme der Häm-Biosynthese
inhibiert werden [94 ]. Da die Expression und Aktivität von Peptidtransporter-Genen in verschiedenen epithelialen
Tumorzellen nachgewiesen wurde [53 ]
[88 ]
[89 ], könnte PEPT2 in epithelialen Tumoren ein entscheidender Transporter für Photosensitizer
sein. Allerdings gibt es nur wenige Daten über den genauen zellulären Aufnahmemechanismus
von Photosensitizern in Säugetiergeweben [95 ]. Da pulmonale Tumoren für ihren Metabolismus und ihr Wachstum große Mengen an Stickstoff
und somit Aminosäuren benötigen, könnten Peptidtransportersysteme wie PEPT2 in epithelialen
Tumorzellen ebenfalls hochreguliert sein, um den erhöhten nutritiven Bedarf zu decken.
In diesem Zusammenhang würden sie auch einen optimalen molekularen therapeutischen
Angriffspunkt darstellen, um d-ALA oder andere Photosensitizer zu transportieren.
Die d-ALA-Aufnahme und die Porphyrin-Akkumulation werden ebenfalls diagnostisch verwendet,
um frühe Tumorstadien in den Atemwegen zu erkennen [96 ]
[97 ]
[98 ]. Die Identifikation von PEPT2 im Atemtrakt gibt in dieser Hinsicht ebenfalls einen
ersten Einblick in die molekularen Mechanismen, die der Tumordiagnostik zu Grunde
liegen.
Prodrugs: Virale Pneumonien
Prodrugs: Virale Pneumonien
Neben Adenovirus-Infektionen sind bei immunsupprimierten Patienten viele andere virale
Infekte weit verbreitet [99 ]. So treten als häufige Erreger die drei Herpesviren Herpes simplex, Varizella-Zoster
und das Zytomegalie-Virus auf. Dabei sind sowohl die Diagnosestellung, z. B. einer
Herpesvirus-Infektion als auch ihre Therapie extrem komplex. Viren, wie Herpesviren
oder auch das Severe Acute Respiratory Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV), vermehren
sich in respiratorischen Epithelzellen [100 ]
[101 ]
[102 ]
[103 ]
[104 ]. Ähnlich wie bei bakteriellen Pneumonien ist eine hohe lokale Wirkstoffkonzentration
in diesem Kompartiment entscheidend für den Erfolg der Therapie. In dieser Hinsicht
bietet die Expression von PEPT2 in den Atemwegen das Potenzial, antivirale Verbindungen
topisch zuzuführen. So konnte gezeigt werden, dass Valacyclovir, ein Valylester von
Acyclovir, ein von PEPT2 transportiertes Substrat ist [105 ]. Ebenso wird das bei Zytomegalie-Infektionen eingesetzte Valganciclovir, das Valylester
von Ganciclovir, via PEPT2 transportiert [106 ]. Daneben ist das Valylester von Zidovudine ein Substrat des Peptidtransporters und
wird als Therapeutikum bei HIV-Erkrankungen angewendet [107 ]. Insgesamt erscheint die Herstellung eines „Prodrugs” durch die Veresterung von
Pharmaka mit einem Aminosäure-Rest, so wie bei den oben beschriebenen antiviralen
Nukleotiden, ein viel versprechendes Modell bei der Entwicklung von PEPT2-transporterierten
Pharmaka zu sein.
Fazit
Fazit
Die pulmonale Administration von Pharmaka spielt eine wichtige Rolle bei der Behandlung
von verschiedenen respiratorischen und systemischen Erkrankungen und stellt ein attraktives
Forschungsfeld für die Entwicklung neuer Pharmaka dar. Vor kurzem konnte PEPT2 als
der für den pulmonalen Transport von Oligopeptiden und Peptidomimetika zuständige
Transporter in den Atemwegen von Mensch, Ratte und Maus identifiziert werden. Aufgrund
seiner funktionellen Eigenschaften könnte PEPT2 im Bereich des Rational Drug Designs
neuer aerosolischer Pharmaka eine entscheidende Rolle spielen. Vor dem Einsatz im
Bereich der Entwicklung neuer Substanzen müssen jedoch noch weitere Studien durchgeführt
werden, die mit Hilfe von Techniken, wie z. B. Gene Arrays [108 ], nicht radioaktiver In-Situ-Hybridisierung [109 ]
[110 ], Laser-assistierter Mikrodissektion [111 ] oder morphologischer Ansätze [112 ]
[113 ]
[114 ]
[115 ]
[116 ] die Expression und Funktion der Transportsysteme bei Atemwegserkrankungen, wie Asthma
bronchiale, COPD oder pulmonalen Neoplasien untersuchen.
Danksagung
Danksagung
Unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (GR 2014/2 - 1) und die Deutsche
Atemwegsliga.