Epidemiologie
Epidemiologie
Der Erwerb der Hepatitis-C-Virusinfektion stellt die mit Abstand häufigste Infektionserkrankung
unter Drogenabhängigen mit intravenösem Konsum dar. Die Prävalenzraten einer HCV-Infektion
liegen bei intravenös Drogenabhängigen zwischen 36 und 97 %, hierbei ist die Höhe
der Durchseuchungsrate eine Zeitfunktion mit Prävalenzraten bei Langzeitdrogenabhängigen
von 80 - 97 % [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8] (Abb. [1]). Die Prävalenzraten für die HCV-Infektion bei intravenös Drogenabhängigen in Deutschland
liegen zwischen 37 % in einem Berliner Gefängnis und 96,8 % in einer niedrigschwelligen
Drogeneinrichtung in Frankfurt [8]. Bei 1791 Patienten, die sich in eine stationäre Drogenbehandlung in Hamburg begaben,
war in 60 % der Fälle der anti-HCV-Antikörper positiv. In einer Subgruppenanalyse
stellte sich heraus, dass Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose signifikant häufiger
mit dem HC-Virus infiziert waren als diejenigen Drogenabhängigen, die einer Erwerbstätigkeit
nachgingen oder von ihren Angehörigen unterhalten wurden. Ebenso waren Patienten ohne
festen Wohnsitz bzw. Unterkunft in einem Hotel signifikant häufiger infiziert als
Patienten, die in eigener Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft lebten. Weiterhin
erhöhte Hafterfahrung das Risiko einer HCV-Infektion [9]. Ähnliche Ergebnisse wurden für München gefunden, hier wurden 1049 Patienten, die
sich in eine stationäre Entzugsbehandlung der Opiatabhängigkeit begaben, untersucht.
Knapp über 60 % der Patienten waren anti-HCV-positiv, Risikofaktoren für die HCV-Infektion
waren höheres Lebensalter, längere Opiatabhängigkeit, das Zusammenleben mit einem
intravenös drogenabhängigen Partner, Therapieerfahrung, Gefängniserfahrung, vorangehende
Notfallbehandlung und täglicher Alkoholkonsum [1]. Intravenös Drogenabhängige stellen in vielen Regionen der Welt den Hauptteil der
neu mit dem HC-Virus Infizierten, so liegt der Anteil der Neuinfektionen, die ursächlich
auf intravenösen Drogenkonsum zurückgeführt werden, in Australien bei ca. 80 %, in
den USA bei ca. 66 % und in Deutschland bei über 50 % (CDC 1998) [10]
[11].
Abb. 1 Prävalenz der Hepatitis-C-Infektion bei Drogenabhängigen in den „alten” EU-Staaten.
Quelle: EMCDDA
Natürlicher Krankheitsverlauf
Natürlicher Krankheitsverlauf
Eine chronische Hepatitis C ist definiert als das Vorhandensein des HC-Virus im Blut
für die Dauer von 6 Monaten oder länger, eine Elimination des Virus nach einer akuten
Hepatitis C misslingt in 54 - 86 % der Fälle [12]. Eine chronische Hepatitis C besteht (ohne pharmakologische Intervention) meist
lebenslang. Das entscheidende Charakteristikum der Krankheitsprogression ist die zunehmende
Fibrose, die schließlich in eine Zirrhose übergehen kann. Die Progressionsrate ist
relativ gering, und die Lebererkrankung manifestiert sich selten innerhalb der ersten
beiden Dekaden einer chronischen Hepatitis C. Aktuelle Daten legen nahe, dass Infektionen
bei jüngeren Personen (eventuell < 40 Jahren) einen langsameren Verlauf zeigen, so
dass nach 20 Jahren bei 2 - 8 % mit einer Zirrhose zu rechnen ist. Bei älteren Personen
hingegen wird davon ausgegangen, dass bei ca. 20 % nach 2 Dekaden mit der Entwicklung
einer Zirrhose zu rechnen ist. Aufgrund der begrenzten Datenlage können zum längerfristigen
Verlauf (> 20 Jahre) keine Angaben gemacht werden. Das Alter bei Infektion, das Geschlecht
und das Alkoholkonsumverhalten gelten als Faktoren, welche die Progression der Fibrose
beeinflussen. Insgesamt ist die Progression der Fibrose sehr variabel und hängt von
Wirtsfaktoren sowie externen Faktoren ab und wird modifiziert von Ko-Infektionen und
Komorbidität [13].
Psychische und neuropsychologische Implikationen
Psychische und neuropsychologische Implikationen
Neben den körperlichen Auswirkungen führt eine chronische Hepatitis C auch zu Einschränkungen
der neurokognitiven Fähigkeiten, der Lebensqualität und erhöhten Raten an depressiven
Störungen. In einer Gruppe ehemaliger intravenös Drogenabhängiger mit positiver HCV-RNA
war die Lebensqualität bei denjenigen, die von ihrem HCV-Status wussten, in 7 von
8 Bereichen (Short Form-36 Health Survey) eingeschränkt, während dies nur in 3 von
8 Skalen bei denjenigen zutraf, denen der HCV-Status unbekannt war [14]. Ein gleichsinniges Ergebnis lässt sich auch bei aktiven i. v.-Drogengebrauchern
finden, die Lebensqualität war auch hier in 4 von 8 Bereichen (Short Form-36 Health
Survey) reduziert bei denjenigen, denen ihr HCV-Status bekannt war, verglichen mit
der Gruppe, der ihr HCV-Status unbekannt war. Generell war die Lebensqualität von
i. v.-Drogengebrauchern im Vergleich zum Durchschnitt der Normalbevölkerung eingeschränkt
[15]. Foster und Kollegen [16] konnten nachweisen, dass die Lebensqualität von Personen, die an einer chronischen
HCV litten, bereits ohne den Eintritt einer Zirrhose eingeschränkt ist, ein Ergebnis,
das insbesondere auf Drogengebraucher zutraf. Einige Arbeiten konnten aufzeigen, dass
Einschränkungen der Lebensqualität nach erfolgreicher Therapie reversibel sind, es
allerdings unter der Therapie zu weiteren Einschränkungen vom bereits reduzierten
Ausgangsniveau kommen kann [17]
[18]. Depressive Episoden fanden sich bei ca. 30 % der Patienten mit chronischer HCV-Infektion
[19]
[20]. Eine chronische Hepatitis C bewirkt zusätzlich Einschränkungen der kognitiven Funktionen.
Insbesondere fanden sich - unabhängig von Depression, Lebensqualität oder Drogengebrauch
in der Vorgeschichte - selektive Einschränkungen von Aufmerksamkeit, Konzentration
und Arbeitsgedächtnis. Weiterhin war die P300-Latenz - als ein Parameter der Kognition
- pathologisch verändert, ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Erkrankung und
der kognitiven Funktionseinschränkung liegt nahe [21]
[22]
[23].
Ökonomie
Ökonomie
In einer Untersuchung an 1000 Patienten mit einer milden Hepatitis C wurde berechnet,
dass die Kombinationstherapie (Interferon und Ribavirin) 55 Hepatitis-C-assoziierte
Todesfälle verhindern kann und zu einer durchschnittlichen Verlängerung der Lebenserwartung
um 1,2 Jahre führt. Die auf die Lebenszeit bezogenen Kosten für eine Kombinationstherapie
(33 228 €) waren höher als für eine unbehandelte milde Hepatitis C (18 346 €). Die
erhöhten Kosten sind vor allem auf die hohen Behandlungs- und Monitoringkosten der
Hepatitis C (21 534 €) zurückzuführen. Obwohl die antivirale Kombinationstherapie
zu zusätzlichen Kosten in Höhe von 14 882 € führt, liegt die Kosteneffektivitätsratio
bei 8490 € pro nach der Lebensqualität adjustiertem Lebensjahr (QUALY), was darauf
hinweist, dass diese Intervention relativ kosteneffektiv ist (zum Vergleich liegt
die Kosteneffektivitätsratio für eine koronare Bypassoperation zur Behandlung der
koronaren Herzerkrankung bei 18 960 € pro QALY; [24]). Die gestiegenen Raten der dauerhaften Virusunterdrückung, welche durch die Applikation
der pegylierten Interferone in Kombination mit Ribavirin erreicht wurden, spiegeln
sich in einer erhöhten Effektivität. Die Applikation dieser Kombinationstherapie führte
zu einer Erhöhung der Lebenserwartung um 4,2 Jahre (fixe Ribavirindosis) bzw. 4,7
Jahre (gewichtsadaptierte Ribavirindosis), die Kosteneffektivitätsratio lag bei 6600
€ (fixe Ribavirindosis) und 11 800 € (gewichtsadaptierte Ribavirindosis) pro QALY.
Die medizinischen Kosten für Fälle mit einer chronischen HCV-Infektion ohne antivirale
Behandlung wurden auf 14 100 € geschätzt, während die Kosten für Fälle mit PEG-Interferon-Behandlung
und gewichtsadaptierter Ribavirinbehandlung auf 22 400 € geschätzt wurden [25].
Leitlinien
Leitlinien
Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselstörungen empfahl in ihrem
Konsensusbericht aus dem Jahr 1997: „Eine Interferontherapie sollte bei aktuell i.-v.-Drogen-
und Alkoholabhängigen nicht durchgeführt werden. Bevor eine Interferontherapie in
Betracht gezogen wird, sollten Drogenabhängige mindestens zwölf Monate abstinent sein,
Alkoholabhängige mindestens sechs Monate. Zur Frage der Interferonbehandlung von Drogenabhängigen
im Methadonprogramm bestand kein Konsens.” [26] Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin empfiehlt in ihren Leitlinien aus dem
Jahre 2002 die Therapie bei Drogenabhängigen zurückzustellen im Falle von „Compliance-störenden
Begleitbedingungen, Störung der beruflichen Rehabilitation, weniger als 12 Monate
Abstinenz, erheblicher Nebenkonsum von Alkohol, voraussehbare Unterbrechung der Therapie
durch offene Strafverfahren, drohenden Bewährungswiderruf, Haftbefehle. (...) Die
Voraussetzung einer 12-monatigen Abstinenz für den Behandlungsbeginn ist dann nicht
nötig, wenn die Behandlung im Rahmen einer stationären Entzugsbehandlung begonnen
wird und weiterhin eine enge Bindung an den behandelnden Arzt besteht.” [27] Auf einem vom Robert Koch Institut sowie dem Bundesministerium für Gesundheit im
Jahre 2003 organisierten Expertentreffen wurden Empfehlungen folgenden Inhaltes erarbeitet:
„Eine antivirale Therapie der chronischen HCV-Infektion bei Drogengebrauchern sollte
nach Möglichkeit während einer Substitutionstherapie angeboten werden (...). In besonders
spezialisierten Einrichtungen ist eine antivirale Therapie der HCV-Infektion auch
im Anschluss an die Entgiftung möglich (...). Bei der Behandlung von abstinenten Drogenabhängigen
sollte eine suchtmedizinische Anbindung bestehen (...). Eine antivirale Behandlung
ist in der Regel während eines aktiven Drogengebrauches nicht zu empfehlen. In Einzelfällen
ist jedoch eine Therapie auch bei Patienten mit kontrolliertem aktiven Drogenkonsum
und meist langjähriger stabiler sozialer Situation bei Erfüllung der nachfolgend beschriebenen
Therapievoraussetzungen möglich (…).” [28] In ihren Leitlinien aus dem Jahr 2004 empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs-
und Stoffwechselstörungen: „Alkoholismus oder Konsum ‚harter Drogen” (Opiate, Kokain,
LSD) stellen absolute Kontraindikationen für eine antivirale Therapie dar (C). Nach
einer Karenz von mindestens 6 Monaten kann in Abhängigkeit von der Compliance-Einschätzung
eine Kombinationstherapie mit Interferon und Ribavirin eingeleitet werden (C). Die
Therapieentscheidung sollte unter Einbeziehung eines Psychiaters erfolgen (C).” [29]