physioscience 2005; 1(2): 58
DOI: 10.1055/s-2005-858437
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leitlinien

B.  van der Heide
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Publication Date:
08 August 2005 (online)

Die Forderung, Evidenz-basierte Praxis auszuführen, wird zurzeit an alle Physiotherapeuten und auch andere Berufe im Gesundheitswesen gestellt. Sie beinhaltet, dass Therapeuten ihr Wissen erweitern, sich kritisch mit fachlichen Inhalten auseinandersetzen, diese hinterfragen, und ihre Arbeit dementsprechend anpassen.

In dieser sowie in nachfolgenden Ausgaben der physioscience werden die europäischen Leitlinien zum physiotherapeutischen Management und zur Prävention von Rückenschmerzen dargestellt. Die Artikel sollen Physiotherapeuten helfen, Evidenz-basierte Praxis auszuüben, indem sie einen Zugang zur gesammelten Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien und systematischen Reviews bieten, die sich mit der Auswertung physiotherapeutischer Behandlungsmethoden bezogen auf diese Themen befasst haben.

Dabei rufen die Artikel vermutlich unterschiedliche Reaktionen und eventuell auch Verwirrung hervor. Einige Leser werden die von ihnen angewandten Techniken bestätigt finden und demnach mit dem Inhalt der Artikel zufrieden sein. Andere werden feststellen, dass die von ihnen angewandten Techniken nicht auf Evidenz basieren, es zu wenig, gar keine oder negative Evidenz gibt.

Wie sollten Physiotherapeuten nun mit den Gewissheiten und Ungewissheiten im Alltag umgehen? Es ist unethisch, eine Therapieform anzuwenden, die deutlich ineffektiv oder sogar patientengefährdend ist. Zudem steht zur Debatte, ob es nicht ebenfalls unethisch ist, eine Therapieform einzusetzen, deren Wirksamkeit nicht bekannt ist, wenn andere zur Verfügung stehen, die sich als wirksamer herausgestellt haben. Letztendlich bleibt die Entscheidung dem Behandler überlassen.

Vielleicht hilft es, sich die Definition einer Leitlinie zu verdeutlichen.

Leitlinien geben den aktuellen Wissensstand wieder. Sie sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Das bedeutet, Leitlinien geben im Gegensatz zu Standards und Richtlinien nur einen Handlungskorridor vor, der in den meisten Behandlungsfällen gültig ist. Sie dienen somit als Orientierungshilfe für den Behandler. In Einzelfällen können Abweichungen sinnvoll sein, jedoch müssen sie begründet werden. Leitlinien entstehen aus der Literaturrecherche, und klinische Studien sind eine Wissenschaft, die unter Umständen nicht alle patientenbezogenen Faktoren mit berücksichtigen kann.

Inwieweit klinische Leitlinien tatsächlich in der Physiotherapiepraxis angewandt werden, haben bereits einige Studien untersucht [1] [2] [3] [4] [5].

Literatur

  • 1 Armstrong M P, McDonough S M, Baxter G D. Clinical guidelines versus clinical practice in the management of low back pain.  International Journal of Clinical Practice. 2003;  57 9-13
  • 2 Foster N F, Thompson K A, Baxter G D. et al . Management of nonspecific low back pain by physiotherapists in Britain and Ireland. A descriptive questionnaire of current clinical practice.  Spine. 1999;  24 1332-1342
  • 3 Gracey J H, McDonough S M, Baxter G D. Physiotherapy management of low back pain. A survey of current practice in Northern Ireland.  Spine. 2002;  27 406-411
  • 4 Swinkels I CS. et al . Physiotherapy management of low back pain: Does practice match the Dutch guidelines?.  Australian Journal of Physiotherapy. 2005;  51 35-41
  • 5 Bekkering G E. et al . Development of an implementation strategy for physiotherapy guidelines on low back pain.  Australian Journal of Physiotherapy. 2003;  49 208-214

Brigitte van der Heide PT, Grad Dip Manip Ther, MSc

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Fremantle

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Email: freophysio@iinet.net.au

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