Grußwort
1984/85 begann das internationale WHO-Projekt „Monitoring of Trends and Determinants
of Cardiovascular Disease (MONICA)”. Eines der 38 Studiengebiete in 21 Ländern war
die Region Augsburg. Von Anfang an hatte MONICA zwei Komponenten: ein bevölkerungsbezogenes
Herzinfarktregister und 3 Zufallsstichproben (Querschnittstudien) der Allgemeinbevölkerung
im Abstand von 5 Jahren zur Erhebung von Risikofaktoren. Da in jedem der teilnehmenden
Studienzentren die Veränderungen der Herzinfarkt-Inzidenzen und der Risikofaktoren
erhoben wurden, sollte durch internationale Zusammenfassung auf Aggregatdaten-Ebene
ermittelt werden, ob in Gebieten mit Zu- oder Abnahme beispielsweise des Rauchens
dann auch die Herzinfarktraten entsprechende Veränderungen zeigen.
Als nach 10 Jahren das internationale MONICA-Projekt abgeschlossen war, fiel 1996
die Entscheidung in der GSF, das MONICA-Projekt unter dem Namen „Kooperative Gesundheitsforschung
in der Region Augsburg” (KORA) weiterzuführen. Dabei sollte einerseits das Herzinfarktregister
fortgesetzt werden, aber andererseits wurden auch eine neue Querschnittuntersuchung
(1999 - 2001) sowie Wiederholungsuntersuchungen (Follow-up) der ersten drei Querschnitte
und damit der Ausbau der aus dem MONICA-Projekt stammenden Querschnitt- zu Kohortenstudien
realisiert. Die ursprüngliche Fragestellung wurde um weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Diabetes, Allergien und Krebs erweitert. Als Risikofaktoren wurden auch Umweltbelastungen
sowie genetische Faktoren einbezogen.
Inzwischen zeigt auch dieses Projekt bereits erkennbare Früchte: Neue Ergebnisse etwa
über die Prävalenz des Diabetes, eine genauere Beschreibung des C-reaktiven Proteins
(CRP) als Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit (KHK) oder die Untersuchung
genetischer Faktoren in Kombination mit den vorhandenen medizinischen Daten; außerdem
bietet die Verknüpfung von MONICA/KORA mit anderen Studien neue Ansätze in der genetischen
Epidemiologie.
Wer hätte bei der Planung der MONICA-Studien schon gedacht, dass heute völlig neue
Risikofaktoren und auch weitere Krankheitsbilder im Interesse der Forschung stehen
würden oder dass bereits am Ende des 2. Jahrtausends durch die Entschlüsselung des
menschlichen Genoms ganz neue Konzepte der Modellierung des individuellen Erkrankungsrisikos
möglich werden? Hier zeigt sich nun, dass glücklicherweise ein solch breit angelegtes
Untersuchungsprogramm wie ein großes „epidemiologisches Labor” bereitsteht, dessen
Möglichkeiten auch zur Beantwortung von Fragestellungen dienen kann, die man bei seinem
Aufbau noch nicht einmal ahnen konnte.
Nach nun 20-jähriger Gesamtdauer des MONICA/KORA-Projekts wird auch eine ursprünglich
nicht vorgesehene Auswertungsoption realisierbar: Die Verknüpfung der seit 20 Jahren
erhobenen Individualdaten der Querschnittstudien mit den Daten des Herzinfarktregisters,
da im Laufe der Zeit schon zahlreiche „Probanden” auch als „Fälle” im Register auftauchen.
Damit hat MONICA/KORA das Potenzial, einen auf den Verhältnissen einer unselektierten
deutschen Population basierenden Risikofaktoren-Score für den Herzinfarkt zu entwickeln
und damit zur „Deutschen Framingham-Studie” zu werden. Wegen der Erfassung umfangreicher
Merkmalkonzepte besteht außerdem die Möglichkeit, die internationalen Ergebnisse auf
die deutsche Situation anzupassen und zu aktualisieren sowie auch völlig neue epidemiologisch-ätiologische
Aussagen zu gewinnen.
Prof. Dr. Walter Lehmacher
Dieses Projekt ist typisch für epidemiologische Studien: Lange Phasen der sorgfältigen
Datensammlung und Datenbankpflege und deren stetige Finanzierung sind die Voraussetzungen
dafür, dass umfangreiche statistische Auswertungen schließlich epidemiologische Ergebnisse
bringen können. Laufend haben die Verantwortlichen dabei abzuwägen, wie die vorhandenen
personellen und finanziellen Ressourcen zum weiteren Ausbau der Datenbestände oder
zu deren Auswertung aufgeteilt werden sollen. Da beide Ziele aus epidemiologischer
Sicht wichtig sind, sind Entscheidungen zwischen diesen Optionen oft sehr schwierig;
der wissenschaftliche Beirat von KORA hatte selbst manchmal mehr Wünsche an das Projekt,
als dieses realisieren konnte, und musste dann auch in seinen Empfehlungen nicht immer
leichten Herzens Prioritäten setzen.
Schließlich sei an dieser Stelle allen gedankt, die zu diesem Erfolg beigetragen haben,
den Probanden, den Projekt-Mitarbeitern sowie den für die Organisation und Finanzierung
Verantwortlichen.
Die Finanzierung einer solch umfangreichen Studie hätte keine Universität in Deutschland
geschafft. Umso dankbarer sind alle Epidemiologen, dass die Struktur der ehemaligen
„Großforschungszentren” bzw. der jetzigen Helmholtz-Gemeinschaft die Mittel für eine
solche einmalige Studie bereitstellen konnte und kann. Ohne Übertreibung kann man
sagen, dass MONICA/KORA inzwischen eine der umfangreichsten und wichtigsten epidemiologischen
Studien in Deutschland ist. Das Potenzial und die Perspektiven sind weiterhin sehr
groß, so dass bei diesem „runden Geburtstag” auch ein „ad multos annos!” angebracht
ist.
Prof. Dr. Walter Lehmacher
Sprecher des wissenschaftlichen Beirates von KORA
Address
The international WHO project “Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular
Disease (MONICA)” started in 1984/85. One of the 38 study areas in 21 countries was
the Augsburg region. From the beginning MONICA had two components, one population-based
myocardial infarction register and population-based cross-sectional studies based
on three random samples for the collection of risk factors at 5-year-intervals. Since
in each of the participating study centres changes in myocardial infarction rates
and in risk factors levels were recorded, it should be determined on aggregate data
level whether, for example, in areas with increased or decreased smoking prevalence
also the myocardial infarction rates showed corresponding changes.
When after 10 years the international MONICA project was finished, the GSF decided
in 1996 to resume the MONICA project under the name “Kooperative Gesundheitsforschung
in der Region Augsburg (KORA)” (“co-operative health research in the region of Augsburg”).
Within this project, the myocardial infarction register should be continued. Moreover,
a new cross-sectional study (2000) and a follow-up of the preceding cross-sectional
studies should be performed. Thus, the MONICA cross-sectional studies became cohort
studies. The original objectives were extended by additional outcomes as diabetes,
allergy and cancer. As potential risk factors environmental and genetic factors were
also included in the study objectives.
In the meantime, the KORA project has already shown remarkable results, e. g. regarding
(1) the prevalence of diabetes, (2) a more precise description of CRP as a risk factor
for CHD and (3) genetic factors in combination to the existing medical data. Additionally,
the combination of MONICA/KORA with other studies offers new approaches in genetic
epidemiology.
Who would have expected, while planning the WHO-MONICA studies, that today completely
new risk factors and other diseases are the focus of medical research or that by the
end of the second millennium the decoding of the human genome offers completely new
approaches to modelling individual morbidity risk? Here it shows up that fortunately
such a broad study scheme may serve as a large “epidemiological laboratory” to answer
new, unanticipated questions.
After 20 years of MONICA/KORA a primarily unintended option is possible, i. e. the
linkage of individual data from the cross-sectional and follow-up studies with data
from the myocardial infarction register. Thus, the population based MONICA/KORA project
has the potential to become the “German Framingham study”. In particular a new risk
score may be developed to predict the individual probability of a myocardial infarction.
In addition, due to the collection of novel risk factors it is possible to update
and adapt the international findings to the German situation as well as to come up
with new epidemiological/etiological results.
This project stands as example for the typical situation of epidemiological studies:
Long phases of careful data collection (including data management) and their permanent
funding are the prerequisites that finally, extensive statistical evaluations yield
epidemiological results. Constantly, the responsible persons have to weigh how the
available personal and financial resources are split in further extension of the data
base or in its evaluation. Since both goals are important from the epidemiological
point of view, the decisions between these options are often very difficult. The Scientific
Advisory Board of KORA sometimes expected more from the project than this could realize
and had to endorse priorities which were not always chosen light-hearted.
Finally, many thanks to the numerous persons involved in this success story, i. e.
the study participants, project workers and the persons responsible for organisation
and financing.
Such an extensive study could not have been financed by any single German university.
Thus, epidemiologists are the more grateful that former large-scale research centres,
i. e. nowadays the Helmholtz Society, have been able to provide the resources for
this outstanding project. Without exaggeration one can say that MONICA/KORA is in
the meantime one of the most extensive and important epidemiological studies in Germany.
The potential and the perspectives remain very large, so that at this anniversary
it is appropriate to say “ad multos annos”!
Professor. Dr. Walter Lehmacher
Chair of the KORA Scientific Advisory Board