Anmerkung
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ist der Dachverband beinah aller in
der deutschen Suchthilfe tätigen Verbände und Einrichtungen.
Von den Implikationen der Cannabis-Urteile des Bundesverfassungsgerichts blieben indes
Öffentlichkeit, Politik und auch manche Experten bislang weitgehend unberührt. Cannabis,
so ist bisweilen zu hören, sei heute eine völlig andere Substanz als noch vor Jahren,
seine Wirkung und Verbreitung erschreckender als jene von Alkohol und Tabak, eine
ganze Generation sei in Gefahr. So schwang sich gar das längst verblasste Hamburger
Nachrichtenmagazin vor Jahresfrist mit dem Titel „Die Seuche Cannabis” in nicht eben
luftige intellektuelle Höhen.
Von der anderen Seite hingegen haben wir etwa ernstlich zu hören, den jährlich ca.
200 000 durch Tabak- und Alkoholkonsum vorzeitig Verstorbenen stünde kein einziger
„Cannabis-Toter” entgegen - ein Irrtum, der nur auf vollständiger Vernachlässigung
der Gefahren berauschter Teilnahme am Straßenverkehr gründen kann.
Epidemiologie
Betrachten wir empirische Fakten, so müssen wir feststellen: Der Cannabiskonsum ist
national wie international unter jungen Menschen über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte
gestiegen. In Deutschland betrifft dies insbesondere die Gruppe der älteren Teenager.
Dabei bestehen kaum noch Unterschiede zwischen Ost und West, wohl aber zwischen den
Geschlechtern. Ein geringerer Anteil der Mädchen konsumiert Cannabis und dieser dann
auch durchschnittlich weniger als Jungen.
Konkret stellt Cannabis die drittmeist konsumierte psychoaktive Substanz in Deutschland
dar, und unter den illegalen die mit Abstand beliebteste. Unlängst wurde erhoben,
dass 31 % der 12- bis 25-Jährigen Cannabis-Erfahrung besitzen (Alkohol: 90 %, Tabak:
66 %) [1], d. h. zumindest einmal konsumiert haben. Auch beim aussagekräftigeren Datum des
aktuellen Konsums sind die Verhältnisse identisch: Im vergangenen Jahr konsumierten
3 % der 12- bis 25-Jährigen insgesamt häufiger als 10-mal Cannabis, 69 % konsumierten
monatlich oder häufiger Alkohol und es wurden 35 % ständige bzw. gelegentliche Raucher
gezählt [1]. Ein entsprechendes Bild liefern zudem die Daten des durchschnittlichen Alters beim
Erstkonsum: Cannabis: 16,4 Jahre, Alkohol: 14,1 Jahre, Tabak: 13,6 Jahre.
Wiewohl also Cannabis die meistkonsumierte illegale Substanz darstellt (97,2 % aller
Konsumenten/-innen illegaler Substanzen konsumieren Cannabis) [2], sprechen die Therapiezahlen eine entgegengesetzte Sprache. Zwar stiegen die registrierten
Cannabis-Therapien (Hauptdiagnosen) in Deutschland über die vergangenen Jahre auf
mittlerweile 13 422, doch ist ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Therapien zum Missbrauch
illegaler Drogen mit ca. 30 % (inkl. Alkohol: ca. 10 %) sehr unterproportional. (Bei
ca. 40 % aller Cannabis-Klienten/-innen wird „schädlicher Gebrauch”, bei ca. 60 %
„Abhängigkeit” diagnostiziert.)
Erwartungsgemäß werden diese Daten von den eingangs genannten Akteuren völlig unterschiedlich
gewichtet: Betonen die einen die steigenden Absolutzahlen von Cannabis-Konsum und
-Therapie, so weisen die anderen auf deren unterproportionale Anteile im therapeutischen
Bereich hin. Unerfreulich ist es in diesem Zusammenhang festzustellen, dass nach mehr
als vierzig Jahren der neuerlichen Verbreitung von Cannabis in Deutschland selbst
die absurden Extrempositionen immer noch lautstark vertreten werden. Vor diesem Hintergrund
kann selbst folgende - sachlich selbstverständliche - Aussage immer noch Anlass zur
hitzigen Diskussion geben: Cannabis wird von der großen Mehrzahl aller Konsumenten/-innen
maßvoll gehandhabt. Für diese Gruppe vorwiegend junger Erwachsener scheint Cannabis
keine Substanz zu sein, deren - auch Jahre währender - Konsum Schäden hinterlassen
würde. Für die weit überwiegende Mehrzahl (> 95 %) aller Konsumenten/-innen ist der
Cannabiskonsum ein vorübergehendes, an Jugend und junges Erwachsenenalter gebundenes
Phänomen. Mit fortschreitenden Lebensjahren (ab spätestens 30) wird der Konsum regelmäßig
und ohne therapeutische Interventionen eingestellt.
Des ungeachtet geht Cannabis für eine prozentual zwar geringe, absolut jedoch große
Zahl von Konsumenten/-innen mit gravierenden bis sehr schweren Problemen einher. Dies
gilt auch jenseits des als Konsumfolge nicht belegten amotivationalen Syndroms oder
der immer wieder reanimierten „Flashback”-Schimäre. Längst wissen wir - auch für Cannabis
- sicher: Je früher der Konsum psychoaktiver Substanzen beginnt, desto größer ist
das Risiko starken und dauerhaften Missbrauchs und einer Abhängigkeit sowie das Risiko
schwerer Beeinträchtigungen und Schädigungen. Die Wahrscheinlichkeit des erfolgreichen
Ausstiegs sinkt im Gegenzug. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
stellt hierzu fest, bei den Klienten/-innen in Cannabis-Therapie handele es „sich
vorwiegend um junge Männer, die als Jugendliche mit dem Konsum von Cannabis beginnen
(häufig vor dem 15. Lebensjahr)” [3].
Maßnahmen
Angesichts dieser gesundheitspolitischen Herausforderung ersten Ranges ist nach aktuellen
Handlungskonzepten zu fragen [4]. Wie reagieren Politik und (Fach-) Öffentlichkeit? Welche Perspektiven werden aufgezeigt?
Die Antwort ist mehr als widersprüchlich: Beklagen viele der gegenwärtig zahlreichen
Verlautbarungen zum Thema wortreich die zunehmende Verbreitung des Cannabis-Konsums
unter jungen Menschen, so wird doch als Reaktion auf die so dargestellte „enorme Gefahr/Bedrohung/Seuche”
oft reflexartig insbesondere die Aufrechterhaltung eben jener Maßnahme gefordert,
die sich nicht gerade als wirksam erwiesen hat. Mit einem Satz: Der Konsum steigt
- das Verbot muss bleiben. Weitere Konzepte - meist Fehlanzeige. Die Herausforderung
Cannabis hingegen, und das macht die Entwicklung über viele Jahre national wie international
deutlich, braucht differenziertere Antworten und kontinuierliches Engagement in zumindest
dreifacher Hinsicht:
Prävention
Cannabis-Konsum wurde seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts von offizieller
Seite nicht übertrieben sachlich gewürdigt (vgl. Abb. [1]). Die Behauptungen seitens des Mainstreams aus Politik und Polizei deckten sich
dabei weder mit den überwiegenden individuellen noch mit den Generationserfahrungen.
Mit dieser Diskrepanz einher geht selbstredend ein inzwischen schon traditioneller
Glaubwürdigkeitsverlust vorgeblicher Cannabis-„Prävention” unter der Zielgruppe junger
Konsumenten/-innen. In diesem Zusammenhang war es vermutlich wenig hilfreich, zunächst
mehreren Generationen junger Menschen zu vermitteln, Cannabis sei eine per se sehr
gefährliche Droge, um nach Jahrzehnten dann mit der Behauptung umzuschwenken, „früher”
sei sie zwar einigermaßen harmlos gewesen, doch nun ginge von ihr tatsächlich größte
Gefahr aus. (Dabei soll hier die immer wieder aufgeworfene Frage unbedingt undiskutiert
bleiben, ob die Androhung von Gefahr - oder Strafe - gerade auf junge Menschen nun
größere Präventiv- oder aber Anziehungskraft ausübt.)
Abb. 1 „Rauschgift - Du machst Dich kaputt! der dealer macht Kasse.” „Präventions”kampagne
der Kriminalpolizei, 1971.
Die Situation ist also gekennzeichnet von einem nach wie vor eklatanten Widerspruch
zwischen den Ebenen des Normativen und des Faktischen, der sich längst zum Dilemma
entwickelte: Da rund ein Drittel, in Großstädten ein noch deutlich höherer Anteil
junger Menschen, Cannabis-Erfahrung besitzt, senkt die pauschale Verurteilung jeglichen
Konsums die Glaubwürdigkeit von Prävention gegen Null. Subjektiv machen prozentual
nur wenige junge Menschen nachhaltig negative Erfahrungen mit der Substanz. Das faktische
Konsumverbot wird von den meisten Konsumenten/-innen vor diesem Hintergrund nicht
nachvollzogen. Immer wieder und nachdrücklich verweisen junge Menschen auf die gesellschaftlich
und juristisch sehr unterschiedliche Behandlung von Alkohol und Cannabis, die auch
durch das Gefährdungspotenzial beider Substanzen nicht gerechtfertigt sei. Sie erleben,
dass die älteren Generationen „ihre” Droge Alkohol protegieren und die „Jugenddroge”
Cannabis sanktionieren.
Dies legt nahe, als Basis mehr erfolgreicher statt vorgeblicher Cannabis-Prävention
dessen Konsum nicht ausnahmslos, grundsätzlich und ohne Einschränkung als hochriskant
zu negieren, sondern als verbreitete Erfahrung vorauszusetzen. Ein Vorgehen, das hinsichtlich
Alkohols selbstverständlich ist, bei Cannabis jedoch in beschleunigten Konflikt mit
den §§ 29 - 32 des Betäubungsmittelgesetzes führt.
Vor diesem problematischen Hintergrund muss eine engagierte Prävention, auch auf das
Rauschmittel Cannabis bezogen, kontinuierlich, flächendeckend und multimedial die
Zielgruppe der Jugendlichen erreichen, statt sie zu befremden. Als Beispiel flächendeckender
Kampagnen mag die HIV-Prävention der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) gelten; einen Weg der Cannabis-(Sekundär-)Prävention in Übereinstimmung mit
Konsumrealitäten demonstriert Jellinek aus den Niederlanden (s. Abb. [2]).
Abb. 2 Jellinek-Präventionskampagne 2004 für ausländische Touristen in den Niederlanden.
Kleiner Merkzettel zur Mitnahme an der Hotelrezeption.
Therapie
Wie gesagt: Der Konsum von Cannabis birgt gerade für Jugendliche mit hoher Konsumfrequenz
erhebliche Risiken insbesondere hinsichtlich ihrer psychischen Gesundheit. Doch wo
beginnt das Risiko? Empirisch ist diese Frage beantwortet: Zur „Mittelrisikogruppe”
zählen gemäß aktueller Therapiestudien all jene, die an durchschnittlich 14,1 Tagen/Monat
jeweils durchschnittlich 7-mal konsumieren. Die „Hochrisikogruppe” stellen diejenigen
dar, die an durchschnittlich 28,7 Tagen/Monat (also beinahe täglich) jeweils durchschnittlich
10,8-mal konsumieren (also ca. 11 Joints etc.) [5].
Solch exzessivem Konsumverhalten muss therapeutisch qualifiziert begegnet werden.
Allein schon vor dem Hintergrund sehr divergierender Konsumgewohnheiten zwischen Jungen
und Mädchen (80 % der Cannabis-Klienten sind männlich [6], sie konsumieren tendenziell häufiger und bei jeder Konsumgelegenheit mehr als Mädchen)
sollten entsprechende Angebote z. B. geschlechtsspezifisch durchdacht sein. Grundsätzlich
haben sich alle Interventionen an den Kriterien von Effizienz und Effektivität messen
zu lassen, d. h. auch, dass neben den Konsumintensitäten nicht zuletzt die Interventionsintensitäten
der Beachtung bedürfen.
Sowohl die Zielgruppe der etwa 12- bis 20-Jährigen als auch jene der Cannabis-Konsumenten/-innen
insgesamt befand sich jahrzehntelang aus verschiedenen Gründen nicht eben im Fokus
des Beratungs- und Behandlungssektors. In neuerer Zeit jedoch unternimmt die Suchthilfe
in Deutschland wesentliche Schritte, sich den jungen Cannabis-Konsumenten/-innen zuzuwenden.
So befanden sich im Jahr 2003 mehr als 13 000 Klienten mit primärem Cannabisproblem
in ihrer Behandlung. Eine Analyse dieser Maßnahmen zeigte Optimierungsmöglichkeiten
v. a.:
Die Suchtkrankenhilfe bedarf zur Bewältigung dieser Herausforderungen wissenschaftlicher
Unterstützung. Dabei können Beratung und Therapie nicht auf nordamerikanische Erfahrungen
und Studien zurückgreifen, da diese in einem kaum vergleichbaren gesellschaftspolitischen
Umfeld entstehen. Das Verhältnis der US-amerikanischen Gesellschaft zu illegalen Drogen
ist juristisch, ethisch und praktisch weitgehend von europäischen Verhältnissen entfernt.
Die Übernahme oder Adaption vor diesem Hintergrund entstandener Therapiemodelle scheint
wenig Erfolg versprechend. Vielmehr sind dringend europäische Studien erforderlich,
die beratenden und therapeutischen Zugang und Erfolgsmöglichkeiten gerade bezüglich
junger Cannabis-Konsumenten/-innen aufzeigen. Wichtig sind dabei u. a. unterschiedliche
Konzepte für unterschiedliche Konsumintensitäten und Begleiterscheinungen.
All dies bedarf dringend der finanziellen (Regel-)Förderung. Sie ist bislang gerade
in den evident wirksamen Bereichen der Früherkennung und Frühintervention alles andere
als gesichert, geschweige denn selbstverständlich.
Repression
Kurz vor Übernahme der Regierungsgeschäfte beantragte die SPD-Bundestagsfraktion,
„den Eigenverbrauch (von Cannabis), soweit damit keine Fremdgefährdung verbunden ist,
straflos zu stellen”. (Selbst der Abgeordnete Schily damals deutlich: „Es geht also
darum, den Eigenverbrauch nicht mehr zu bestrafen.”) Das damalige Resümee der Sozialdemokraten
zu ihrem Entwurf: „Die bisherige Drogenpolitik der Bundesregierung, die auf einer
unausgewogenen Gesetzgebung zum Betäubungsmittelrecht beruht, ist gescheitert” [7].
Tatsächlich bestehen national wie international keine Hinweise auf evtl. gesundheitsfördernde
Wirkungen der Repression des Konsums. So ist die Cannabis-Erfahrung Minderjähriger
in den USA (36,5 % der 15-jährigen Jungen) trotz dort seit Jahrzehnten fundamentalistischer
Verfolgung wesentlich weiter verbreitet als in den Niederlanden (24 %), die für ihre
Cannabis-Politik gerade von der US-Regierung stets gescholten werden [6] (s. Abb. [3]).
Abb. 3 Cannabis-Konsum in den vergangenen 12 Monaten unter 15-jährigen Jungen (in %), HBSC(Health
Behaviour in School-aged Children)-Studie, WHO 2004.
Gleiches gilt laut EU-Bericht auch für den Anteil der Cannabis-Patienten an der Gesamtzahl
aller wegen Abhängigkeitsproblemen behandelten Personen: Das gegenüber Cannabis restriktive
Deutschland weist hier ebenso ca. 7 % auf wie etwa das deutlich liberalere Spanien.
So behauptet denn bislang auch kein einziger Politiker und kein einziger Suchtexperte,
dass die Cannabisprohibition die Verbreitung oder die Konsequenzen des Konsums bislang
positiv beeinflusst hätte. Stellvertretend für die meisten sei hier vielmehr die Bundesdrogenbeauftragte
(aus dem Online-Forum der SPD-Fraktion im Jahr 2001) zitiert: „Ich denke [...] nicht, dass die Strafverfolgung das geeignete Mittel ist, um mit
dem Problem umzugehen. [...] Wir vertreten also eine Entwicklung hin zu einer Entkriminalisierung
des Cannabiskonsums in kleinen Mengen.“ Dennoch nennt das Bundeskriminalamt letztmalig
auch für 2003 die - erneut gestiegene - enorme Zahl von 148 973 erfassten Cannabis-Delikten,
davon 74 % reine Konsumentendelikte [9].
Als Ersatz- und Ergänzungsstrafrecht kommt eine große Zahl an lt. Bundesverfassungsgericht
widerrechtlichen Fahrerlaubnisentzügen hinzu. Als Folgen sind definitiv: die soziale
Ausgrenzung eines steigenden Anteils junger Menschen insbesondere über den Verlust
von Arbeitsplatz und Führerschein sowie selbstverständlich: Kosten für Polizei, Justiz
und Strafvollzug, die sämtliche Investitionen in Prävention und Therapie bei weitem
überragen. Die Konsumenten-/-innenzahl stieg hiervon unbeeindruckt.
Resümee
Zu Cannabis sind nach wie vor wenig sachdienliche Extrempositionen diskursbestimmend.
Dabei wird vor allem die international ausnahmslos zunehmende Verbreitung beklagt,
ohne dass man auf die Ursachenanalyse auch nur einen Gedanken verschwendet. Doch Reaktionen
ohne Problemanalyse sind wenig Erfolg versprechend. So bedarf es zunächst der Erörterung
dieser Frage. Wir wissen um die zentralen Gründe individuellen Cannabis-Konsums: der
Wunsch nach Entspannung und Beruhigung, auch Angstbewältigung, das Vergnügen am Rausch.
Es fehlen Antworten, warum diese Motive für immer mehr junge Menschen - und zwar länderunabhängig
- derart reizvoll scheinen.
Sodann bedarf es einer ergebnisorientierten, nüchternen Gesundheitspolitik bezüglich
des Konsums aller Rauschmittel, die auch den Konsum von Cannabis umfasst. Sie muss
sich auf Erkenntnisse statt Glaubenssätze stützen. Zentraler Ansatz ist dabei, den
Rauschmittelkonsum in keinerlei Hinsicht nahe zu legen oder zu erleichtern. Das bedeutet
u. a. konkret:
-
keine Werbung für keinerlei Rauschmittel (in vielen europäischen Ländern schon heute
selbstverständlich);
-
keine Rauschmittel an Automaten und Tankstellen;
-
keine Subventionierung der Rauschmittelproduktion (etwa des Wein- und Tabakanbaus);
-
dauerhafte, massenmediale Prävention des Rauschmittelkonsums (ähnlich der HIV-Prävention);
-
erprobte, zielgruppengenaue Therapieangebote, die auch aus Alkohol- und Tabakabgaben
finanziert werden.
Grundsatz dieses Konzepts ist es, alles zu unternehmen, das nachweislich Verbreitung
und Schäden effektiv mindert, sowie alles zu unterlassen, das nachweislich konsumfördernd
wirkt oder wirkungsvoll ist.
Dass in diesem Zusammenhang Cannabis in einem umfassenden Sinn (inkl. Produktion und
Handel) „legalisiert” werden sollte, ist eindeutig zu verneinen. Immerhin verhieße
die damit einhergehende weitere Industrialisierung wenig Gutes, wie die gesellschaftlichen
Probleme mit Alkohol und Zigaretten zeigen. Die THC-Markenzigarette, womöglich noch
beworben und aus Automaten erhältlich, wäre zweifelsohne ein gesundheitspolitisches
Desaster ersten Ranges.
Kurzfristig realisierbar hingegen wäre die Umsetzung der Cannabis-Urteile des Bundesverfassungsgerichts
- ein überfälliger Schritt, wegen des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum nicht
länger individuell Biografien und insgesamt jegliche Intervention zu gefährden. Hierbei
böte es sich an, dem britischen Weg zu folgen: die Einstufung des Cannabis-Besitzes
zum Eigenkonsum als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit. Dies wäre zugleich der definitiv
geringstmögliche Identitäts- und Gesichtsverlust traditioneller Politik, es würde
nicht gegen die bestehenden internationalen Verträge verstoßen - und es würde, soweit
absehbar, die Konsumenten-/-innenzahlen nicht steigern.
Zu Cannabis wie zu allen übrigen Suchtstoffen ist dringend und endlich „Sachpolitik
aus einem Guss” gefragt - statt des weiteren Verharrens in Symbol-, Signal- oder Glaubenspolitik.
Die Möglichkeiten von Prävention, Frühintervention und Therapie sind so unübersehbar
wie bislang ungenutzt. Zeit, zu handeln.