Einführung
Obwohl bereits in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Krebsauslösung
durch Papillomviren bei amerikanischen Wildkaninchen beschrieben und intensiv analysiert
wurde, vergingen weitere 45 bis 50 Jahre, bevor die intensive Untersuchung über eine
mögliche Beteiligung dieser Virusgruppe bei Krebserkrankungen des Menschen einen dann
eine eher stürmische Entwicklung nahm [1]. Auslösende Ursache war die Identifizierung neuer Typen dieser Virusfamilie aus
Biopsien des Gebärmutterhalskrebses [2]
[3].
In der Folge hat sich diese Familie als außerordentlich heterogen erwiesen, zurzeit
ist die DNA von 106 humanen Papillomvirus(HPV)-Typen in ihrer Basenfolge analysiert
[4] (und de Villiers, pers. Mitteilung), wobei zu erwarten ist, dass diese Zahl sich in Zukunft noch deutlich
erhöhen wird, da bereits jetzt von einer Reihe von weiteren Typen die Partialsequenz
vorliegt. Konsistente Nachweise von spezifischen Papillomvirus-Infektionen ließen
sich bis jetzt für Krebserkrankungen des Gebärmutterhalses, des Anus, für bestimmte
histologische Formen des Vulva- und Peniskrebses und der Scheide führen. Die gleichen
Typen werden auch in 20 - 25 % von Mundhöhlenkrebserkrankungen (einschließlich Tonsillen)
und beim sehr seltenen Nagelbettkrebs nachgewiesen. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand
können wir davon ausgehen, dass zwischen Papillomvirusinfektion und diesen Krebserkrankungen
ein kausaler Zusammenhang besteht [5].
Ein breites Interesse finden derzeit Befunde, die auf ein interessantes Zusammenwirken
weiterer Papillomvirus-Typen mit physikalischen krebsauslösenden Faktoren, dem ultravioletten
Anteil des Sonnenlichtes, bei der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der Haut
deuten lassen. Die Anschaltung zellulärer Reparatursystem nach Schädigung der Haut
durch intensive Sonneneinstrahlung aktiviert gleichzeitig latent vorhandene Papillomvirustypen,
wobei ein aktiviertes virales Genprodukt, das sog. E6 Protein, durch Bindung an proapoptotische
mitochondriale Proteine deren Funktion unterdrückt und damit die weitere Vermehrung
vorgeschädigter Zellen ermöglicht.
Weniger gut belegt sind dagegen sporadische Berichte über Papillomvirus-positive Karzinome
des Dickdarms, der Brust, der Lunge, Blase, Prostata, des Ovars, der Nasennebenhöhlen,
des Larynx und der Speiseröhre. Obwohl für einzelne dieser Organsysteme durchaus wohl
dokumentierte Befunde vorliegen, erlauben die vorliegenden Ergebnisse, einschließlich
einer Reihe von Negativberichten für Karzinome der betreffenden Organe, keine abschließende
Bewertung.
Anogenitale Papillomvirus-Infektionen
Experimentell ergaben sich frühzeitig Anhaltspunkte für eine Rolle von Papillomviren
beim Gebärmutterhalskrebs. Neben dem konsistenten Nachweis von viraler DNA in Krebsbiopsien
und Gewebekultur-Zelllinien von Zervixkarzinomen, vor allem der HPV Typen 16 und 18,
ließen sich auch regelmäßig Transkripte dieser Viren in den betroffenen Materialien
nachweisen [3]
[6]. Abb. [1] zeigt die Genomstruktur von Papillomviren mit den Onkogenen E6 und E7, die regelmäßig
in Gebärmutterhalskarzinomen aktiv sind.
Abb. 1 Schematische Darstellung der Organisation von HPV-Genomen. Die farbigen Bereiche stellen
offene Leseraster dar, die für Proteine kodieren.
Die gleichen Gene sind in der Lage, normale menschliche Zelle zu „immortalisieren”,
d. h., sie in der Gewebekultur unbegrenzt wachsen zu lassen [7]. Schließlich lässt sich zeigen, dass ihre Ausschaltung durch interferierende RNA,
durch Injektion spezifischer Antikörper oder durch Protein-Aptamere zum Zelltod oder
in die Seneszenz führt, das maligne Wachstum also unterbrochen wird.
Epidemiologisch sind es vor allen drei Hinweise, die die Rolle dieser Viren unterstützen:
Typ-spezifische Fall-/Kontroll-Studien, prospektive Kohorten Studien und schließlich
die phylogenetische Verwandtschaft. Unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Ergebnisse
lassen sich die Typen 16, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59 und 66 als Hochrisiko-Typen ausweisen, deren kausale Rolle an der Auslösung des Zervixkarzinoms nicht mehr bestritten
wird. Typ 16 dominiert bei weitem und dürfte global gesehen für annähernd 53 % der
Fälle verantwortlich sein. Typ 18 folgt mit 17 %, Typ 31 mit etwa 7, Typ 33 und 52
mit annähernd 3 %, Typ 58 mit 2 %, während alle anderen nur eine kleine Fraktion ausmachen
[8]. Vermutlich gehören auch noch die Typen 26, 68, 73 und 82 in diese Gruppe, die vorliegenden
Ergebnisse erlauben jedoch gegenwärtig nicht deren Zuordnung.
Vor allem die Typen 16 und 18 spielen auch bei anderen Krebserkrankungen des Anogenitalbereichs,
der Mundhöhle und der Haut eine Rolle. Tab. [1] gibt eine entsprechende Übersicht.
Tab. 1 Beteiligung anogenitaler Papillomvirus-Typen an Krebserkrankungen des Menschen. Die
fett gedruckten Zahlen weisen auf prävalente Typen bei den entsprechenden Erkrankungen.
Krebserkrankung |
Beteiligte Papillomvirus-Typen |
Prozent HPV-positiv |
Zervixkarzinom |
16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 66 (26, 68, 73, 82) |
> 95 % |
Vulva-Karzinom Basaloid „Warty” keratinisierend |
16,18
16,18
16
|
> 50 % > 50 % < 10 % |
Penis-Karzinom Basaloid „Warty” keratinisierend |
16, 18
16, 18
16
|
> 50 % > 50 % < 10 % |
Vagina |
16, 18 |
> 50 % |
Anus |
16, 18 |
> 70 % |
Mundhöhle und Tonsillen |
16, 18, 33 |
∼ 25 % |
Nagelbett |
16
|
∼ 70 % |
Es darf an dieser Stelle nicht vergessen werde, dass Viren, die genitale Warzen (Condylomata
acuminata) und Larynxpapillomatosis auslösen können, HPV 6 und 11, an den seltenen
invasiv wachsenden Buschke-Löwenstein Tumoren des Anogenitalbereichs und an verrukösen
Karzinomen des Larynx und der Bronchien nach häufig rezidivierender Larynxpapillomatose
beteiligt sein können.
Der Mechanismus, über den Hochrisiko-Papillomviren (Hr-HPV) Krebs verursachen können,
wird zunehmend besser verstanden, auch wenn die Ursachen für Viruspersistenz nicht
völlig abgeklärt sind. Etwa 10 % infizierter Frauen weisen über zwei Jahre persistiernde
Infektionen auf, die in der Folge in zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) übergehen
können [9]
[10]. Hr-HPV Infektionen führen zu hochgradigen Neoplasien (CIN III) mit hohem Risiko
der weiteren malignen Entartung. CIN I und CIN II sind häufig auch durch andere Papillomvirus-Typen
bedingt. In diesen Fällen kommt es besonders oft zu spontaner Rückbildung.
Im Verlauf der Entwicklung von CIN III Läsionen und beim späteren Übergang in invasiv
wachsende Tumoren findet in gut 70 % die Integration der viralen DNA in das Wirtszellgenom
statt. Der Integrationsvorgang fördert die Synthese viraler Onkoproteine ohne direkt
für malignes Wachstum verantwortlich zu sein. Wenn die Karzinomentstehung ohne virale
Integration zustande kommt, werden ebenfalls die viralen Onkogene E6 und E7 vermehrt
synthetisiert, offensichtlich über den Verlust zellulärer Kontrollfunktionen, die
in der Normalzelle die Expression viraler Gene unterdrücken [11].
In Zervixkarzinomzellen sind die viralen Onkogene E6 und E7 grundsätzlich aktiv. Sie
sind jeweils eigenständige Onkogene, ergänzen sich jedoch in der Transformation von
Zellen. Das E6 Protein besitzt drei Funktionen, die für die Proliferation der Zellen
bedeutsam sind: es bewirkt auf indirektem Wege die Bindung von Ubiquitin an den besonders
wichtigen Regulator der Zellproliferation p53 und bewirkt dessen Degradation [12]. Die Folge ist ungebremstes Zellwachstum auch im Fall von auftretenden DNA-Schäden.
Auf dieser Basis wirkt E6 als Mutagen. Als weiterer wichtiger Effekt bindet E6 am
Carboxy-terminalen Ende die so genannten PDZ (PSD-95, Dlg, and ZO-1) Proteine und bewirkt deren funktionelle Hemmung [13]
[14]
[15]. Da diese Proteine eine wichtige Rolle in der Signaltransduktion spielen, wird durch
deren Blockade nachhaltig in das Zellgeschehen eingegriffen. Schließlich stimuliert
das E6 Protein über einen komplexen Mechanismus das Enzym Telomerase, dessen Verlust
eine wichtige Rolle in der Zellalterung spielt.
Das E7 Protein greift in andere Signalwege der Zelle ein: Es bindet das Tumorsuppressorprotein
pRb und führt zu dessen Degradation. pRB bindet in hypophosphoryliertem Zustand Mitglieder
der Transkriptionsfaktor-Familie E2F, die durch die E7-pRb Bindung freigesetzt werden
und Replikationsvorgänge auslösen können [16]. Darüber hinaus stimuliert es direkt die Zyklin E und A Aktivität, die für den Übergang
der Zellen aus dem Ruhezustand in G1 in die S-Phase sorgen [17,18]. Schließlich bewirkt das E7 Protein Teilungsstörungen der Zentrosomen und bewirkt
auf dieser Basis die Entwicklung von Aneuploidie [19].
In proliferationsfähigen Zellen der Basalmembran sind beide Onkoproteine durch zelluläre
Genfunktionen weitgehend unterdrückt - erst im Verlauf der Differenzierung in suprabasalen
Schichten werden diese Suppression aufgehoben und damit virale Genexpression und auch
Virusproduktion ermöglicht. Die Karzinogenese durch diese Viren ist ein „Unfall”,
der durch Aufhebung zellulärer Kontrollfunktionen, die intrazellulär und interzellular
(parakrin) aktiv sind, bedingt wird. Hinzu kommt noch das Nicht-Erkennen der veränderten
Zellen durch das Immunsystem, in der Regel bedingt durch mutative Veränderungen in
Antigen-präsentierenden Signalketten. Schematisch sind diese Vorgänge in Abb. [2] wiedergegeben.
Abb. 2 Schematische Dartsellung der Pathogenese des Zervixkarzinoms. LSIL steht für ”low
grade squamous intraepithelial lesion“, HSIL für ”high grade squamous intraepithelial
lesion“.
Die Übergangsphase von der Primärinfektion bis zur Krebsentstehung dauert in der Regel
20 bis 25 Jahre. Vermutlich reflektiert dies die Notwendigkeit des Auftretens spezifischer
Mutationen, bedingt durch E6 und E7 im Wirtszellgenom, und den zeitaufwändigen Selektionsprozess
für die auswachsenden Klone. Chemische (z. B. Tabakrauchen) und physikalische (z.
B. Strahlen), oder auch andere biologische Mutagene (Infektionen mit mutagenen Eigenschaften)
können den Zeitablauf deutlich beschleunigen. Im Gegensatz aber zur vielfältig auch
in der Fachliteratur geäußerten Meinung gibt es aufgrund der Mutagenität der E6 und
E7 Proteine gute Hinweise dafür, dass die Hr-HPV-Infektion für sich selber ausreichend
sein kann, um malignes Wachstum auszulösen [5].
Verfahren des Nukleinsäurenachweises haben die Frühdiagnostik persistierender Hr-HPV-Infektionen
entscheidend erleichtert und damit die Identifizierung von Risikopatientinnen für
Zervixkarzinome beeinflusst. An dieser Stelle kann auf neue Nachweisverfahren nicht
eingegangen werden. Es soll aber betont werden, dass neben dem direkten Virusnachweis
auch indirekte Verfahren, z. B. die relativ spezifische Induktion eines zellulären
Proteins (p16INK4) in Hr-HPV-haltigen, veränderten Zellen einen empfindlichen Nachweis erlauben. Die
Serologie spielt bisher keine Rolle in der Frühdiagnostik, da serologische Reaktionen
oft erst in der Spätphase bei vorhandenen Läsionen auftreten.
Spezifische therapeutische Eingriffe, welche die Virusinfektion beseitigen, stehen
zurzeit nicht zur Verfügung, obwohl weltweit an solchen Möglichkeiten gearbeitet wird.
Vor allem soll die Entwicklung therapeutischer Vakzinen weiterhelfen, wiewohl bisher
vorliegende Ergebnisse wenig befriedigend ausgefallen sind. Die topische Behandlung
kutaner Läsionen mit Imiquimod scheint über Immunmodulation deutliche Erfolge zu versprechen.
Papillomvirus-Infektionen der Haut
Das vermehrte Auftreten von Warzen unter Immunsuppression bei Allograft-Transplantationen
von Organen und bei immunsupprimierenden Infektionen (HIV) gilt als deutlicher Hinweis
für die regulierende Rolle des Immunsystems für Papillomvirus-Infektionen der Haut.
Mit zeitlicher Verzögerung - aber letztlich in gewisser Parallelität zum Warzenauftreten
kommt es gerade bei Transplantatpatienten auch zum erheblich vermehrten Auftreten
von Plattenepithelkarzinomen der Haut. Bereits Ende der 70er-Jahre des vergangenen
Jahrhunderts waren von Orth in Paris und Jablonska in Warschau spezifische Papillomvirus-Typen (vor allem HPV 5) in Plattenepithelkarzinomen
von Epidermodysplasia verrucifortmis Patienten mit einer gewissen Regelmäßigkeit nachgewiesen
worden [19]. Bei dieser seltenen hereditären Erkrankung kommt es vor allem an sonnen-exponierten
Hautbereichen zum vermehrten Auftreten papillomatöser Veränderungen, die in einem
Zeitrahmen von annähernd 20 - 25 Jahren in Karzinome übergehen können. Über die Analyse
von Virusisolaten dieser Patientengruppe wurde eine größere Untergruppe (Genus β)
von Epidermodysplasia verruciformis (EV)-assoziierten Viren identifiziert [4]. Frühzeitig kam es zu Spekulationen, dass auch bei nicht-immunsupprimierten Patienten
auftretende Plattenepithelkarzinome der Haut etwas mit Papillomvirus-Infektionen zu
tun haben könnten.
Eingehende Untersuchungen der letzten Jahre haben belegt, dass Plattenepithelkarzinome
der Haut in der Mehrzahl der untersuchten Biopsien in der Tat Papillomvirus-Infektionen
aufweisen. Der Prozentsatz positiver Fälle liegt bei empfindlichen Untersuchungsverfahren
über 50 % [20]
[21]
[22]
[23]. Auch die normale Haut ist häufig HPV-positiv, allerdings in geringerem Umfang.
Die HPV-Infektion der Plattenepithelkarzinome der Haut unterscheidet sich deutlich
von den Hr-HPV-Infektionen etwa der Zervixkarzinome: es gibt keinen analog vorherrschenden
Virustyp wie HPV 16 beim letzt genannten Tumor. Vielmehr lässt sich hier ein breites
Spektrum unterschiedlicher Typen des Genus β aufzeigen, mit einer leichten Häufung
der Typen 20, 23, 38 und einiger noch nicht völlig charakterisierter HPV-Genotypen.
Ein weiterer Unterschied besteht in der Kopienzahl viraler Genome in den Tumorzellen:
während beim Zervixkarzinom alle Krebszellen zumeist multiple Kopien viraler Genome
aufweisen, sind beim Hautkrebs regelmäßig weniger als eine Genomkopie pro Zelle vorhanden.
Das bedeutet, dass nur ein kleinerer Anteil der entsprechenden Tumorzellen noch Virus-positiv
ist. Diese Ergebnisse legten von vornherein nahe, dass eine mögliche Beteiligung dieser
Viren an der Entstehung solcher Tumoren auf einem anderen Mechanismus beruhen muss,
als bei anogenitalen Infektionen mit Hr-HPVs.
In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise dafür, dass es eine indirekte Beteiligung
von Papillomvirus-Infektionen an der Entstehung der Plattenepithelkarzinome der Haut
gibt. Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass spezifische Virustypen, etwa
HPV 20 und HPV 38, in einem komplexen Zusammenspiel mit UV-reaktiven Zell- und Differenzierungsregulatoren,
p53 und p63, aktiviert werden und frühe Proteine exprimieren [24]
[25]
[26]. Das E6 Protein solcher Viren (auch gezeigt für HPV 77) ist in der Lage, pro-apoptotische
zelluläre Proteine zu binden und funktionell zu inaktivieren. Auf dieser Basis wird
in Zellen, die durch die Sonnenlicht-bedingte UV-Einstrahlung geschädigt wurden, die
Apoptose verhindert und das weitere Wachstum solcher mutierter Zellen begünstigt.
Beim Auswachsen veränderter Klone sind vermutlich virale Genfunktionen nicht länger
benötigt. Insgesamt gesehen unterliegen im Augenblick diese Befunde noch einer spekulativen
Interpretation und bedürfen weiterer experimenteller und epidemiologischer Kontrolluntersuchungen.
Abb. [3] gibt die bisher vorliegenden Vorstellungen für eine indirekte Beteiligung von HPV
Infektionen bei Plattenepithelkarzinomen wieder.
Abb. 3 Schematische Wiedergabe der Vorstellungen zur indirekten Beteiligung kutaner Papillomvirus-Typen
an der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der Haut.
Für Basalzell-Karzinome ergeben sich derzeit noch keine Befunde, die für eine Beteiligung
von Papillomvirus-Infektionen an ihrer Entstehung sprechen.
Kontrolle der Papillomvirus-Infektionen
Im Hinblick auf die Bedeutung anogenitaler Hr-HPV Infektionen für die Krebsentstehung
bei Frauen wurden innerhalb des vergangenen Jahrzehnts Impfstoffe entwickelt, die
vermutlich im Jahre 2006 zur Verfügung stehen werden. Sie basieren auf der Eigenschaft
der viralen Strukturproteine (L1 und L2), sich nach biotechnologischer Herstellung
in Hefe- oder Insektenzellen spontan zu Partikel-ähnlichen Strukturen zusammen zu
lagern, die als VLP („virus-like particles”) DNA-frei isoliert und gereinigt werden
können. Bisherige klinische Teste solcher Impfstoffe habe sich als überraschend effektiv
erwiesen - nicht nur im Hinblick auf die Induktion humoraler und Zell-vermittelter
Reaktivität, sondern auch in der Verhinderung des Auftretens prä-maligner Veränderungen
(CIN III) [27]
[28]. Die bisher vorliegenden Impfstoffe richten sich gegen die Typen 16, 18, sowie gegen
6 und 11. Sie sollten etwa 70 % der auftretenden Zervixkarzinome und 90 % aller genitalen
Warzen verhindern können. Der Impfschutz scheint über mindestens 3 Jahre anzuhalten.
Grundsätzlich sollte die Entwicklung polyvalenter Impfstoffe unter Einschluss weiterer
Typen möglich sein. Allerdings zeichnet sich ab, dass vor allem gegen L2 gerichtete
Antikörper offensichtlich gruppen-spezifische antigene Domänen erkennen können und
somit den Impfschutz auch ohne Einschluss weiterer Typen möglicherweise deutlich verbreitern.
Sollten sich diese Impfungen auch weiterhin so erfolgreich erweisen, wie in den ersten
klinischen Testen berichtet, so könnten theoretisch bei globaler Impfung von Jugendlichen
vor Einsetzen der sexuellen Aktivität zwischen 12 und 15 % aller bei Frauen auftretenden
Krebserkrankungen vermieden werden. Unter Zugrundelegung der gegenwärtigen globalen
Krebsinzidenz von etwa 10 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr wären dies zwischen 600
000 bis 750 000 Krebsfälle. Da solche Zahlen jedoch globale Impfprogramme erfordern,
werden sich diese Ergebnisse kaum in absehbarer Zeit realisieren lassen.
Ausblick
Die Forschung über humane Papillomviren hat vor gut 30 Jahren ihre Intensivierung
erfahren und in den vergangenen 23 Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Sie hat
zur Aufklärung der infektiösen Ätiologie eines beträchtlichen Anteils menschlicher
Krebserkrankungen geführt. Als praktische Konsequenz ergeben sich hieraus neue diagnostische
Nachweisverfahren, vermutlich aber noch bedeutsamer wirksame Kontrollmöglichkeiten
für die weltweit zweit- oder dritthäufigste Krebsform bei Frauen durch Impfungen.
Diese Forschung darf als ein exzellentes Beispiel für die heute so vielfältig angesprochene
translationale Forschung gelten. Sie zeigt aber auch, dass intensive Grundlagenforschung Vorraussetzung
für die klinische Anwendung ist.