Einleitung
Die Neurodermitis gehört mit einer Häufigkeit von 5 - 10 % in der Bevölkerung zu den
häufigsten Hauterkrankungen und ist eine chronische oder chronisch-rezidivierende,
entzündliche und nicht kontagiöse Hauterkrankung [4]
[9]. Synonyme für die Neurodermitis sind „endogenes Ekzem” oder „atopische Dermatitis”.
Neuerdings wird entsprechend der Nomenklatur der Europäischen Akademie für Allergologie
und klinische Immunologie die Bezeichung „Atopisches Ekzem/Dermatitis-Syndrom” verwendet.
Das Atopische Ekzem/Dermatitis-Syndrom wiederum wird in eine nicht-allergische Form
ohne spezifische IgE-Sensibilisierung entsprechend einer „intrinsic-type atopic dermatitis”
sowie in eine allergische Form, IgE-assoziiert, entsprechend einer „extrinsic-type
atopic dermatitis” unterteilt [6]. In verschiedenen Studien wird die Häufigkeit der nicht IgE-vermittelten atopischen
Dermatitis zwischen 10 % und 45 % angegeben [19].
Es handelt sich bei der Neurodermitis um eine Erkrankung aus dem atopischen Formenkreis
und es spielen sowohl die genetische Disposition als auch zahlreiche endogene wie
exogene Auslösefaktoren eine Rolle [10]
[16]. Charakteristisch sind eine extrem trockene, irritable Haut und ein ausgeprägter
Juckreiz. Die Erkrankung weist unterschiedliche Schweregrade und Verläufe auf, die
überwiegende Zahl der Patienten leidet an der leichteren Form der Neurodermitis. Schwere
Verläufe mit generalisiertem Hautbefall sowie bakterielle, virale oder mykotische
Superinfektionen stellen als Komplikationen eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit
und der Lebensqualität der Patienten dar. Neben diesen individuellen Beeinträchtigungen
entstehen für die Solidargemeinschaft erhebliche Kosten.
Eine kurative Therapie der Neurodermitis steht nicht zur Verfügung. Deshalb spielen
symptomatische und präventive Maßnahmen [8] bei der Betreuung von Patienten mit Neurodermitis eine große Rolle. Zu den sekundärpräventiven
Maßnahmen gehört die adjuvante Basistherapie, die als Ziel die Minderung der Hautrockenheit
und die Linderung des Juckreizes hat. Targetstruktur der Basistherapie ist das Stratum
corneum bzw. die epidermale Hautbarriere.
Pathophysiologische Grundlagen
Das Stratum corneum hat eine entscheidende Bedeutung für die Barrierefunktion der
Epidermis, die bei Patienten mit Neurodermitis eingeschränkt ist. Aufgrund dieser
eingeschränkten epidermalen Permeabilitätsbarriere kommt es zu einem gesteigerten
transepidermalen Wasserverlust und einer verminderten Wasserbindungsfähigkeit [1]
[24]. Als ursächlich sind hierbei ein quantitativer Ceramidmangel, weitere Störungen
des epidermalen Lipidstoffwechsels sowie eine verzögerte und unvollständige Fusion
der Keratinosomenlipide mit den Hornschichtlipidmembranen anzusehen [2]
[13]
[18].
Außerdem sind die so genannten Feuchthaltefaktoren („natural moisturizing factor”)
wie zum Beispiel Harnstoff oder Laktat in den mittleren und basalen Schichten des
Stratum corneum bis zu 70 % deutlich vermindert [23].
Diese Funktionseinschränkungen lassen sich bereits im klinisch symptomfreien Hautzustand
nachweisen. Dagegen zeigen andere Studien, dass die Barrierefunktion der Haut bei
klinisch erscheinungsfreien Patienten mit Neurodermitis nicht gestört ist, sondern
nur, wenn Zeichen des Ekzems bestanden [12].
In trockener atopischer Haut ohne klinische Anzeichen eines Ekzems ist histologisch
eine lymphohistiozytäre Infiltration in der Dermis nachweisbar, weshalb die trockene
atopische Haut als minimale Entzündungsreaktion und somit als eine behandlungsbedürftige
subklinische Dermatitis aufgefasst werden kann [3]
[22].
Damit ist die Notwendigkeit der externen Basistherapie zur Verbesserung der Barrierefunktion
der Epidermis sowohl im symptomfreien Hautzustand als auch bei Hauterscheinungen infolge
der Neurodermitis - hier dann neben der spezifischen symptomatischen Therapie [5] - begründet. Ziel ist, alle Faktoren, die die chronische Entzündungsreaktion der
Haut unterhalten, zu beeinflussen. Das betrifft unter lokaltherapeutischem Aspekt
vor allem:
-
den erhöhten transepidermalen Wasserverlust,
-
die Störung des oberflächlichen Hautlipidmantels,
-
die gesteigerte Permeabilität und Verminderung der Oberflächenlipide.
Die externe Basistherapie unterscheidet sich damit wesentlich von der Wirkung dermatokosmetischer
Produkte, die vor allem der Erhaltung der natürlichen Hautfunktion dienen und einen
Schutz vor Umwelteinflüssen, welche wiederum die Hautalterung verstärken, bieten sollen
[7].
Basistherapie
1. Externagrundlagen
Topische Formulierungen dienen einerseits als Träger für unterschiedliche Wirkstoffe,
sie entfalten aufgrund ihres physikochemischen Charakters aber auch direkte therapeutische
Effekte, wie die Beeinflussung oder Unterstützung der Barrierefunktion der Haut. In
diesem Sinn kann auch ein Vehikel als Arzneimittel verstanden werden. Entsprechend
kann die richtige Wahl einer Grundlage den Hautzustand verbessern, bei falscher Wahl
aber auch verschlechtern. Die Auswahl der Grundlage ist entscheidend vom individuellen
Hautzustand (Zustandsbild, Akuität und Lokalisation der Dermatose) abhängig. Bei Magistralrezepturen
sind noch galenische Aspekte (Interaktionen von Wirkstoff und Grundlage) zu beachten.
In der Regel besteht bei Neurodermitis-Patienten im symptomfreien Intervall ein trockener,
irritabler Hautzustand. Als Basistherapeutika dienen somit überwiegend lipidreiche
Grundlagen (W/O-Emulsionen, Salben, Fettsalben), die sich rasch innerhalb der Hornschicht
verteilen, ohne sie zu penetrieren. Lipide erhöhen die Hydratation der Haut durch
verschiedene Mechanismen. Der wichtigste ist die Okklusion, wodurch der transepidermale
Wasserverlust deutlich gesenkt wird.
Beispiele für lipidreiche Grundlagen finden sich im Neuen Rezepturformularium (NRF)
oder in den Standardrezepturen (SR) (Tab. [1]). Außerdem bieten viele Hersteller dermatologischer Externa wirkstofffreie Basisexterna
an.
Tab. 1 Beispiele für lipidreiche Grundlagen zur Hautpflege bei Neurodermitis
anionische hydrophile Creme NRF |
Basiscreme DAC |
Hautpflegesalbe L/W SR90 |
nichtionische hydrophile Creme NRF |
Unguentum alcoholum lanae SR 90 |
Wollwachsalkoholsalbe, wasserhaltig, pH 5 NRF |
Neue topische Formulierungen wie Liposome oder Nanoemulsionen gewinnen aufgrund ihrer
guten Wirksamkeit zunehmend an Bedeutung. Die Einarbeitung von Wirkstoffen ist allerdings
problembehafteter, so dass auch hier die gesicherte galenische Stabilität Priorität
hat.
2. Wirkstoffe in der medizinischen Hautpflege
Die gestörte Barrierefunktion der Haut bei Neurodermitis erfordert neben einer lipidreichen
Grundlage mit einer ausreichend hydrophilen Phase auch die Applikation von Feuchthaltefaktoren
(„Humectants”), um eine Erhöhung des Wassergehaltes des Stratum corneum zu erreichen.
Hier stellt Harnstoff die bekannteste und gebräuchlichste Substanz dar. Die wesentlichen
Wirkungen des Harnstoffs bestehen in einer besseren Durchfeuchtung der Epidermis durch
eine Erhöhung der Wasserbindungskapazität, in antipruriginösen, keratolytischen und
leichten antibakteriellen Wirkungen [20]. In höheren Konzentrationen (meist ab 10 %) stellt sich allerdings besonders bei
leicht irritabler (Kinder!) sowie entzündlicher Haut ein unangenehmes Brennen ein,
was die Einsatzmöglichkeit bei Neurodermitis begrenzt. Die Applikation von harnstoffhaltigen
Externa sollte konsequent täglich erfolgen, da durch die Desquamation des Stratum
corneum die Wirkungen sonst nur transient sind [21].
Wirksam sind ebenfalls Glycerol, Milchsäure und Sorbitol [11]. Ebenso barriereprotektiv-rehydrierend wirkt Panthenol, welchem zudem noch eine
granulations- und epithelisierungsfördernde, also wundheilende sowie eine antientzündliche
Wirkung zugeschrieben wird [25] (Tab. [2]).
Tab. 2 Feuchthaltefaktoren: Beispiele für wirkstoffhaltige Externa zur Hautpflege bei Neurodermitis
Harnstoff-Cetomacrogol-Salbe 10 % NRF |
Harnstoff-Creme 5 oder 10 %, anionisch NRF |
Harnstoff-Emulsion 5 oder 10 %, hydrophil NRF |
Harnstoff-Natriumchlorid-Salbe NRF |
Harnstoff-Wollwachsalkohol-Salbe 5 oder 10 %, wasserhaltig NRF |
Unguentum Acidi lactici 0,4 % W/L SR 90 |
Dexpanthenol-Creme, hydrophil 5 % NRF |
Dexpanthenol-Creme, hydrophob 5 % NRF |
Weiterhin hat sich der Zusatz desinfizierender Substanzen in topischen Zubereitungen
mit dem Ziel der Keimzahlreduktion der mikrobiellen Besiedlung bewährt. Beispiele
hierfür sind Triclosan (1 bis 3 %ig), Chinolin (0,1 %ig) oder Clioquinol (3 %ig).
Die Haut des Atopikers weist als Ursache der erhöhten Anfälligkeit gegenüber mikrobiellen
Superinfektionen besonders mit Staph. aureus eine verminderte Konzentration antimikrobieller
Peptide wie α- und β-Defensine, Cathelicidine und Saposin auf [17]. Antimikrobielle Peptide wiederum werden durch Bakterien-Proteine (z. B. Pseudomonas)
verstärkt gebildet. Diese neueren Forschungen weisen deshalb darauf hin, dass antiseptische
Zusätze nicht prophylaktisch, sondern nur bei manifester Erkrankung angewendet werden
sollten.
Die erhöhte Hautirritabilität durch äußere und innere Faktoren geht meist einher mit
einem quälenden Juckreiz. Milde Formen sind durchaus mit der Anwendung von juckreizhemmenden
Substanzen in Externa behandelbar. Bewährt hat sich Polidocanol und synthetischer
Gerbstoff. Außerdem ist die entzündungshemmende und juckreizlindernde Wirkung des
Zinkoxid, je nach Akuität und Lokalisation als Lotio, Öl, Paste oder Salbe, hier gut
nutzbar (Tab. [3]).
Tab. 3 Antipruriginöse Wirkstoffe in Externa zur Hautpflege bei Neurodermitis
Polidocanol 5,0 Liniment, wasserhaltiges NRF ad 100,0 |
Zinkpaste, weich NRF |
Pasta exsiccans SR 90 |
Ammoniumbituminosulfonat-Salbe 10 % NRF |
3. Unerwünschte Nebenwirkungen bei der Anwendung von dermatologischen Externa
Die Kenntnis der Grundlage ist unter dem Gesichtspunkt potenzieller Kontaktallergene
wichtig. Hier spielen nach wie vor Inhaltsstoffe wie Wollwachsalkohole, Cetylstearylalkohol,
Amerchol und Parabene in den Salbengrundlagen eine Rolle. Duftstoffe können sowohl
allergen als auch irritativ wirken [26].
Bei der Auswahl der Grundlage sollte die Lokalisation der Anwendung beachtet werden.
Z. B. kann es infolge der okklusiven Wirkung lipidreicher Externa an Händen und Füßen
zur akuten Dyshidrosis kommen, besonders bei hohen Außentemperaturen. Ebenso kann
es zu Irritation und Mazeration in intertriginösen Arealen kommen. In seborrhoischen
Arealen sind Follikulitiden möglich.
4. Weitere Aspekte in der Hautpflege
Die Hautreinigung sollte immer so wenig irritierend wie möglich und dem Verschmutzungsgrad
angepasst erfolgen. Überwiegend ist klares Wasser ausreichend. Häufiges langes und
heißes Baden oder Duschen ist zu vermeiden, dies gilt ganz besonders in geografischen
Regionen mit hoher Wasserhärte, da die hygroskopische Wirkung der Mineralien die Exsikkation
verstärkt. Unter diesem Aspekt sollten auch Säuglinge mit Neurodermitis nicht täglich,
sondern nur einmal wöchentlich gebadet werden, ein tägliches Abwaschen verschmutzter
Regionen ist ausreichend. Ist eine entfettende Reinigungswirkung erwünscht, sollten
Syndets mit leicht saurem pH-Wert (pH 5,5) angewendet werden. Hierbei ist wieder die
individuell unterschiedlich irritierende Wirkung von Konservierungs- und Parfümstoffen
zu beachten, diese gegebenenfalls zu meiden. Dagegen werden rückfettende Zusätze in
Dusch- und Badeölen (Pflanzenöle, Ceramide) als subjektiv angenehm empfunden und unterstützen
das präventive Hautpflegekonzept bei Neurodermitis.