Aktuelle Dermatologie 2005; 31(6): 275-277
DOI: 10.1055/s-2005-861271
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Airborne-Kontaktdermatitis bei einem Förster

Airborne-Contact Dermatitis Affecting a ForesterG.  C.  Nist1
  • 1Klinik für Dermatologie und Allergologie, Zentrum für Hautkrankheiten, Klinikum Stuttgart (Direktor: Prof. Dr. P. von den Driesch)
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Dr. Gabriele Nist

Zentrum für Hautkrankheiten, Krankenhaus Bad Cannstatt, Klinikum Stuttgart ·

Prießnitzweg 24 · 70374 Stuttgart

Email: gnist@kbc-intern.de

Publication History

Publication Date:
31 May 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Kolophonium gehört zu den zehn häufigsten Kontaktallergenen. Es wird unter anderem als Baumharz aus Koniferen wie Kiefern und Fichten gewonnen. Ein 72-jähriger ehemaliger Förster klagte seit drei Jahren über Ausschläge an der Stirn, um die Augen herum und zuletzt auch an den Händen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in seinem Fichtenwald. Klinisch nach zweitägiger Waldarbeit Ekzembefund im Gesicht. In der Epikutantestung Nachweis einer Kontaktsensibilisierung gegen Kolophonium (INCI: Rosin), Abietinsäure (INCI: Abietic Acid) und Terpentin (INCI: Turpentine). Atopische Sensibilisierungen fanden sich nicht. Wir diagnostizierten eine Airborne-Kontaktdermatitis bei Sensibilisierung gegen Kolophonium, Abietinsäure und Terpentin.

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Abstract

Colophony is one of the ten most common contact sensitizers. It is also but not exclusively made out of rosin from conifers such as fir trees. For three years a 72-year-old forester has suffered from ekzema of the forehead and around the eyes which finally also extended to his hands always after having been to his fir-tree-wood. Clinically he showed ekzema after two days work in the woods. In patch testing contact allergy was found against colophony (rosin), turpentine and abietic acid. We diagnosed airborne-contact dermatitis due to sensitization to colophony (rosin).

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Einleitung

Kontaktallergien gegen Kolophonium, Terpentin und ihre Derivate sowie die zugehörigen Kreuzallergien wie zum Beispiel gegen Teebaumöl spielen zahlenmäßig eine wichtige Rolle in unserer Bevölkerung. Leider sind unsere derzeitigen kommerziell erhältlichen Testmethoden zum Nachweis nur sehr unzureichend. Kolophonium und seine Derivate kommen in zahlreichen Produkten des täglichen Lebens und auch der Medizin vor, oft in versteckter Form. Daher ist es häufig schwierig, von der festgestellten Sensibilisierung auf den Krankheitsauslöser Rückschlüsse zu ziehen. Im folgenden Fall wird ein ehemaliger Förster mit einer Airborne-Kontaktdermatitis bei Sensibilisierung gegen Kolophonium, Abietinsäure und Terpentin vorgestellt.

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Kasuistik

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Anamnese

72-jähriger Patient, der seit drei Jahren über Ausschläge an der Stirn, um die Augen herum und zuletzt auch an den Händen klagt. Diese Ausschläge treten immer nach mehrtägiger Arbeit im Fichtenwald auf. Der Patient, der früher Forstwirt war und als Rentner noch immer im eigenen Wald tätig ist, sagt: „Die Luft dort macht mich krank.”

Der Patient berichtet über eine bekannte Pflasterallergie. Vor drei Jahren waren in einer extern durchgeführten Epikutantestung verschiedene Kontaktallergien festgestellt worden: Kolophonium, Terpentin, Abietinsäure, p-Phenylendiamin, Thiuram-Mix, Duftstoff-Mix, Sorbitansesquiolat, 4-tert. Butylphenol, Isophorondiamin.

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Dermatologischer Befund

Unauffällig. Nach zweitägiger Waldarbeit leicht ausgeprägter Ekzembefund im Gesicht.

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Befunde diagnostischer Untersuchungen

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Epikutantestung

Modifizierter Standardblock (einschließlich Thiuram-Mix, p-Phenylendiamin, Perubalsam, Duftstoff-Mix): positiv Kolophonium (INCI: Rosin) und Terpentin (INCI: Turpentine) (Abb. [1] u. [2]).

4-tert. Butylphenol und Isophorondiamin: negativ.

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Abb. 1 Epikutantest: Kolophonium 20 % nach 4 Tagen.

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Abb. 2 Epikutantest: Terpentin 10 % nach 4 Tagen.

Modifizierter Pflanzenblock (einschließlich Abietinsäure und Sesquiterpenlacton-Mix): positiv Abietinsäure (INCI: Abietic Acid) (Abb. [3]).

Duftstoff-Mix-Aufschlüsselung: negativ.

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Abb. 3 Epikutantest: Abietinsäure 10 % nach 4 Tagen.

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Atopische Allergene

Nichtsaisonale Inhalationsallergene, Pollenallergene, Schimmelpilze im Prick- bzw. Intrakutan-Test: negativ

Verschiedene Hölzer einschließlich Buchen-, Fichten-, Kiefern-, Tannen- und Nussbaumholz im Prick- und Intrakutan-Test mit Spätablesung: negativ.

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Therapie und Verlauf

Dem Patienten wurde Expositionsprophylaxe empfohlen; sollte diese nicht möglich sein, die Einnahme eines niedrig dosierten oralen Kortikosteroids (z. B. 20 mg Prednisolonäquivalent) vor der Exposition und ggf. über mehrere Tage weiter bzw. eine symptomatische Lokaltherapie, dem Ekzemstadium angepasst.

Nach einem „Re-Expositionstest” im Wald zeigte sich ein nur gering ausgeprägter Ekzembefund, da sich der Patient nicht mehr für längere Zeit in den Wald begebe, um die unangenehmen Folgen zu vermeiden.

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Diskussion

Bei unserem Patienten kam es seit mehreren Jahren zum Auftreten eines Ekzems im Gesicht und an den Händen nach mehrtägiger Arbeit im Fichtenwald. Dabei handelt es sich um ein aerogenes allergisches Kontaktekzem bei Sensibilisierung gegen Kolophonium, Abietinsäure und Terpentin. Viele Koniferen können allergische Hautreaktionen in Form einer Airborne-Kontaktdermatitis auslösen [1].

Kolophonium wird als Baumharz aus dem Balsam harzführender Koniferen gewonnen, vor allem aus Kiefern (Pinus sylvestris), aber auch Fichten (Pinus abies), Tannen und anderen oder durch Lösungsmittelextraktion aus Stubben (Wurzelharz) [2]. Der Name Kolophonium leitet sich ab von der lydischen Stadt Kolophon, in der im Altertum Harz destilliert wurde [3].

China ist der Hauptlieferant für durch Lebendharzung gewonnenes Kolophonium. In den USA und Schweden steht die Gewinnung aus Tallöl (tall = schwed. Kiefer), einem Abfallprodukt der Papierindustrie, im Vordergrund [1].

Bei der Destillation wird das ätherische Terpentinöl vom Kolophonium, einem Gemisch aus Harzsäuren und neutralen Anteilen und hochmolekularen Verbindungen getrennt. Terpentinöl besteht unter anderem aus alpha- und beta-Pinen, Limonen und delta-3-Caren. Allergen sind im Terpentin vor allem die Oxidationsprodukte alpha-Pinen und delta-3-Caren. Es bestehen Kreuzallergien zu Teebaumöl. Terpentinöl in oxidierter Form und gealtertes Teebaumöl enthalten eine Reihe strukturgleicher Verbindungen [4].

Die genaue Zusammensetzung des Kolophoniums ist noch immer nicht geklärt. Bis zu 90 % besteht es aus Harzsäuren wie Abietin-, Dehydroabietin- und Laevopimarsäure. Die Zusammensetzung variiert je nach Herkunft des Kolophoniums. Kolophonium wird meist veredelt, unter anderem damit es weniger nachdunkelt und erstarrt. Durch eine Vielzahl von verschiedenen Verfahren entstehen unzählige chemische Modifikationen des Kolophoniums [1].

Kolophonium gehört zu den zehn häufigsten Kontaktallergenen. Das Kolophonium im Hermal-Standardblock wird aus Harzbalsam, d. h. chinesischem Baumharz gewonnen. Es repräsentiert somit nur einen Teil des weltweit verwendeten Kolophoniums. Die verschiedenen Allergene im Kolophonium sind noch immer nicht genau bekannt. Es gibt Patienten, die auf Harzsäuren oder Kolophoniumderivate allergisch reagieren, aber, genauso wie Allergiker auf aus Tallöl gewonnenem Kolophonium, nicht auf das Kolophonium des Standardblocks. Etwa 50 % der Kolophoniumallergiker reagieren auch auf Abietinsäure, die zusammen mit Laevopimarsäure und Hydroabitylalkohol (Abitol®) wahrscheinlich die Hauptallergene des Kolophoniums darstellt [5]. Hydrogenierte Derivate des Kolophoniums scheinen weniger sensibilisierend zu wirken [6].

Kolophonium wirkt klebend und haftverstärkend, so dass es schon im Altertum als Schiffspech verwendet wurde. Der geharzte Weißwein Retsina entstand durch die Abdichtung der Fässer mit Pinienharz [7]. Das „Schmiergeld” hat seinen Ursprung in der Gebühr, die Reisende im Kutschverkehr für das Schmiermittel zahlen mussten, welches aus Kolophonium gewonnen wurde [8]. Stark erhärtetes Kolophonium mit einem Anteil an Abietinsäure von ca. 90 % wird vor allem als Geigenharz verwendet [6], um die Reibung zwischen Bogen und Saite zu erhöhen oder als Gleithemmer für Riemen und als Haftwachs für Sportler [9].

Kolophonium begegnet uns überall und oft in verborgener Form [5]. Es wird zur Veredelung und Leimung von Papier verwendet, da es die Reißfestigkeit erhöht und Wärme abstoßend wirkt [10]. Das Derivat Abitol® wird unter anderem in Klebebändern, Lacken, Haushaltsartikeln verwendet. Kosmetika, Wachse zur Haarentfernung, Polituren und Kleber, synthetische Gummierzeugnisse, Bodenbeläge, Lacke und Farben und viele andere Produkte des täglichen Lebens und der Industrie können Kolophonium und seine Derivate enthalten. Aber auch in Nahrungsmitteln wie importierten Kaugummis [5] ist Kolophonium zu finden.

Eine Besonderheit ist das bei Lötern auftretende Asthma. Lötzinn enthält Kolophonium als Fließmittel. Der Mechanismus der Pathogenese ist nicht sicher bekannt. IgE-Antikörper lassen sich nicht nachweisen [11].

In der Medizin begegnet uns Kolophonium auf vielfältige Weise. Mastix-Kleber ist eine ätherische Lösung des Kolophoniums. In den 60er-Jahren wurden Penizillindepotpräparate vertrieben, die an ein modifiziertes Kolophoniumpräparat gebunden waren. In nicht hypoallergenen Pflastern, aber auch in hypoallergenen zum Teil in Spuren, und vor allem in Hydrokolloidverbänden und Klebefolien in der Chirurgie werden Kolophonium und -derivate als Kleber zugesetzt. Auch Zahnabdruckmaterialien, Zahnarztlack und Zahnzement sind kolophoniumhaltig [5]. Dermatika zur äußeren Anwendung können Kolophonium, Terpentin und Derivate enthalten: zum Beispiel Ilon Abszess Salbe (Lärchenterpentin, gereinigtes Terpentinöl, Kolophonium u. a.), Gothaplast Capsicum Wärmepflaster No. 19 (Kolophonium, glycerolverestertes Kolophonium, u. a.), Rephaderm Wundsalbe (u. a. Grundlage aus Wollwachs, Bienenwachs, Vaseline, Kolophonium und Olivenöl). In der Alternativmedizin wird die antibakterielle Wirkung von Kolophonium und Terpentinöl gelobt [11]. In der Veterinärmedizin werden zum Beispiel Eutersalbe mit hyperämisierender Wirkung für Rinder (Kolophonium, Terebinthinae laricina u. a.) oder Huf- und Klauensalbe für Rinder und Pferde (Terebinthinae aetheroleum medicinale, Terebinthina laricina, Kolophonium u. a.) verwendet.

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Literatur

Dr. Gabriele Nist

Zentrum für Hautkrankheiten, Krankenhaus Bad Cannstatt, Klinikum Stuttgart ·

Prießnitzweg 24 · 70374 Stuttgart

Email: gnist@kbc-intern.de

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Literatur

Dr. Gabriele Nist

Zentrum für Hautkrankheiten, Krankenhaus Bad Cannstatt, Klinikum Stuttgart ·

Prießnitzweg 24 · 70374 Stuttgart

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Abb. 1 Epikutantest: Kolophonium 20 % nach 4 Tagen.

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Abb. 2 Epikutantest: Terpentin 10 % nach 4 Tagen.

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Abb. 3 Epikutantest: Abietinsäure 10 % nach 4 Tagen.