Einleitung
Dank der seit Beginn des 20. Jahrhunderts erreichten medizinischen Fortschritte hat
unsere Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten immens zugenommen und ist weiterhin
kontinuierlich im Anstieg. Im Jahr 2003 betrug der Anteil der über 60-Jährigen in
Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bereits 17,5 %; er wird bis
zum Jahr 2050 weiter auf rund ein Drittel wachsen [1]. Die frühere Tannenbaumform der Alterspyramide wird dann die so genannte Urnenform
angenommen haben (Abb. [1]). Damit gewinnt das Thema „Altern” für immer mehr Personen an Relevanz. Entsprechend
erfreuen sich therapeutische wie kosmetische Maßnahmen, die ein gesundes Altern erlauben
und den Körper möglichst lange jung, vital und attraktiv erhalten, ständig steigender
Beliebtheit.
Abb. 1 Alterspyramide der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2001 und 2050: Der Anteil der
über 60-jährigen Bundesbürger nimmt ständig zu [1].
Im Rahmen des Alterungsprozesses kommt der Haut eine Sonderstellung zu, da sie als
Außenbarriere des Organismus eine Schutzfunktion besitzt und damit im Gegensatz zu
den meisten inneren Organen kontinuierlich und repetetiv einer Vielzahl externer Einflüsse
ausgesetzt ist. Deshalb ist gerade die Haut für Altersforscher ein äußerst interessantes
Forschungsobjekt: Sie kann als Spiegel für Alterungsprozesse des Körpers betrachtet
werden, d. h. das Muster der Hautalterung erlaubt Rückschlüsse auf Alterungsmechanismen
wie z. B. der inneren Organe.
Prozesse der Hautalterung
Im Rahmen des Alterungsprozesses ist zwischen intrinsischer und extrinsischer Hautalterung
zu differenzieren. Im Verlauf der chronologischen intrinsischen Hautalterung („Zeitaltern”)
läuft die durch genetische Prädisposition und Hormonstatus bestimmte biologische Uhr
des menschlichen Organismus allmählich ab. Darüber hinaus werden Alterungsvorgänge
der Haut zusätzlich durch externe Faktoren wie UV-Strahlung, Rauchen, Stress oder
Alkohol ausgelöst. Dieses Altern durch Umwelteinflüsse wird als extrinsische Hautalterung
(„Umweltaltern”) bezeichnet und ist vielfach für die vorzeitige Alterung verantwortlich.
Wichtigste Noxe in diesem Zusammenhang ist das UV-Licht (Photo-Aging), das zu Pigmentverschiebungen,
trockener und glanzloser Haut und ausgeprägter Faltenbildung führt.
Im Unterschied dazu ist die intrinsische Hautalterung durch Schlaffheit, Trockenheit
und Blässe mit Abnahme der Epidermisdicke um rund 50 % und der Dermisdicke um rund
30 % charakterisiert (Abb. [2]). Da der stimulierende Effekt von Östrogenen bzw. Androgenen auf die Zellteilungsaktivität
entfällt, nimmt die Zahl der Keratinozyten in der Basalzellschicht sowie der Melanozyten
und Langerhans-Zellen in der Epidermis ab. Damit wird auch die Immunfunktion der Haut
beeinträchtigt; die Wundheilung der Haut ist erschwert. Aufgrund der sinkenden Zahl
und der nachlassenden Aktivität von Fibroblasten verringert sich der Kollagengehalt
drastisch. Auch das subkutane Fettgewebe und das superfizielle Gefäßgeflecht verlieren
an Stabilität. Diese Veränderungen resultieren in einer erhöhten Fragilität der Haut
bereits bei Bagatelltraumen. Abnormale Nervenzellendigungen verleihen der Haut eine
verstärkte Irritabilität. Auch die unter der Kontrolle von Sexualhormonen stehenden
Talgdrüsen reduzieren ihre Funktion mehr und mehr. Gleichzeitig sinkt der Gehalt an
Hyaluronsäure mit ihrer hohen Wasserbindungskapazität in der extrazellulären Matrix.
Damit steigt die Trockenheit der Haut. Erschwerend hinzu kommen die Fragmentierung
und zahlenmäßige Abnahme von Elastinfasern, was sich in einer verminderten Elastizität
der Haut mit Schlaffheit und verstärkter Faltenbildung äußert [2].
Abb. 2 Alterungsvorgänge in der Haut und daraus resultierende Folgeerscheinungen [2].
Eine vergleichbare, allerdings etwas später einsetzende Entwicklung ist an der Urogenitalschleimhaut
zu beobachten, die ebenfalls atrophiert und eine zunehmende Trockenheit zeigt. Parallel
zur Abnahme des Hautkollagens sinkt auch die Knochendichte bei Frauen nach der Menopause
drastisch ab [3]. Eine manifeste Osteoporose entwickelt sich jedoch erst 10 bis 15 Jahre nach Eintritt
der Menopause; noch einige Jahre später manifestiert sich die Atherosklerose [4].
Um den durch die Veränderungen im Hormonhaushalt bedingten Alterungsprozessen in der
Haut zu begegnen, wurde lange Zeit eine systemische Hormonersatztherapie zur Prävention
und Behandlung von Folgen des Hormondefizits propagiert. In der Tat spielen derartige
altersbedingte Veränderungen heute eine zunehmend wichtige Rolle, blieb doch das Menopausealter
bei mitteleuropäischen Frauen in den letzten 100 Jahren mit durchschnittlich 51 Jahren
praktisch konstant. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung haben Frauen daher heute
zum Zeitpunkt der Menopause noch über ein Drittel ihres Lebens vor sich [4], in denen sie mit den Konsequenzen der postmenopausalen Hormonveränderungen zurechtkommen
müssen. Die in den letzten Jahren publizierten Ergebnisse großer randomisierter Studien
zur Hormonersatztherapie, in denen die postulierten positiven Auswirkungen der systemischen
Östrogensubstitution auf Herz-Kreislauf-System und Gehirn nicht verifiziert werden
konnten, haben die Indikationen für diese Form der Prävention und Behandlung mittlerweile
deutlich eingeschränkt. Zunehmendes Interesse gilt daher neuen alternativen Anti-Aging-Strategien.
Derartigen Fragen ihrer Patienten müssen sich heute auch die Dermatologen stellen.
Alterstheorien
Jede Art von Lebewesen ist durch eine charakteristische maximale Lebensdauer gekennzeichnet.
Diese maximal mögliche Lebensspanne beträgt etwa beim Hund 12 bis 15 Jahre, beim Pferd
rund 30 Jahre und beim Menschen ca. 120 Jahre. Mehrere Alterstheorien versuchen die
Fragen zu beantworten, wodurch die maximale Lebensdauer festgelegt wird und welche
Prozesse für das Altern verantwortlich sind. Historisch lassen sich diese Theorien
zwei Grundkategorien zuordnen: Man unterscheidet einmal Theorien, die Altern als stochastischen
Prozess, als „Abnutzungserscheinung”, erklären, wie es z. B. bei der Theorie der freien
Radikale und der Mitochondrialtheorie der Fall ist. Dem stehen auf der anderen Seite
Theorien gegenüber, die Altern als Ablauf eines genetischen Programms betrachten.
In diese Kategorie fallen beispielsweise die Telomerasetheorie oder die Theorie der
zellulären Vergreisung (Tab. [1]). Im Folgenden wird hauptsächlich die Theorie der freien Radikale (Mitochondrialtheorie)
ausführlicher erläutert. Detailliert vorgestellt werden die Biologie des Alterns und
die verschiedenen Alterstheorien von B. R. Troen in einer im letzten Jahr publizierten
Übersichtsarbeit [5].
Tab. 1 Die verschiedenen Alterstheorien erklären Altern als stochastischen Prozess oder als
genetisches Programm
Alterstheorien |
Altern als stochastischer Prozess, „Abnutzungserscheinung”
Theorie der freien Radikale Mitochondrialtheorie Mutationstheorie „Error-Catastrophe” Protein-Modifikation |
Altern als genetisches Programm
Hormontheorie/neuroendokrine Theorie Telomerasetheorie „genetisch programmierter Selbstmord”/Apoptose Accelerated Aging Syndroms, ⇔ Langlebigkeitsgene Immunologische Theorie „zelluläre Vergreisung” |
Die vor 50 Jahren von Harmann entwickelte Theorie der freien Radikale basiert auf
der Beobachtung, dass im Laufe des Lebens aufgrund der kontinuierlichen Entstehung
freier Sauerstoffradikale radikalinduzierte Schäden akkumulieren und letztlich die
Körperfunktionen beeinträchtigen [6]. Zwar besitzt der menschliche Organismus zur „Radikalentgiftung” eine Vielzahl enzymatischer
und nicht-enzymatischer Abwehrmechanismen, die in Abb. [3] dargestellt sind. Werden diese jedoch durch oxidativen Stress überlastet, können
nicht eliminierte freie Radikale DNA-Schäden induzieren, die eine protrahierte Alterung
auslösen. Nach dieser Theorie ist die Lebenserwartung einer Spezies in erster Linie
abhängig von ihrem Grund- und ihrem Sauerstoffumsatz. Dass diese Theorie auch für
die Hautalterung relevant ist, erhellt sich aus der Tatsache, dass oxidativer Stress
als wichtiger Faktor sowohl bei intrinsischer wie extrinsischer Hautalterung identifiziert
wurde.
Abb. 3 Das ineinander greifende System enzymatischer und nicht-enzymatischer Radikalfänger
im menschlichen Organismus (nach Thiele) [12].
Der Ort mit der höchsten Generierung an freien Sauerstoffradikalen sind die Mitochondrien,
an deren innerer Wand die Energiegewinnung über die Atmungskette stattfindet. Hierbei
entsteht permament neben reaktiven Sauerstoffspezies auch H2O2. Werden diese extrem reaktiven Verbindungen nicht oder erst verzögert eliminiert,
so schädigen sie die mitochondriale DNA und damit im Weiteren auch die Funktion der
Atmungskette und die Energiegewinnung [7]. Mittlerweile kennt man distinkte Mutationen in der mitochondrialen DNA, die als
Langzeitmarker für chronische UV-Schäden und photooxidativen Stress identifiziert
wurden. Diese Markermutationen sind vermutlich auch für die verstärkte Expression
von Matrixmetalloproteasen von Bedeutung, die den Kollagenabbau verstärken und so
zu einer vorzeitigen Erschlaffung und Alterung der Haut führen.
Dagegen erklärt die neuroendokrine Theorie des Alterns (Hormontheorie) den Alterungsprozess
als „hormongesteuerte biologische Uhr” [8]. Bereits ab dem 30. Lebensjahr fallen die Hormonspiegel kontinuierlich ab, was sich
in einem Kapazitäts- und Funktionsverlust zahlreicher Körpersysteme äußert. Das Hormondefizit
betrifft nicht nur die weiblichen Geschlechtshormone (Menopause), sondern auch Androgene
(Andropause), Nebennierenrindenhormone (Adrenopause), Wachstumshormone (Somatopause)
und Melatonin (Melanopause) [9]. So fällt der Melatonin-Spiegel bereits ab dem 5. Lebensjahr deutlich ab; Wachstumshormone,
DHEA (Dehydroepiandrosteron) und IGF 1 (insuline-like growth factor) werden beim Mann
etwa ab dem 20. Lebensjahr in immer geringerer Menge produziert.
Die Telomerasetheorie betont die wichtige Rolle der Telomere, die die Enden der Chromosomen
vor Abbau und Fusion schützen, beim Alterungsprozess [10]. Da sich die Telomeren bei der DNA-Replikation kontinuierlich verkürzen und damit
„aufbrauchen”, sind Zellteilungen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Untergegangene Zellen können somit nicht mehr ersetzt werden. Zwischen dem Alterungsprozess
von Zellen und der Telomerlänge konnte mittlerweile ein direkter Zusammenhang etabliert
werden. Die wichtige Funktion der Telomeren für das Zellaltern wird durch die Tatsache
unterstrichen, dass das Enzym Telomerase, das die Telomerenverkürzung verhindert,
in den sich unbegrenzt teilenden Tumorzellen verstärkt exprimiert wird [11].