Einleitung
Einleitung
Gesundheitsökonomische Studien können wichtige Grundlagen für Entscheidungen bilden,
wenn es um die Bestimmung über die Verwendung der knappen Ressourcen oder die sinnvolle
Kostendämpfung im Gesundheitswesen geht. Beispielsweise können sie die Entscheidungsbasis
bilden, ob eine diagnostische oder therapeutische Intervention als eine Leistung der
gesetzlichen Krankenkassen anerkannt werden sollte oder nicht.
Hinsichtlich der zunehmenden Zahl gesundheitsökonomischer Studien in den letzten Jahren,
scheint die Forderung nach einem standardisierten Vorgehen, einer definierten Dokumentation
sowie einem einheitlichen Bewertungsmaßstab gerechtfertigt [1].
Aufgrund dieser Tatsache ist es ist es zur Verbesserung der Studienqualität essentiell,
einheitliche Standards bezüglich der Planung, Durchführung und Publikation gesundheitsökonomischer
Studien zu etablieren.
Die Schaffung vergleichbarer, qualitativ hochwertiger gesundheitsökonomischer Studien,
die mit Hilfe von Durchführungsstandards und einheitlicher Bewertungsmaßstäbe einerseits
eine möglichst hohe Homogenität erreichen sollen, dürfen andererseits die Handlungsfreiheit
des wissenschaftlich oder klinisch tätigen Mediziners nicht zu sehr einschränken.
Bewertungsstandards gesundheitsökonomischer Studien
Bewertungsstandards gesundheitsökonomischer Studien
Drummond (1997, [2]) formulierte Ideale gesundheitsökonomischer Studien, bei denen er auf die Transparenz
der Studie und deren Vergleichbarkeit größten Wert legte, denn die Studien sollten
untereinander möglichst vergleichbar sein, um zeigen zu können, dass eine Alternative
tatsächlich effektiver ist und nicht nur methodische Differenzen zur Darstellung kommen.
Des Weiteren soll der Gegenstand der Untersuchung ersichtlich sein und ob die angewandte
Methode ökonomischer Evaluation adäquat war. Zur Qualitätssicherung forderte Drummond
die Einhaltung der vorgegebenen Standards bezüglich Planung, Durchführung und Publikation
gesundheitsökonomischer Studien.
Die grundlegende Idee der Vereinheitlichung gesundheitsökonomischer Studien wurde
von den unterschiedlichsten Vereinigungen schon Mitte der 90er-Jahre aufgegriffen,
die jeweils eigene Bewertungssysteme entwickelt und propagiert haben, welche allerdings
in den seltensten Fällen internationale Akzeptanz haben [3]. Einige Beispiele für Bewertungssysteme gesundheits-ökonomischer Studien gibt Tab.
[1].
Tab. 1 Bewertungssysteme gesundheitsökonomischer Studien
Nr. |
Vereinigung/Titel |
Jahr |
1. |
The cost-benefit approach [15]
|
1974 |
2. |
Commonwealth of Australia [16]
|
1992 |
3. |
Economic analysis in randomised control trials [17]
|
1992 |
4. |
Ontario Ministry of Health [18]
|
1994 |
5. |
Canadian Co-Ordinating Office for Health technology assessment [19]
|
1994 |
6. |
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kölnische Pharmakologie und Therapie zur
Durchführung und Bewertung pharmakoökonomischer Studien [20]
|
1995 |
7. |
Reporting guidelines for economic studies [21]
|
1995 |
8. |
Task force on Principles of Economic analysis of Health Care Technology [22]
|
1995 |
9. |
US Public Health Service Panel on Cost-Effectiveness in Health and Medicine [23]
|
1996 |
10. |
Checkliste der BMJ Economic Evaluation Working Party [5]
|
1996 |
11. |
Cost-effectiveness in health [24]
|
1996 |
12. |
Checkliste zur Einschätzung ökonomischer Evaluationen [7]
|
1997 |
13. |
Hannoveraner Konsensusgruppe: Deutsche Empfehlungen zur gesundheitsökonomischen Evaluation
[25]
|
1999 |
Um die Verwendungsfähigkeit gesundheitsökonomischer Publikationen zu erhöhen, ist
es sinnvoll, im Vorfeld Standards zur Veröffentlichung festzulegen, welche eine einheitliche
Präsentation, eine identische Terminologie und die angemessene Verbreitung auf der
Basis veröffentlichter Guidelines beinhalten [4].
Die Leitlinie des British Medical Journal (BMJ), die sich eher auf Ratschläge zum
Inhalt der Publikation als auf die Durchführung gesundheitsökonomischer Studien festlegt
[5], ist ein gutes Hilfsmittel, eine qualitativ hochwertige, gesundheitsökonomische
Studie zu publizieren, die diesen Anforderungen nur dann gerecht werden kann, wenn
eine tadellose Durchführung der Evaluation erfolgt ist.
Aufgrund der detaillierten und hilfreichen Aufzählung wichtiger Aspekte, die einerseits
Autoren bei der Publikation unterstützen und andererseits Beurteilern im Editorprozess
ein Instrument zur Beurteilung gesundheitsökonomischer Studien sein sollen, werden
im Folgenden wichtige Details beschrieben.
Die Leitlinie des BMJ [5] ist in drei Abschnitte eingeteilt, welche sich den Themen des Studiendesigns, der
Datensammlung sowie der Analyse und Interpretation der Ergebnisse widmen.
Anforderungen an das Studiendesign
Anforderungen an das Studiendesign
Die gesundheitsökonomische Tragweite der Forschungsfrage unter Einbeziehung von Kosten
und Nutzen sollte dargestellt werden. Hierbei sollten die Studienfrage sowie die Art
der gesundheitsökonomischen Evaluation (Kosten-Effektivitäts-Analyse (CEA), Kosten-Minimierungs-Analyse
(CMA), Kosten-Nutzen-(Utility)-Analyse (CUA), Kosten-Nutzwert-(Benefit)-Analyse (CBA)
formuliert und adäquat sein.
Insbesondere die Perspektive der Evaluation (beispielsweise der Standpunkt der Gesundheitsökonomen
oder der Bevölkerung) ist zu erwähnen, da diese einen Einfluss auf die in die Analyse
einzubeziehenden Kosten hat.
Die Rationale zur Wahl der alternativen Verfahren oder Interventionen, die verglichen
werden, gibt dem Leser die Möglichkeit, die Evaluation auf eigene Belange zu übertragen.
Zu berücksichtigende Aspekte bei der Datensammlung
Zu berücksichtigende Aspekte bei der Datensammlung
Bezieht sich die ökonomische Evaluation auf eine einzige Kosten-Effektivitäts-Studie,
so sind Einzelheiten des Studiendesigns und Studienergebnisse anzuführen. Ist die
Evaluation jedoch auf der Basis einer Metaanalyse erfolgt, so ist die Beschreibung
von Suchstrategien und Einschlusskriterien in die Metaanalyse essentiell.
Der Goldstandard zur Einschätzung der Wirksamkeit einer Intervention unter experimentellen
Bedingungen (efficacy) ist die kontrollierte randomisierte, doppelblinde Studie aufgrund
ihrer hohen internen Validität und dem Nichtvorhandensein von Bias.
Die primären Endpunkte (primary outcome measures) für die gesundheitsökonomische Evaluation
wie beispielsweise Anzahl der entdeckten Fälle, die Zahlungsbereitschaft (Willingness
to pay), Lebensjahre oder die Messung in Nutzwert-Einheiten (QALY, quality adjusted
life years), einer Zusammenfassung von Lebensqualität und -quantität, die Morbiditäts-
und Mortalitätsdaten miteinander verknüpft [6], sind in der Publikation anzugeben.
Bezüglich der Kosten ist darauf zu achten, die Menge der Ressourcen getrennt von den
Preisen sowie Schätzmethoden für beides anzugeben.
Falls die gesundheitsökonomische Evaluation im Kontext einer klinischen Studie durchgeführt
wird, so kann die Kürze der Beobachtungszeit eine Modellierung der gesundheitsökonomischen
Daten erfordern, wenn es sich um Überlebenszeiten oder Progressionsraten handelt.
Die gewählten Modellierungstechniken (Entscheidungsbäume, epidemiologische oder Regressionsmodelle)
sollten begründet und Schlüsselparameter angegeben werden.
Analyse und Interpretation der Ergebnisse
Analyse und Interpretation der Ergebnisse
Drummond et al. [5] geben drei Hauptkriterien an, die bei der Zeitadjustierung von Kosten und Nutzen
unbedingt Berücksichtigung finden sollten. Das Zeitintervall, in dem Kosten und Nutzen
gemessen werden, sollte angegeben sein. Da die Diskontierung unterschiedliche Kosten
und Nutzen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, vergleichbar macht, sollte
sie bei einem Beobachtungszeitraum von mehr als einem Jahr angewendet werden [7]. Der verwendete Diskontsatz ist anzugeben und zu rechtfertigen. Eine Nichtdiskontierung
sollte entsprechend begründet werden.
Ein wichtiger Aspekt ist die Berücksichtigung der möglichen Unsicherheit der getroffenen
Aussage. Hierbei kann die Darstellung, beziehungsweise Einbeziehung von Extremszenarien
mittels Sensitivitätsanalyse hilfreich sein. Die Angabe des Ansatzes (multi-variat,
uni-variat oder Schwellenwert-Analyse) sowie die Begründung für die Wahl derselben
sollten nicht fehlen. Die Unsicherheit der Analyse sollte unbedingt in Betracht gezogen
werden, weil der Leser nur auf diese Weise in Erfahrung bringen kann, wie aussagekräftig
und robust die gesundheitsökonomische Analyse ist [7].
Bei der Präsentation der Ergebnisse sollte eine Inkrementalanalyse nicht fehlen. Die
inkrementale Analyse ist notwendig, um Aussagen über zusätzliche Nutzen und Kosten
gegenüber einem vergleichbaren Programm machen zu können [2], indem die Differenz der Kosten einer medizinischen Intervention und einer Vergleichsstrategie
berechnet wird.
Die Hauptergebnisse sind sowohl ausführlich als auch in aggregierter Form zu präsentieren
und sollten die Antwort auf die originäre Studienfrage beinhalten. Üblicherweise werden
die Ergebnisse gesundheitsökonomischer Evaluationen in Form eines zusammenfassenden
Indexes dargestellt, wie dem Kosten-Effektivitäts-Verhältnis (Cost-effectiveness ratio,
C/E ratio) oder dem Kosten-Nutzwert-Verhältnis (Cost-utility ratio, C/U ratio). Die
C/E ratio ist ein Sammelmesswert, der zur Erleichterung der Wahl zwischen zwei Varianten
dienen soll. Die Kosten werden hierbei einem oder mehreren Effektivitätsmaßen gegenüber
gestellt, während die C/U ratio zum besseren Vergleich errechnet werden kann und die
Kosten in Relation zum Nutzwert ausdrückt.
Die komplette BMJ-Checkliste ist in Tab. [2] dargestellt. Die aufgezählten Punkte werden danach beurteilt, ob sie berücksichtigt
wurden oder nicht, ob sie zutreffen oder unklar sind [5].
Tab. 2 Checkliste für Autoren und mit dem Review Beauftragte
Nr. |
Kriterium |
1. 2. 3. 4 5. 6. 7. |
Studiendesign
Die Forschungs-/Studienfrage ist angegeben.
Die ökonomische Bedeutung der Forschungsfrage ist erwähnt.
Die Sichtweise der Analyse wird klar herausgestellt und begründet. Die Rationale für die Wahl der alternativen Therapien oder Interventionen, die verglichen
werden, ist gegeben. Die Alternativen, die verglichen werden, sind ausführlich beschrieben. Die Art der gesundheitsökonomischen Evaluation ist dargestellt.
Die Wahl der Art der gesundheitsökonomischen Evaluation wird gerechtfertigt und ist
in Bezug auf die Studienfrage adäquat. |
8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. |
Datensammlung
Die Quellen, welche für die Schätzung der Effektivität genutzt wurden, sind angegeben. Falls sich die Effektivitätsbeurteilung auf eine einzelne Studie stützt, sind Design
und Ergebnisse derselben anzugeben. Einzelheiten über die Synthesemethode oder Metaanalyse sind dargestellt (falls die
Evaluation auf einer Reihe von Effektivitätsstudien basiert). Die primären Ergebnisparameter (primary outcome measures) der gesundheitsökonomischen
Evaluation sind eindeutig formuliert. Die Methoden zur Bewertung des Gesundheitszustands und anderen Nutzens sind beschrieben. Angaben über Personen, die Bewertungen angeben, werden gemacht. Änderungen über die (Produktivität), falls in die Studie eingeschlossen, werden separat
berichtet. Auf die Relevanz einer Änderung der Produktivität in Bezug auf die Studienfrage wird
Bezug genommen. Ressourcen und Geldeinheiten werden getrennt voneinander dargestellt. Methoden zur Schätzung von Mengen und Geldeinheiten sind niedergeschrieben. Daten zu Währungen und Preisen sind protokolliert. Über die Anpassung von Preisen an die Inflation, Währungs- und Umrechnungseinzelheiten
werden berichtet. Details über verwendete Modelle sind angegeben. Die Wahl des Modells sowie die Schlüsselparameter, auf denen das Modell basiert sind
dargestellt und begründet. |
22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. |
Analyse und Interpretation der Ergebnisse
Das Zeitintervall von Kosten und Nutzen ist aufgelistet.
Die Diskontrate ist erwähnt.
Die Wahl dieser Rate wird gerechtfertigt. Eine Erklärung ist abzugeben, wenn Nutzen oder Kosten nicht diskontiert wurden. Statistische Tests und Konfidenzintervalle sind für stochastische Daten angegeben. Der Ansatz für die Sensitivitätsanalyse wurde aufgezeigt. Die Wahl der Variablen für die Sensitivitätsanalyse wurde begründet. Die Spannweite über welche die Variablen streuen, wird berichtet. Relevante Alternativen wurden miteinander verglichen. Über die Durchführung einer Inkrementalanalyse wird berichtet. Die Hauptergebnisse sind sowohl in ausführlicher als auch in aggregierter Form präsentiert.
Die Antwort auf die Studienfrage wird gegeben.
Die gezogenen Schlüsse basieren auf den gewonnnen Erkenntnissen.
Die Schlussfolgerungen werden von angemessenen Vorbehalten begleitet. |
Auswirkungen gesundheitsökonomischer Standards
Auswirkungen gesundheitsökonomischer Standards
Die Zahl der Studien mit medizinisch-ökonomischem Kontext hat in den letzten Jahrzehnten
deutlich zugenommen [8]
[9], wobei die Qualität teilweise Lücken aufweist [1]
[10]
[11]
[12].
Ob die Standards zur Publikation und Beurteilung gesundheits-ökonomischer Studien
tatsächlich zur Erhöhung der Qualität führen, ist Gegenstand eines prospektiven Reviews
von 2982 Manuskripten des Lancet und des British Medical Journal (BMJ) gewesen [13]. Aus dieser Untersuchung ließ sich jedoch lediglich die Schlussfolgerung ziehen,
dass die Effektivität des Editorprozesses optimiert wurde, während sich keinerlei
Einfluss auf die eingereichten oder publizierten gesundheitsökonomischen Publikationen
zeigte.
Zum einen wird die fehlende Wirkung auf die mangelhafte Verbreitung der Empfehlungen
zur Publikation, zum anderen auf die vermutlich von Ignoranz bis hin zur ablehnenden
Auffassung der Autoren reichende Einstellung geschoben [13].
Trotz dieser enttäuschenden Ergebnisse sind einheitliche Leitlinien zur gesundheitsökonomischen
Evaluation dringend erforderlich, da es sich um ein wachsendes Forschungsgebiet handelt,
das oftmals eine wichtige Basis für Entscheidungsträger im Gesundheitswesen bildet.
Zur Vorbeugung von Missverständnissen der häufig auf vielen Annahmen beruhenden Evaluationen
ist eine einheitliche Form ähnlich dem CONSORT statement [14] anzustreben, um mit größtmöglicher Transparenz und Überschaubarkeit eine hohe Qualität
und Akzeptanz zu erzielen.