Rofo 2005; 177(2): 290-293
DOI: 10.1055/s-2005-864053
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Zur angemessenen Vergütung für niedergelassene Radiologen

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

Rechtsanwalt Dr. Peter Wigge

Münster/Westfalen

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Publication Date:
17 February 2005 (online)

 
Table of Contents #

1. Sachverhalt

Vertragsärztlich tätige Radiologen können unter dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung für ihre Leistungen keine Vergütung in bestimmter Höhe verlangen. Mit diesem Argument hat das Bundessozialgericht (BSG) am 8. und 9. Dezember 2004 in über 14 Verfahren die Revisionen von Radiologen zurückgewiesen, die gegen die Kassenärztliche Vereinigung Hessen auf eine höhere Vergütung radiologischer Leistungen in dem Zeitraum der Quartale III/1997 bis II/1998 geklagt hatten (Az.: B 6 KA 44/03 R, B 6 KA 50/02 R, B 6 KA 28/03 R, B 6 KA 36/03 R, B 6 KA 38/03 R, B 6 KA 40/03 R, B 6 KA 42/03 R, B 6 KA 4/04 R, B 6 KA 9/04 R, B 6 KA 12/04 R, B 6 KA 13/04 R, B 6 KA 29/04 R, B 6 KA 30/04 R).

Im Zuge der Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets durch den EBM-Ä zum 01.07.1997 beschloss die Vertretersammlung der KV Hessen zum 01.07.1997, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) im Primär- und Ersatzkassenbereich Honorargruppen zu bilden, denen bestimmte Anteile der Gesamtvergütung (Honorarkontingente) zugewiesen wurden. Der HVM sah für die nicht durch den EBM-Ä budgetierten Fachgruppen wie die Radiologen neben Honorarbegrenzungsmaßnahmen in Form von fallwert- und fallzahlabhängigen Budgetierungen auch Stützungs- und Härtefallregelungen vor. Des Weiteren waren kurativ-ambulante computertomographische und kurativ-ambulante kernspintomographische Leistungen nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungsfähig. Ab dem Quartal III/1998 wurden die für Radiologen geltenden Bestimmungen des HVM wesentlichen Änderungen unterzogen.

Die Kläger rügten mit ihrer Revision jeweils eine Verletzung ihrer Rechte auf angemessene Vergütung aus Art. 12 Abs. 1 GG mit § 72 Abs. 2, § 85 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 2 Abs. 1a der Satzung der Beklagten, auf Schutz des Eigentums (Art 14 Abs. 1 GG), des Gebots der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art 3 Abs. 1 GG, des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs. 2, Art 38 Abs. 1 Satz 1 GG), des Demokratiegebots (Art 20 Abs. 2, Art 28 Abs. 1 Satz 1, Art 38 Abs. 1 Satz 1 GG), des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs. 4 GG) sowie der §§ 103 und 128 Abs 1 SGG. Es sei rechtswidrig, dass ihnen die KV Hessen in den 4 streitigen Quartalen aufgewandte Praxiskosten nicht erstattet und keinerlei Arztlohn bezahlt habe. Die KV Hessen sei verpflichtet, ihnen Nachzahlungen in angemessener, vom Gericht im Einzelnen festzulegender Höhe zu leisten. Denn Vertragsärzte hätten aus Art 12 Abs. 1 GG iVm. § 72 Abs. 2, § 85 Abs. 3 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 3 SGB V sowie aus § 2 Abs. 1a der Satzung der Beklagten Rechtsansprüche auf angemessene Vergütung gegen ihre KV. Selbst nach der Rechtsprechung des BSG bestünden solche Rechtsansprüche ausnahmsweise dann, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem und als deren Folge auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre.

Das BSG hat in allen Verfahren die Revisionen zurückgewiesen. Die Hauptfrage, ob die Kläger in den betroffenen Quartalen III/1997 bis II/1998 unter dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung höheres Honorar beanspruchen konnten, sei - auch unter Einbeziehung des Art. 12 Abs. 1 GG - zu verneinen. Die Überprüfung der normativen Regelungen, die den Honoraransprüchen zu Grunde lagen, und ihrer Auswirkungen habe ergeben, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vorlag. Das Gericht ist der Auffassung, dass radiologische Praxen bei durchschnittlicher Ausstattung auch unter der Geltung der angegriffenen Bestimmungen wirtschaftlich tragfähig betrieben werden konnten. Soweit diese Voraussetzungen in Einzelfällen möglicherweise nicht mehr vorgelegen haben sollten, werde zu prüfen sein, ob die beklagte KV in Anwendung der einschlägigen Vorschriften ihres HVM verpflichtet sei, aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung bzw. unter Härtefallgesichtspunkten auf Antrag Ausgleichszahlungen zu leisten.

Das Bundessozialgericht hat damit die in seinem Urteil vom 03.03.1999 (Az.: B 6 KA 8/98 R) begonnene Rechtsprechung fortgesetzt, wonach aus dem Grundsatz der "Angemessenheit der Vergütung" nach § 72 Abs. 2 SGB V und dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) kein Anspruch des einzelnen Arztes oder einer Arztgruppe besteht, Leistungen mit einem höheren Punktwert vergütet zu bekommen, als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist (vgl. BSG NJW 1995, S. 375).

Die nachfolgende Darstellung soll einen Überblick über die Grundlagen der Honorarverteilung in der vertragsärztlichen Versorgung geben und die Frage beleuchten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf eine "angemessene Vergütung" unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundessozialgerichts durchsetzbar ist.

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2. Anspruch auf "angemessene Vergütung"

Soweit gesetzliche Vorgaben und Regelungen im Bewertungsmaßstab sowie den Honorarverteilungsmaßstäben dazu führen, dass ärztliche Leistungen nicht mehr kostendeckend vergütet werden, stellt sich die Frage, ob ein Anspruch auf eine "angemessene" Vergütung niedergelassener Vertragsärzte besteht, die die Kosten der Leistung deckt und die Möglichkeit des Gewinns offenhält.

Der Honoraranspruch des einzelnen Vertragsarztes ergibt sich gem. § 85 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB V aus dem von der Kassenärztlichen Vereinigung als Satzung zu beschließenden Honorarverteilungsmaßstab. Grundsätzlich gilt, dass der Vertragsarzt gegenüber seiner KV keinen Rechtsanspruch auf die Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages für die von ihm abgerechneten Leistungen, sondern lediglich einen Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung auf der Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabes hat (vgl. BSG NJW 1995, S. 3075; Hess, VSSR 1995, S. 367, 369). Gem. § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V sind bei der Verteilung der Gesamtvergütung (§ 83 Abs. 1 SGB V) Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen. Dieses Verteilungsprinzip berücksichtigen die Kassenärztlichen Vereinigungen, indem sie grundsätzlich für die Honorarverteilung auf den EBM und die dazu ergänzend ergangenen Abrechnungsbestimmungen rekurrieren (vgl. Axer NZS 1995, S. 536, 537). Die Frage nach der Angemessenheit des dem einzelnen Vertragsarzt zufließenden Honorars stellt sich daher primär auf dieser Ebene der Honorarverteilung.

Demgegenüber kann aus dem SGB V ein Anspruch auf eine "angemessene" Vergütung nicht hergeleitet werden. Zwar bestimmt die seit dem 1. Januar 1989 geltende Vorschrift des § 72 Abs. 2 SGB V:

"..., dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden."

Aus dieser Vorschrift kann jedoch nach Auffassung des Bundessozialgerichts kein Anspruch des einzelnen Vertragsarztes auf eine höhere als ihm nach dem Honorarverteilungsmaßstab zustehende Vergütung oder die Gewährung von Ausgleichs- oder Sonderzahlungen hergeleitet werden (BSG SozR 3-2500 § 72 SGB V Nr. 5, S. 5, 6 = NJW 1995, S. 375). Zwar hat das BSG im Rahmen der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ("Angemessenheit der Vergütung") festgestellt, dass davon ausgegangen werden kann, dass damit eine Vergütung gewährleistet sein soll, die jedenfalls nicht wesentlich unter den üblichen Vergütungen vergleichbarer Tätigkeiten liegen darf (vgl. BSG NJW 1991, S. 2089, 2091). Auf diese Vergütungsvorschrift kann sich nach Auffassung des BSG der einzelne Vertragsarzt jedoch deshalb nicht berufen, weil mit ihr nicht die Angemessenheit der Vergütung einzelner Leistungen oder eines einzelnen Arztes gewährleistet werden soll, sondern über die Gewährung einer angemessenen Vergütung insgesamt die im öffentlichen Interesse liegende Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erreicht werden soll. Die Norm gebe den Partnern der über die kassenärztliche Versorgung zu schließenden Verträge auf, die ärztlichen Leistungen in der Art und Weise zu vergüten, dass ein funktionierendes Versorgungssystem ermöglicht wird, indem es den Ärzten ausreichende Anreize bietet, sich für die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit wirtschaftlich zu interessieren (vgl. BSG NJW 1991, S. 2989, 2991; BSG NJW 1995, S. 3075, 3076; BSG, Urt. v. 07.02.1996 - 6 RKa 6/95 -).

Lediglich ausnahmsweise beim Hinzutreten besonderer, das Gebot der angemessenen Vergütung qualifizierender und individualisierender Umstände könne diese Vorschrift auch dem Schutz individueller Rechte dienen. Dies komme jedoch nur dann in Betracht, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das kassenärztliche Versorgungssystem als Ganzes und als deren Folge auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre. Nur in diesem eingeschränkten Umfang können sich Ärzte nach Auffassung des Gerichts zu ihren Gunsten auf einen Verstoß gegen das Gebot der angemessenen Vergütung berufen (vgl. BSG, a. a. O., S. 3076). Lediglich in einem Urteil vom 20. November 1986 hat das BSG implizit festgestellt, dass eine fehlende Kostendeckung dem Grundsatz der angemessenen Vergütung widerspricht und somit zumindest eine Kostendeckung die untere Grenze der Angemessenheit markiert (vgl. BSG SozR 2200, § 368 g, RVO Nr. 16, S. 40).

Allerdings stellt das BSG bei der Feststellung der Zumutbarkeitsgrenze unter Berufung auf das BVerfG eine generalisierende Betrachtungsweise an. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der 10%igen Absenkung für kieferorthopädische Leistungen gemäß § 85 Abs. 2 b) SGB V hat das BSG in einer Entscheidung vom 8. Mai 1996 (BSG NZS 1997, S. 93, 95) folgendes ausgeführt:

"Bei der Prüfung gesetzlicher Preis- und Vergütungsregelungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung ist stets zu beachten, dass solche Regelungen nicht Preise für Güter oder Leistungen festsetzen, die Gegenstand freien Aushandelns im Rahmen eines freien Marktes sind. Vielmehr betrifft die Regelung der Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen die Teilnahme von Zahnärzten an einem von anderen finanzierten Leistungssystem, welche wegen der sozialstaatlichen Verantwortung für ein funktionsfähiges Krankenversorgungssystem dem staatlichen Zugriff leichter zugänglich ist. Die Vertragszahnärzte unterliegen im Rahmen ihrer Einbeziehung in das öffentlich-rechtliche Vertragssystem des Vertragsarztrechtes in erhöhtem Maße sozialstaatlicher Gesetzgebung."

Bei der Bemessung der Grenze, bis zu der der Gesetzgeber zulässigerweise zur Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen der GKV die Höhe der ärztlichen Vergütungen regulieren dürfe, könne dies nicht unberücksichtigt bleiben, wie dies das BVerfG bereits für die zahntechnischen Leistungen entschieden habe (vgl. BVerfGE 68, 193, 220).

Daraus resultiert nach Ansicht des BSG, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Vergütungsregelungen grundsätzlich nicht die Individualinteressen einzelner Ärzte, sondern nur der gesamten Gruppe maßgeblich sind:

"Im übrigen steht das BVerfG bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Vergütungsregelungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Standpunkt, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer wirtschaftsordnenden gesetzlichen Regelung im Bereich der Berufsausübung nicht die Interessenlage eines Einzelnen maßgebend ist, sondern eine generalisierende Betrachtungsweise geboten ist, die auf den betreffenden Wirtschaftszweig insgesamt abstellt, so dass eine Vergütungsregelung selbst dann nicht verfassungswidrig ist, wenn sie im Einzelfall tatsächlich zur Existenzgefährdung einzelner Praxen oder Betriebe führen sollte (vgl. BVerfGE 68, 193, 219 f.)."

Darüber hinaus würde selbst im Falle einer für die gesamte Arztgruppe existenzbedrohenden Honorarsituation nach Auffassung des BSG keine Nachschusspflicht seitens der die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen bestehen. Die KVen können danach nur die auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V vereinbarte Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verteilen. Nachforderungen der KVen im Hinblick etwa auf einen Anstieg der erbrachten Leistungen oder der zugelassenen Ärzte sind danach grundsätzlich ausgeschlossen. Sie müssten in einem beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystem ausgeschlossen sein, weil die Kassen ihrerseits von den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen könnten (vgl. BSG, Urt. 3.03.1999, Az.: B 6 KA 8/98 R).

Der in §§ 71 Abs. 1, 141 Abs. 2 SGB V normierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist jedoch keine Dogma, sondern schon nach dem Wortlaut des § 141 Abs. 2 SGB V eine Richtschnur, die nicht um jeden Preis eingehalten werden muss:

"In den Empfehlungen sind die inhaltlichen Vorgaben so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen vermieden werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch unter Ausschöpfen von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität)."

Für den Fall einer existenzbedrohenden Honorarentwicklung in dem Bereich einer Arztgruppe ist jedoch der gemeinsame Sicherstellungsauftrag der KVen und der Krankenkassen nach § 72 Abs. 1 und 2 SGB V partiell gefährdet, so dass von den Kassen verlangt werden kann, dass sie durch Beitragssatzerhöhungen dazu beitragen ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Zu diesem Zielkonflikt schweigt jedoch die Rechtsprechung des BSG bisher offenbar weil noch keine derart bedrohende Situation für eine ganze Gruppe von Ärzten zu verzeichnen ist.

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3. Honorarverteilungsgerechtigkeit

Der Vertragsarzt kann einen Anspruch auf eine höhere Vergütung (bzw. Höherbewertung) der von ihm erbrachten Leistungen nach Auffassung des BSG grds. auch nicht auf den sich aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit stützen. Zwar ist nach der Rechtsprechung anerkannt, dass Vergütungsregelungen durch Honorarverteilungsmaßstäbe jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um Bagatelländerungen handelt, als normativer Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit angesehen werden können mit der Folge, dass ihre Verfassungsmäßigkeit an den genannten grundgesetzlichen Vorschriften zu prüfen ist (vgl. BSG NJW 1995, S. 3075, 3076; BSG NZS 1996, S. 636, 638). Eine Verletzung dieses Grundsatzes liegt vor, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Zahnärzten bzw. Zahnarztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, a. a. O., S. 638).

Auch aus diesem Grundsatz kann nach Auffassung des BSG nicht abgeleitet werden, dass außerhalb der Bildung von Teilbudgets die Leistungen einer Arztgruppe mit einem höheren Punktwert vergütet werden müssen, als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist (vgl. BSG, a. a. O., S. 3076). Die Kassenärztlichen Vereinigungen genügten dem gesetzlichen Gebot des § 85 Abs. 1 S. 3 SGB V, bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen, dadurch, dass sie die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung nach Einzelleistungen aufgrund der Punktzahlen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes verteilten.

In der zitierten Entscheidung, die sich mit dem Absinken des Punktwertes für radiologische Leistungen aufgrund einer allgemeinen Leistungsmengenerhöhung im Rahmen des EBM 1987 beschäftigt, stellt das BSG folgende grundlegenden Überlegungen heraus:

"Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht verpflichtet, den mit einer Punktwertminderung einhergehenden Honorarrückgängen durch Anhebung des Punktwertes für einzelne Arztgruppen oder durch die Leistung von Ausgleichszahlungen entgegenzutreten. Dagegen spricht bereits, dass dies ein - weiteres - Herabsinken des Punktwertes bei den übrigen Arztgruppen nach sich zöge mit der Folge, dass diese wiederum Ansprüche auf Vergütung nach einem höheren Punktwert geltend machen könnten."

Einen derartigen Rechtsanspruch will das BSG nur zulassen, "wenn ohne die Leistung von Ausgleichszahlungen oder die Anhebung des Punktwertes bei einer Arztgruppe die Versorgung der Versicherten in einem Teilbereich der kassenärztlichen Versorgung gefährdet wäre" (vgl. BSG, a. a. O., S. 3077).

In einer Entscheidung vom 25.08.1998 (Az.: B 6 KA 14/98) hat das Gericht einen konkreten Rechtsanspruch auf sog. Stützungsmaßnahmen der KV bei ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten mit dem Argument bejaht, dass diese Ärzte wegen der Zeitgebundenheit und Genehmigungsbedürftigkeit dieser Leistungen (Abschnitt G IV EBM) durch ein Absinken des Punktwertes besonders betroffen seien, weil sie einen Punktwertverfall - im Gegensatz zu anderen Arztgruppen - nicht durch eine Steigerung des Leistungsumfanges zumindest teilweise ausgleichen könnten.

Demgegenüber hat das BSG ein entsprechendes Eingreifen der KVen bei sog. überweisungsabhängigen Fächern wie der Radiologie, Labormedizin oder Pathologie (vgl. § 13 Abs. 4 BMV-Ä; § 7 Abs. 4 EKV) abgelehnt, da bei diesen Fachgruppen trotz der Tatsache, dass sie wegen der Auftragsgebundenheit der Leistungen keinen unmittelbaren Einfluss auf Mengenausweitungen nehmen könnten, derartige Mengenausweitungen stattfinden würden (vgl. BSG, Urt. v. 3.03.1999, Az.: B 6 KA 8/98 R). In anderen Entscheidung hat es das BSG allerdings als zulässig erachtet, wenn die KVen für bestimmte überweisungsabhängige Leistungen (hier: CT- und MRT-Leistungen) eigene Honorarkontingente festgesetzt werden und die KVen zugleich verpflichtet diese "Honorartöpfe" zu ändern bzw. weiterzuentwickeln, wenn sich herausstellt, dass der Zweck der Regelung ganz oder teilweise nicht erreicht oder verfehlt wird, oder wenn die vorgenommene Einteilung in Teilbudgets dazu führt, dass der Punktwert in einzelnen Bereichen deutlich stärker abfällt als bei dem größten Teil der sonstigen Leistungen und als Grund dafür keine von den jeweiligen Leistungserbringern erkennbar sind. Es muss sich schließlich um einen dauerhaften und schwerwiegenden Punktwertabfalll handeln. Insbesondere muss ein vom Umsatz her wesentlicher Leistungsbereich der Arztgruppe betroffen sein (vgl. BSG NZS 1999, S. 366, 368).

Nach der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist daher davon auszugehen, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (im Rahmen der ihnen obliegenden Verteilung der Gesamtvergütung gem. § 85 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB V) grundsätzlich erst dann verletzt wird, wenn aufgrund sinkender Arzthonorare bei der ärztlichen Versorgung allgemein die Einkommenssituation existenzbedrohende Züge angenommen hat oder auf der Honorarverteilungsebene Ärzte oder Arztgruppen in sachwidriger und damit gleichheitswidriger Form gleich oder ungleich hinsichtlich der ihnen zugestandenen Honoraranteile behandelt werden. Dabei wird aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung des BSG nicht deutlich, wie im Falle einer tatsächlichen Existenzgefährdung einer Arztgruppe der Zielkonflikt zu der als starr angesehenen Gesamtvergütung aufgelöst werden könnte.

Schließlich ist hinsichtlich des zuletzt genannten Aspektes festzustellen, dass sich das BSG bisher nicht zu einer grundsätzlichen Aussage hat durchringen können, welche Faktoren generell geeignet sind, einen Anspruch auf "angemessene Honorierung" gegenüber den KVen im Verhältnis zu anderen Arztgruppen auszulösen.

Zusammenfassend muss der Anspruch eines Vertragsarztes und damit auch eines niedergelassenen Radiologen auf eine höhere Vergütung gegen die zuständige Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich zurückhaltend bewertet werden. Es bedarf daher der Prüfung, ob die von der Rechtsprechung genannten Kriterien innerhalb der Fachgruppe oder der Vergütungsregelung erfüllt werden. Andererseits sind angesichts der fehlenden Grundsätzlichkeit der bisherigen Entscheidungen Fallkonstellationen denkbar, die bisher nicht überprüft worden sind und einen entsprechenden Anspruch der Vertragsärzte rechtfertigen könnten.

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

Rechtsanwalt Dr. Peter Wigge

Münster/Westfalen

Email: kanzlei@ra-wigge.de

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