Der Klinikarzt 2005; 34(3): 49
DOI: 10.1055/s-2005-865187
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen

M. Neumaier
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Prof. Dr. M. Neumaier

Mannheim

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Publication Date:
11 March 2005 (online)

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    Stoffwechselerkrankungen stehen seit langer Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen im Mittelpunkt des medizinischen Interesses, da sie uns erstmals die Entdeckung der Systematik in unserem Metabolismus sowie wissenschaftlich fundierte Erklärungsversuche seiner Störungen erlaubten. Die unabdingbaren Voraussetzungen hierfür waren primär die enormen Fortschritte in Chemie, Histologie und Pathologie sowie der Physiologie und Mikrobiologie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese schufen damals den neuen Typus der klinischen Medizin, der noch heute der unsere ist und von den Medizinhistorikern im Gegensatz zur Bibliotheksmedizin des Mittelalters, der Krankenbettmedizin eines Hippokrates, Boerhaave oder Sydenhams oder der Krankenhausmedizin von Laennac und Graves mit dem Begriff der Periode der Laboratoriumsmedizin als eine interdisziplinäre Initiative belegt wird. Der Ausrüstung mit den geeigneten Instrumenten der Biochemie sowie der klassischen Wissenschaftstradition haben wir die Hinwendung zu den erfolgreichen Erklärungsversuchen von Erkrankungen zu danken, von denen viele heute zum Allgemeingut unserer Diagnostik gehören und zu denen auch die Stoffwechselerkrankungen zählen.

    Mit dem Anbruch des Zeitalters der Genetik können wir Stoffwechselerkrankungen heute auch in ihren Vererbungsmodi definieren. Moderne genetische Analysemethoden ermöglichen es - zumindest grundsätzlich - bereits lange vor Eintreten des biochemischen oder klinischen Phänotyps veränderte Laborparameter bzw. klinische Symptome prädiktiv zu diagnostizieren. Andererseits haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Erkenntnissen gezeigt, dass selbst die als klassisch monogen bezeichneten Stoffwechselerkrankungen in ihren klinisch-medizinischen Ausprägungen ganz unterschiedliche multifaktorielle Hintergründe aufweisen. Über deren Eigenschaften wissen wir bisher nur wenig, doch es kristallisiert sich immer stärker heraus, dass eine reine genetische Charakterisierung in der Diagnostik in vielen Fällen nicht zielführend sein wird. Insofern gelangen wir zum Begriff der Kopplung von Genotyp und Phänotyp und damit zu einer Synthese von biochemischer und genetischer Analytik - ganz auf der Linie unserer heutigen komplexen und biowissenschaftlichen Sicht der Medizin.

    Die vorliegenden Beiträge der Rubrik „In diesem Monat” der aktuellen Ausgabe des klinikarzt mit dem Thema „Genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen” können im gesetzten Rahmen nur Schlaglichter repräsentieren. Sie berühren zum einen die klassischen Anwendungen des Stoffwechselscreenings zum Nachweis von Defekten im Intermediärstoffwechsel. Daneben verdeutlicht eine anschauliche Systematik die Kopplung von Genotyp und Phänotyp und deren Bedeutung für die klinische Diagnostik. Am Beispiel der hereditären Hämochromatose wird zudem die Synthese einer biochemischen und genetischen Analytik als qualifizierter diagnostischer Pfad in der klinischen Chemie aufgezeigt. Und im Licht von Empfehlungen und Richtlinien sowie deren Qualitätssicherung werden außerdem auch ethische Aspekte der genetischen Testung beleuchtet. Die Synopsis der gewählten Beiträge soll einen Eindruck vermitteln, wie sich gerade im Zeitalter der „molekularen Spezialisierung” ähnlich dem eingangs erwähnten Beispiel „aus grauer Vorzeit” die interdisziplinäre Zusammenarbeit als profitabel für Patienten mit Stoffwechselerkrankungen erweisen kann.

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    Prof. Dr. M. Neumaier

    Mannheim

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