Laryngorhinootologie 2005; 84(9): 651-652
DOI: 10.1055/s-2005-870376
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Laser-Tonsillotomie, Wissensstand und offene Fragen

Laser-tonsillotomy, State of the Art and Open QuestionsK.  Jahnke1
  • 1Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität Duisburg-Essen
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Publication Date:
05 September 2005 (online)

Das Thema CO2-Laser-Tonsillotomie ist hochaktuell, das zeigten u. a. Podiumsgespräche in Mannheim (2004) und in Erfurt (2005) wie auch zahlreiche lokale Fortbildungsveranstaltungen. Die beiden in diesem Heft publizierten Anwendungsstudien über jeweils 50 Tonsillotomien, durchgeführt mit der Argon-unterstützten monopolaren Nadel bzw. mit dem Dioden-Laser, bestätigen das große klinisch-praktische Interesse. Für diejenigen, die die Indikation zur CO2-Laser-Tonsillotomie auf Kinder im Vorschulalter begrenzen, bei denen klinisch eindeutig obstruktive Atemstörungen im Vordergrund stehen und keine rezidivierenden bakteriellen Entzündungen der Tonsillen vorlagen, handelt es sich um ein inzwischen wissenschaftlich abgesichertes unverzichtbares Verfahren. Wenn nun mit neuen Technologien, die möglicherweise auch Vorteile haben, gearbeitet wird oder wenn die Indikationen deutlich erweitert werden, zum Teil auch unter ökonomischen Einflüssen (Stichwort IGEL-Leistung), dann sollte dies nur unter strengen Studienbedingungen erfolgen.

Prof. Dr. Klaus Jahnke

Die Tonsillotomie hatte jahrzehntelang aufgrund klinischer Erfahrungen, nicht jedoch valider Daten, ihre Akzeptanz verloren. Entscheidend waren Fallberichte zur Bildung von Vernarbungen der Krypten und folgender intratonsillärer Abszesse nach Tonsillotomien bei chronisch entzündeten (!) Tonsillen. Langzeitstudien, vor allem aus der Berliner Klinik [1] und aus unserer eigenen Klinik [2], hatten klinisch und anhand von histologischen Untersuchungen zeigen können, dass dieses Risiko nach CO2-Laser-Tonsillotomie bei korrekter Indikation (siehe oben) bisher nicht nachzuweisen war. Daran werden sich neue Technologien zu messen haben, wie es offensichtlich z. Zt. an der Mannheimer Klinik erfolgt. Übrigens ist es noch eine offene Frage, inwieweit eine Kryptenvernarbung nach Blutstillung mit der bipolaren Koagulationspinzette auftreten kann. Bei Arbeiten mit der monopolaren Argon-unterstützten Nadel könnte dieses Risiko besonders gering sein, da die Karbonisation der Schnittränder verhindert wird. Hingegen könnten z. B. Dioden-Laser oder Neodym-YAG-Laser, welche die Gewebe erfahrungsgemäß ausgeprägter schädigen, eher zu Krypten-Vernarbungen führen. Der Maßstab muss sein, diese Antworten in Langzeitstudien zu ermitteln.

Eine prospektive randomisierte Studie liegt bisher nur zum Vergleich der direkten postoperativen Ergebnisse bei CO2-Laser-Tonsillotomie und bei Tonsillektomie im Kindesalter vor [3]. Die Kinder dieser Studie waren allerdings älter (3,5 - 8 Jahre). Ein Problem ist, dass die Indikation zur Tonsillektomie in der Altersgruppe bis zum vollendeten 4. Lebensjahr äußerst streng gestellt wird und somit nur schwerlich eine Kontrollgruppe zur Verfügung steht. In der schwedischen Studie wurden die Langzeiterfahrungen der Berliner Klinik, unserer Klinik und anderer bestätigt,

dass das Risiko einer Nachblutung sehr gering ist, offensichtlich da die kleinkalibrigen intratonsillären Blutgefäße vom Laserstrahl verschlossen werden, dass die postoperativen Schmerzen bei der CO2-Laser-Tonsillotomie bedeutend geringer sind als bei der Tonsillektomie, da die außerhalb der Kapsel verlaufenden größeren Nerven geschont werden. Deshalb können die Kinder deutlich frühzeitiger oral ernährt werden als tonsillektomierte Kinder.

Beide genannten Vorteile ergaben sich auch in den Arbeiten dieses Heftes.

Als Vorteil der Tonsillotomie bei Kleinkindern wird immer genannt, dass immunkompetentes Tonsillengewebe erhalten bleibt. Hierzu fehlen harte Daten. In der Studie von Hultcrantz et al. stellten sich bei den etwas älteren Kindern hinsichtlich Infektanfälligkeit keine signifikanten Unterschiede nach Tonsillotomie und nach Tonsillektomie dar.

Die Langzeiterfahrungen mit der CO2-Laser-Tonsillotomie erlauben einen deutlich verkürzten stationären Aufenthalt. Eine ambulante Durchführung kann vor allem bei Kindern mit Schlafapnoe, der bisher wichtigsten Indikationsgruppe, risikoreich sein. So beschrieben Mitchell und Kelly [4], wie früher schon andere Autoren, eine erhöhte Komplikationsrate bei Kindern zwischen 1,5 und 3 Jahren, die wegen Schlafapnoe eine Adenotonsillektomie erhalten hatten. Postoperativ standen vor allem bei Kindern mit Komorbiditäten Laryngospasmus, Abfälle der Sauerstoffsättigung sowie ausgeprägte Ernährungsprobleme im Vordergrund. Letztere sind bei Laser-Tonsillotomien wegen der verhältnismäßig geringen postoperativen Schmerzen deutlich seltener zu erwarten.

Wegen der genannten Vorteile der CO2-Laser-Tonsillotomie, aber auch aus den angedeuteten ökonomischen Gründen besteht z. Zt. fast unkontrolliert die Tendenz, die Indikationen zur Tonsillotomie zu erweitern. Das betrifft sowohl Fälle, in denen bereits klinische Entzündungen nachweisbar waren, als auch höhere Altersgruppen. Hier gilt es Änderungen der Indikation zunächst in Studien zu überprüfen, die entsprechend internationalen Standards und der neuen Gesetzeslage von einer Ethikkommission betreut werden. Dies betrifft auch die Laser-gestützte intrakapsuläre Tonsillektomie. Bei dieser besteht ein nicht gut kontrollierbares Risiko der thermischen Schädigung von an der Kapsel verlaufenden Nerven und Gefäßen, die bei der extrakapsulären Dissektions-Tonsillektomie gut sichtbar wären.

Eine weitere noch offene Frage ist die Laser-Tonsillotomie in Ländern wie z. B. Großbritannien, in denen die Risiken einer BSE-Infektion deutlich erhöht sind. Hier hätte das Vorgehen mit dem CO2-Laser zusätzliche Vorteile, indem z. B. nur wenige Einmal-Instrumente (Spatel, Pinzette, Sauger) erforderlich wären. Dies gilt auch für eine diagnostische Probeexzision zum Ausschluss einer Jakob Creutzfeld-Erkrankung.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Zeit reif ist, das Verfahren der CO2-Laser-Tonsillotomie, gebunden an strenge Indikationen, in den Katalog etablierter operativer Verfahren unseres Fachgebietes aufzunehmen. Die CO2-Laser-Tonsillotomie ist geeignet, bei Kindern im Vorschulalter klinisch eindeutige obstruktive Atemstörungen mit hoher Sicherheit zu beseitigen. Das Nachblutungsrisiko ist besonders niedrig und die postoperativen Schmerzen sind bei diesen Kindern sehr gering.

Literatur

  • 1 Helling K, Abrams J, Bertram W K, Hohner S, Scherer H. Die Lasertonsillotomie bei der Tonsillenhyperplasie des Kleinkindes.  HNO. 2002;  50 470-478
  • 2 Unkel C, Lehnerdt G, Metz K, Jahnke K, Dost P. Langzeitverlauf nach Laser-Tonsillotomie bei symptomatischer Tonsillenhyperplasie.  Laryngo-Rhino-Otol. 2004;  83 466-469
  • 3 Hultcrantz E, Linder A, Markström A. Tonsillectomy or tonsillotomy? - A randomized study comparing postoperative pain und long-term effects.  Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 1999;  51 171-176
  • 4 Mitchell R B, Kelly J. Outcome of adenotonsillectomy for obstructive sleep apnea in children under 3 years.  Otolaryngology-Head and Neck Surgery. 2005;  132, 5 681-684

Prof. Dr. Klaus Jahnke

Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Universität Duisburg-Essen

Email: Klaus.jahnke@uni-essen.de

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