Der Klinikarzt 2005; 34(5): V
DOI: 10.1055/s-2005-870611
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dringendes Anliegen der Medizin - Effiziente Schlaganfallsekundärprophylaxe mit geringem Blutungsrisiko

Further Information

Publication History

Publication Date:
30 May 2005 (online)

 
Table of Contents

Zwar überleben etwa 85% der Patienten in der Akutphase einen erstmaligen Schlaganfall, er führt aber sehr oft zu dauerhafter Behinderung: Fast eine Million Menschen in Deutschland leben mit diesen Folgen, die Fünf-Jahres-Mortalität beträgt nahezu 50%. Aber vor allem nach einem zweiten Schlaganfall - das Risiko ist in den ersten Wochen am höchsten und liegt im Laufe des ersten Jahres zwischen 8 und 15% - steigt die Pflegebedürftigkeit enorm an. Besonders gefährdet sind Patienten mit multiplen kardiovaskulären Risikofaktoren wie begleitender koronarer Herzkrankheit oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit.

#

ASS alleine ist zu wenig

Daher ist die Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls ein dringendes Anliegen der modernen Medizin. Besonders wichtig ist dabei die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neurologen und Internisten. Standard der Sekundärprophylaxe bei Patienten mit zerebraler Ischämie und koronarer Herzkrankheit sind heute Statine und - nach der MOSES[1]-Studie - auch AT1-Rezeptorantagonisten, konstatierte Prof. M. Grond, Siegen. Dies schlägt sich auch in den neuen, unter Experten nicht ganz unumstrittenen Leitlinien zur Sekundärprävention des Schlaganfalls nieder.

Die Basis bei der Hemmung der Thrombozytenaggregation bildet nach wie vor Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Dosierung von 100 mg. Eine Markumarisierung ist bei intrakraniellen Stenosen nicht unbedingt erforderlich. Bei der Sekundärprävention des Schlaganfalls bietet allerdings die Kombination aus ASS und retardiertem Dipyridamol (Aggrenox®) erhebliche Vorteile. Wie die ESPS[2]-2-Studie eindrucksvoll gezeigt hat, lässt sich mit dieser Kombination das Rezidivrisiko um etwa 20% weiter reduzieren.

Dies ist auf einen synergistischen antithrombotischen Effekt der beiden Substanzen zurückzuführen, denn sie beeinflussen die Thrombozytenfunktion über unterschiedliche Angriffspunkte. Dadurch erhöht sich das Blutungsrisiko nicht - trotz stärkerer Thrombozytenaggregationshemmung. Dipyridamol hat offensichtlich einen direkten Effekt auf das Gefäßendothel, das bei der intravasalen Blutgerinnung ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

So zeigten Patienten unter der Monotherapie von ASS ein um 18% (p = 0,013) und unter Dipyridamol ein um 16% (p = 0,039) geringeres Schlaganfallrisiko gegenüber Plazebo. Eine Kombination beider Substanzen reduzierte jedoch das Schlaganfallrisiko um 37% (p < 0,001). Vergleicht man die ASS/Dipyridamol-Kombination mit alleiniger ASS- bzw. Dipyridamol-Gabe, so ergibt sich ein um 23% (p = 0,006) bzw. um 25% (p = 0,002) geringeres Schlaganfallrisiko zugunsten der Kombination. Eine im Vergleich zur alleinigen ASS-Therapie signifikant höhere Blutungsrate war dabei nicht zu beobachten.

Die hohe Sicherheit unter der Kombinationstherapie stellte Prof. H. Darius, Berlin, heraus: Gastrointestinale Beschwerden, Blutungen und Ulzera wie bei Clopidogrel, bei Acetylsalicylsäure dazu gelegentlich Asthma und mit Dipyridamol alleine eine Vasodilatation mit Blutdrucksenkung wurden unter der Kombination kaum beobachtet. Der typische Kopfschmerz - bei etwa 28% der Patienten - ist laut Darius ein vorübergehendes Phänomen. Bereits am vierten Tag betreffe er nur noch 3% der Patienten.

#

Steal-Phänomen nur bei hoher Dosierung

Immer wieder diskutiert wird auch das Steal-Phänomen durch Dipyridamol: Am atherosklerotisch geschädigten Herzen kann die Substanz eine Umverteilung des Blutflusses in die nicht stenosierten Perfusionsgebiete auslösen und damit die Ischämie in den poststenotischen Arealen noch verstärken, was durchaus Angina-pectoris-Anfälle auslösen kann.

Dies komme jedoch, betonte Darius, nur in hohen Dosierungen vor, die lediglich bei intravenöser Applikation erzielt werden, die zum Beispiel zu kardiologischen Stress-Tests eingesetzt wird. Dipyridamol eignet sich daher auch bei Patienten mit kardiologischer Begleiterkrankung: In der Schlaganfallpräventionsstudie ESPS-2 löste die Kombinationsbehandlung mit Acetylsalicylsäure und Dipyridamol im Vergleich zu einer ASS-Monotherapie weder häufigere Myokardinfarkte aus noch traten mehr Angina-pectoris-Fälle auf (8,7 versus 8,0%).

Welche Kombination das Auftreten eines sekundären Schlaganfalls am effektivsten verhindert, soll derzeit die multinationale Doppelblindstudie PRoFESS[3] klären, die Prof. G. Nickenig, Homburg/Saar, vorstellte - die weltweit größte Untersuchung zur Sekundärprävention des Schlaganfalls. Der Parallelgruppenvergleich untersucht die Kombination aus ASS und retardiertem Dipyridamol gegenüber ASS und Clopidogrel. Zudem soll die Studie belegen, bis zu welchem Grad der AT1-Rezeptorantagonist Telmisartan (Micardis®) das Schlaganfallrisiko weiter vermindern kann.

Letztendlich wird der Schlaganfallpatient teurer werden, pointierte Nickenig. Eine Prophylaxe nur mit Acetylsalicylsäure alleine reiche nach neuestem Wissensstand nicht aus.

Manfred Falkenberg, München

Quelle: Mittagssymposium "Aktuelles therapeutisches Vorgehen in der Sekundärprophylaxe nach Schlaganfall & TIA" der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim, anlässlich der 111. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

01 Morbidität und Mortalität nach Schlaganfall

02 european stroke prevention study 2

03 prevention regimen for effectively avoiding second strokes

01 Morbidität und Mortalität nach Schlaganfall

02 european stroke prevention study 2

03 prevention regimen for effectively avoiding second strokes