Der Klinikarzt 2005; 34(6): 157
DOI: 10.1055/s-2005-871777
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Todesursache Leben”

W. Hardinghaus
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Prof. Dr. W. Hardinghaus

Ostercappeln

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Publication Date:
22 June 2005 (online)

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    So betitelte im Februar dieses Jahres die Süddeutsche Zeitung das Gutachten der „Kommission Dijkhuis”, das die Niederländische Ärzteorganisation in Auftrag gegeben hat. Hiernach soll legale Sterbehilfe in Holland nicht nur auf somatisches oder psychisches Leiden begrenzt, sondern ebenso auf „soziales Leiden” ausgedehnt werden. Dazu gehören Einsamkeits- und Sinnlosigkeitsgefühle oder auch ein schlichter Mangel an Zukunftsperspektiven. Es gebe keinen prinzipiellen Unterschied, ob ein Mensch an Krebs oder am „Leben” leide.

    Mag sein, dass der Ruf nach aktiver Sterbehilfe für Holland ein Spezifikum ist - warum auch immer. Fakt ist aber auch, dass immer mehr Menschen aus unserem Nachbarland aktive Sterbehilfe befürworten, weil sie selbst am Leben leiden oder dies befürchten. Auch bei uns scheint diese Gefahr, insbesondere für alte Menschen, noch immer nicht gebannt.

    Ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung im Frühjahr dieses Jahres sagte der bekannte Kabarettist Dieter Hildebrandt in einem lesenswerten ernsten Interview über alte Menschen: „Man trocknet sie aus, raubt ihnen das Selbstbewusstsein und streicht sie aus der Liste der geistig Anwesenden.”

    Unsere Antwort auf solche Entwicklungen kann nur eine optimierte Palliativversorgung mit einer Verteilung der Kompetenzen über verschiedene Berufsgruppen und Institutionen sein. Im Zentrum einer so gearteten ganzheitlichen Betreuung steht die moderne Schmerztherapie - das Schwerpunktthema unserer heutigen Ausgabe des klinikarzt, wofür wir Herrn Prof. Dr. Christoph Meier als Gasteditor gewinnen konnten.

    Und auch was das von Carsten Villmar seinerzeit als Damoklesschwert aufgehängte „sozial verträgliche Ableben” angeht: Gerade, weil die so genannte Autonomie oder Selbstbestimmung viele Menschen zu überfordern scheint und gerade, weil sie Zukunftsängste haben, ja weil sie Aggressionen jüngerer Menschen gegen sich spüren, muss unser unverrückbarer Berufsanspruch eine medizinische, pflegerische und psychosoziale Versorgung umfassen, die auch der Persönlichkeit des Patienten jenen Rang zuerkennt, die ihm gerade in seiner Befindlichkeit gebührt und in keiner Altersstufe eine Einschränkung erfahren darf. Von Holland bis Hildebrandt.

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