Der Klinikarzt 2005; 34(6): VI-VII
DOI: 10.1055/s-2005-871802
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Von Infektionen bis zur Thrombose - Management von Komplikationen im Krankenhaus

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Publication Date:
22 June 2005 (online)

 
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Der Fortschritt in der Medizin ermöglicht auch schwer kranken Patienten ein immer längeres Überleben. Damit geht aber auch eine höhere Rate an Komplikationen einher, wozu zum Beispiel infektiöse Komplikationen oder mit operativen Maßnahmen assoziierte Probleme wie thromboembolische Ereignisse zählen.

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Komplikation Mykose

Neben Risikofaktoren wie zum Beispiel Anastomoseninsuffizienz, Beatmung, hoher Apache-II-Score, bakterielle Infektionen, Breitspektrumantibiose, Verweilkatheter und Dialyse sind es vor allem komplexe immunologische Dysregulationen, die Pilzen eine Invasion in Organe und Gewebe ermöglichen. Die ständige Stimulation des Immunsystems führt im Rahmen dieser Risiken und zusätzlicher Belastungen wie zum Beispiel Hypovolämie oder Hypoxie zu einem Ungleichgewicht zugunsten der antiinflammatorischen Zytokine. Und gerade deren Wirkung nutzen Pilze zur Gewebsinvasion. Insbesondere Candida kann zu einer weiteren Herabregulierung der Abwehrreaktionen führen und sich so Prozesse im Organismus zur eigenen Invasion zunutze machen.

Diesen bedrohlichen Geschehnissen versucht man therapeutisch mit Antimykotika zu begegnen. Lange Zeit war das Amphotericin B der Goldstandard für die Therapie von Pilzinfektionen. Neuere Antimykotika wie die Azole (z.B. Voriconazol) und die Echinocandine (Caspofungin) haben jedoch - neben einer guten Wirksamkeit bei einer Vielzahl von Mykosen - ein wesentlich günstigeres Nebenwirkungsprofil. Insbesondere die Azole zeichnen sich außerdem durch eine exzellente orale Bioverfügbarkeit aus. Das breiteste Wirkspektrum der derzeit gebräuchlichen Antimykotika hat das Voriconazol, das bis auf wenige Ausnahmen alle Spross- und Schimmelpilze erreicht (Tab. [1]).

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Das wichtigste Indikationsgebiet der neuen Azole sind die in ihrer Häufigkeit zunehmenden Candida-Infektionen. Hervorzuheben ist hier der zunehmende Anteil von Candida-non-albicans-Arten (derzeit rund 50%). Wichtig ist somit eine differenzierte Labordiagnose, der Befund "Hefe" oder "Candida species" reicht nicht aus, um das richtige Antimykotikum für diesen Fall herauszufiltern. Ein weiterer wichtiger Parameter des Behandlungserfolgs ist zudem der rechtzeitige Beginn einer adäquaten Therapie. Ein kritischer Wert für den Punkt ohne Wiederkehr sind zirka 48 Stunden.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Konzentration, die ein Wirkstoff im Gewebe erreicht. Hier zeigen vor allem Voriconazol und Fluconazol beeindruckende Werte - egal ob nach intravenöser oder oraler Verabreichung: Voriconazol ist bei 8 mg/l hoch effektiv und erreicht in allen mykoserelevanten Organen - auch im zentralen Nervensystem und im Auge - Konzentrationen von 15-35 mg/l. Somit eignet sich insbesondere Voriconazol für eine kalkulierte Interventionsbehandlung bei Pilzinfektionen. Bei gesichertem Erregernachweis und Resistenztestung kann gegebenenfalls zum Fluconazol "deeskaliert" werden. Auch eine Oralisierung ist in Abhängigkeit vom klinischen Bild im Verlauf der Therapie denkbar.

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Management von MRSA-Infektionen

Staphylococcus aureus ist ein häufiges Pathogen bei nosokomialen Infektionen. Bei Harnwegsinfektionen, postoperativen Wundinfektionen, Septikämien und beatmungsassoziierten Pneumonien ist er in durchschnittlich 12% der Fälle der verursachende Erreger. Noch gravierender wirken sich diese Infektionen aus, wenn seine methicillinresistente Variante das Geschehen verursacht. In diesen Fällen ist der klinische Verlauf deutlich schlechter und es laufen erheblich mehr Kosten auf.

Die umfassende Resistenz sowohl gegen Betalaktame als auch gegen andere Wirkstoffe wie Chinolone, Makrolide und Clindamycin macht die Therapie von MRSA-Infektionen immer schwieriger. Neben dem Vancomycin oder dem Linezolid verbleiben als weitere Alternative nur seltener eingesetzte Substanzen wie Fusidinsäure, Fosfomycin und Rifampicin. Letztere sind zwar hochwirksam und gut verträglich, können aber aufgrund einer rasanten Resistenzentwicklung nur als Kombinationspartner verwendet werden - bei methicillinresistenten Staphylokokken mit Vancomycin, ansonsten auch mit Betalaktamen und Chinolonen. Bei der ebenfalls denkbaren Kombination von Aminoglykosiden mit Vancomycin ist die gegenseitige Potenzierung des oto- und nephrotoxischen Potenzials zu beachten. Aus haftungsrechtlicher Sicht erscheint es ratsam, beim Einsatz von Vancomycin und/oder Aminoglykosiden ein Drug-Monitoring durchzuführen.

Derzeit kann noch ohne weiteres von der Wirksamkeit von Vancomycin auf MRSA ausgegangen werden. Jedoch ist dessen bakterizide Wirkung zirka um den Faktor 100 schlechter als die von Betalaktamantibiotika. Vancomycin penetriert nur ungenügend in für MRSA-Infektionen relevante Gewebe. Wesentlich wirksamer gegen Staphylococcus aureus bzw. dessen methicillinresistente Varianten erweist sich Linezolid. Diese Substanz aus der Gruppe der Oxazolidinone hemmt die bakterielle Proteinbiosynthese an einem Punkt, der keine Kreuzresistenzen mit anderen bisher gebräuchlichen antimikrobiellen Substanzen erwarten lässt. Einzelfälle mit klinischem Versagen und mit In-vitro-Resistenz sind beschrieben.

Als Nebenwirkung einer Linezolidtherapie ist eine mögliche Myelosuppression zu beachten, die durch Blutbildkontrollen zu beobachten ist. Dennoch sind Langzeittherapien über mehrere Monate auch ohne wesentliche Knochenmarksuppression möglich. Auf die Nierenfunktion muss bei der Anwendung von Linezolid nach bisherigen Erkenntnissen in der Regel nicht geachtet werden. Zu additiven Effekten von Nebenwirkungen mit anderen Medikamenten liegen derzeit keine Informationen vor. Infolge einer denkbaren Resistenzentwicklung durch Akkumulation entsprechender Mutationen werden insbesondere bei längerer Therapiedauer möglicherweise Überlegungen zu einer Kombinationstherapie nötig werden. Ähnlich wie beim Vancomycin wären als Kombinationspartner vielleicht Rifampicin, Fusidinsäure oder Fosfomycin zu diskutieren, wenngleich es hierzu noch keine Erkenntnisse und Empfehlungen gibt.

Um eine weitere Ausbreitung von methicillinresistenten Staphylokokken und von MRSA-Infektionen zu vermeiden, sind einige Verhaltensregeln und die wesentlichen MRSA-Reservoire zu beachten. Die wesentliche Quelle für Infektionen mit methicillinresistenten Staphylokokken ist endogen in der Nase der betroffenen Patienten zu finden. Ein routinemäßiges Screening aller stationären Patienten und des Klinikpersonals zur Klärung des Kolonisierungsstatus durch einen Nasenabstrich wird jedoch nicht empfohlen. Sinnvoller scheint ein Patienten-Screening zum Beispiel bei stationärer Wiederaufnahme eines bekannten MRSA-Patienten, bei Aufnahmen von Patienten aus einer Einrichtung oder einer Region mit hoher MRSA-Prävalenz und bei einer Häufung bzw. einem Ausbruch von MRSA-Infektionen.

Die enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Patienten und allen betreuenden Akteuren trägt dazu bei, eine unkontrollierte Ausbreitung auch im ambulanten Bereich so gering wie möglich zu halten. Der öffentliche Gesundheitsdienst, Laborärzte, niedergelassene Ärzte und Klinikärzte müssen in einen entsprechenden Informationsfluss eingebunden werden. Und Eradikationsmaßnahmen müssen besonders auch jenseits eines Klinikaufenthaltes weitergeführt und deren Erfolg kontrolliert und dokumentiert werden.

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Leitlinien in der Thromboseprophylaxe

Postoperative thromboembolische Komplikationen zählen bei einer Vielzahl von Eingriffen zu den Risiken der Patienten. Derzeitiger Standard sind niedermolekulare Heparine (NMH) wie zum Beispiel Dalteparin. Ihr Vorteil gegenüber unfraktionierten Heparinen (UFH) besteht in ihrer längeren Halbwertszeit, die in der Regel eine einmal tägliche Gabe erlaubt. Die Wirksamkeit dieses Vorgehens ist durch eine Vielzahl von Studien belegt. Dementsprechend haben verschiedene operative Fächer den Gebrauch niedermolekularer Heparine in ihren Leitlinien niedergelegt. Diese fassen zwar evidenzbasiertes und durch Studien belegtes Wissen als Orientierung für Therapie und Prophylaxe zusammen, gehen jedoch nicht auf patientenindividuelle Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe ein.

So sind mit Ausnahme der grundsätzlichen Unterscheidung, ob es sich um große (tumor)chirurgische Operationen oder um einen Routineeingriff in der Allgemeinchirurgie handelt, kaum zusätzliche prädisponierende Risikofaktoren wie zum Beispiel eine persönliche oder eine familiäre Thrombophilie-Anamnese, Alter oder Übergewicht aufgeführt. Dennoch ist eine patientenorientierte Strategie ein wichtiger Baustein zum Therapieerfolg. Auch und insbesondere bei kleineren und ambulanten Eingriffen, bei denen die Leitlinien in der Regel von einer Thromboseprophylaxe absehen, sollten individuelle Risikofaktoren sorgfältig bewertet werden.

Niedermolekulare Heparine werden weiterhin eine bedeutende Rolle spielen - und zwar nicht nur in der Primärprophylaxe. In neueren Studien zeigen sie sich auch in der Sekundärprophylaxe nach durchgemachten thromboembolischen Ereignissen ebenfalls hochwirksam, möglicherweise den hier normalerweise eingesetzten oralen Antikoagulanzien sogar überlegen. Und es könnte noch einen Zusatznutzen geben, wie jüngste Daten zeigen. Diese lassen vermuten, dass Dalteparin einen positiven Einfluss auf die Überlebenszeit von Tumorpatienten hat. Evidenzen im Allgemeinen und patientenindividuelle Faktoren im Speziellen könnten also dieser Substanzgruppe noch weitere interessante Indikationen eröffnen.

Dr. Klaus Kamereck, München

Quelle: Satellitensymposium "Management von Komplikationen im Krankenhaus" anlässlich des 122. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe

 
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