Der Klinikarzt 2005; 34(8/09): 249-254
DOI: 10.1055/s-2005-918910
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Von der Erstversorgung bis zur Plastischen Chirurgie - Spezielle Behandlungsaspekte bei Verbrennungen der Hand

From First Aid to Plastic Surgery - Special Considerations in the Treatment of the Burned HandK. Philipp1 , E. Gazyakan1 , H. v. Gregory1 , G. Germann1 , M. Öhlbauer1
  • 1Klinik für Hand-, Plastische- und Rekonstruktive Chirurgie - Schwerbrandverletztenzentrum, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen, Klinik für Plastische und Handchirurgie der Universität Heidelberg (Chefarzt: Prof. Dr. G. Germann)
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Anschrift für die Verfasser

Dr. Katrin Philipp

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum

BG-Unfallklinik Ludwigshafen

Klinik für Plastische und Handchirurgie an der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann-Str. 13

67071 Ludwigshafen

Publication History

Publication Date:
05 October 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Von Verbrennungstraumata sind besonders häufig die Hände betroffen. Die Behandlung der verbrannten Hand ist eine große Herausforderung in der Plastischen Chirurgie. Der Erfolg der Behandlung hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab - vom Schweregrad des Verbrennungstraumas, der Erstversorgung sowie einem ausgewogenen Verhältnis von Schienenbehandlung, Mobilisation und plastisch-chirurgischen Maßnahmen. Hierbei gewährt ein multidisziplinäres Team aus plastischen Chirurgen, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Psychologen und einem motivierten Patienten ein Höchstmaß an Behandlungsqualität.

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Zusammenfassung

Hands are most frequently involved in severe burns. The treatment of the burned hand is one of the most challenging problems in plastic surgery. The success of therapy is determined by the severity of the initial injury, the first aid provided, and the correct balance between mobilization, splinting and plastic surgical procedures. In this respect, it is vital to have a highly qualified interdisziplinary team approach consisting of plastic surgeons, well-trained physical therapists, psychologists and a highly motivated patient.

Die Hände sind bei mehr als 80 % aller schweren Brandverletzungen involviert. Obwohl jede Hand weniger als 3 % der Gesamtkörperoberfläche einnimmt, werden Verbrennungen der Hand von der „American Burn Association” (ABA) als schwere Verletzungen kategorisiert, denn selbst kleine Verbrennungen können die Funktion der Hand extrem einschränken. Kommt es im Rahmen eines ausgedehnten Verbrennungstraumas zur Mitbeteiligung der Hände, hat deren Behandlung oberste Priorität. Die Rehabilitation des Patienten und seine Fähigkeit, Arbeit zu verrichten, sich selbst zu versorgen und zu ernähren hängt im Besonderen von der verbleibenden Funktionsfähigkeit der Hände ab. Außerdem spielen die Hände eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung der Umwelt sowie in der zwischenmenschlichen Kommunikation, sei es bei Empfang und Aussendung emotionaler Signale oder dem Austausch körperlicher Zärtlichkeiten.

Verbrennungen der Hand haben aber nicht nur entscheidende Konsequenzen für die funktionelle Rehabilitation, sondern auch für die Ästhetik des Brandverletzten. Zwar stehen in der Plastischen Chirurgie naturgemäß funktionelle Überlegungen im Vordergrund, der Patient jedoch leidet langfristig nicht selten am meisten unter den ästhetischen Spätfolgen, zum Beispiel unter hässlichen Narben, auffällig pigmentierten und gemusterten Transplantaten oder zu dicken Lappenplastiken. Es lohnt sich deshalb, dies bereits bei der Planung der Behandlung zu berücksichtigen und den geringen Mehraufwand, den ein ästhetisch befriedigenderes Resultat häufig erfordern würde, nicht zu scheuen.

Die wichtigsten Behandlungskonzepte umfassen neben einer sorgfältigen chirurgischen, gegebenenfalls aber auch konservativen Therapie eine frühfunktionelle Nachbehandlung mit passiver und aktiver Physiotherapie, unterstützt durch Schienenversorgung und Ergotherapie sowie Behandlungen mit topischen Externa. Hierbei gewährt ein multidisziplinäres Team aus plastischen Chirurgen, Krankengymnasten, Ergotherapeuten und Psychologen ein Höchstmaß an Behandlungsqualität.

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Epidemiologie

Das thermische Trauma einschließlich der Stromunfälle und chemischer Kontaktverletzungen ist die häufigste Unfallursache in der westlichen Welt. Schätzungen zufolge erleidet etwa 1 % der Bevölkerung in den westlichen Ländern im Laufe des Lebens ein Verbrennungstrauma, wobei etwa 25 % dieser Patienten einer medizinischen Behandlung bedürfen. Dabei ereignen sich etwa ein Drittel der Verbrennungstraumata am Arbeitsplatz [4].

In Deutschland liegt die Zahl der Patienten, die auf einer Brandverletzten-Intensivstation behandelt werden müssen, zwischen 1200-1500, das entspricht einer Inzidenz von 1:50000-60000 Einwohnern/ Jahr. Die Gesamtzahl der Patienten in Brandverletztenzentren ist dagegen deutlich höher. Von allen Verbrennungstraumata ist die Hand mit etwa 89 % der Brandverletzungen am häufigsten involviert [4] [10]. Hierfür ist zum einen der Schutzreflex verantwortlich, mit dem Patienten bei einem schweren Verbrennungstrauma ihr Gesicht mit den Händen zu schützen versuchen, zum anderen hat die Hand selbst meistens keinerlei Schutz gegenüber der Hitze [10].

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Pathophysiologie

Die Anatomie der Hand weist einige Besonderheiten auf. Anders als im restlichen Körper sind an der Hand nicht nur die Blutgefäße, sondern auch die Sehnen und Gelenke dicht unter der Hautoberfläche lokalisiert. Daher sind diese Strukturen gegenüber thermischer Energie extrem empfindlich. Die zylindrische Form der Finger mit ihren Ligamenten limitiert stärkere Volumenveränderungen nach Verbrennungstraumata, woraus sich dermale Kompartmentsyndrome entwickeln können. Auch im Bereich der intrinsischen Handmuskulatur können Flüssigkeitsverschiebungen in den interstitiellen Raum zu Ödemen und folglich zu Kompartmentsyndromen führen, die eine Fasziotomie erforderlich machen. Die Auswirkung eines interstitiellen Ödems im Bereich der Hand kann sich außerdem in einer subkutanen Fibrose zeigen, die die Gelenke versteift [13].

Die Struktur der Hautoberfläche am Ort des Verbrennungstraumas determiniert auch die Tiefe der Verletzung. So vermag die palmare Haut höhere thermische Energie zu tolerieren als die dorsale Hautoberfläche.

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Behandlungsziele und -prinzipien

Selbst kleinste Verbrennungstraumen können katastrophale Auswirkungen haben, wenn die Handverletzungen zu Deformitäten führen, die den Patienten daran hindern, alltägliche Handgriffe auszuführen. Das Behandlungsziel von Brandverletzungen der Haut und des Subkutangewebes der Hand ist es, so schnell wie möglich eine heilende Wunde zu erzielen [10]. Bei der Behandlung von Verbrennungstraumata der Hand wird zwischen Behandlungszielen und Behandlungsprinzipien unterschieden [18]. Die wichtigsten Behandlungsziele sind:

  • Vermeidung zusätzlicher oder tiefer gehender Verletzungen

  • rascher Wundverschluss

  • Erhalt des aktiven und passiven Bewegungsumfangs

  • Prävention einer Infektion/eines Verlustes von funktionellen Strukturen

  • frühe funktionelle Rehabilitation.

  • f diese Ziele sollte jede Bahndlung ausgerichtet sein, wobei das Behandlungskonzept auf die jeweiligen Erfordernisse des Patienten abgestimmt werden muss. Dabei sind folgende grundlegende Behandlungsprinzipien zu beachten:

  • Bestimmung des Ausmaßes und der Tiefe der Verbrennungen

  • Escharotomie (falls indiziert)

  • Applikation adäquater Wundverbände

  • Entscheidung über konservative oder operative Therapie

  • chirurgisches Management (Abtragung von Eschar, Hauttransplantationen, Lappenplastiken entsprechend der rekonstruktiven Leiter)

  • Beginn einer frühen Handtherapie mit Schienenbehandlung

  • funktionelle Rehabilitation durch frühe aktive und passive physikalische Therapie

  • sekundäre und tertiäre Korrekturen (falls notwendig).

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Initiale Untersuchung

Eine umfassende Anamnese und eine adäquate physikalische Untersuchung definieren die Ausdehnung und die Tiefe der Verbrennungswunde. Darüber hinaus werden assoziierte Verletzungen sowie eventuelle generelle Beeinträchtigungen des Zustandes des Patienten erfasst. Alle Verletzungen müssen als Grundlage für weitere Entscheidungen sorgfältig dokumentiert werden. Hierbei ist auch eine fotografische Dokumentation erforderlich [21].

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Ödembehandlung

Die erste Maßnahme im Falle einer Brandverletzung der Hand besteht in der Kühlung der Wunde unter kaltem Wasser innerhalb der ersten 30 Minuten des Verbrennungstraumas [17], da die sofortige Applikation von Kälte an die Verbrennungswunde die Bildung eines Ödems und die Ausdehnung der Verbrennungstiefe reduzieren kann. Positiver Nebeneffekt ist dabei die Reduktion der Schmerzen. Allerdings ist die Behandlung mit kaltem Wasser nur bei umschriebenen Verletzungen indiziert, bei großflächigen Verbrennungnen ist eine Kühlung nicht zu empfehlen. Eine weitere wichtige Maßnahme gegen die Ausbildung von Ödemen ist die strikte Elevation der verbrannten Hand über Herzniveau [15].

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Escharotomie

Oberstes Gebot bei der Behandlung von Verbrennungen der Hand ist der Erhalt der Perfusion. Besonders bei zirkulären oder beuge- und streckseitigen Verbrennungen kann ein ausgeprägtes Ödem zu einer ernsten Notfallsituation führen. In solchen Fällen ist die Haut der Finger ungeachtet des Grades ihrer Schädigung zirkulär prall gespannt. Der Handrücken ist stark geschwollen und die Hautfarbe erscheint, sofern keine Verkohlung vorliegt, weißlich blass.

Ein weiteres Alarmsymptom ist der zunehmende Sensibilitätsverlust auch in den erst- und zweitgradig verbrannten Bereichen, in denen anfangs noch Schmerzen vorhanden waren. Ohne Behandlung droht aufgrund der Durchblutungsstörung ein Fortschreiten der zunächst allein verbrennungsbedingten Nekrosen - im Extremfall bis zum Fingerverlust. Zu vermeiden ist dies ist mit einer raschen Spaltung der Haut der Finger einschließlich der Palmaraponeurose und des Karpaltunnels, ergänzt durch Entlastungsschnitte über dem Handrücken [22]. Diese so genannte Escharotomie [Abb. 2] hat Fabry bereits 1607 zum ersten Mal beschrieben.

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Schienenbehandlung

Ohne adäquate ergotherapeutische Schienenbehandlung („Splinting”) entwickelt sich nach einem schweren Verbrennungstrauma der Hand schnell die so genannte intrinsische Minus-Position. Diese ist charakterisiert durch eine Flexion im Handgelenk mit einer Hyperextension im Metacarpophalangealgelenk und einer Flexion der proximalen und distalen Interphalangealgelenke. Der Daumen ist typischerweise abduziert zur Handfläche mit einer Hyperextension im Interphalangealgelenk [10].

Diese Stellung der Hand entsteht zunächst durch das Ödem, im Laufe der Zeit wird dieses aber durch Fibrose und Narbenbildung ersetzt. Daraus resultiert eine Deformität, die sich nur durch chirurgische Intervention korrigieren lässt. Narbenkontrakturen im Bereich des Handrückens betonen weiter die Hyperextension im Metacarpophalangealgelenk und führen zum typischen Bild der Krallendeformität („claw deformity”, [Abb. 3]). Eine entgegengesetzte Positionierung zur Vermeidung permanenter Kontrakturen und Deformitäten ist somit essenziell.

Um diese Position zu erreichen, sollte die Hand sofort in der so genannten Intrinsic-plus-Stellung weit gehend geschient werden. In dieser Position sind die Metacarpophalangealgelenke nahezu komplett gebeugt (80°) und die Interphalangealgelenke vollständig gestreckt [Abb. 4]. Der erste Fingerzwischenraum ist maximal abduziert. In dieser Position haben die Bänder der Fingergelenke die größte Spannung, was einem Schrumpfen entgegen wirkt. Außerdem führt diese Positionierung zu einer leichten Spannung der Haut des Handrückens, was eine exzessive Ödembildung verhindern soll.

Derartige Lagerungsschienen sollten am Tag der Verletzung angelegt werden. Wann mit leichten Bewegungsübungen der Finger begonnen werden kann, hängt vor allem von der Verbrennungstiefe im Bereich der proximalen Interphalangealgelenke ab. Die konsequente Schienenbehandlung, der frühe Erhalt der vollständigen Bewegungsfreiheit und ein konsequentes Übungsprogramm sind die wichtigsten Präventionsmaßnahmen gegen die Entwicklung von Kontrakturen bei Verbrennungen der Hand.

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Lokale Wundbehandlung

Die lokale Wundbehandlung bei Verbrennungsverletzungen der Hand hängt von der Verbrennungstiefe, dem Verletzungsmuster sowie dem generellen Gesundheitszustand des Patienten ab. Zur Basisbehandlung zählt das Débridement, die tägliche Reinigung, die Prävention von Infektionen sowie das Anlegen eines Wundverbands.

Kontrovers diskutiert wird die Behandlung von Brandblasen. Kleine, intakte Blasen, die einen Durchmesser von weniger als einem Zentimeter aufweisen, können intakt belassen bleiben, und die Wunde kann spontan abheilen. Früher wurde im Sinne eines biologischen Wundschutzes propagiert, auch bei größeren Blasen in dieser Weise zu verfahren. Heute wird empfohlen, größere Brandblasen durch Aspiration des Sekretes und Entfernung durch Inzision oder Débridement zu behandeln [21]. Dann können Verbände direkt auf die Verbrennungswunde aufgetragen werden.

Die Verbrennungswunde sollte täglich im Wasserbad gereinigt werden. Anschließend kann eine antibakterielle Creme aufgetragen werden. Bei tieferen Verbrennungswunden sollten tiefer penetrierende antibiotische Substanzen wie etwa das Silbersulfadiazin (SSD; Flammazine®) verwendet werden. Gitterförmige, mit Vaseline getränkte Wundauflagen ermöglichen ein größtmögliches Maß an Beweglichkeit der Extremität und vermeiden ein schmerzhaftes Verkleben der Wunde. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass die Fingerspitzen frei und damit sichtbar bleiben, um deren Perfusion beobachten zu können.

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Plastisch-chirurgische Therapie

Im Initialstadium von Verbrennungswunden, das heißt innerhalb der ersten fünf Tage, gilt die Verbrennungswunde als steril und daher einer primären chirurgischen Therapie gut zugänglich. Kann in dieser Initialphase keine chirurgische Therapie erfolgen, sollte mit solchen Maßnahmen etwa drei Wochen gewartet werden, da in der Phase der beginnenden Entzündung ein erhöhtes Risiko für starke Blutungen von dem entzündeten Wundbett ausgeht und die Gefahr eines Transplantatverlusts besteht [8].

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Tangentiale Nekrektomie

Bei Verbrennungen der Hand ist die häufigste Form der chirurgischen Therapie die tangentiale Nekrektomie [Abb. 5], bei der schichtweise nekrotisches Gewebe bis zum Auftreten kapillärer Blutungen abgetragen wird. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei der dorsalen Haut über dem proximalen Interphalangealgelenk und den Metaphalangealgelenken gewidmet werden. Kommt es hier zu einer Abstoßung von Transplantaten, ist die Exposition der Gelenke mit den Folgen einer Gelenkinfektion, Knorpelerosionen und letztlich der Gelenkversteifung fast nicht zu vermeiden.

Die autologe Spalthaut [Abb. 6a] als flächenförmiges Transplantat („Sheetgraft”) gilt heute als Goldstandard der Deckungsverfahren [9]. Daneben besteht die Möglichkeit der Aufarbeitung von Spalthauttransplantaten als Gitternetz [Abb. 6b] mit unterschiedlichen Expansionsraten („mesh grafts”) bis hin zur Meek-Technik [9]. Die Anwendung von „Meshgrafts” im Bereich der Hand wird jedoch in der Literatur kontrovers diskutiert. Allgemein scheinen „Sheetgrafts” die ästhetisch ansprechenderen Ergebnisse zu liefern. Dagegen haben „Meshgrafts” den Vorteil der besseren Drainage von Wundsekreten, Blut und Bakterien durch das Gitternetz. In kritischen Wundbetten scheinen sie die bessere Anheilungsquote aufzuweisen [14]. Der Hauptnachteil von „Meshgrafts” ist jedoch die höhere Rate von Narbenkontrakturen, welche zu schwer wiegenden funktionellen Störungen im Bereich der Hand führen können.

Die Meshgraft-Expansionsrate im Bereich der verbrannten Hand sollte nicht größer sein als 1,5 oder 1:2. Aus unserer Sicht hängt die Wahl des geeigneten Deckungsverfahrens überwiegend von der Verfügbarkeit von Spenderarealen sowie vom Allgemeinzustand des Patienten ab. Vollhauttransplantate haben keine Indikation bei akuten Verbrennungen. Sie sollten sekundären Korrekturen reserviert bleiben.

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Lappenplastik

In seltenen Fällen reichen tangentiale Nekrektomien nicht aus. Bei tiefen Brandverletzungen der Haut sind häufig Sehnenscheiden und Sehnen, Metacarpalknochen oder Gelenke beteiligt. In diesen Fällen ist eine primäre Deckung durch Lappenplastiken indiziert. Die Weichteilrekonstruktion erfolgt dann nach den Prinzipien der rekonstruktiven Leiter mit einer situationsadaptierten Anpassung von der einfachen bis zur komplexen Lappenplastik [2].

Die Wahl des richtigen Lappens richtet sich nach den möglichen Spenderarealen sowie den Anforderungen an das ideale Gewebe im Bereich der primären Wunde. Bei jungen Frauen und Kindern ist ein gestielter Leistenlappen die Rekonstruktionsmöglichkeit der ersten Wahl. Die vorübergehende Immobilisierung der Schulter wird üblicherweise gut toleriert. Der Hebebereich des Lappens lässt sich später sehr gut verstecken. Nachteilig an diesem Lappen ist jedoch, dass oft vier bis fünf Eingriffe erforderlich sind, um ein endgültiges Ergebnis zu erzielen.

Bei Patienten mit dickem subkutanen Fettgewebe ist der Lappen oft zu dick, was nur zu mäßigen ästhetischen Ergebnissen führt. Wenn der Allgemeinzustand des Patienten es zulässt, ist es möglich, die Lappen exakt nach den individuellen Erfordernissen des Patienten anzufertigen, zum Beispiel unter Verwendung freier mikrovaskulär anastomosierter Transplantate [7] [20], gestielter Unterarmlappen oder intrinsischer Handlappen. Da auch die freie Lappenplastik idealerweise sehr dünn ist und ein ausreichendes Gleiten der Sehnen ermöglichen soll, bietet sich die Transplantation dünner Faszienlappen an, die mit Spalthaut gedeckt werden. Hier eignen sich vor allem der Serratusfaszienlappen und der temporoparietale Faszienlappen [2] [6].

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Temporärer Hautersatz

Lässt die klinische Situation keine sofortige Deckung zu, kann auf eine Vielzahl von temporären Deckungsverfahren zurückgegriffen werden [9]. Seit vielen Jahren sind Xenotransplantate im klinischen Gebrauch, wobei heutzutage vorwiegend Schweinehaut zur Behandlung von Verbrennungwunden eingesetzt wird [16]. Allogene Fremdhaut gilt weiterhin als Goldstandard zur temporären Deckung von Verbrennungwunden, da so die Sepsisgefahr sinkt und die Wunde vor Wasser, Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust geschützt ist. Ebenso können vorgefertigte, allogene Keratinozytentransplantate (AKT) verwendet werden.

In den letzten Jahren sind verschiedene synthetische Materialen zum temporären Hautersatz entwickelt worden. Hierbei handelt es sich vorwiegend um polymere Wundauflagen, die aber lediglich bei kleinen bis mittelgroßen, oberflächlichen Wunden indiziert sind. Dies gab den Anstoß zur Entwicklung mehrlagiger Verbände bis hin zu den hybriden Wundauflagen. Ein Beispiel hierfür ist Biobrane®, das vor allem bei Verbrennungen der Hand zum Einsatz kommt. Diese dreischichtige, semipermeable Wundauflage, besteht aus einer äußeren Silikonschicht, einem Nylonnetz in der mittleren Schicht und einer inneren Kollagenschicht. Für die Hände sind spezielle Handschuhe erhältlich [Abb. 6c], die exakt angepasst werden können [16]. Diese sind semipermeabel und erlauben den Austritt von Wundsekret durch die Membran. Der Handschuh kann daher so lange auf der Wunde bleiben, bis die Oberfläche neu epithelisiert ist.

Während sich dieses System vor allem für nicht infizierte, oberflächliche Verbrennungswunden eignet, ist Integra® das heute am weitesten verbreitete dermale Ersatzmaterial in der Behandlung tiefdermaler und drittgradiger Verbrennungswunden [5]. Es besteht aus einer dermalen Komponente - einem Gitter von Kollagenfasern und Glykosaminoglykanen - sowie einer epidermalen Komponente in Form einer Silikonfolie [Abb. 6d] [16]. Zur Einheilung von Integra® ist, ähnlich wie bei der Spalthauttransplantation, ein guter gleichmäßiger Anpressdruck erforderlich. Um die Transplantate optimal auf unebenen Wundflächen zu fixieren, kann die Anwendung der Vakuumtherapie (vacuum-assisted closure, V.A.C.®, Vakuumversiegelung) hilfreich sein [11].

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Spätfolgen

Auch wenn in der Frühphase der thermischen Verletzung der Hand alle Behandlungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet und korrekt durchgeführt wurden, kann es vor allem durch dermale Narbenkontrakturen zu schweren Deformitäten der Hand als Spätfolge des Verbrennungstraumas kommen [3] [12]. Diese beeinflussen sowohl die Funktion der Hand als auch das ästhetische Erscheinungsbild, was eine konsequente Behandlung dieser Deformitäten indiziert. Achauer erstellte eine Klassifikation der Deformitäten nach Verbrennungstraumata der Hand [1]:

  • Krallenhanddeformität (komplett oder inkomplett)

  • palmare Kontrakturen

  • Deformitäten der Zwischenfingerfalten (Kontrakturen der Zwischenfingerfalten, Adduktionskontraktur, Syndaktylie)

  • hypertrophe Narben und Kontrakturbänder

  • Amputationsdeformität

  • Nagelbettdeformität.

Üblicherweise sind die Deformitäten als Spätfolge eines Verbrennungstraumas mit einem Gewebedefizit assoziiert. Kontrakturen können als Folge von spontan abgeheilten tiefen Verbrennungen oder - wesentlich häufiger - als Folge einer Kontraktion transplantierter Spalthautgrafts erscheinen. Dieses Phänomen ist gerade in Situationen der akuten Verbrennung wesentlich häufiger als in Elektivsituationen. Um solche Kontrakturen aufzulösen, gibt es eine Vielzahl chirurgischer Möglichkeiten. Hierzu zählen vor allem Z- und VY-Plastiken, häufig ist jedoch eine Lappendeckung erforderlich [3] [19]. Vor der chirurgischen Therapie ist jedoch immer eine exakte Analyse des individuellen Problems notwendig.

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Abb. 1 Oberflächlich dermale Verbrennung der Hand, charakterisiert durch Blasenbildung (Verbrennungsgrad IIa) (a); tief dermale Verbrennung der Handfläche (Verbrennungsgrad IIb) (b); typisch für eine komplett dermale Verbrennung am Unterarm ist eine weiße Wunde (Verbrennungsgrad III) (c)

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Abb. 2 Schnittführung der Escharotomie an der Hand

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Abb. 3 Klinisches Bild einer Krallendeformität („claw deformity”) mit einer charakteristischen Flexion im Handgelenk mit einer Hyperextension im Metacarpophalangealgelenk und einer Flexion der proximalen und distalen Interphalangealgelenk

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Abb. 4 Klinische Darstellung der Schienenbehandlung einer verbrannten Hand in der Intrinsic-plus-Stellung zur Prävention von Kontrakturen

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Abb. 5 Debridement mit dem scharfen Löffel bei einer oberflächlichen Verbrennung der Hand (a); tangentiale Nekrektomie mit einem Goulian-Messer (Weck Company) bei einer tiefen dermalen Verbrennung des Handrückens (b)

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Abb. 6 Autologe Spalthaut als flächenförmiges Transplantat („Sheetgraft”) (a); Aufarbeitung von Spalthauttransplantaten als Gitternetz („mesh graft”) (b); temporäre Deckung mit einem Biobrane-Handschuh (c); temporäre Deckung mit Integra® (d)

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Literatur

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  • 21 Smith MA, Munster AM, Spence RJ. Burns of the hand and the upper limb - a review.  Burns. 1998;  24 493-505
  • 22 Wong L, Spence RJ. Escharotomy and fasciotomy of the burned upper extremity.  Hand Clin. 2000;  16 165-174
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Anschrift für die Verfasser

Dr. Katrin Philipp

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum

BG-Unfallklinik Ludwigshafen

Klinik für Plastische und Handchirurgie an der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann-Str. 13

67071 Ludwigshafen

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Literatur

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Anschrift für die Verfasser

Dr. Katrin Philipp

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum

BG-Unfallklinik Ludwigshafen

Klinik für Plastische und Handchirurgie an der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann-Str. 13

67071 Ludwigshafen

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Abb. 1 Oberflächlich dermale Verbrennung der Hand, charakterisiert durch Blasenbildung (Verbrennungsgrad IIa) (a); tief dermale Verbrennung der Handfläche (Verbrennungsgrad IIb) (b); typisch für eine komplett dermale Verbrennung am Unterarm ist eine weiße Wunde (Verbrennungsgrad III) (c)

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Abb. 2 Schnittführung der Escharotomie an der Hand

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Abb. 3 Klinisches Bild einer Krallendeformität („claw deformity”) mit einer charakteristischen Flexion im Handgelenk mit einer Hyperextension im Metacarpophalangealgelenk und einer Flexion der proximalen und distalen Interphalangealgelenk

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Abb. 4 Klinische Darstellung der Schienenbehandlung einer verbrannten Hand in der Intrinsic-plus-Stellung zur Prävention von Kontrakturen

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Abb. 5 Debridement mit dem scharfen Löffel bei einer oberflächlichen Verbrennung der Hand (a); tangentiale Nekrektomie mit einem Goulian-Messer (Weck Company) bei einer tiefen dermalen Verbrennung des Handrückens (b)

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Abb. 6 Autologe Spalthaut als flächenförmiges Transplantat („Sheetgraft”) (a); Aufarbeitung von Spalthauttransplantaten als Gitternetz („mesh graft”) (b); temporäre Deckung mit einem Biobrane-Handschuh (c); temporäre Deckung mit Integra® (d)