Der Klinikarzt 2005; 34(10): IV
DOI: 10.1055/s-2005-919754
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Kostendruck versus Compliance - Opioide in der Schmerztherapie

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Publication Date:
04 November 2005 (online)

 
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Geringe Kosten - das scheint derzeit leider auch in der Schmerztherapie das Maß aller Dinge zu sein, beklagte Dr. G. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS). Ungeachtet ihrer nephrotoxischen, kardiotoxischen und ulzerogenen "Wirkungen" erleben so zum Beispiel die alten, billigen, entzündungshemmenden Analgetika eine ungeahnte Renaissance (Abb.[ 1)].

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Dabei, so der Experte, sind die klassischen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) nicht annähernd so gut untersucht worden wie die in Verruf geratenen Coxibe - mit verheerenden Folgen: 22% aller auf Arzneimittelnebenwirkungen zurückzuführenden Krankenhauseinweisungen gehen zu Lasten dieser "einfachen" Analgetika wie Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen und Indometacin.

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Früher Einsatz der Opioide zum Nutzen des Patienten

"Eine kurzsichtige Interpretation ökonomischer Zusammenhänge" nennt Müller-Schwefe deshalb diese Renaissance, welche die Erkenntnisse der modernen Schmerzforschung nicht berücksichtige. Am Beispiel der Volkskrankheit Rückenschmerzen sei der Nutzen der Opioide einleuchtend darzulegen. Diese hätten im Vergleich mit den NSAR nicht nur ein hervorragendes Verträglichkeitsprofil, sondern vor allem deutlich weniger Nebenwirkungen, insbesondere keine toxischen Wirkungen auf Blutbildung, Magenschutz, Nierenfunktion und zentrales Nervensystem.

Und auch die Kosten können nicht gegen die Opioide ins Feld geführt werden: Gerade einmal 1,4% der 17 Milliarden Euro, die bei uns jährlich allein für Rückenschmerzen ausgegeben werden, beansprucht die medikamentöse Therapie, 72% dagegen (mehr als 12 Milliarden Euro) entfallen auf indirekte Kosten wie Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung. So würden die Medikamentenkosten bei einem frühzeitigen Einsatz der Opioide zwar leicht steigen - die Folgekosten dagegen würden deutlich sinken.

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Mit Mythen aufräumen

Trotz wissenschaftlich auf höchstem Evidenzniveau fundierten Daten werden Opioidanalgetika unverändert zu spät, zu selten und zu niedrig dosiert eingesetzt. Und dies betreffe nicht nur akute traumatische oder postoperative Schmerzen, betonte PD M. Überall, Nürnberg. Eine Indikation für den Einsatz von Opioiden bestehe seiner Meinung nach bei allen Schmerzzuständen, die mit schwächer wirkenden Analgetika nicht ausreichend beherrscht werden können.

Es sei ein Mythos, dass Opioide bei entzündlichen oder neuropathischen Schmerzen nicht indiziert seien. Sie wirken bei Schmerzen auf der Grundlage akuter Erkrankungen, sind aber auch bei chronischen Schmerzen indiziert, zum Beispiel bei Tumorschmerzen oder Schmerzen im Bewegungs- oder Halteapparat und eben auch bei entzündlichen oder degenerativen Gelenkerkrankungen und bei neuropathischen Schmerzsyndromen.

Und im Gegensatz zu den Nichtopioidanalgetika gebe es bei den Opioiden keinerlei Anhaltspunkte für eine Organtoxizität. Auch die bekannten Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen und Obstipation lassen sich beispielsweise durch eine Kombination mit spezifischen Antagonisten wie Naloxon vermeiden. Zudem komme es unter einer Opioidtherapie nicht zu einer psychischen Abhängigkeit und bei den behandelten Patienten besserten sich Aktivität und Sozialleben. Die geistige Leistung sei bei Patienten unter Opioidtherapie besser als unter Schmerzen, ebenfalls spielen Sedierung und Müdigkeit keine Rolle.

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Einfache Therapie mit retardierten Präparaten

Vorzuziehen sei dabei die Gabe eines retardierten Präparats, denn bei kurz wirkenden Opioiden erweise sich die Einnahmehäufigkeit häufig als störender Eingriff in den Tagesablauf. Der Patient vergisst die Einnahme oft genug bis zur Wiederkehr der Schmerzen. Die Retardform dagegen erlaubt eine Schmerzbehandlung "rund um die Uhr", mit all ihren Vorteilen vor einer bedarfsgesteuerten Gabe.

Zusammen mit der Tatsache ihrer relativ einfachen Verordnungsmöglichkeit - beginnen sollte man mit der niedrigsten Dosierung plus einer Bedarfsmedikation, anschließend wird das Retardpräparat alle ein bis zwei Tage nach dem Schmerzkalender "auftitriert" - erhalten im Spannungsfeld von Unterversorgung und Handlungsbedarf die mittelstark wirkenden Opioidanalgetika der WHO-Stufe II (wie das retardierte Valoron® N) eine ganz besondere Bedeutung, meinten die Experten.

gb

Quelle: Pressekonferenz "Opioide in der Schmerztherapie. Kostendruck versus Compliance", unterstützt von der Pfizer Pharma GmbH, Karlsruhe

 
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