Blasenfunktionsstörungen und insbesondere die Harninkontinenz sind infolge ihrer medizinischen,
psychischen und sozialen Konsequenzen ein zentrales Problemen des alten Menschen.
So liegt die Inkontinenz an vierter Stelle der Alterserkrankungen, die die Lebensqualität
der Betroffenen am meisten einschränkt.
Jeder ältere Mensch sollte in der ärztlichen Praxis oder Klinik auf das Problem einer
Blasenfunktionsstörung oder Harninkontinenz angesprochen werden. Der Umfang der Abklärung
sollte sich individuell nach den Symptomen, dem Alter und Allgemeinzustand und auch
den Wünschen und Erwartungen, demnach dem Leidensdruck des Betroffenen richten. Insbesondere
sollte auf invasive Maßnahmen verzichtet werden, wenn sie keinen diagnostischen Zugewinn
und therapeutische Konsequenzen haben.
Grundlage für die Abklärung älterer Patienten mit Blasenfunktionsstörungen ist die
Basisdiagnostik. Sie besteht aus einer gezielten Anamnese, klinischer Untersuchung,
der Harnanalyse, einer Restharnbestimmung und dem Trink- und Blasentagebuch. Gerade
beim alten Menschen müssen oft konkrete Fragen gestellt werden, die über Zeitpunkt,
Ausmaß und mögliche Ursachen der Inkontinenz Auskunft geben. Wichtig sind die ausführliche
medikamentöse und neurologische Anamnese und die Anamnese vorausgegangener Erkrankungen.
Auch sollte der Leidensdruck evaluiert werden, da er die weiteren Maßnahmen und therapeutischen
Konsequenzen wesentlich mitbestimmt. Mit dieser Basisdiagnostik, die nicht nur sinnvoll,
sondern obligat ist, kann man in 85 Prozent der Patienten die Situation so weit klären,
dass die im Allgemeinen konservative Behandlung begonnen werden kann.
Eine weiterführende Diagnostik kann im Alter dann sinnvoll sein, wenn die Inkontinenz
verschiedene Ursachen haben kann, um die exakte pathophysiologische Ursache herauszufinden,
insbesondere dann, wenn konservative Therapieschritte nicht zum Erfolg geführt haben.
Ebenso sollte sie immer bei kombinierten Speicher- und Entleerungsstörungen sowie
vor interventionellen oder operativen therapeutischen Schritten durchgeführt werden.
Nicht sinnvoll wäre es dagegen, jeden älteren Patienten grundsätzlich urodynamisch
zu untersuchen.
Auch im Alter dient die Uroflowmetrie als Screening-Methode zur Beurteilung einer
Blasenentleerungsstörung im Sinne einer subvesikalen Obstruktion. Wichtig ist die
ausreichende Füllung der Blase, was beim älteren Patienten schwierig sein kann. Eine
mehrfache Wiederholung ist notwendig.
Die wichtigste Untersuchung zum Ausschluss bzw. Nachweis ungehemmter Detrusorkontraktionen
und/oder einer subvesikalen Obstruktion ist die Zystomanometrie. Der typische urodynamische
Befund des alten Menschen ist die Detrusorhyperaktivität. Daneben ist die Kombination
aus Detrusorhyperaktivität und Hypokontraktilität ein typischer Befund der Altersblase.
Eine Videourodynamik kann bei Vorliegen einer neurogenen Grunderkrankung zur simultanen
radiologischen Beurteilung der Blasenkonfiguration, der Öffnung des Blasenauslasses
und zum Ausschluss eines vesikorenalen Refluxes vorteilhaft sein.
Der Stellenwert eines Urethradruckprofils bei der alten Frau ist nicht klar definiert.
Es ist sicher keine Routineuntersuchung und wird höchstens vor einer geplanten operativen
Therapie einer Belastungsinkontinenz durchgeführt. Im Vergleich zum jüngeren Patienten
spielt die Urodynamik insgesamt in der Abklärung von Blasenfunktionsstörungen beim
alten Menschen eine untergeordnete Rolle.
Wichtig dagegen ist die Urethrozystoskopie, bei der beim älteren Patienten immer wieder
chronische Entzündungszeichen, Blasentumoren oder Blasensteine als Auslöser einer
Harndranginkontinenz gefunden werden.
Prof. Dr. Daniela Schultz-Lampel, Kontinenzzentrum Südwest, Klinikum Villingen-Schwenningen