Mit der Kooperation der European Organisation for Research and Treatment of Cancer
Infections Disease Group (EORTC-IDG) und der European Confederation for Medicinal
Mycology (ECMM) rücken die mykologische Grundlagenforschung und klinische Weiterbildung
näher zusammen - ein Ergebnis dieses Zusammenschlusses ist der Kongress "Trends in
Medical Mycology" (TIMM), der in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal stattfand. Warum
es so wichtig ist, beide Aspekte nicht nur abzudecken, sondern auch zusammenzubringen,
erklärten Prof. M. Ruhnke, Berlin, und Prof. Kullberg, Nijmegen (Niederlande): "Nur
wenn Grundlagenforscher und Kliniker eng zusammenarbeiten, können wir bessere Therapiestrategien
entwickeln, um unseren Patienten mit invasiven Pilzinfektionen zu helfen."
Und das ist dringend notwendig, wie Prof. D.W. Denning, Manchester (UK), anhand aktueller
Daten belegte: Zwar sind systemische Mykosen deutlich seltener als bakterielle Infektionen,
die Mortalitätsrate der Betroffenen betrage jedoch rund 40%, und dies wiederum sei
viel höher als die Sterblichkeitsrate bei bakteriellen Infektionen. Erschwerend komme
hinzu, dass praktisch alle zur Verfügung stehenden Antimykotika bei etwa 30% der Patienten
versagen. Im Falle von Aspergillus-Infektionen sprechen sogar im Schnitt 40% der Betroffenen
nicht auf die Therapie an - eine Lücke, die sicherlich geschlossen werden muss.
Bedarf an neuen Wirkstoffen bleibt bestehen
Bedarf an neuen Wirkstoffen bleibt bestehen
Eines der größten Probleme, das in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist
die große Ähnlichkeit der Pilzzellen mit humanen Zellen. Denn dies macht es extrem
schwierig, neue antimykotisch wirksame Substanzen zu entwickeln, die spezifisch das
Wachstum der Pilzzellen inhibieren, die Wirtszellen aber nicht tangieren. "Bislang
kennen wir nur wenige Mechanismen, die sich als Angriffspunkt eignen", meinte Prof.
A. Brakhage, Jena. "Und da sich die meisten unserer Medikamente auf einige wenige
Zielstrukturen fokussieren, haben wir zudem nur wenig Reserven, wenn Resistenzen gegen
einen Wirkstoff auftreten."
So schädigen zum Beispiel Amphotericin oder alle Azole - also Fluconazol, Itraconazol
oder Voriconazol - die Pilzmembran und hemmen damit das Wachstum der Pilze, da sie
in die Ergosterolsynthese eingreifen. Die Echinocandine wirken ebenfalls auf die Zellmembran
der Pilze. Sie inhibieren jedoch die Synthese von ß-([1], [3]-D-Glukan, sodass dieses für den Einbau in die Zellwand nicht zur Verfügung steht.
Für Ruhnke wäre die Blockade der Effluxpumpen, mit denen die Antimykotika wieder aus
der Pilzzelle "gepumpt" werden, ein interessanter antimykotischer Ansatz. Bislang
waren jedoch die Anstrengungen, die in diese Richtung unternommen wurden, nicht von
Erfolg gekrönt.
Sind Kombinationstherapieschemata sinnvoll?
Sind Kombinationstherapieschemata sinnvoll?
Einen Ausweg aus dieser Situation erhoffen sich viele Kliniker von einem Einsatz von
antimykotischen Kombinationstherapien. Hier geht es jedoch nicht allein um eine höhere
Aktivität der Therapie oder ein schnelleres Ansprechen der Patienten auf die Behandlung
- mit dem zusätzlichen Bonus einer geringeren Resistenzentwicklung. Vorstellbar ist
auch, dadurch ein breiteres Keimspektrum abdecken zu können oder auch eine bessere
Gewebeverteilung zu erreichen.
In vielen tierexperimentellen Studien ist das Konzept der Kombinationstherapie erfolgreich
getestet, berichtete Maschmeyer. "Besonders interessant dabei ist eine Studie an Meerschweinchen,
in der eine Kombinationstherapie mit Caspofungin und Voriconazol insbesondere im Lungengewebe
und im Gehirn außerordentlich gut abschnitt." Aber auch beim Menschen übersetzt sich
diese Kombination in einen therapeutischen Erfolg ([2]). Elf von 14 Patienten sprachen auf eine sekundäre Therapie mit Voriconazol und
Caspofungin an. "Das lässt schon hoffen, dass diese Kombination etwas bringt", meinte
Maschmeyer.
"Leider lassen solche Studien keine endgültigen Aussagen zu und kontrollierte Daten
fehlen. Und dies wird voraussichtlich auch erst einmal so bleiben", konstatierte der
Mediziner. Um eine Überlegenheit der Kombination bezüglich des Überlebens von 10%
zeigen zu können, müsste man mindestens 800 Patienten in eine Studie einschließen
- ein Aufwand, für den derzeit die Mittel fehlen. Deshalb ist noch große Vorsicht
geboten, wenn man sich tatsächlich für eine Kombinationstherapie entscheidet.
Bislang bestehen zudem keine oder nur wenige Kenntnisse über möglicherweise steigende
Toxizitäten oder potenzielle Medikamenteninteraktionen im Rahmen von Kombinationsstrategien.
"Es könnte zum Beispiel sein, dass eine Substanz den Abbau des zweiten eingesetzten
Wirkstoffs fördert", erklärte Prof. G. Maschmeyer, Potsdam. So gebe es Beobachtungen,
dass man Amphotericin und seine Abkömmlinge lieber nicht mit einem Azol kombinieren
sollte ([4]). Denn laut diesen Studiendaten verringerte sich der Effekt von Amphotericin, wenn
es nach einer Therapie mit Azolen eingesetzt wurde.
Was können wir in naher Zukunft erwarten?
Was können wir in naher Zukunft erwarten?
Demnach bleibt derzeit tatsächlich vor allem die Hoffnung auf die Einführung neuer
Präparate. So werden demnächst mit Posaconazol oder den Echinocandinen Anidulafungin
bzw. Micafungin zumindest drei neue Produkte auf den Markt kommen - allerdings greifen
diese auch auf die bekannten Zielstrukturen zurück. Dennoch können die Wirkstoffe
eine wertvolle Ergänzung der aktuellen Therapieoptionen sein. So ist Posaconazol ein
Antimykotikum, das sich auch für den Einsatz bei Infektionen mit seltenen Pilzen,
wie zum Beispiel Mucor spp., eignet. Zugelassen wird das neue Azol zunächst nur zur
Salvage-Therapie. "Wenn alle anderen Azole nicht helfen, haben wir damit noch eine
Therapieoption", sagte Ruhnke.
Anidulafungin wiederum - eine Substanz, die zwar vor zehn Jahren von Lilly entwickelt
wurde, inzwischen aber zum Produktportfolio von Pfizer gehört - habe ein besonderes
Potenzial, denn mit dieser Substanz könne man zum ersten Mal eine überlegene Wirkung
im Vergleich zu den "älteren" Substanzen erwarten, so Ruhnke. In einer Dosisfindungsstudie
hatten am Ende der Behandlung über 90% der Patienten mit invasiven Candidämien auf
die Anidulafungintherapie angesprochen ([3]) - ein enormer Fortschritt im Vergleich zu den bisher maximal erreichbaren Ansprechraten
von 70% unter Fluconazol, Voriconazol oder Caspofungin!
Auch alternative Strategien werden diskutiert
Auch alternative Strategien werden diskutiert
Von ganz anderen Strategien, die ebenfalls dazu beitragen könnten, die Ansprechraten
zu erhöhen, berichtete Prof. D. Denning, Manchester (UK). Er setzt unter anderem auf
eine zugegebenermaßen nicht ganz neue Idee, die George Bernhard Shaw bereits 1906
zum ersten Mal formulierte, nämlich die Stimulation des Immunsystems zum Beispiel
mit Interferon gamma (IFNg) oder G-CSF ("granulocyte colony stimulating factor") -
natürlich zusätzlich zur antimykotischen Behandlung. "Meiner Meinung nach ist dies
ein sehr logischer Ansatz", meinte der Mykologe.
Inzwischen gibt es zwei Projekte, die den potenziellen Erfolg einer solchen Stimulation
des Immunsystems unterstreichen. So sprachen beispielsweise HIV-positive Patienten
mit einer akuten Kryptokokken-Meningitis nach einer Behandlung mit Interferon besser
auf die antimykotische Therapie an ([1]). Erhielten die Patienten nur Antimykotika, war nach zwei Wochen ein mykologischer
und klinischer Respons von 8% zu verzeichnen, unter der zusätzlichen Interferontherapie
dagegen betrug die Ansprechrate immerhin 26% (p = 0,078).
Noch unpubliziert ist eine Studie von Kullberg et al., in der nichtneutropenischen
Patienten mit Candidämie oder disseminierter Candidiasis zusätzlich zu einer Fluconazol-Therapie
G-CSF verabreicht wurde. "Ziel der Behandlung mit G-CSF war es nicht, die Leukozytenzahl
zu erhöhen, sondern deren Aktivität zu verbessern", erklärte Kullberg. "Und dies ist
gelungen: Unter der G-CSF-Therapie bildeten sich die Infektionen schneller zurück."
Ein besseres Outcome verspricht auch eine additive Antikörpertherapie, so eine aktuelle,
noch unveröffentlichte Untersuchung von Matthews et al. Das Problem bei der Behandlung
der Candidämie-Patienten mit liposomalem Amphotericin B mit Mycograb®, einem Anti-Candida-Antikörper,
war jedoch, dass die Patienten eine Hypertonie entwickelten. Zwar gibt es mit der
Studie einen Hinweis auf den potenziellen Erfolg eines Einsatzes von Antikörpern,
"an der Sicherheit jedoch müssen wir noch arbeiten", meinte Denning.
Risikogruppen könnten von einer Vakzinierung profitieren
Risikogruppen könnten von einer Vakzinierung profitieren
Ebenfalls ein Projekt für die Zukunft ist die Entwicklung von Vakzinen gegen Mykosen.
Natürlich könne man nicht jeden gegen eine potenzielle Pilzinfektion impfen, meinte
Brakhage. Er könne sich einen solchen Ansatz jedoch gut als Präventionsstrategie für
Hochrisikopatienten vorstellen, zum Beispiel vor der Einweisung auf die Intensivstation
oder vor einer Organtransplantation. Doch bevor spezifische Vakzine entwickelt werden
können, sei es zunächst nötig, aufzuklären, welche Rezeptoren der Wirtszelle die Pilze
erkennen - vielleicht gibt es ja in zwei Jahren, beim nächsten TIMM schon erste Erfolge
zu berichten.
Quelle: Presse-Lunch "2nd Trends in Medical Mycology 2005" - Scientific Highlights of the International Congress
TIMM 2005 organized by the European Organization for Research and Treatment of Cancer
Infections Disease Group (EORTC-IDG) and the European Confederation for Medicinal
Mycology (ECMM)