Der Klinikarzt 2005; 34(11): XIV
DOI: 10.1055/s-2005-922821
Im Gespräch

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hepatozelluläres Karzinom nach Lebertransplantation - Gibt es eine Chance, die Rezidivrate zu senken?

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Publication Date:
01 December 2005 (online)

 
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    Hans J. Schlitt

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    Edward Geissler

    Die ideale Therapie beim hepatozellulären Karzinom, insbesondere bei einer zirrhotischen Leber, ist die Lebertransplantation. Im Anschluss daran benötigen die Patienten eine in der Regel lebenslange immunsuppressive Therapie, die leider mit unerwünschten Langzeiteffekten behaftet ist: Immunsuppressiva beeinflussen beispielsweise die Nierenfunktion, können aber auch eine Hypertonie, einen Posttransplantations-Diabetes oder ein Krebsleiden induzieren. Gerade in Bezug auf die Tumorinzidenz könnte eine Behandlung mit Sirolimus (Rapamune®) von Vorteil sein. Zumindest im Tierexperiment und in vitro zeigte die Substanz substanzielle Effekte auf Tumorwachstum und -inzidenz. Wie sich dies im klinischen Alltag auswirkt, wird jetzt in einer großen prospektiven Studie an Patienten untersucht, die sich aufgrund eines hepatozellulären Karzinoms einer Lebertransplantation unterziehen mussten. Prof. Edward Geissler und Prof. Hans J. Schlitt, Regensburg, - zwei der deutschen Studienleiter - berichteten uns am Rande des Kongresses der European Society of Transplantation (ESOT) über die Studie und deren Hintergründe.

    klinikarzt: Herr Professor Geissler, Sie waren maßgeblich an der Konzeption der aktuellen Untersuchung beteiligt. Welche Rationale liegt der Studie zugrunde?

    Prof. E. Geissler: Momentan sehen sich Transplantatempfänger aufgrund der immer besseren immunsuppressiven Therapie mit einem vergleichsweise hohen Krebsrisiko konfrontiert. Wir hoffen, mithilfe einer sirolimusbasierten Immunsuppression das krankheitsfreie Überleben verlängern zu können. Denn in tierexperimentellen Studien hat Sirolimus verschiedene direkte Effekte gegen Krebszellen gezeigt. Demnach besitzt die Substanz ein antiproliferatives Potenzial, sie kann aber auch direkt eine Apoptose der Tumorzelle induzieren oder die Angiogenese hemmen.

    Prof. H.J. Schlitt: Zudem könnte ein weiterer Effekt zum Tragen kommen. Durch die Gabe von Sirolimus können Calcineurininhibitoren wie Cyclosporin oder Tacrolimus entweder in deutlich geringeren Dosierungen gegeben oder sogar ganz abgesetzt werden. Dies ist deshalb so wichtig, weil diese beiden Immunsuppressiva das Tumorwachstum essenziell steigern.

    Ein Wort vielleicht auch zum ökonomischen Hindergrund der Studie. In der Regel entsteht das hepatozelluläre Karzinom auf dem Boden einer Leberzirrhose. Da die Inzidenz der Hepatitis C derzeit noch steigt, kann man davon ausgehen, dass die Zirrhosen und damit auch die hepatozellulären Karzinome in Westeuropa in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten noch um den Faktor drei oder vier häufiger zu beobachten sein werden. Auch aus gesundheitsökonomischer Sicht ist diese Studie also äußerst interessant.

    klinikarzt: Können Sie uns das Studiendesign der aktuellen Studie etwas genauer erläutern?

    Geissler: Insgesamt werden wir 481 Patienten, die sich aufgrund eines hepatozellulären Karzinoms einer Lebertransplantation unterziehen müssen, in zwei Studienarme randomisieren. Die Patienten der Kontrollgruppe erhalten eine Standardimmunsuppression mit Cyclosporin oder Tacrolimus, die anderen eine sirolimusbasierte Immunsuppression. Ziel ist hier, die Calcineurininhibitoren - wenn irgend möglich - ganz zu ersetzen, andere Kombinationsschemata sind natürlich möglich.

    klinikarzt: Wann werden Sie die ersten Patienten in die Studie aufnehmen?

    Geissler: In Deutschland hoffen wir, die ersten Patienten im Dezember rekrutieren zu können, da wir inzwischen die Zulassung der Studie vom Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte, dem BfArM, erhalten haben. In den anderen teilnehmenden europäischen Ländern werden wir mit der Rekrutierung der Patienten wohl erst im nächsten Jahr nach und nach beginnen können, wenn auch dort alle juristischen Hürden genommen sind.

    klinikarzt: Wie lange werden Sie die Patienten nachbeobachten?

    Geissler: Nach der Rekrutierungsphase, die wir mit zwei Jahren ansetzen, werden wir die Patienten weitere fünf Jahre lang beobachten. Dabei haben wir zwei statistische Analysen eingeplant - einmal ein Jahr und dann fünf Jahre nach dem Einschluss in die Studie.

    Schlitt: Damit decken wir die beiden Peaks in der Häufigkeitsverteilung der Rezidivsituation ab: Sehr weit fortgeschrittene hepatozelluläre Karzinome rezidivieren häufiger in den ersten beiden Jahren nach der Lebertransplantation. Bei sehr differenzierten Lebertumoren dagegen sind Rezidive eher später, nach drei, vier oder fünf Jahren, zu beobachten.

    klinikarzt: Hauptaugenmerk der Studie liegt also auf der Tumorinzidenz nach der Transplantation. Welche sekundären Endpunkte haben Sie in der Studie definiert?

    Geissler: Angefangen bei der Größe des Rezidivtumors, ein prognostischer Marker, haben wir eine ganze Reihe zusätzlicher sekundärer Endpunkte definiert. So erwarten wir zum Beispiel unter der sirolimusbasierten Therapie eine bessere Nierenfunktion als in der Kontrollgruppe, da Calcineurininhibitoren diese negativ beeinflussen können.

    Schlitt: Zudem werden wir überprüfen, wie die Verteilung von Hypertonie und Diabetes in beiden Studienarmen ist - beides Nebenwirkungen, die durch die immunsuppressive Therapie hervorgerufen werden können.

    Herr Professor Geissler, Herr Professor Schlitt, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

     
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    Hans J. Schlitt

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    Edward Geissler