Der Klinikarzt 2005; 34(12): 347
DOI: 10.1055/s-2005-925906
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Unser Traumberuf: Arzt

M. Leschke
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 January 2006 (online)

Ganz so schlimm ist es ja noch nicht bestellt mit dem Ansehen des Arztes in unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Unser Image rangiert nach Angaben der Meinungsforscher beachtlich vor Juristen, Polizisten, Lehrern und Wissenschaftlern. Im Fernsehen machen sich Arztserien gegenseitig Konkurrenz und demonstrieren uns, wie uns die Menschen immer noch sehen: als rettende Engel, Lebensretter und Helfer in schwierigsten Situationen. Offenbar haben die realen Widrigkeiten des Medizinbetriebs - sprich Praxisgebühr, „diagnosis related groups” (DRGs), „Disease-Management-Programme” (DMPs) und die bürokratischen Konsequenzen daraus, Horrormeldungen über raffgierige Mediziner und angeblich lebensbedrohliche Schludrigkeiten in Kliniken - uns offenbar bislang noch wenig von unserem Image gekostet. Wir können zufrieden sein. Doch können wir das wirklich?

Die goldenen Zeiten, in denen der Arzt rundum etwas galt, bei den Patienten und den politisch Verantwortlichen, sind vorbei. Wenn wir uns das nicht rechtzeitig bewusst machen und nicht klug gegensteuern, wird unser Image bald in den Keller absinken. Denn eigentlich ist in unserer Medizinwelt so gar nichts mehr in Ordnung. Weil die allgemeine wirtschaftliche Situation unheilbar durcheinandergeraten ist, werden uns Ärzten rigide wirtschaftliche Einschnitte aufoktroyiert. Politik und Krankenkassen wollen die Qualität unserer Arbeit mit immer weiter gehenden Qualitätssicherungsmaßnahmen anheben. Bald schmückt sich jede Klinik und Praxis stolz mit ihrer DIN-normierten Prüfplakette. Berechtigterweise ist zu fragen, ob ein solcher formalisierter Medizin-TÜV der medizinischen Versorgung dem so speziellen und fragilen Vertrauensverhältnis nicht nur ein neues Verwaltungsmonster gebiert, das den eigentlichen Auftrag des Arztes wesentlich beschädigt?

Aber klagen wir nicht nur über das, was uns Politik und Leistungsträger an Ballast aufzwingen, sprechen wir auch die grandiosen Fehler in unseren eigenen Reihen an. Es ist verständlich, dass sich die Boulevardpresse mit großer Lust auf Skandale stürzt, bei denen zum Beispiel Ärzte und Apotheker gemeinsame Sache machen und die Versicherten um Millionen betrügen.

Und denken wir daran, was es uns schaden wird, wenn wir uns nicht gegen all dies wehren. Der medizinische Fortschritt präsentiert uns täglich Innovationen mit dem wir Krankheiten früher erkennen und vielen Patienten das Überleben ermöglichen können. Doch die Begeisterung über diese High-Tech-Medizin hat ihre Schattenseiten - sie kostet Geld, viel Geld. Das GKF-Modernisierungsgesetz (GMG) zwingt jedoch zu rigorosem Sparen. Die Zweiklassenmedizin, die sich heute schon in den Medizinbetrieb uneingestanden eingeschlichen hat, wird brutale Realität. Eine weitere Seite des unkoordinierten Sparwahnsinns: In den Kliniken wird fleißig an Personal gegeizt. Diese personelle Ausdünnung, die beschämende Entlohung junger Ärzte und die Kostenbremse bei den niedergelassenen Kollegen führen zu dramatischen Konsequenzen. Frischgebackene Mediziner zieht es ins Ausland. Eigentümlicherweise herrschen dort andere ökonomische Bedingungen und der Arzt wird noch seinem Ruf und seiner Ausbildung entsprechend behandelt und bezahlt.

Trotz allem ist die Lage nicht hoffnungslos. Vieles können wir ändern. Wir müssen diversen Entwicklungen vehement und engagiert Einhalt gebieten und vernünftige Alternativen erarbeiten. Dabei ist es wichtig, dass wir zuallererst das Wohl unserer Patienten verfolgen, dass wir Ärzte endlich wieder an einem Strang ziehen, damit Krankenkassen, Politik und öffentliche Kampagnen uns nicht mehr auseinander dividieren und wir dem Ethos unseres Berufs wieder uneingeschränkt gerecht werden können.

Prof. Dr. M. Leschke

Esslingen

    >