Präambel
Präambel
Die im Folgenden von der Arbeitsgemeinschaft Muskuloskelettale Diagnostik der Deutschen
Röntgengesellschaft erarbeiteten Standardprotokolle sollen als Vorschlag für Universalprotokolle
für die jeweilige anatomische Region verstanden werden, sofern nicht eine spezielle
klinische Fragestellung, eine Sequenzfolge oder Schichtrichtung vorgegeben sind. Keinesfalls
sollen die vorgeschlagenen Protokolle bindend sein. Die Arbeitsgemeinschaft Muskuloskelettale
Diagnostik ist jedoch der Meinung, dass die empfohlenen Protokolle und Untersuchungsgrundsätze
die meisten klinischen Fragestellungen in den entsprechenden Organregionen gut abdecken
und bei ihrer Anwendung zu qualitativ hochwertigen Untersuchungen führen.
Sequenzen: Es besteht Einigkeit, dass die Basis der muskuloskelettalen MRT-Diagnostik die Anwendung
wassersensitiver Sequenzen darstellt. Hierzu ist die Elimination des Fettsignals erforderlich.
Die häufigsten Verfahren sind die relaxationszeitabhängige (STIR) und die frequenzselektive
(FS = fatsat, SPIR) Fettsignalunterdrückung.
STIR: Die STIR-Sequenz ist die Sequenz mit der höchsten Wassersensitivität. Diese wird durch
den Nachteil eines vergleichsweise schlechteren Signal-zu-Rauschverhältnisses und
somit bei vertretbaren Messzeiten mit einer schlechteren Auflösung und einer erhöhten
Schichtdicke erkauft. Die Sequenz erfordert in der Regel die zusätzliche Anwendung
einer anatomisch höher auflösenden (SE)-Sequenz.
PD FS (Protonendichte-gewichtete Sequenz mit frequenzselektiver Fettsignalunterdrückung):
Im Gegensatz zur "klassischen" Protonendichtewichtung mit kurzen Echozeiten sollte
eine auf 35- 45 ms verlängerte Echozeit eingesetzt werden. Neben der verbesserten
Wassersensitivität durch stärkere T2-Gewichtung und einem für die Gelenkdarstellung
optimalen Bildkontrast werden "magic angle"-Artefakte unterdrückt, die bei Echozeiten
oberhalb von 33-35 ms nicht mehr auftreten sollen. Mit dieser Sequenzform ist auch
ein Doppel-Echo möglich. Die Sequenzen werden als Turbo-/Fast-Spinechosequenz (TSE/FSE)
mit Echozug ausgeführt.
Auflösung: Grundsätzlich sollte in der Abklärung muskuloskelettaler Fragestellungen eine erweiterte
Matrix (320, 384, 448, 512) angestrebt werden. Ziel sollte eine Pixelgröße von £ 0,4
mm sein. Die Schichtdicke für muskuloskelettale Fragestellungen sollte 3 mm nicht
überschreiten (Ausnahme: ausgedehnte Tumoren, Pseudotumoren). Grundsätzlich ist einer
größeren Schichtlücke der Vorzug gegenüber einer größeren Schichtdicke zu geben. Da
sowohl eine Vergrößerung der Matrix als auch eine Reduktion der Schichtdicke zur Verschlechterung
des Signal-zu-Rauschverhältnisses führen, ist eine höhere Magnetfeld B0 wegen der
linearen Verbesserung der Signalausbeute mit der Magnetfeldstärke für muskuloskelettale
Untersuchungen vorteilhaft. Bei den vorgegebenen Angaben zur Auflösung handelt es
sich um Empfehlungen.
T1-Wichtung: Bei allen Knochenmarkveränderungen ist die Anfertigung einer nativen T1-gewichteten
SE-Sequenz erforderlich. Bei den meisten anderen Fragestellungen kann sie entbehrlich
sein (Ausnahmen: z.B. Knie koronar bei Tractus iliotibialis Friktionssyndrom, Knie
koronar bei früher Meniskusdegeneration/Quetschung, Schulter schräg koronar bei adhäsiver
Kapsulitis, wenn ohne KM untersucht wird, Handgelenk koronar bei Scaphoidfraktur bzw.
bei zahlreichen anderen Frakturen anderer Lokalisationen - gilt nicht für Knochenkontusionen).
T2* 2D GRE: Zweidimensionale T2*-gewichtete GRE-Sequenzen können bei speziellen Fragestellungen
hilfreich sein (z.B. zur Darstellung von Blutabbauprodukten (Hämosiderin) bei synovialen
Erkrankungen). Allgemein wird dieser Sequenztyp in der muskuloskelettalen Diagnostik
aufgrund seiner relativ geringen Pathologiesensitivität jedoch nicht mehr empfohlen.
Gadolinium (Gd) i.v.: Bei allen Sehnenerkrankungen zur Darstellung peritendinöser Veränderungen. Bei Kapsel-,
Faserknorpel- und Banderkrankungen/-verletzungen zur Darstellung von fibrovaskulärem
Gewebe. Hilfreich besonders an Fuß, Handgelenk und Schulter. Bei allen synovialen
Erkrankungen und muskuloskelettalen Tumoren.
Schultergelenk
Schultergelenk
Protokoll:
1) parakoronar T1 SE (kein GRE, Turbofaktor bis 3)
2) parakoronar wassersensitive Sequenz (PD/T2 FS oder STIR, PD FS wird der Vorzug
gegeben)
3) axial PD FS (ist T2* GRE (FLASH/MEDIC/FFE) überlegen)
4) parasagittal T2 SE (bis Mitte fossa supraspinata inkl. SSP-Muskelbauch)
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 160 mm
Anmerkungen:
Bei chronischen Beschwerden ohne Rotatorenmanschettenruptur ist eine Gd-Applikation
(T1 FS koronar, axial) hilfreich (z.B. bei adhäsiver Kapsulitis, Kalkschulter, lokalisierter
Bursitis, intrinsischem Impingement, SLAP-Läsion). In der Parasagittalebene wird T2w-Aufnahmen
wegen der besseren Darstellung von RM-Rupturen in ap-Ausdehnung der Vorzug gegenüber
T1w-Aufnahmen gegeben. Muskelvolumen und fettige Degeneration sind auch auf T2w-Aufnahmen
beurteilbar.
Instabilitäten werden am besten mittels direkter MR-Arthrographie (s.u.) untersucht
(außer unmittelbar nach Luxation, da hier Gelenkerguß/Hämartros als "natürliches"
Kontrastmittel dient). Eine "indirekte Arthrographie" verbessert das S/R-Verhältnis,
kann die direkte MR-Arthrographie aber nicht ersetzen.
MR-Arthrographie
Protokoll:
1) parakoronar T1 SE (FS)
2) axial T1 SE (FS)
3) parasagittal T1 SE
4) parakoronar PD/T2 FSE FS
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 160 mm
Anmerkungen:
Besonders bei Schulterinstabilität, Rotatorenmanschetten-Läsion, SLAP-Läsion, Pulley-Läsion.
Fettsättigung bei T1w fakultativ, zumindest in einer Ebene sollte jedoch eine Fettsignalsättigung
erfolgen. Injektion von 12-20 ml einer 1:200 mit NaCl verdünnten 0,5-molaren Gd-Lösung
intraartikulär. Alternativ kann z.B. 0,1 ml Gd in 1:10 mit Kochsalz verdünntem, nicht-ionischem
Röntgenkontrastmittel appliziert werden (ermöglicht bei Klaustrophobie eine sofortige
CT-Arthrographie).
Ellbogengelenk
Ellbogengelenk
Protokoll:
1) koronar T1 SE
2) koronar wassersensitive Sequenz (PD FSE FS, STIR)
3) axial PD FSE FS
4) fakultativ PDw FSE FS sagittal
Parameter:
Schichtdicke 2 mm, FOV 80-120 mm
Anmerkungen:
Die sagittale Ebene ist bei "rotatorischer posterolateraler Instabilität" (Z.n. Luxation)
zur Darstellung der Zentrierung (oder der dorsalen Subluxation) des Radiusköpfchens
und bei Veränderungen am Olekranon (inkl. Trizepssehenveränderungen) von Bedeutung.
Eine Kontrastmittelgabe kann bei Epikondylitis und seltenen Überlastungssyndromen
hilfreich sein.
Handgelenk
Handgelenk
Protokoll:
1) koronar T1 SE
2) koronar wassersensitive Sequenz (PD FSE FS, STIR)
3) axial PD FSE FS
4) fakultativ PDw FSE FS sagittal
Parameter:
Schichtdicke 2 mm, FOV 80-120 mm
Anmerkungen:
Falls kein akutes Trauma vorliegt, können koronare und axiale T1w FS-Aufnahmen nach
Gd-Applikation zur Darstellung einer pathologischen Vaskularisation der Kapsel und
der intrinsischen Bänder hilfreich sein. Bei Osteonekrose des Lunatum nach Gd-Applikation
statt axialen Aufnahmen sagittale Aufnahmen. GRE-Sequenzen sind zur Beurteilung des
Discus articularis nicht hilfreich. Sagittale Sequenzen sollten bei Lunatumnekrose,
dist. Radiusfraktur, Scaphoidfraktur, Instabilität eingesetzt werden und können in
der Diskus-Diagnostik hilfreich sein (cave: Gefahr der fehlerhaften Diagnose einer
DISI-Instabilität bei Ulnarabduktion des HG während der Untersuchung).
MR-Arthrographie
Protokoll:
1) koronar T1 SE FS
2) sagittal T1 SE
3) axial T1 SE FS
4) koronar PD o. T2 FSE FS
Parameter:
Schichtdicke 2 mm, FOV 80-120 mm
Anmerkungen:
Besonders bei Läsionen des Discus articularis und bei Läsionen der intrinsischen HG-Bänder.
Hüftgelenk
Hüftgelenk
Protokoll:
1) koronar T1 SE
2) koronar wassersensitive Sequenz (PD FS oder STIR)
3) axial PD FS
4) sagittal PD FS, ggf. T2* GRE
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 160-180 mm (einzelne Hüfte) bzw. < 450 mm (bd. Hüften)
Anmerkungen:
Das Hüftgelenk muss nicht grundsätzlich im Seitenvergleich untersucht werden (kleineres
FoV möglich). Bei Labrumläsionen, adhäsiver Kapsulitis, Bursitis trochanterica etc.
kann Gd hilfreich sein (T1 FS koronar, axial). Der Ausschluss bzw. die Untersuchung
einer Hüftkopfnekrose erfordert nicht obligat eine Gd-Applikation.
MR-Arthrographie
Protokoll:
1) axial T1 SE (FS)
2) parakoronar T1 SE (FS)
3) parasagittal T1 SE (FS)
4) parakoronar PD FSE FS bzw. sternförmig senkrecht auf den Pfannenrand. Bezugsebene
ist die Pfanneneingangsebene.
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 160-180 mm
Anmerkungen:
Besonders bei Labrumläsionen, freien Gelenkkörpern, Osteochondrosis dissecans, Knorpelschaden,
femoroazetabulärem Impingement. Fettsignalsuppression bei T1w-Aufnahmen fakultativ.
Kniegelenk
Kniegelenk
Protokoll:
1) koronar oder sagittal T1 SE
2) koronar PD FSE FS
3) sagittal PD FSE FS
4) axial PD FSE FS
Parameter:
FOV 160 mm, Schichtdicke 3 mm (2D) bzw. 1,5 mm (3D)
Anmerkungen:
"Knorpelsequenzen" fakultativ: sagittal T1w 3D SPGR/FLASH/FFE FS/WE o. z.B. 3D DESS
WE. Die koronare oder sagittale T1w-Sequenz ist ggf. verzichtbar (siehe Präambel).
STIR kann sehr diskrete Überlastungsödeme ggf. sensitiver als PD FS darstellen. Doppelt
angulierte Sequenzen für das VKB sind nur in seltenen, unklaren Fällen hilfreich.
Für die Meniskusdiagnostik sind PD SE-Sequenzen ohne FS mit 1,8-2,0 mm Schichtdicke
vorteihaft (z.B. Ersatz der sagittalen PD FS durch PD 2 mm). Gd-Applikation am Kniegelenk
nur bei seltenen, speziellen Fragestellungen hilfreich.
MR-Arthrographie
Protokoll:
1) sagittal T1 SE (FS)
2) koronar T1 SE (FS)
3) axial T1 SE (FS)
4) sagittal PD FSE FS
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 160-180 mm
Anmerkungen:
z.B. bei postoperativem Meniskus, Knorpelläsionen, Stabilitätsdiagnostik bei Osteochondrosis
dissecans. Fettsignalsuppression bei T1w-Aufnahmen fakultativ.
OSG
OSG
Protokoll:
1) koronar T1 SE
2) koronar wassersensitive Sequenz (PD FSE FS, STIR)
3) sagittal PD FSE FS
4) axial T2 FSE
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 120-160 mm
MR-Arthrographie
Protokoll:
1) koronar T1 SE (FS)
2) sagittal T1 SE (FS)
3) axial T1 SE (FS)
4) koronar/sagittal PD/T2 FSE FS
Parameter:
Schichtdicke 3 mm, FOV 120-160 mm
Anmerkungen:
Seltene Indikation; Osteochondrosis dissecans zur Stabilitätsprüfung, freie Gelenkkörper.
Fettsignalsuppression bei T1w-Aufnahmen fakultativ.
Knochen-/Weichteiltumor
Knochen-/Weichteiltumor
Protokoll:
1) koronar oder sagittal T1 SE
2) axial T2 FSE FS (Knochentumor) axial T2 FSE (Weichteiltumor)
3) sagittal oder koronar T1 SE n. Gd (gleiche Ebene wie nativ)
4) axial T1 SE FS n. Gd
Parameter:
FOV angepasst, Schichtdicke angepasst
Anmerkungen:
Spulenwahl nach Lokalisation und Ausdehnung des Tumors (Röntgenbild obligat!). Bei
Osteo- und Ewing-Sarkom zunächst koronar T1 SE über gesamten tumortragenden Knochen
(Bodyspule, Body-Phased-Array-Spule) zum Ausschluss/Nachweis von "Skip"-Läsionen,
dann möglichst auf höher auflösende Spule wechseln und nach oben aufgeführtem Protokoll
untersuchen.
Wirbelsäule
Wirbelsäule
Protokoll:
1) sagittal T1 SE/FSE
2) sagittal T2 FSE
3) sagittal STIR-FSE
4) axial T2* GRE (HWS) bzw. T2 FSE (BWS, LWS)
Parameter:
FOV angepasst, Schichtdicke 3-4 mm
Bemerkung:
Gd-Applikation (T1 FS sagittal, axial) bei Spondylodiszitis, bei erosiv verlaufender
Osteochondrose, wenn Wurzelirritation durch fibrovaskuläres Gewebe vermutet wird,
bei Tumorbefall bei V.a. extraossäre Tumorkomponente oder V.a. diffusen Befall sowie
generell postoperativ. Koronare Aufnahmen können helfen, Übergangsanomalien zu erkennen
und stellen Bandscheibenvorfälle/Sequester gut in kraniokaudaler Ausdehnung dar (Sequenz:
z.B. PDw FSE). Durch eine koronare STIR-Sequenz kann ISG-Pathologie miterfasst werden.
Axiale T1w-Sequenz nur als zusätzliche Sequenz bei unklaren Fällen, nicht als primäre
axiale Schichtung. Auf die STIR-Sequenz sollte nicht verzichtet werden, da sie aktivierte
Spondylarthrosen, Frakturen, erosive Osteochondrosen, etc. erfasst.