Rofo 2006; 178(1): 132-133
DOI: 10.1055/s-2005-926174
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Interventionell-radiologische Verfahren sind für Angiologen fachfremd

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge

Münster/Westf.

URL: http://www.ra-wigge.de

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Publication Date:
04 January 2006 (online)

 
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Anmerkungen zum Urteil des LSG NRW vom 11. Mai 2005, Az: L 11 KA 130/03

Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juli 2004 (Az.: BvR 1127/01) zur fehlenden Abrechnungsbefugnis von Orthopäden und anderen nichtradiologischen Facharztgebieten im Bereich MRT in der GKV ist das Bewusstsein bei den Sozialgerichten für die ausschließliche Zuordnung radiologischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum Fachgebiet der Radiologie gestiegen. Andererseits sind in der stationären und ambulanten Versorgung zunehmend Tendenzen von Kardiologen und Angiologen erkennbar auf den Kernbereich radiologischer Methoden zuzugreifen.

Das Landessozialgericht NRW hat nun in einer Entscheidung vom 11. Mai 2005 eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die selbstständige und eigenverantwortliche Durchführung eines interventionell-radiologischen Verfahrens durch Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie aufgrund der Fachfremdheit dieser Leistung für das Fachgebiet Innere Medizin abgelehnt. Interventionell-radiologische Verfahren sind danach nicht dem Gebiet der Angiologie zuzuordnen, sondern ausschließlich dem Gebiet der Radiologie.

Als rechtliche Grundlage zur Prüfung der Fachgebietsfremdheit hat das Landessozialgericht § 41 Abs. 1 Alt. 1 des nordrhein-westfälischen Heilberufsgesetzes (HeilberG NRW) herangezogen, wonach derjenige, der eine Fachgebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem Gebiet, dessen Bezeichnung er führt, tätig werden darf. Zur weiteren Konkretisierung des Merkmals der Fachfremdheit hat das Gericht auf die maßgebliche Weiterbildungsordnung der Ärztekammer abgestellt, in welcher die verschiedenen Kenntnisse und Erfahrungen der einzelnen Fachrichtungen aufgezählt werden. Eine solche Begrenzung der Facharzttätigkeit anhand des Merkmals der Fachfremdheit ist nach Auffassung des Landessozialgerichts nicht verfassungswidrig oder gar willkürlich.

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Sachverhalt

In dem der Entscheidung des LSG NRW zugrunde liegenden Fall bestand zwischen dem Kläger, einem Facharzt für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Kardiologie und Angiologie, und der Beklagten, einer Kassenärztlichen Vereinigung, Streit darüber, ob der Kläger berechtigt ist, Leistungen des interventionell-radiologischen Verfahrens nach den Ziffern 5100 und 5103 des EBM zu erbringen und abzurechnen.

Der Kläger ist in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Im April 1997 beantragte er bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Leistung im Rahmen des ambulanten Operierens "perkutane, transluminale Dilatation und Rekanalisation der Arterien mit Ausnahme der Koronararterien, einschließlich der Kontrastmitteleinbringung und Durchleuchtung während des Eingriffs (PTA)". Er gab an, im Rahmen der Weiterbildung zum Schwerpunkt Angiologie im Herzzentrum Duisburg die selbstständige Durchführung interventioneller angiologischer Eingriffe erlernt zu haben. Seit seiner Tätigkeit als Oberarzt in einem Krankenhaus habe der Kläger im Rahmen des ambulanten Operieren PTAs ambulant durchgeführt. Die derzeitige Frequenz liege bei zwei Eingriffen wöchentlich mit steigender Tendenz. Darüber hinaus sei der Kläger auch im kardiologischen Bereich diagnostisch angiographisch und interventionell tätig gewesen.

In einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein teilte diese mit, der Vorstand habe in seiner Sitzung vom 4. Februar 1998 einstimmig entschieden, dass für Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Angiologie die Erbringung von interventionell-radiologischen Leistungen nach den streitigen EBM-Ziffern fachfremd sei, da nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein (WBO) 1994 eingehende Kenntnisse und Erfahrungen nur in der "Indikationsstellung zu operativen und interventionellen radiologischen Eingriffen" für die Angiologie aufgeführt würden. Darauf gestützt lehnte die Beklagte im April 1998 den Antrag des Klägers ab. Der Kläger legte hiergegen erfolglos Widerspruch ein. Im November 1998 erhob er Feststellungsklage bei dem zuständigen Sozialgericht, die letztlich erfolglos blieb.

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Entscheidungsgründe

Das LSG hält die Klage für unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch habe, die den streitigen Gebührenziffern zugrunde liegenden Leistungen selbstständig und eigenverantwortlich zu erbringen, denn diese Leistungen seien für den Kläger fachfremd und somit nicht abrechnungsfähig.

Die gesamte Beurteilung der streitigen Frage stützt das Landessozialgericht auf das Merkmal der Fachfremdheit. Die Frage, wann eine Leistung fachfremd sei, richte sich nach dem ärztlichen Berufsrecht sowie den sich aus der in der Weiterbildungsordnung (WBO) definierten Inhalten der Fachgebietsbezeichnungen.

Hiernach sollen alle Leistungen, die nach der WBO nicht zur Fachgebietsbezeichnung des Klägers gehören, für ihn fachfremd sein. In dieser Begrenzung der Facharzttätigkeit sieht das Landessozialgericht, unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG, keinen Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit. Es handele sich hierbei um eine Begrenzung der Berufsausübungsfreiheit in einer zulässigen Art und Weise. Zum einen beruhe sie auf vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls, wobei hierzu die Qualitätssicherung der vertragsärztlichen Versorgung angeführt wird. Zum anderen sei eine Abgrenzung auch aus fachlich-medizinischen Gesichtspunkten als sachgerecht zu beurteilen. Insbesondere gewährleiste Art. 12 GG nicht notwendig, dass das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung alle medizinisch zulässigen und erfolgreichen Leistungsangebote erfasst.

Als rechtliche Grundlage für die Prüfung der Fachfremdheit zog das Landessozialgericht § 41 Abs. 1 Alternative 1 HeilBerG NRW heran. Nach dieser Vorschrift darf, wer eine Fachgebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem Gebiet, dessen Bezeichnung er führt, tätig werden. Der Kläger führt die Fachgebietsbezeichnung Internist mit Schwerpunkt Angiologie und Kardiologie. Nach der Weiterbildungsordnung der Beklagten sei unter Ziffer 15. C.1. zum Schwerpunkt der Angiologie ein interventionelles radiologisches Verfahren wie die PTA nicht aufgeführt. Hierzu führt der Senat weiter aus, dass demgegenüber zum Inhalt und Ziel der Weiterbildung im Bereich der diagnostischen Radiologie nach Ziffer 8 der Weiterbildungsordnung der Erwerb eingehender Kenntnisse und Erfahrungen und Fertigkeiten in den interventionellen radiologischen Verfahren in Zusammenarbeit mit den für das Grundleiden zuständigen Ärzten gehöre. Hieraus schließt das LSG die Fachfremdheit der PTA für das Fachgebiet der Inneren Medizin einschließlich des Schwerpunktes der Angiologie.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nach Ansicht des LSG NRW sich auch nicht aus der auf dem 106. Deutschen Ärztetag im Mai 2003 verabschiedeten Musterweiterbildungsordnung (MWO-Ä). Zwar ist in dieser unter Ziffer 12.2 für die Fachärzte der Inneren Medizin und dem Schwerpunkt Angiologie als Weiterbildungsinhalt der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten in der Mitwirkung und therapeutischer Katheterinterventionen z.B. der PTA festgeschrieben, doch diese Vorschrift greife im vorliegenden Fall aus zweierlei Gründen nicht ein.

Zum einen richte der Kläger sein Begehren darauf, die streitige Leistung selbstständig und eigenverantwortlich zu erbringen, die MWO-Ä sehe jedoch lediglich die Mitwirkung des Facharztes für Innere Medizin für eine Leistungserbringung vor. Hieraus ergebe sich bereits rein sprachlich kein Anspruch auf alleinige Leistungserbringung. Zum anderen sei die Musterweiterbildungsordnung im Bereich der Beklagten noch nicht umgesetzt worden, so dass die bisher gültige Fassung weiterhin zugrunde zu legen sei.

Das Gericht stellt darüber hinaus fest, dass es sich bei der MWO-Ä nicht um eine willkürliche Regelung handele. Denn nach den Ermittlungen des Senats durch Befragung der jeweiligen Ärztekammern habe sich herausgestellt, dass im Bereich der 15 befragten Ärztekammern lediglich in drei Fällen (Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) eine Zuordnung zu zwei Fachgebieten bestünde. Auch die Befragung der Weiterbildungseinrichtung Nordrhein habe ergeben, dass im Rahmen der durchgeführten Weiterbildungen für den Schwerpunkt Angiologie die Erlernung der selbstständigen Durchführung der PTA in der Praxis sehr uneinheitlich erfolge.

Darüber hinaus sei für die Bestimmung der Fachfremdheit und der Bestimmung des Fachgebiets auch nicht die persönliche Qualifikation des Klägers ausschlaggebend, sondern allein eine generelle Betrachtung anhand der Weiterbildungsordnung. Ebenso sei der Umstand, dass die Beklagte bereits zwei Ärzten eine entsprechende Genehmigung erteilt habe unerheblich, denn die Frage der Erteilung einer Genehmigung ist eine Einzelfallentscheidung so dass der Kläger insbesondere keine Gleichheit im Unrecht für sich ableiten könne. Das LSG ließ eine Revision gegen seine Entscheidung zum Bundessozialgericht nicht zu.

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Fazit

Nach der Entscheidung des LSG NRW, die im Einklang mit der Rechtssprechung des BSG zur Fachgebietsfremdheit steht, bleibt festzuhalten, dass die selbstständige und eigenverantwortliche Durchführung von interventionell-radiologischen Verfahren grundsätzlich nicht zum Fachgebiet der Angiologie gehört. Eine solche Begrenzung auf das jeweilige Fachgebiet des Arztes verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Alleiniger Beurteilungsmaßstab für die Frage der Fachfremdheit sind die Regelungen der Weiterbildungsordnung, anhand dieser eine generelle Beurteilung der Fachfremdheit zu erfolgen hat. Auf den konkreten Einzelfall und besondere Fähigkeiten des Arztes kommt es hierbei hingegen nicht an. Soweit in der GKV darüber hinausgehende Qualitätsanforderungen zu erfüllen sind, wie etwa nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V, sind auch bei einer etwaigen Fachgebietskonformität zusätzlich deren Anforderungen zu erfüllen.

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge

Münster/Westf.

URL: http://www.ra-wigge.de

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