Trotz der Vorgaben der St.-Vincent-Deklaration von 1989, die eine Reduktion der Amputationsrate
um 50% innerhalb von fünf Jahren forderte, ist die in Deutschland nach wie vor große
Zahl von 28000 Amputationen pro Jahr aufgrund eines diabetischen Fußsyndroms (DFS)
ein hochrelevantes Problem ([16]). Neben der frühzeitigen, adäquaten antibiotischen Therapie zählen die optimale
Einstellung des Diabetes mellitus und die chirurgische Versorgung, angefangen von
der Entlastung über das chirurgische Debridément und die Abszessdrainage bis hin zur
Revaskularisierung, zu den wichtigsten therapeutischen Strategien zur Behandlung des
diabetischen Fußsyndroms ([14]). Dabei ist nicht nur die akute Heilung das Ziel, sondern auch die Verhinderung
der Chronifizierung der diabetischen Fußwunde.
Polymikrobielle Infektionen mit Betonung auf grampositiven Erregern
Polymikrobielle Infektionen mit Betonung auf grampositiven Erregern
Obwohl die meisten Infektionen, besonders die tiefen, chronischen und im Krankenhaus
erworbenen, meistens aerob-anaerobe polymikrobielle Infektionen sind, spielen vor
allem grampositive Erreger mit einem Verhältnis von 3:1 zu gramnegativen Infektionen
eine entscheidende Rolle. Bei etwa 70% aller positiven Kulturen werden grampositive
Bakterien gefunden, die wichtigsten Keime dabei sind Staphylococcus aureus (42%),
gefolgt von Enterococcus faecalis (29%) und betahämolysierenden Streptokokken ([4]).
Unabhängig davon, ob akute, leichte bis mittelschwere oder auch chronische, polymikrobiell
verursachte Infektionen vorliegen, kommt der Auswahl der geeigneten Antibiotika zur
empirischen Therapie der Infektionen im Rahmen des diabetischen Fußsyndroms eine entscheidende
Bedeutung zu. Da grampositive Erreger in der Regel dominieren, sollten auch die eingesetzten
antimikrobiellen Wirkstoffe den grampositiven Bereich gut abdecken. Besonders wichtig
ist dabei die Wirksamkeit gegen Staphylokokken ([9], [10]).
Was empfiehlt die Paul-Ehrlich-Gesellschaft?
Was empfiehlt die Paul-Ehrlich-Gesellschaft?
Nach aktuellen Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) kommt für diese Indikation
an erster Stelle die Kombination von Aminopenicillin mit einem Betalaktamaseinhibitor
(z.B. Ampicillin/ Sulbactam) infrage ([17]). Ampicillin in Kombination mit Sulbactam ist antimikrobiell wirksam gegen grampositive
und gramnegative aerobe und anaerobe Erreger. Somit deckt diese Kombination fast das
gesamte Spektrum der möglichen Pathogene ab. Außerdem existieren mit dieser gut verträglichen
Substanz auch die meisten klinischen Erfahrungen und die größte Evidenz. Auch bei
schwersten DFS-Infektionen ist diese Antibiotikakombination vergleichbar effektiv
wie das Carbapenem-Antibiotikum Imipenem - allerdings bei einer um 30% größeren Kosteneffektivität
([6], [12]).
Vorsicht vor Resistenzen
Vorsicht vor Resistenzen
Aufgrund des chronischen Verlaufs dieser Infektionen beim diabetischen Fuß und der
häufigen antibiotischen Vorbehandlungen spielt die Resistenz der Keime eine immer
größere Rolle. Inzwischen findet sich bei 30-40% aller Staphylococcus-aureus-Stämme
eine Methicillinresistenz (MRSA). Infektionen mit diesen resistenten Erregern benötigen
deutlich längere Heilungszeiten, sind mit höheren Komplikationsraten verbunden und
verbrauchen daher auch größere finanzielle Ressourcen als Infektionen mit methicillinsensiblen
Keimen ([1], [15]).
Immer häufiger werden aufgrund der inzwischen hohen Resistenzraten auch im Rahmen
der Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms empirisch Antibiotika eingesetzt, die
gegen resistente grampositive Erreger (v.a. MRSA) wirken. Ausgehend von immer noch
geringer Prävalenz methicillinresistenter Staphylococcus-aureus-Stämme mit verminderter
Empfindlichkeit gegenüber Vancomycin ist rein aus mikrobiologischer Sicht die Therapie
mit Vancomycin im Falle einer MRSA-Infektion zu erwägen.
Klinische und pharmakologische Aspekte ebenfalls bedenken
Klinische und pharmakologische Aspekte ebenfalls bedenken
Nicht nur mikrobiologische Gesichtspunkte, auch andere klinische und pharmakologische
Aspekte sollten jedoch bei der Auswahl der geeigneten Chemotherapeutika mit einfließen.
Außer der Verträglichkeit des Antibiotikums spielen hier auch eine eventuell notwendige
Dosisanpassung bei Organinsuffizienz - besonders relevant ist dies bei diabetisch
bedingter Niereninsuffizienz - oder ein unumgängliches therapeutisches Drug-Monitoring
als limitierende Faktoren eine Rolle.
Etwa 40% der Patienten erreichen laut Studiendaten unter der Standarddosis von Vancomycin
(2 x 1 g) keine wirksamen Plasmaspiegel ([5]). Da Vancomycin relativ schlecht in das Gewebe penetriert (v.a. wegen seiner Molekülgröße),
ist davon auszugehen, dass im entzündeten DFS-Gewebe deutlich geringere Vancomycin-Konzentrationen
erreicht werden als für die mikrobiologische Eradikation notwendig sind. Dies wiederum
kann ein Grund für die häufige klinische Erfahrung sein, dass trotz scheinbar adäquater
Dosierung und ausreichender Empfindlichkeit des Erregers in vitro die klinische Besserung
ausbleibt ([7]). Denn ein antimikrobieller Effekt kann nur dann eintreten, wenn die Konzentration
des Wirkstoffs im jeweiligen Kompartiment mindestens die minimale Hemmkonzentration
(MHK) des Erregers erreicht.
Hohe Gewebepenetration ist eine wertvolle Eigenschaft
Hohe Gewebepenetration ist eine wertvolle Eigenschaft
Das entzündete Gewebe des diabetischen Fußes wiederum gehört zu den schwer erreichbaren
Kompartimenten, da in der Regel Penetrationsschranken (Nekrosen, Ödeme, Abszesse,
fibrotische Prozesse) vorliegen. Aber auch die häufig vorkommende periphere arterielle
Verschlusskrankheit (pAVK) mit eingeschränkter Hämoperfusion erschwert die Gewebepenetration.
Daher erfordert die Wahl des Antibiotikums ganz besonders die Kenntnis seiner Verteilungs-
und Penetrationsfähigkeit.
Von den gegen Staphylokokken wirksamen Substanzen weisen die Fluorchinolone der Gruppe
3 und 4, Fosfomycin sowie Clindamycin, eine gute Penetration in die Haut und Weichteile
auf ([3], [8]). Da jedoch wie erwähnt die klinische Bedeutung der MRSA-Infektionen beim diabetischen
Fuß zunimmt, rücken neue Wirkstoffe mit einem geeigneten Wirkungsspektrum für diese
Indikation, wie zum Beispiel Linezolid als erster Vertreter der Oxazolidinone, in
den Fokus.
Gute Heilungsraten unter Linezolid
Gute Heilungsraten unter Linezolid
Linezolid hat sich im Rahmen mehrerer klinischer Studien sowohl bei ambulant erworbenen
als auch bei nosokomialen Weichteilinfektionen im Vergleich zu den bisher üblichen
Antibiotika als effektives Therapeutikum erwiesen ([11], [13], [18]). In der bisher größten publizierten prospektiven, randomisierten, multizentrischen
Studie zur Antibiotikatherapie beim diabetischen Fußsyndrom - beteiligt waren 30 Zentren
in den USA, 15 in Europa - erhielten 371 Patienten mit Infektionen im Rahmen des diabetischen
Fußsyndroms nach mittlerer Behandlungsdauer von 17 ± 8 Tagen entweder Linezolid (600
mg/12 h p.o. oder i.v.) oder eine Kombinationstherapie aus Aminopenicillin und Betalaktamaseinhibitor
(A/BI), Ampicillin/ Sulbactam (1,5-3 g/6 h i.v.) und Amoxicillin/Clavulansäure (500-875
mg/ 8-12 h p.o.) ([11]). Bei der Mehrheit der Patienten wurden Staphylococcus aureus und andere grampositive
Kokken nachgewiesen.
Die klinische Heilung war bei Patienten mit infizierten DFS-Ulzera unter Linezolid
signifikant höher als bei Patienten, die mit A/BI-Kombination behandelt wurden (81
versus 68%). Bei tiefen Infektionen mit Osteomyelitis war das Oxazolidinon der Therapie
mit Ampicillin/Sulbactam geringfügig unterlegen (61 versus 69%).
Auch Patienten mit komplizierten MRSA-Weichteilinfektionen profitieren von der Therapie
mit Linezolid: So beobachteten Weigelt et al. im Vergleich zu den mit Vancomycin behandelten
Patienten (66,9%) die klinische Heilung in der Linezolid-Gruppe bei 88,6% ([18]).
Diese gute klinische Wirksamkeit des Oxazolidinons bei dieser Indikation ist zum Teil
auf die gute Gewebepenetration von Linezolid zurückzuführen. Das kleine Molekül weist
nur eine geringe Plasmaproteinbindung (31%), aber ein hohes Verteilungsvolumen sowie
günstige, amphiphile physikochemische Eigenschaften (teils hydrophob, teils hydrophil)
auf - all dies sind gute Voraussetzungen für die Aufnahme auch in die sonst schwer
erreichbaren Kompartimente des diabetischen Fußes. Die bei Gesunden gemessenen Linezolid-Konzentrationen
im Weichteilgewebe lagen oberhalb der minimalen Hemmkonzentrationen der empfindlichen
Erreger ([2]).
Fazit
Fazit
Bei Patienten mit hohem Risiko einer Infektion mit resistenten grampositiven Erregern
wie MRSA oder vancomycinresistenten Enterokokken (chronische DFS-Infektionen, häufige
antibiotische Vorbehandlungen, MRSA oder MRSE in der Anamnese) ist Linezolid mit seiner
hohen Penetration in entzündetes perinekrotisches DFS-Gewebe aus pharmakologischer,
mikrobiologisch-pharmakokinetischer Sicht eine wertvolle therapeutische Option. Besteht
eine polymikrobielle Besiedlung ist eine Kombination mit einem gramnegativ wirksamen
Antibiotikum, optimal mit Pseudomonas-Wirksamkeit (z.B. Ceftazidim, Aztreonam), sinnvoll.
Dr. Jolanta Majcher-Peszynska, Prof. B. Drewelow, Rostock