Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66: Q2-Q4
DOI: 10.1055/s-2006-924525
Vorwort

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vorwort

D. Wallwiener für die Herausgeber
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Prof. Dr. med. D. Wallwiener

Universitäts-Frauenklinik

Calwerstraße 7

72076 Tübingen

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Publication Date:
15 September 2006 (online)

Table of Contents

    Was das Produkthaftungsgesetz für die Qualitätssicherung in Wirtschafts- und Industriebereichen ist, das ist die vertragsmäßige Pflicht zur Garantie einer fachgerechten und dem Stand der Technik und der Wissenschaft entsprechenden Ausübung der ärztlichen Tätigkeit.

    Dies gilt umso mehr für im forensischen Bereich als sog. „Neuland-Operationen“ (Laubs) eingestufte Operationstechniken wie z. B. endoskopische Verfahren. Hier sollten als Evaluationskriterien die „Irrtümer“ nach GRIMES und die Aussagekraft wissenschaftlicher Ergebnisse nach OWEN Beachtung finden.

    Das Schlagwort Qualitätssicherung hat immer mehr in alle Bereiche des Lebens Einzug gefunden. In Wirtschafts- und Industriebereichen sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Qualitätsgarantie schon immer eine Selbstverständlichkeit gewesen, die die Existenz und den Fortbestand von Betrieben sichern sollen. Für Herstellungs- und Warenproduktionsbereiche gelten hier klare rechtliche Grundlagen, die über die Produkthaftung im Produkthaftungsgesetz verankert sind. Für den Bereich der medizinischen Dienstleistung besteht jedoch keine klare rechtliche Abgrenzung. Der Begriff der Qualitätssicherung ist vielmehr über die Garantie einer vertragsmäßigen Qualität eingeordnet. Die vertragsmäßige Qualitätssicherung ist jeweils auf den individuellen Behandlungsfall abgestimmt und daher nicht in den rechtlichen Vorschriften allgemein abgesichert.

    Aus dem vertragsrechtlichen Begriff der Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Schadensersatzansprüche bildet sich die Brücke aus Gewährleistung und Qualitätssicherung des medizinischen Eingriffes unter Berücksichtigung des bestehenden Haftungspotenzials. Gefordert wird daher allgemein, dass ein Eingriff fachgerecht durchgeführt wird und dem Stand der Wissenschaft und der Technik entspricht. Unterstützende Maßnahmen werden hier durch die standespolitischen Organisationen gegeben, die durch ihre entsprechenden Richtlinien den Stand der Wissenschaft und der Technik abstimmen können.

    Verankert ist die Qualitätssicherung als eine zentrale Norm in der Musterberufsordnung § 5 für Ärzte. Daher ist die Qualitätssicherung nicht nur unter haftungsrechtlichen Ansprüchen und vertragsärztlichen Vertragsgarantien zu verstehen, sondern Qualitätssicherung stellt eine ureigene ärztliche Aufgabe zum Wohle des Patienten und zur Garantie von Aus- und Weiterbildung dar.

    Mit der Neuregelung des Sozialgesetzbuches findet die Regelung der Qualitätssicherung in den §§ 137 ff. eine weitere Absicherung. Hier wird die Entwicklung von Programmen zur Absicherung der Qualität durch Zusammenschluss der Bundesärztekammer, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaften in einem Rahmenvertrag geregelt.

    Die Lösungsschritte zur Qualitätssicherung gehen in der Gynäkologie aus verschiedenen Initiativen hervor. Während für die geburtshilflichen Bereiche bereits seit Jahren Qualitätssicherungen im Bereich der Perinatalerhebung durchgeführt werden, gewinnen für den Bereich der operativen Gynäkologie diese Ansätze erst in jüngster Vergangenheit zunehmend an Bedeutung. Zum einen bestehen durch die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Rahmen von Pilotstudien zur Qualitätserfassung wie durch die OBgyn-Erhebung erste Schritte. Ergänzt werden derartige Evaluationen durch Initiativen aus den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) heraus, z. B. der bundesweiten Erfassung von Komplikationen für die Hysteroskopie und Laparoskopie der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie (AGE) der DGGG.

    Qualitätssicherung ist jedoch nicht mit Fehlersuche im Endergebnis gleichzusetzen, sondern umfasst eine Qualitätskette aller Organisationsabläufe von Diagnostik über Indikationsstellung und Aufklärung bis hin zu Operation und Nachbetreuung.

    Ein wichtiges Kernstück ist die Bildung von Qualitätsketten. Diese Qualitätsketten sind die Basis für die Umsetzung einer umfassenden Qualitätssicherung im Sinne eines Total Quality Managements. Diese beiden Ansätze, d. h. Qualitätsketten und TQM-Modell, fließen dann in eine Endlosspirale zur Verbesserung ein. Unterstützt werden die qualitätssichernden Maßnahmen dabei durch Informationstechnologien. Für diesen Bereich als auch für das Gebiet der Perinatalerhebung sind die Arbeiten von Selbmann, Tübingen, wegweisend gewesen.

    Die Qualitätsgewährleistung für einen fachgerechten Eingriff mit einem entsprechenden Heilerfolg ist nicht allein abhängig von der Durchführung des Eingriffes selbst. Beginnend mit dem medizinischen Problem eines Patienten schließt sich eine ganze Ketten von Organisationsabläufen an, bis es letztlich zur Durchführung eines operativen Eingriffes kommt.

    Mit Beginn der Patientenaufnahme und ‐vorstellung über die präoperative Diagnostik und über die Aufklärung bildet jedes Glied eine Kette und nur durch Absicherung der optimalen Qualität kann das fachgerechte Ergebnis garantiert werden. Das heißt - bildlich gesprochen -, reißt die Kette der Qualitätssicherung in einem der Glieder, so ist die Gewährleistung im Endergebnis gefährdet.

    Zur Sicherung der Kette müssen sämtliche Organisationsabläufe ummantelt werden, um so der Kette von Organisationsabläufen eine weitere Stabilität zu verleihen. Durch diesen bildlichen Vergleich wird die Notwendigkeit sehr anschaulich verdeutlicht. Die Ummantelung der Qualitätskette wird durch weitere verschiedene Unterpunkte gewährleistet.

    Um Qualität nicht nur zu sichern, sondern auch zu steigern und die Techniken der durchzuführenden Operationen stetig anzupassen und zu verbessern, müssen die Maßnahmen der Qualitätssicherung in den einzelnen Zentren in eine Endlosspirale der Verbesserung einfließen. Trainierte Eingriffe unterliegen dabei der Qualitätskontrolle, die zu einer unmittelbaren Korrektur und Verbesserung führen und nach Evaluation wiederum in Leitlinien und Empfehlungen zur Ummantelung der Qualitätsketten einmünden. Durch die Weiterentwicklung der Leitlinien erfolgt wie in einer Spirale ein stetiges Verbessern durch erneutes Training und erneute Qualitätskontrolle.

    Eine Unterstützung können diese Maßnahmen durch Ausnützung von Informationstechnologie entwickeln. Die erste Stufe erfordert hierbei die Beschreibung der Qualität, wobei hier bei Datenerhebung, Dokumentation und Kommunikation die Verwendung von Informationstechnologien unvermeidbar sind. Unterstützt werden die Datenerhebungen hier durch Interaktion der einzelnen Zentren und Erhebung der Daten. Der zweite Schritt weist auf die Erstellung von Routineinformationen über die Qualität und auf die Präsentation von Qualität mit Arzt- und Zeitbezug im Sinne eines Medical Controlling auf. Den dritten Unterpunkt zur Beschreibung der Qualität stellen externe Vergleiche dar durch Entwicklung von Klinikprofilen und Bildung von klinikadaptierten Referenzbereichen.

    Auch bei der Analyse und Verbesserung der Qualität stellen Informationstechnologien eine wichtige Grundlage dar. Sie helfen beim Erkennen von Auffälligkeiten durch die Erstellung von Trendanalysen und Suchen nach statistisch erkennbaren Gründen für Auffälligkeiten und spielen auch im Bereich der Beratung eine wichtige Rolle. Hier sei insbesondere auf das Anfragen von Wissensbanken und auf die Überwachung der Einhaltung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie hingewiesen. Bei der Durchführung von Qualitätsprojekten können durch problemorientierte Arbeiten der Qualitätszirkel unterstützende begleitende Maßnahmen entwickelt werden. Wichtig ist hier das Follow-up von Spätergebnissen und Patientenerfahrung zur Durchführung von Vorher/Nachher-Vergleichen.

    Komplexere statistische Auswertungen wie z. B. prognostische Modelle geben hier wesentliche Informationen zur Verbesserung von Leitlinien und qualitätssichernden Maßnahmen. Einen wesentlichen Anteil stellen hierbei die Erstellung regelmäßiger Qualitätsberichte, die transparent die Bestandteile des umfassenden Qualitätsmanagements darlegen können.

    Über die Entwicklung eines umfassenden Qualitätsmanagements durch Bildung von Qualitätsketten, Einfließen in die Verbesserungsspirale unter Zuhilfenahme der modernen Informationstechnologien sollte die Entwicklung der Qualität eine Zunahme erfahren.

    Durch Kommunikation, rasches Erfassen von Veränderungen und durch Transparenz muss die ständige Überarbeitung der einzelnen Schritte innerhalb des umfassenden Qualitätssicherungsmanagements zu einer stetigen Weiterentwicklung führen. Die operative Gynäkologie stellt hier mit ihrem klar umrissenen Spektrum an Eingriffen durch die Standardisierung immer transparenter werdender operativer Maßnahmen einen ganz wesentlichen Punkt dar, wodurch gerade die operative Endoskopie beispielhaft ist durch die bereits geleisteten und in Zukunft weiter einfließenden Maßnahmen in das Qualitätsmanagement, welche sich nicht als gesetzliche Zwangsmaßnahmen sondern - wie bereits eingangs erwähnt - als ureigene ärztliche Aufgabe verstehen lassen. Gerade die Anbindung der Arbeitsgemeinschaften und die Kommunikation zwischen den einzelnen Untergruppen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zeigen hier eine große Chance auf, Qualitätssicherung aus dem Fachgebiet zu entwickeln und für andere Bereiche fachübergreifend zur Verfügung zu stellen.

    Gelingt es durch den bildhaften Vergleich, das Bewusstsein für qualitätssichernde Maßnahmen zu fördern, sollte es auch möglich sein, das Verständnis für die bereits bestehenden Maßnahmen und die noch in Zukunft zu planenden zu wecken. Ebenso sollte es möglich sein, gerade für die operative Gynäkologie hier eine Vorbildfunktion zu entwickeln.

    Bedenkt man die Tatsache, dass Normen wie der § 137 des SGBV zum Zusammenschluss der Krankenkassenverbände und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur gemeinsamen Entwicklung von Qualitätssicherungsprogrammen geführt haben, ist Kooperation zur Realisierung eigener Qualitätssicherungsprogramme in der operativen Gynäkologie auf der Basis der „evidence based medicine“ gefordert.

    Prof. Dr. med. D. Wallwiener

    Universitäts-Frauenklinik

    Calwerstraße 7

    72076 Tübingen

    Prof. Dr. med. D. Wallwiener

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    Calwerstraße 7

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