Einleitung
Die akute febrile neutrophile Dermatose (Sweet-Syndrom), ist eine akut verlaufende
fieberhafte Erkrankung, die mit einer neutrophilen Leukozytose und schmerzhaften,
sukkulenten Erythemen vor allem im Gesicht, am Nacken und an den Extremitätenstreckseiten
einhergeht [1]
[2]. Sie tritt bevorzugt bei Frauen zwischen dem dreißigsten und fünfzigsten Lebensjahr
auf [2]. Unterschieden werden vier Gruppen des Sweet-Syndroms, das klassische oder idiopathische,
das paraentzündliche, das häufig nach Infekten der oberen Luftwege, bei Kollagenosen
und selten auch bei entzündlichen Darmerkrankungen auftritt, das paraneoplastische,
meist in Zusammenhang mit hämatologischen Erkrankungen [2] und eine allerdings sehr seltene medikamenteninduzierte Variante [2].
Kasuistik
Anamnese
Der 39-jährige Patient stellt sich mit seit zwei Tagen bestehenden, sich vom Nacken
auf die Extremitäten ausbreitenden, brennenden Erythemen vor. Er beklagt zudem ein
allgemeines Krankheitsgefühl mit hohem Fieber über 39 °C, Kopf- und Gliederschmerzen.
Wenige Wochen zuvor sei nach einer Darmspiegelung die Diagnose einer Colitis ulcerosa
vom niedergelassenen Gastroenterologen gestellt worden, weswegen der Patient bis vor
zwei Tagen Salofalk (Mesalazin) Tabletten eingenommen habe. Diese habe er seit Auftreten
der Hautveränderungen weggelassen, da er einen Zusammenhang zwischen der Medikamenteneinnahme
und dem Auftreten des Ausschlags befürchte.
Dermatologischer und körperlicher Aufnahmebefund (Abb. [1 a] u. [b])
Abb. 1 a, b Die Bilder zeigen die typischen sukkulenten indurierten Plaques des Sweet-Syndroms.
In der näheren Aufnahme sehr schön der Aspekt des einzeln stehenden erhabenen Herdes
(„relief of a rocky island”).
Im Gesicht, am Hals sowie an den Extremitätenstreckseiten bis zu 4 × 4 cm große, einzelstehende,
scharf begrenzte, sukkulente, polsterförmig erhabene Erytheme.
Labor
Pathologisch verändert: Leukozyten 14 300/µl, Neutrophile 82 %, CRP 23,5 mg/dl, Hb
12,8 g/dl, Gamma-GT 59 U/l.
Normwerte für restliches Blutbild, Leber-, und Nierenwerte, Elektrolyte.
Histologie (Abb. [2])
Fokale Parakeratose, vereinzelt nekrotische Keratinozyten. Massives subepidermales
Ödem. In der retikulären Dermis dichtes, bandförmiges, entzündliches Infiltrat aus
überwiegend neutrophilen Granulozyten mit Leukozytoklasie, wenigen Lymphozyten und
Histiozyten bei geringen Vaskulitis-Zeichen. Beurteilung: Sehr gut zu Sweet-Syndrom
passend.
Abb. 2 Histologie des Sweet-Syndroms: Eher einzelne epidermotrope Neutrophile, das klassische
prominente subepidermale Ödemband sowie darunter das bandförmige Infiltrat, neutrophilenreich,
mit geringer bis fehlender Vaskulitis.
Therapie und Verlauf
Es kam zu einer raschen Abheilung unter Methylprednisolon per os in ausschleichender
Dosierung mit initial 80 mg täglich in Kombination mit Indometacin 50 mg 3-mal täglich.
Lokal applizierten wir Klasse-III-Steroide mit antiseptischem Zusatz.
Zur Behandlung der Colitis ulcerosa wurde zu einer Wiederaufnahme der Mesalazin-Therapie
geraten. Diese wurde komplikationslos vertragen.
Diskussion
Die akute febrile neutrophile Dermatose, nach ihrem Erstbeschreiber auch als Sweet-Syndrom
bekannt, zeichnet sich durch plötzliches Auftreten von schmerzhaften sukkulenten Erythemen
mit Fieber und reduziertem Allgemeinbefinden aus [2]. Die Ätiologie und Pathogenese sind unbekannt [1]. In der Literatur sind nur 30 Fälle beschrieben, bei denen das Sweet-Syndrom mit
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert ist [1]
[3]. Es wird, wie auch das Pyoderma gangraenosum, das Erythema elevatum diutinum, die
subcorneale Pustulose und andere zur Gruppe der reaktiven neutrophilen Dermatosen
gezählt [2]
[5]. Die Erkrankungen dieser Gruppe haben histologisch dichte Infiltrate aus neutrophilen
Granulozyten mit variablem Anteil vaskulitischer Elemente gemeinsam [2]
[4]
[5]. Die klinisch oft deutlich zu unterscheidenden Erkrankungen können histologisch
fließende Übergänge zeigen [2]
[5]. Als in der Literatur am häufigsten beschriebene extraintestinale Manifestation
bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist aus dieser
Gruppe das Pyoderma gangraenosum zu nennen [5].
Sowohl bei den in der Literatur beschriebenen Fällen [1]
[2]
[3], als auch bei unserem Patienten ist ein deutlicher zeitlicher Zusammenhang zwischen
dem Auftreten der Hautveränderungen des Sweet-Syndroms und der Erstdiagnose oder einem
aktiven Schub einer entzündlichen Darmerkrankung wie der Colitis ulcerosa zu erkennen
[1]
[2]
[3]
[4]. Allerdings sind auch Fälle beschrieben, bei denen die Darmerkrankung keine oder
kaum Aktivität zeigte und es dennoch zum Auftreten einer reaktiven neutrophilen Dermatose
kam [5]. Daher sollten die reaktiven neutrophilen Dermatosen als eigenständige Erkrankungen
angesehen werden. Interessant ist die Rolle des Zytokins TNF-α, das sowohl bei den
„Grunderkrankungen” als auch bei den neutrophilen Dermatosen vermutlich eine sehr
wichtige Rolle spielt [6].