Laryngorhinootologie 2006; 85(6): 408
DOI: 10.1055/s-2006-925456
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zu dem Artikel „HNO-relevante Änderungen des Operations- und Prozedurenschlüssels (OPS) ab 2006”von J. Alberty und D. Franz

Th.  Deitmer
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Publication Date:
24 May 2006 (online)

Die Ökonomisierung der Krankenhaus-Medizin schreitet seit Einführung der Fallpauschalen (DRG) massiv voran. Die schwindende Finanzierung des Gesundheitswesens, die Änderung der Bevölkerungsstruktur und die kostenträchtigen innovativen Möglichkeiten der Medizin öffnen eine Schere, der man mit ökonomischen Maßnahmen zu entrinnen versuchen muss.

Den Ärzten, die im direkten Patientenkontakt Sachwalter über das Ausmaß kostenintensiver Gesundheitsleistungen sind, werden in den Verdacht gestellt, nicht sparsam und sachgerecht mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen. Fraglos ist auch der direkt am Patienten tätige Arzt in der schwierigen Situation, mit einem direkten Leistungsanspruch des Patienten, dem ethischen Anspruch seiner ärztlichen Tätigkeit und haftungsrechtlichen Ansprüchen belastet zu sein. Man muss deshalb Verständnis dafür aufbringen, dass unser Tun einer externen ökonomischen Kontrolle unterworfen wird.

Das australische Fallpauschalensystem wurde aus einer doch sehr andersartigen gesundheitspolitischen Landschaft nach Deutschland verpflanzt und als „lernendes System” installiert. Dieser Lernvorgang erfolgt nur durch ökonomisch scharf argumentierte Änderungsvorschläge. Der Berufsverband der deutschen Hals-Nasen-Ohrenärzte und die Deutsche HNO-Gesellschaft haben etliche 10 000 Euro aufgewendet, um in einem Auswertungsprojekt mit Hilfe der bereitwilligen Arbeit vieler Klinikärzte eine sachgerechtere Abbildung des HNO-ärztlichen Leistungsgeschehens darzustellen. Hier bleibt die Frage offen, wer diesen aufwändigen Lernvorgang finanzieren muss. Die am Patienten tätigen Ärzte können ebenso wenig der hierfür alleinige Adressat sein wie der Berufsverband der HNO-Ärzte oder die wissenschaftliche Fachgesellschaft. Leider kam von einem wesentlichen Nutznießer dieses Projektes, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, keinerlei Signal für ein finanzielles Engagement.

Der Artikel von Herrn Priv.-Doz. Dr. Alberty und Herrn Dr. Franz aus Münster von der DRG-Arbeitsgruppe der Deutschen HNO-Gesellschaft beschreibt neuerlich einen wichtigen Mosaikstein für eine insgesamt faire und sachgerechte Leistungsdarstellung in der HNO-Heilkunde. Viele Details bleiben noch offen und zu erwägen: Typischerweise bilden sich einseitige und beidseitige Operationen, z. B. an den Nasennebenhöhlen, derzeit ökonomisch noch völlig identisch ab. In der ökonomischen Bewertung einer operativen HNO-Krankenhausleistung scheint die alleinige Verweildauer gegenüber der operativen Kernleistung noch ein Übergewicht zu haben. In der Personalkalkulation der Operateure wird die operative Qualifikation über Facharzt-Niveau, die real gebraucht wird, nicht beachtet.

Es bleibt wichtig für die Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems an Krankenhäusern, dass sich die am Patienten tätigen Ärzte engagiert in die Details und Strategien der ökonomischen Darstellung des Faches einbringen.

Kritisch muss in diesem Zusammenhang natürlich weiterhin gesehen werden, welchen Aufwand und welche Kosten Dokumentation, Qualitätskontrolle und Regulierung im Vergleich zum eigentlichen wertschöpfenden Leistungsinhalt haben. Gelegentlich entsteht auch hier der Eindruck der „deutschen Krankheit”, auch an der kleinsten Straßenkreuzung mit Hilfe einer Verkehrsampel noch klare justitiable Regulierungen herstellen zu wollen.

Prof. Dr. med. Th. Deitmer

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