intensiv 2006; 14(5): 222-224
DOI: 10.1055/s-2006-926925
Intensivpflege

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fettnäpfchen in der Umsetzung der Basalen Stimulation

Peter Nydahl1
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel
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Publication Date:
06 October 2006 (online)

Das Konzept der Basalen Stimulation ist nunmehr seit 30 Jahren bekannt, in der Pflege seit 20 Jahren. Immer noch gibt es Schwierigkeiten, dieses Konzept in der Praxis umzusetzen und viele engagierte Pflegende mussten hierbei unliebsame Erfahrungen sammeln. Nun ist es nicht einfach, über Misserfolge, Fehler und Peinlichkeiten zu schreiben, aber es ist an der Zeit, dies zu tun, damit nicht immer wieder voneinander unabhängige Menschen den gleichen Fehler machen. Es ist Zeit, über Fettnäpfchen in der Umsetzung der Basalen Stimulation zu schreiben.

Ganz kurz: Basale Stimulation in der Pflege ist ein Konzept zur Förderung, Pflege und Begleitung von Patienten, also ein Förderkonzept und damit gut kombinierbar mit Bobath, Kinästhetik usw. Es ist als pflegewissenschaftliches Konzept mittlerer Reichweite anerkannt (Werner 2002) und Bestandteil jedes aktuellen Lehrbuches. Außerdem ist es in einigen Bundesländern auch Prüfungsthema sowohl der Aus- wie auch einiger Weiterbildungen. Bezogen auf Patienten meint Basale Stimulation die Förderung der Entwicklung des Betroffenen in seiner Lebenswirklichkeit durch bekannte Information in einer vertrauenswürdigen Beziehung. Lesen Sie den letzten Satz bitte noch mal, denn er ist wichtig. In diesem Satz sind die Kriterien für basal stimulierende Pflege enthalten: Eine Handlung kann als basal stimulierend gelten, wenn sie

die Entwicklung des Betroffenen fördert, einen Bezug zu seiner Lebenswirklichkeit hat, in einer vertrauenswürdigen Beziehung gelebt wird.

Heute, nach dreißig Jahren, besteht das Konzept eben nicht mehr in der Stimulation von Patienten, sondern wird eher als ein Kommunikations- und Pflegekonzept verstanden, das die Entwicklung des Patienten, sprich die Förderung seiner Fähigkeiten und Potenziale zum Ziel hat, nicht den (typisch pflegerischen) Ausgleich seiner Unfähigkeiten bzw. mangelnden Selbstpflegedefizite. Der Bezug zur Lebenswirklichkeit kann in dem unmittelbaren Spüren des eigenen Körpers bestehen, einer Lageveränderung im Raum, einer bekannten und damit zur Eigenaktivität einladenden Bewegung oder auch bekannter Gewohnheiten und Umwelterfahrungen. Und diese Pflege geschieht in einer individuellen, vertrauenswürdigen Beziehung - so kann ein eindeutiges Auf-die-Schulter-klopfen zur Begrüßung bei dem einen Patienten durchaus angemessen, eben vertrauenswürdig wirken, bei dem nächsten Patienten hingegen unangebracht scheinen. Wird bei einer Umlagerung von der Pflegenden eine Schmerzmimik beobachtet und darauf reagiert, in dem der Patienten anders bewegt wird, so wird dies Vertrauen auslösen: Ich nehme wahr, dass die Pflegenden mich wahrnehmen. Denen kann ich vertrauen.

Prüfen Sie also anhand der Kriterien Ihr eigenes Tun und entdecken Sie, wie viel der Basalen Stimulation Sie bereits umsetzen - für viele Pflegende gelten diese Kriterien als so normal, ohne, dass sie sich „Basale Stimulation” auf die Fahnen schreiben. Dennoch mussten wir wiederholt einige Erfahrungen machen, die die Einführung und Umsetzung des Konzeptes erschweren können.

Was hat das mit Fettnäpfchen zu tun und was ist überhaupt ein Fettnäpfchen? Ein Malheur, ein Fauxpas, eine ungewollt herbeigeführte Situation, die unbeabsichtigt einen mehr oder minder großen Schaden an uns selbst oder anderen Personen provoziert. Wesentlich bei dem Fettnäpfchen ist das Ungewollte, sodass das Fettnäpfchen einem eher geschieht als dass es bewusst und willentlich herbeigeführt wird.

Fettnäpfchen im Pflegealltag gibt es ständig, wenn wir zum Beispiel das schöne Bild der Ehefrau, das auf dem Nachttisch steht, erwähnen und dann erfahren, dass es sich hierbei um die Mutter des Angesprochenen handelt u. a. Fettnäpfchen leben durch ihre Benutzer und ernähren sich von Vergesslichkeiten, Verwechselungen und Missverständnissen. Wo viele Menschen zusammenleben und arbeiten, fühlen sich Fettnäpfchen besonders wohl und sie gedeihen am besten dort, wo Menschen sich anstrengen und sich besonders viel Mühe geben. Die Umsetzung der Basalen Stimulation in der Pflege ist damit das ideale Biotop für Fettnäpfchen.

Literatur

  • 1 Fröhlich A. Begegnungen - Fachtagung zur Basalen Stimulation. Mitschrift am 24.11.2000 in Oldenburg. 
  • 2 Werner B. Konzeptanalyse Basale Stimulation. Verlag Hans Huber Bern; 2002
  • 3 Jeß P, Nydahl P. Abb. 5 ist aus Fotogeschichten aus der Pflege. Elsevier München; 2006

Peter Nydahl

Sternstr. 2

24116 Kiel

Email: peter.nydahl@basale-stimulation.de

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