manuelletherapie 2006; 10(5): 251-253
DOI: 10.1055/s-2006-927259
Erfahrungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfahrungsbericht zur OMT-Ausbildung des Schweizerischen Verbands für Orthopädische Manipulative Physiotherapie (SVOMP)

J. Schwarz
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Publication Date:
05 December 2006 (online)

Am 24. April 2006 ging in Wangen an der Aare mit der Abschlussfeier und einem Essen „à la carte” die insgesamt 3. OMT-Ausbildung des Schweizerischen Verbands für Orthopädische Manipulative Physiotherapie (SVOMP) zu Ende.

Der OMT-Status ist ein durch die International Federation of Orthopaedic Manipulative Therapists (IFOMT) definierter, international anerkannter Abschluss in der manualtherapeutischen Physiotherapie. Um ihn zu erreichen, müssen Physiotherapeuten eine umfassende Zusatzausbildung in der Untersuchung und Behandlung des neuromuskuloskelettalen Systems durchlaufen, die wesentlich mehr beinhaltet als die Zertifikatskurse in Manueller Therapie. Beim SVOMP erstreckt sich die gesamte Ausbildung über 2,5 Jahre und insgesamt ca. 1 100 Stunden. Voraussetzung für die Teilnahme ist eine bereits durchlaufene Grundausbildung in einem manualtherapeutischen Konzept - wie etwa das deutsche Zertifikat - und eine mindestens 2-jährige Berufserfahrung.

Das herausragende Merkmal der SVOMP-OMT-Ausbildung ist ihre Philosophie. Mit dem Ziel, sich vom in der Physiotherapie bisher noch vorherrschenden „Konzeptdenken” zu lösen, unterrichtet der SVOMP seit dem 1. Kurs im Jahr 1999 Therapeuten des Maitland (MK)- und Kaltenborn-Evjenth-Konzepts (KEK) in einem gemeinsamen OMT-Kurs. Dies war auch für die meisten von uns der Grund, sich für den SVOMP zu entscheiden.

Leider sind einigen Physiotherapeuten in Deutschland, der Schweiz und Österreich die OMT-Ausbildung und ihr Inhalt noch nicht bekannt, oder sie haben in verschiedenen Fortbildungen lediglich „mal davon gehört”. Bei vielen Kollegen, mit denen ich mich unterhalten habe, kursierte die Vorstellung, es würden dabei 2 Jahre lang lediglich noch mehr Techniken zur Gelenkmobilisation gelernt. Um wie viel umfassender die Ausbildung ist, zeigt der nachfolgender kurze Überblick über die Kursinhalte.

Nach einem 5-tägigen Einführungsmodul schlossen sich im Abstand von etwa 4 Wochen (ausgenommen Ferien) die eigentlichen Kursmodule an.

Ein großer Anteil der Module befasste sich mit der Untersuchung und Behandlung der verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte und der Extremitäten. Zu jedem Bereich fanden jeweils 2 Kurse statt, von denen immer jeweils einer von einem Instruktor des MK und des KEK geleitet wurde. Im 2. Jahr komplettierten 2 Manipulationskurse unsere „Werkzeugkiste” mit Techniken. Neben dem präzisen Handling und der genauen Dosierung der Techniken legten die Dozenten viel Wert auf das Clinical Reasoning und den Transfer in die Patientenbehandlung.

Die Kurse Schmerzmanagement waren 2 der unserer Ansicht nach besten und wichtigsten Module in den beiden Jahren. Sie erweiterten unser Wissen nicht nur bezüglich des neurodynamischen Testens und Behandelns sowie der Entwicklung von chronifizierten Schmerzen, sondern vermittelten auch verschiedene Möglichkeiten, Patienten auf kommunikativem Weg zu begegnen. Dazu leistete als Gastdozent der in der Rehaklinik Zurzach arbeitende klinische Psychologe Roberto Brioschi einen großen Beitrag, indem er die Bedeutungen unserer Wortwahl, der Patientenzuwendung und des Settings bei der Patientenbehandlung verdeutlichte.

Da das Auffinden, Lesen und Bewerten von Artikeln und Forschungsarbeiten für Physiotherapeuten inzwischen unumgänglich ist, bildeten sie einen weiteren Studienschwerpunkt. Das Modul Forschung behandelte die Internetrecherche nach Artikeln sowie Aufbau, Terminologie und Bewertung von Studien. Erfreulich war auch hier die Praxisnähe, indem wir an einem Tag online die Suche in Medline selbst praktizieren konnten.

In 3 Modulen erhielten wir einen Einblick in die „muskuläre Kontrolle”. Dabei wurden anhand ausgewählter Bereiche Untersuchung, Trainingsmethodik und Patientenmanagement bei funktionellen Instabilitäten und muskulären Dysbalancen vermittelt. Ein Highlight war die Überprüfung der Aktivierung des M. tibialis anterior mittels Ultraschall und das muskelkaterträchtige Training auf dem TotalGym in der Praxis von Robert Pfund.

Frans van den Berg unterrichtete die Grundlagen der Heilung spezifischer Gewebe im Modul Physiologie. An den beiden Tagen verdeutlichte er, wie eine Wundheilung abläuft, wie viel Zeit einzelne Gewebe brauchen, um wieder belastbar zu werden und welche Reize dafür optimal sind. Daneben erfuhren wir unter anderem auch, welche Nahrungsmittel einer optimale Heilung im Weg stehen können.

Zur Festigung unserer manuellen Fähigkeiten fanden in regelmäßigen Abständen die von 2 Supervisors geleiteten insgesamt 7 obligatorischen „Übungsfreitage” statt. Dabei wiederholten und verfeinerten wir insgesamt 5 Stunden lang - eingebettet in Patientenbeispiele - unser Repertoire an Untersuchungs- und Behandlungstechniken.

Der direkten Verbesserung der Patientenbehandlung dienten über die 2 Jahre verteilt 3 so genannte Clinical placements und knapp 50 Eins-zu-eins-Supervisionen. Bei den Clinical placements befundeten und behandelten wir unter der Obhut eines Instruktors einen Patienten in einer Gruppe von 2 bis 3 Therapeuten. Bei den direkten Supervisionen fanden die Patientensitzungen alleine, jedoch unter ständiger Beobachtung eines der insgesamt 40 durch den SVOMP anerkannten Supervisors statt. Im Gegensatz zu den fixen Terminen der Clinical placements blieben uns die Organisation der Supervisionsstunden und die Anzahl der Patientenbehandlungen pro Tag selbst überlassen.

Wenn auch manchmal schwierig zu organisieren, hatte diese Stückelung der Einheiten über beide Jahre - statt in 2 oder 3 Blöcken - den großen Vorteil, dass dazwischen genügend Zeit blieb, das Neugelernte zu verarbeiten:

Den „Autopilot” bei der Therapie abzuschalten, ständig begründen können, warum wir jetzt beispielsweise diese Frage gestellt, diese Technik in dieser Dosierung angewendet und diese Wiederbefundzeichen ausgewählt hatten, war zu Beginn für uns alle äußerst gewöhnungsbedürftig. Es zahlte sich aber doppelt und 3-fach aus, als wir wieder zu Hause an der Behandlungsbank standen: Unsere Arbeit am Patienten wurde von Tag zu Tag selbstsicherer, zielgerichteter und effektiver!

Insgesamt sind wir alle der Meinung, von den Supervisionsstunden und Clinical placements am meisten profitiert zu haben.

Die 1. Technikprüfung fand bereits am Ende des 1. Ausbildungsjahres statt. Hier konnten wir an einem Kollegen oder Prüfer zeigen, wie gut sich unser Handling bereits entwickelt hatte.

Nach einer Theorieprüfung und einer weiteren Technikprüfung stand dann zum Abschluss des 2. Jahres die Patientenprüfung an: An 2 aufeinander folgenden Tagen untersuchten und behandelten wir einen „echten” Patienten vor den Augen zweier kritischer Prüfer des Dozententeams, denen wir nach der Behandlung noch Rede und Antwort standen. Diese beiden Tage waren für die meisten sehr anstrengend und nervenaufreibend, was aber eher an der Angst vor der eigenen Courage als an den Instruktoren lag, die zwar sehr genau, aber auch sehr fair prüften.

Den Abschluss des Prüfungsreigens bildete in den letzten 4 Monaten eine von uns selbst recherchierte und geschriebene Literaturstudie über ein manualtherapeutisch relevantes Thema.

Die beiden Jahre waren sehr anstrengend - sowohl mental als auch finanziell - haben sich jedoch auf jeden Fall gelohnt. Wir alle sind der Meinung, jetzt deutlich effizienter zu arbeiten und selbstsicherer auftreten zu können - auch gegenüber Ärzten. Mit einem verbesserten und erweiterten Technikrepertoire, einem Evidenz-basierten Background und Einflüssen vieler unterschiedlicher Instruktoren, Supervisors und Mitstreiter haben sich für uns alle neue Türen für die Herangehensweise an Patienten geöffnet. Wir haben gelernt, unsere Behandlung zu strukturieren und die einzelnen Behandlungsschritte zu begründen. Nun fällt es uns leichter einzuschätzen, welchen Patienten wir helfen können, wo unsere Grenzen liegen und welches Vorgehen das wahrscheinlich Beste für den einzelnen Patienten ist.

Abb. 1 Teilnehmer der SVOMP-OMT-Ausbildung in Wangen.

Zum Schluss möchte ich im Namen aller Teilnehmer (Abb. [1]) dem Ausbildungskomitee mit Elly Hengeveld, Hannu Luomajoki, Hugo Stam und Fritz Zahnd sowie unseren Instruktoren Jutta Affolter-Helbling, Simona Fonti, Jan Herman van Minnen, Jan Kool, Robert Pfund, Hugo Stam, Peter Westerhuis, Irene Wicki und allen unseren Supervisors für ihre großen Mühe und ihren beherzten Einsatz danken. Erfreulicherweise hatten sie immer ein offenes Ohr für Fragen und gaben den Teilnehmern nie das Gefühl, nur „Schüler” zu sein.

Allen denjenigen, bei denen die manualtherapeutische Grundausbildung viele Fragen offen gelassen hat, die sich noch detaillierter mit der Untersuchung und Therapie des Bewegungsapparats befassen möchten und sich dabei nicht vom großen zeitlichen und finanziellen Aufwand abschrecken lassen, kann die OMT-Ausbildung beim SVOMP nur wärmstens ans Herz gelegt werden.

Joachim Schwarz

Mannheimer Str. 281

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