Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1(1): 15-16
DOI: 10.1055/s-2006-931489
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

W. Kerner
  • 1Klinikum Karlsburg, Karlsburg
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 February 2006 (online)

Es ist beeindruckend, welch tiefgreifende Wandlung die Diabetologie im vergangenen halben Jahrhundert erfahren hat.

In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Deutsche Diabetes-Gesellschaft gegründet wurde, stand das wissenschaftliche Interesse am Diabetes unangefochten im Vordergrund. Die Wissenschaft konzentrierte sich ganz überwiegend auf die Erforschung der Pathophysiologie und der Pathobiochemie der Erkrankung. Die Versorgung der Patienten war damals kein offenkundiges Thema, das Anlass zu größeren Diskussionen gab, was bei einer Diabetesprävalenz von weniger als 1 % in den sechziger Jahren nicht weiter verwundert. Nach den Zahlen des Diabetesregisters der DDR betrug die Diabetesprävalenz im Jahre 1960 0.6 %. Deshalb war es nur folgerichtig, dass die DDG damals ein kleiner Kreis von wissenschaftlich Interessierten war, mit gerade 400 Mitgliedern. Dies änderte sich allmählich in den achtziger Jahren. Bis zum Jahre 1990 war die Diabetesprävalenz in Deutschland auf 4 % angestiegen, die Mitgliederzahl in der DDG überschritt 1990 zum ersten Mal die Zahl 1000. Diese Entwicklung hat sich in der Tendenz bis heute fortgesetzt: Die Diabetesprävalenz beträgt heute mindestens 6 %, die Zahl der Mitglieder der DDG übersteigt inzwischen die Zahl 7000.

Wie stellt sich die Diabetologie heute dar? Das Interesse an der wissenschaftlichen Erforschung des Diabetes ist ungebrochen. Nach wie vor steht die Grundlagenforschung und die naturwissenschaftlich geprägte Suche nach Krankheitsmechanismen im Vordergrund. Derartige Forschungsergebnisse aus verschiedenen deutschen Instituten und Kliniken können sich international durchaus sehen lassen. Der Zuwachs an Wissen auf diesem Gebiet innerhalb der letzten 50 Jahre ist beeindruckend und schlägt sich in den zahlreichen neuen Möglichkeiten der Diabetesbehandlung nieder. Die klinische Forschung direkt am Patienten mit Diabetes hat sich in Deutschland leider nicht entsprechend entwickelt. Sie ist, wie auch in anderen Gebieten der Medizin, ein Stiefkind der Wissenschaft geblieben, das vielerorts von der Universitätsmedizin nicht so recht geliebt und gefördert wird. Neu hinzugekommen ist in den letzten Jahrzehnten die immer wichtiger werdende Versorgungsforschung, die sich in Deutschland leider noch nicht etablieren und wissenschaftlichen Respekt verschaffen konnte. Insgesamt kann man jedoch feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der wissenschaftlichen Diabetologie parallel zur zunehmenden Häufigkeit der Erkrankung zugenommen hat, wovon allerdings nicht alle Fachgebiete in derselben Weise betroffen sind. Leider gibt es keine Zahlen zur Entwicklung der finanziellen Förderung der Diabetesforschung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten, mit denen dies zu quantifizieren wäre.

Während die Entwicklung der Diabetesforschung in den letzten 50 Jahren eher allmählich und stetig verlief, haben sich die Umgestaltungen in der Versorgung von Menschen mit Diabetes auf die letzten 10 bis 15 Jahre konzentriert und verliefen dem gemäß umso stürmischer. Ein Umbruch war zu erwarten, da aus einer eher seltenen Krankheit eine Volkskrankheit wurde. Die herkömmliche, nicht strukturierte Behandlung durch Hausarzt und Internist konnte den heute geforderten Qualitätsstandards nicht mehr gerecht werden. Die DDG hat einen nicht unwesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung einer qualitätsgesicherten Diabetestherapie geleistet. Sie gab den entscheidenden Anstoß zur Weiterbildung zum Diabetologen, sie initiierte die Weiterbildung zur Diabetesberaterin-DDG und später zur Diabetesassistentin-DDG und begann schon früh Kliniken und Praxen als Behandlungseinrichtungen-DDG zu zertifizieren. Die letzte und schwerwiegendste Neuerung ging allerdings nicht von der DDG sondern von der Politik aus: Die Einführung des Disease-Management-Programms für Diabetes, ein von der grundsätzlichen Idee her sinnvoller Weg zur Behandlung der Patienten mit Diabetes, der allerdings in der täglichen Praxis immer noch etwas holperig ist.

In Anbetracht dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass sich die Mitgliederzusammensetzung der DDG verändert hat. Früher waren die Wissenschaftler in der Mehrzahl, heute sind es die praktisch tätigen Diabetologen. Das ändert jedoch nichts an der Ausrichtung der DDG als wissenschaftliche Gesellschaft, die sich primär mit den Inhalten der mit dem Diabetes und seiner Behandlung verbundenen Themen beschäftigt.

Eine wissenschaftliche Gesellschaft braucht eine wissenschaftliche Zeitschrift. Der Vorstand der DDG hat beschlossen, zusammen mit dem Thieme-Verlag eine Zeitschrift mit dem Titel „Diabetologie und Stoffwechsel” zu gründen. Sie wird das deutschsprachige Forum der wissenschaftlichen Diabetologie sein und inhaltlich das gesamte Spektrum von der Grundlagenforschung bis zur praktischen Diabetologie abdecken. Es ist Ziel von Redaktion, Verlag und DDG-Vorstand eine Zeitschrift auf hohem wissenschaftlichem Niveau herauszugeben. Die Auswahl eingereichter Manuskripte wird streng nach dem Verfahren der externen Begutachtung („peer review”) erfolgen; alle Autoren werden aufgefordert, ihre Interessenskonflikte darzulegen. Ein sehr wichtiges Ziel von Redaktion und Verlag ist es, in allernächster Zukunft die Aufnahme der publizierten Artikel in die wichtigsten Literatur-Datenbanken zu bewirken. Der Vorstand vertraut auf die Erfahrung und den Einsatz des Chefredakteurs, Herrn Prof. Dr. Müller-Wieland und seiner Redakteure, Frau Prof. Dr. Kellerer, Herrn PD Dr. Fritsche und Herrn Prof. Dr. Gallwitz. Die Qualität einer Zeitschrift hängt aber auch ganz wesentlich von der Qualität der eingereichten Manuskripte ab. Ich bitte Sie, reichen Sie Ihre Manuskripte ein und machen Sie „Diabetologie und Stoffwechsel” zu der deutschsprachigen Diabetes-Zeitschrift.

Prof. Dr. med. Wolfgang Kerner
Präsident der DDG

Prof. Dr. med. Wolfgang Kerner

Klinikum Karlsburg

Greifswalder Str. 11

17495 Karlsburg

Phone: 038 355/701 397

Fax: 038 355/701 582

Email: prof.kerner@drguth.de

    >