Pneumologie 2006; 60(9): 547-558
DOI: 10.1055/s-2006-932223
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Aktuelle Diagnostik der ambulant erworbenen Pneumonie

Diagnosis of Community-Acquired PneumoniaB.  Schaaf, J.  Rupp
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Bernhard Schaaf

Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Email: schaaf@uni-luebeck.de

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Publication Date:
27 September 2006 (online)

Table of Contents

Zusammenfassung

Eine definitive Diagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie ist entscheidend, um rechtzeitig die entsprechende Therapie und Versorgung einzuleiten. Häufiger dient die Diagnostik aber dem Ausschluss einer Pneumonie, um unnötige Antibiotikagaben zu vermeiden. Goldstandard in der Diagnosestellung ist in Zusammenhang mit anamnestischen und klinischen Befunden weiterhin die Röntgenaufnahme der Thoraxorgane. Moderne Entzündungsmarker wie das C-reaktive Protein und in Zukunft möglicherweise das Prokalzitonin helfen in der Differenzialdiagnose und Verlaufsuntersuchung. Eine mikrobiologische Erregerdiagnostik wird bei ambulant behandelten Patienten in der Regel nicht empfohlen. Bei hospitalisierten Patienten hat neben der klassischen Kultur der Urinantigen-Test auf Legionellen einen besonderen Stellenwert. Andere mikrobiologische Verfahren sind hingegen nur für Einzelfälle und Epidemien sinnvoll.

Einleitung

Pneumonien sind Entzündungen des Lungenparenchyms, die durch Mikroorganismen verursacht werden. Um die Diagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie (community aquired pneumonia = CAP) zu stellen und eine adäquate Therapie zu verordnen, stehen dem Arzt neben klinischen Befunden, bildgebende Verfahren und eine breite Labordiagnostik mit Entzündungswerten sowie mikrobiologische Untersuchungen zur Verfügung. Zusätzlich können bei differenzialdiagnostischen Problemen eventuell weitere Untersuchungen notwendig sein. Welche Diagnostik im Einzelnen eingesetzt wird, steht im Ermessen des behandelnden Arztes. Eine ausgedehnte Diagnostik kann zwar zusätzliche Informationen geben, ob diese jedoch in jedem Fall prognostisch oder ökonomisch gerechtfertigt ist, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion. Aus pneumologisch-infektiologischer Sicht sollen durch die Diagnostik zwei Ziele erreicht werden:

  • Durch Ausschluss einer Pneumonie und z. B. Nachweis einer unkomplizierten akuten Bronchitis können unnötige Antibiotikagaben vermieden werden

  • Eine Risiko-adaptierte Therapie verbessert möglicherweise die Prognose.

Diagnosestellung

Anamnese, klinische Untersuchung, Röntgen-Thoraxaufnahme, Entzündungswerte und Erregernachweis führen zur Diagnose Pneumonie.

Klinische Befunde

Symptomatik. Eine sichere klinische Diagnose einer Pneumonie ist anhand der Symptome nicht möglich. Typisch sind bei immunkompetenten Erwachsenen allgemeines Krankheitsgefühl, Husten, Sputum, verstärkter Atemarbeit, Fieber oder Hypothermie. Diese Symptome können auch bei Infektionen des oberen Respirationstrakts, bei akuter und chronischer Bronchitis und nicht infektiösen Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Lungenarterienembolie, Vaskulitis, Malignom, Atelektase) vorkommen. Selbst beim Vorhandensein mehrerer Symptome liegt die Wahrscheinlichkeit einer CAP nur bei ca. 50 % [1] [2] ([Tab. 1]).

Tab. 1 Symptomatik und Befunde bei Patienten mit Pneumonie (adaptiert nach Höffken [1]): Weder die Symptomatik noch die Befunde sind spezifisch genug, um eine Pneumonie zu diagnostizieren
Symptomatik Untersuchungsbefund
allgemeines Krankheitsgefühl Inspektion: Dyspnoe und Tachypnoe
Fieber oder Hypothermie Palpation: Tachykardie, Ggf. arterielle Hypotonie
Husten Perkussion: abgeschwächter Klopfschall
eitriger Auswurf Auskultation:
fein- bis mittelblasige klingende ohrnahe Rasselgeräusche
Bronchialatmen
Dyspnoe Schwäche, Hinfälligkeit
„Grippale” Symptome wie Myalgien, Arthralgien, Zephalgien

Körperliche Untersuchung. Häufige Befunde sind Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz und eine Tachykardie, ggf. mit arterieller Hypotonie. Perkutorisch findet sich bei ausgedehnten Infiltrationen und/oder parapneumonischem Pleuraerguss ein abgeschwächter Klopfschall und in der Auskultation können ohrnahe Rasselgeräusche und Bronchialatmen vorliegen. Die Befunde der körperlichen Untersuchung sind wie die Symptome unspezifisch. Besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass sich die klinische Präsentation der CAP mit steigendem Alter verändert. Im höheren Alter werden oligosymptomatische Verläufe mit extrapulmonalen Symptomen wie zunehmende Schwäche oder Hinfälligkeit beobachtet [2] ([Tab. 1]).

Radiologische Untersuchungen

Röntgen-Thoraxaufnahme. Aufgrund der fehlenden Diagnosesicherheit durch die Anamnese und Untersuchung wird bei allen Patienten mit Verdacht auf CAP eine Röntgen-Thoraxaufnahme empfohlen, auch wenn in der ambulanten Praxis die zeitnahe Durchführung und Befundung im Einzelfall schwierig sein kann [1]. Eine posteroanteriore und eine laterale Röntgen-Thoraxaufnahme gilt als Goldstandard für die Diagnosestellung eines pneumonischen Infiltrates, wenn gleichzeitig klinische und/oder mikrobiologische Daten die Diagnose unterstützen. Der Nachweis eines Infiltrats kann vor allem bei leichtgradiger CAP mit nur geringer Infiltratausbildung allerdings schwierig sein [3]. Zudem kann die Röntgen-Thoraxaufnahme initial, insbesondere bei seltenen Pneumonien wie z. B. der Pneumozystis-Infektion, noch normal aussehen. Die Röntgen-Thoraxaufnahme differenziert zudem nicht ausreichend zwischen unterschiedlichen Erregern der CAP [4].

Zur Diagnose einer CAP ist auch im ambulanten Bereich eine Röntgen-Thoraxaufnahme für die Abgrenzung zur akuten Bronchitis wichtig, da bei akuter Bronchitis Antibiotika nicht indiziert sind. Eine Kontrolle der Röntgen-Thoraxaufnahme nach abgeheilter Pneumonie ist bei Patienten mit persistierenden Symptomen oder bei Verdacht auf Bronchialkarzinom erforderlich.

Der wesentliche klinische Nutzen der Röntgen-Thoraxaufnahme liegt:

  • in der Abgrenzung zur akuten Bronchitis

  • im Nachweis von Komplikationen (Abszess, Pneumothorax, Pleuraerguss/Empyem)

  • in der Differenzialdiagnose (z. B. Tuberkulose, Tumoren, Lungenarterienembolie, Herzinsuffizienz, [Tab. 1])

  • in der Prognoseabschätzung (multilobäre Infiltrate oder großer/beidseitiger Pleuraergüsse = schlechtere Prognose) [5].

Zu bedenken ist hierbei insbesondere, dass eine CAP relativ häufig (1 - 6 %, > 60-jähriger Raucher 17 %) als Komplikation eines Bronchialkarzinoms auftritt [6]. Für den Nutzen routinemäßiger radiologischer Verlaufskontrollen gibt es keine gute Evidenz. Allerdings sollte zum Tumorausschluss, insbesondere bei Rauchern, Patienten > 50 J. und Patienten mit persistierenden Symptomen die Röntgen-Thoraxaufnahme nach 4 - 6 Wochen wiederholt werden ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Radiologische Pneumoniediagnostik 49-jähriger Patient mit Husten, gelblichem Auswurf, Dyspnoe und Fieber. Das CRP lag bei 152 mg/l. Die initiale Röntgen-Thoraxaufnahme zeigt eine Pleuropneumonie. Die Kontrollaufnahme nach 14 Tagen oraler Antibiotikatherapie zeigt keine Besserung. Die durchgeführte CT zeigt Unterlappeninfiltrat mit pleuraler Konsolidierung, die transbronchiale Biopsie beweist ein Alveolarzellkarzinom.

Computertomographie der Thoraxorgane. Die Computertomographie der Thoraxorgane ist generell sensitiver als die Röntgen-Thoraxaufnahme im Nachweis von interstitiellen Infiltraten, Einschmelzungen, Lymphknotenvergrößerungen und Empyemen. Einige Patienten haben typische klinische Zeichen einer CAP, jedoch radiologisch kein Infiltrat. Eine Dünnschicht-Computertomographie (High-Resolution-Computertomographie, HRCT) kann in diesen Fällen häufig ein Infiltrat zeigen, die klinische Relevanz ist jedoch nicht geprüft [7]. In der Differenzialdiagnose ist die Computertomographie der Thoraxorgane in der Abgrenzung eines Tumors und einer Lungenarterienembolie sehr wertvoll. Bei immundefizienten Patienten kann die Computertomographie unter anderem hinweisend sein für eine invasive Aspergillose.

Die Computertomographie der Thoraxorgane ist bei immunkompetenten Patienten in den meisten Fällen nicht notwendig. Sie wird hauptsächlich bei Komplikationen, Therapieversagen, in der Differenzialdiagnostik und bei immundefizienten Patienten eingesetzt.

Klinisch-chemische Diagnostik

Blutbild. Das Blutbild ist typischerweise Bestandteil der Routineblutdiagnostik der stationär behandelten CAP-Patienten. Eine Leukozytose von über 15 000/ml macht eine bakterielle Pneumonie wahrscheinlich, ein normales Blutbild schließt eine Pneumonie jedoch nicht aus. Zusätzlich wurden in mehreren Studien sowohl eine Leukopenie < 4000/ml als auch eine Leukozytose > 20 000/ml bei Aufnahme mit einer erhöhten Letalität assoziiert [8].

Bei hospitalisierten Patienten gehört das Blutbild zusammen mit den Elektrolyten, den Nierenwerten und den Leberwerten zur Routineblutdiagnostik. Bei ambulanten Patienten ist die Untersuchung des Blutbildes im Einzelfall zu erwägen.

C-reaktives Protein. Das CRP wurde initial als Pneumokokken-bindendes Protein, welches die Complement-Aktivierung triggert, entdeckt. Verschiedene Studien zeigen, dass ein niedriges CRP, das heißt Werte unter 10 - 20 mg/l eine Pneumonie mit einer Sensitivität und Spezifität von ca. 95 % unwahrscheinlich machen [9]. Für die Praxis kann gelten, dass ein niedriger CRP-Wert zusammen mit einer nur geringen Symptomatik eine Pneumonie unwahrscheinlich macht. Die unnötige Gabe von Antibiotika bei mutmaßlich viralen Infekten kann so reduziert werden [10]. Aufgrund des verzögerten Anstiegs im Initialstadium der Pneumonie (6 - 12 Stunden) und niedrigeren Werten bei immundefizienten und älteren Patienten ist jedoch Vorsicht geboten. Patienten mit niedrigem CRP-Wert, aber ausgeprägter pulmonaler Symptomatik sollten zum Ausschluss einer Pneumonie eine Röntgen-Thoraxaufnahme erhalten ([Tab. 2]).

Tab. 2 Die Rolle des CRP in der Pneumoniediagnostik
Die CRP-Werte sind bei bakterieller CAP erhöht und nur in Einzelfällen normal, aber:
CRP-Erhöhung ist nicht spezifisch für CAP
niedrige CRP-Werte (< 10 - 20 mg/l) machen eine CAP unwahrscheinlich
hohe CRP-Werte (> 100 mg/l) machen eine CAP wahrscheinlich
Legionellen und Pneumokokkenpneumonien haben höhere CRP-Werte
- fehlender Abfall des CRP-Wertes innerhalb von 4 Tagen auf 50 % spricht für Therapieversagen

Eine CRP-Erhöhung trägt zur Diagnose einer CAP bei, da erhöhte CRP-Werte sensitiver und spezifischer sind als Temperaturerhöhung oder Leukozytose [11]. In verschiedenen Studien war ein Cutoff von 100 mg/l geeignet, um mit relativ hoher Spezifität die CAP von der infektexazerbierten COPD oder anderen pulmonalen Erkrankungen zu unterscheiden [12]. Leicht erhöhte Werte differenzieren jedoch nicht zwischen viralen und bakteriellen Infekten. Nennenswert ist zudem, dass die differenzialdiagnostisch infrage kommenden Erkrankungen ebenfalls mit einer CRP-Erhöhung einhergehen können. Ein höherer CRP-Wert spricht nicht unbedingt für eine schwerere Erkrankung. Garcia Vazquez u. Mitarb. fand bei 1222 Patienten mit CAP keinen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der CAP und dem CRP-Wert [13]. Seppa u. Mitarb. konnten hingegen zeigen, dass bei älteren Patienten (> 65 J.) mit CAP ein CRP > 100 mg/L mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist [14]. Bemerkenswert ist, dass Patienten mit Pneumokokken-Pneumonie und Legionellen-Pneumonie im Durchschnitt höhere CRP-Werte aufweisen [13] [14].

Das CRP kann für die Dokumentation des Therapieerfolgs verwendet werden.

Die Serummessung des CRP kann als Parameter zum Ausschluss, zur Diagnose und zum Verlauf einer Pneumonie genutzt werden. Niedrige CRP-Werte sprechen gegen eine CAP, die CRP-Bestimmung ist daher insbesondere hilfreich in der Abgrenzung der CAP zur akuten Bronchitis. Der Nachteil der Untersuchung liegt in der niedrigen Spezifität und der verzögerten Kinetik mit einem Anstieg im Mittel erst nach 6 Stunden.

Falls das CRP nicht innerhalb von 4 Tagen auf 50 % fällt, spricht dies für eine Therapieversagen oder für ein sekundäre infektiöse Komplikation (z. B. Empyem, Endokarditis, Antibiotika assoziierte Diarrhoe, Harnwegsinfekt) [11].

Prokalzitonin. Virale und nichtinfektiöse Erkrankungen können ebenfalls zu einer CRP-Erhöhung führen. Eine mögliche Verbesserung in dieser Hinsicht stellt das Prokalzitonin (PCT) dar. Das PCT ist die Vorform des Kalzitonin, welches als Reaktion auf eine Hyperkalzämie in der Schilddrüse gebildet wird. Das PCT ist normalerweise im Blut nicht messbar. Bakterielle Antigene führen während bakterieller Infektionen durch Induktion von Zytokinen zu einer extrathyreoidalen Produktion von PCT in der Leber und den mononukleären Zellen. Zirkulierendes PCT ist während schwerer bakterieller Infektionen erhöht, jedoch niedrig bei viralen Infektionen und nicht infektiösen Inflammationen [15]. Falsch positive PCT-Werte sind z. B. während des Gichtanfalls oder postoperativ beschrieben. Das Ziel einer gut durchgeführten Studie [16] war die Reduktion der Antibiotikagabe bei Patienten mit Infektion des unteren Respirationstraktes. Es wurde gezeigt, dass eine PCT-gesteuerte Therapieentscheidung die Wahrscheinlichkeit einer Antibiotikatherapie drastisch reduziert, ohne die Prognose zu verschlechtern [16]. Patienten mit einer niedrigen PCT-Konzentration benötigen daher möglicherweise keine Antibiotikatherapie. Größere Studien werden derzeit durchgeführt. Bestätigen sich die Befunde, könnte dieser Marker helfen, unnötige Antibiotikagaben zu vermeiden, insbesondere bei COPD-Exazerbationen und Patienten mit akuter Bronchitis (bei denen normalerweise keine Antibiotika indiziert sind).

Differenzialdiagnostisch schwierig bleiben Patienten mit einer pulmonalen Symptomatik, radiologisch nachgewiesenem Infiltrat, aber niedrigem PCT oder CRP. Diese haben möglicherweise eine virale CAP, die nach Expertenmeinung prophylaktisch mit Antibiotika behandelt werden sollte, eine bakterielle CAP bei einem noch nicht angestiegenen Entzündungswert oder ein nichtinfektiöses Infiltrat.

Die neueren Daten zur PCT-Messung sind vielversprechend. Das PCT ist spezifischer als das CRP und steigt bereits nach 4 Stunden an. Die Kosteneffektivität ist noch nicht untersucht. Die Ergebnisse aktuell laufender Studien sollten abgewartet werden, bevor PCT in der Praxis eingesetzt wird.

Erregerdiagnostik

Der Sinn der mikrobiologischen Diagnostik kann entweder darin liegen, einen Erreger zu entdecken, der zu einer Erweiterung der Antibiotikatherapie führt (z. B. Legionellen, Staphylococcus aureus oder gramnegative Bakterien), oder um bei Nachweis eines bestimmten Keimes (z. B. Pneumokokken) eine gezieltere Antibiotikatherapie durchzuführen ([Abb. 2]). Der Nachweis einer Bakteriämie hat eine prognostische Bedeutung. Indikation zur mikrobiologischen Diagnostik mittels Sputum oder Bronchoskopie siehe [Tab. 3].

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Abb. 2 Ätiologie der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP): mikrobiologische Ergebnisse aus CAPNETZ (www.capnetz.de)

Tab. 3 Diagnostik mittels Sputum oder Bronchoskopie
Sputum generell nur bei geeigneter Infrastruktur
bei unkomplizierter CAP Sputum oder Bronchoskopie nicht sinnvoll
bei schwerer Pneumonie qualitativ „gutes” Sputum oder primäre Bronchoskopie sinnvoll*
bei rezidivierender, therapierefraktärer, poststenotischer CAP Bronchoskopie sinnvoll
bei Immunsuppression oder Tuberkuloseverdacht (neg. Sputum) Bronchoskopie sinnvoll
*cave respiratorische Verschlechterung durch Bronchoskopie

Die routinemäßige mikrobiologische Diagnostik mittels Sputum oder Bronchoskopie beeinflusst die Therapie nicht und wird nicht empfohlen [1]. Bei Patienten mit schwerer Pneumonie ist eine initiale mikrobiologische Diagnostik sinnvoll. Der Nutzen einer Bronchoskopie muss gegen die möglichen Risiken (Zunahme der respiratorischen Insuffizienz, Notwendigkeit der maschinellen Beatmung) abgewogen werden. Bei Patienten mit Immundefizit ist in der Regel eine bronchoskopische Erregergewinnung sinnvoll [17]. Bei rezidivierender oder therapierefraktärer Pneumonie ist neben der mikrobiologischen Diagnostik häufig eine Differenzialdiagnostik nötig ([Tab. 4]), so dass die Bronchoskopie meist sinnvoller als die Sputumuntersuchung ist.

Tab. 4 Typische Differenzialdiagnosen der therapierefraktären CAP
Ursachen Diagnostik
Keime, die nicht auf die kalkulierte Therapie ansprechen: z. B. Legionellen, Chlamydien, Mykoplasmen, Pseudomonas, Viren, TB, Aspergillen Bronchoskopie evtl. CT
Superinfektion mit resistenten Keimen:
z. B. MRSA
Bronchoskopie
Neoplasie der Lunge Bronchoskopie, CT
Lungenarterienembolie Angio-CT, Echo, Venen-Duplex,
Herzinsuffizienz Echo
Lungenfibrose CT
bisher nicht erkannte HIV-Infektion
Pneumozystis-Infektion, TB, selten CMV
Bronchoskopie

Sputumdiagnostik (Sputumkultur und Gramfärbung)

Die Qualität der Sputumdiagnostik hängt wesentlich von der Infrastruktur der Institution und der Expertise des Untersuchers ab [18]. Ein Problem sind die häufig falsch positiven Befunde bei Kontamination durch Rachenflora. Die Häufigkeit eindeutiger Sputumbefunde ist daher in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken [19]. Untersucht werden sollte nur makroskopisch eitriges Sputum (25 Neutrophile und weniger als 10 Plattenepithelzellen pro 100fach vergr. Gesichtsfeld) innerhalb einer Verarbeitungszeit von 2 - 4 Stunden. Das mikrobiologische Labor sollte Material ohne entsprechende Qualität nicht untersuchen. Der Anteil von qualitativ guten Sputen mit prädominierenden Morphotyp liegt jedoch nur bei 5 - 15 % [20] [21]. Bei bis zu 80 % der untersuchten Sputen kann der Erreger in der Gramfärbung nachgewiesen werden. Eine eindeutige Gramfärbung kann Einfluss haben auf die Therapie [22].

Die Sputumdiagnostik ist bei guter Infrastruktur und in geübten Händen eine sensitive Methode. Im ambulanten Bereich und auch in vielen Krankenhäusern ist in der Regel die Infrastruktur nicht gegeben, so dass hier der Einsatz nicht gerechtfertigt ist.

Blutkultur

Der Nachweis einer Bakteriämie mittels Blutkultur ist sehr spezifisch und gelingt am häufigsten bei Streptococcus pneumoniae, Escherichia coli, Hämophilus influenzae, Staphylococcus aureus und Klebsiella pneumoniae. Die Bakteriämie ist ein Marker für die Schwere der Erkrankung. Größere Studien zeigen, dass etwa 10 % der hospitalisierten CAP-Patienten bakteriämisch sind. Bei Patienten mit Pneumokokkenpneumonie liegt die Rate bei etwa 25 %, bei Patienten mit antibiotischer Vortherapie niedriger. Die Chance einer positiven Blutkultur ist abhängig vom Schweregrad mit einer Nachweisrate von 25 % bei schwerer Pneumonie [23]. Eine positive Blutkultur führt jedoch nur selten zu einer Änderung des therapeutischen Regimes [24].

Die Blutkultur ist nur bei hospitalisierten, schwerkranken Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie sinnvoll. Bei Patienten mit unkomplizierter Pneumonie ohne Komorbidität kann auf eine Blutkultur verzichtet werden.

Diagnostik einzelner Erreger

Streptococcus pneumonia. Pneumokokken-Antigene können in Sputum, Pleuraflüssigkeit, Serum, Urin und Liquor nachgewiesen werden. Der neueste, vielversprechende Pneumokokken-Antigentest ist ein Immunchromatographie-Membran-Test (ICT) und detektiert Zellwand-Polysaccharide (Binax NOW). Er kann „bedside” mit Urin innerhalb von ca. 15 min durchgeführt werden. Eine vorherige Konzentration des Urins wird nicht empfohlen. Verglichen mit der Blutkultur und der Sputumkultur hat der Test eine etwa 60 - 80 %-Sensitivität mit einer Spezifität von etwa 90 % [25]. Die Ausbeute ist höher bei Bakteriämie und Patienten mit schwerer Pneumonie [25]. Guiterez u. Mitarb. untersuchten bei 452 CAP Patienten den Test in konzentriertem Urin [26]. Bei 19 (70 %) von 27 kulturell gesicherten Pneumokokkenpneumonien war der Test positiv. Zusätzlich hatten 69 (29 %) der Patienten ohne Erregernachweis einen positiven Test, so dass möglicherweise bei einem großen Anteil bisher nicht definierter Pneumonien Pneumokokken als Erreger nachgewiesen werden könnten. Allerdings waren 16 (10 %) von 156 Proben von Patienten mit kulturellem Nachweis eines anderen Erregers ebenfalls positiv, so dass die Spezifität in Abhängigkeit vom Patientenkollektiv begrenzt ist. Bei Kleinkindern ist die Rate an positiven Tests bei nasopharyngealer Kolonisation sehr hoch. Bei Erwachsenen kann insbesondere bei COPD ein falsch positiver Test vorkommen [27]. Wichtig ist, dass der Test in 50 % der Patienten auch nach 6 Wochen noch positiv ist [27]. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass der Antigentest auch bei antibiotisch vorbehandelten Patienten noch positiv sein kann. Ein Nachteil ist die fehlende Möglichkeit der Resistenztestung.

Der Nachweis des Antigens im Urin erlaubt bisher keine sichere Fokussierung der Therapie auf Pneumokokken, da der Test falsch positiv sein kann und eine Mischinfektion nicht ausgeschlossen ist. Ein negativer Test hingegen schließt eine Pneumokokken-Pneumonie nicht sicher aus. Der Pneumokokken-Antigentest wird daher nicht allgemein empfohlen.

Legionella pneumophila. Die Legionellenpneumonien sind in Deutschland seltene (1 - 8 % der CAP) umweltbedingte Infektionen bei typischen Risikofaktoren (Komorbidität, Steroidtherapie, Immunsuppression, Fernreisen, Exposition/Wasser, Versagen einer Betalaktamtherapie, Epidemien). Zum Nachweis kann der Legionellen-Urin-Antigentest dienen. Kommerzielle Kits auf der Basis von Enzymimmunoassays (EIA) oder Immunochromatographieassays (ICT) sind verfügbar ([Abb. 3]). Die Spezifität liegt bei 99 - 100 % mit einer Sensitivität von 76 - 94 % [28]. Die Assays detektieren nur Legionella pneumophila Serotyp 1, welcher ca. 80 % der Legionellosen verursacht. Die Urinkonzentrierung erhöht die Sensitivität. Der Test hat bei schwerer Pneumonie eine höhere Sensitivität und hatte in verschiedenen Studien einen Einfluss auf die primäre Antibiotikatherapie und die Prognose [29].

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Abb. 3 Immunochromatographischer Membranassay (Binax NOW®) zum Nachweis von Legionella pneumophila Antigen der Serogruppe 1 im Urin bestehend aus der Testmembran, einem Abstrichtupfer und Reagens A (A). Der Tupfer wird nach Eintauchen in den Urin in das Testbesteck gesteckt und Reagens A wird hinzugegeben. Durch Schließen des Testbestecks kommt die Probe in Kontakt mit auf der Testmembran immobilisierten Anti-L.-Pneumophila-Serogruppe 1 Antikörpern. Bei Antigen-positiven Proben werden konjugierte Antikörper gebunden, so dass sich 15 min nach Testbeginn neben der Kontrollbande eine weitere Bande im Sichtfenster zeigt (B).

Der Legionellen-Urin-Antigentest ist sinnvoll bei allen Patienten mit:

  • schwerer Pneumonie

  • Risikofaktoren

  • Therapieversagen unter Betalaktamtherapie.

Ein weiteres Nachweisverfahren für Legionellen ist die direkte Immunfluoreszenz (DIF) in bronchialen Sekreten. Sie wird wegen geringer Sensitivität nicht empfohlen. Die Kultur aus Sputum oder bronchoalveolärer Lavage (BAL) ist zwar hochspezifisch, die Sensitivität mit 40 % gering und dauert mit bis zu 10 Tagen zu lang [30]. Die Legionellenserologie ist erst bei 4fachem Titeranstieg (2 - 6 Wochen) beweisend. Der IgM Nachweis ist nicht validiert, insbesondere da die Antikörper über Jahre persistieren können. Die PCR-Methoden sind vielversprechend, aber nicht validiert.

Indikationen für den Legionellen-Urin-Antigentest sind: Schwere Pneumonien, Risikofaktoren und Pneumonieversagen. Die Serologie und die Legionellen-Kultur sind nur für epidemiologische Zusammenhänge sinnvoll. Der Immunfluoreszenz-Test und die PCR werden nicht empfohlen.

Tests bei Verdacht auf Chlamydien, Mykoplasmen oder Viren

Bei Verdacht auf Chlamydia psittaci-Infektionen kann eine Serologie in spezialisierten Laboren durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Chlamydophila pneumoniae ist aufgrund der möglichen Fehlerquellen (Reinfektion, Persistenz des Erregers etc.) die Serologie und der Mikroimmunfluoreszenz-MIF-Test nicht hilfreich [1]. Die PCR aus respiratorischen Sekreten wird nicht routinemäßig angeboten, kann aber am ehesten eine akute Infektion wahrscheinlich machen.

Bei Verdacht auf Mycoplasma pneumoniae sind die kulturellen Verfahren wegen niedriger Sensitivität und einer Dauer von 10 - 14 Tagen für die Klinik nicht geeignet. Enzymimmunoassays zum Nachweis von IgM-Antikörpern in der Frühphase der Infektion sind spezifisch (Spezifität > 95 %), die Sensitivität ist mit ca. 50 % jedoch niedrig, kann aber durch eine Verlaufsuntersuchung erhöht werden [31]. Durch zusätzliche IgA-Bestimmung sollte das Ergebnis gegenüber einem persistierenden IgM abgegrenzt werden. Der Direktnachweis mittels Real-Time-PCR aus respiratorischem Material ist derzeit die schnellste und verlässlichste Methode zum Nachweis der akuten M. pneumoniae Infektion [32].

Für Influenzaviren stehen Antigen-Schnelltests für respiratorische Materialien mit einer Sensitivität von 70 - 90 % zur Verfügung. Die Antigentests für Respiratory Syncytial Virus (RSV) haben lediglich eine Sensitivität von 15 %. Die Direkte Immunfluoreszenz und PCR ist möglich für Influenza-, Parainfluenza-, Adeno- und RS-Viren, valide Daten existieren jedoch nicht. Bei V. a. Coxiella burnetti Infektion ist eine Serologie in Speziallaboren möglich.

Routinemäßige Untersuchungen auf Chlamydien, Mykoplamen und Viren sind nicht sinnvoll. Wenn überhaupt wäre für Chlamydophila und für Mykoplasmen die PCR am ehesten geeignet, eine Infektion nachzuweisen. Bei Ausbruchssituationen, aktuell auch bei H5N1 ist der Influenzanachweis mittels Antigenschnelltest sinnvoll.

Interpretation von Erregernachweisen

Für die Interpretation der Befunde ist entscheidend, ob der Patient eine klinisch und radiologisch definierte CAP hat und welcher Erreger nachgewiesen wurde. Obligat pathogene Keime sind in [Tab. 5] aufgeführt. Fakultativ pathogene Keime wie Pneumokokken oder Hämophilus sind bei Patienten mit nachgewiesener Pneumonie als relevant anzusehen. Der Nachweis dieser Erreger in Bronchialsekreten ohne Infiltrat und Entzündungszeichen spricht hingegen für eine Besiedelung ([Tab. 5]).

Tab. 5 Relevanz der gefundenen Erreger
Obligat pathogen Fakultativ pathogen Selten pathogen
Legionella spp. Streptococcus. pneumoniae S. viridans
Mycoplasma pneumoniae Haemophilus influenza Enterokokken
Influenzaviren Chlamydophila pneumoniae Neisserien
Pseudomonas aeruginosa
gramneg. Enterobakterien
Mycobacterium tuberculosis atypische Mykobakterien
Pneumocystis jiroveci Aspergillus spp. Candida spp.

Der Nachweis von Pseudomonaden bei Patienten mit CAP sollte zu einer entsprechenden Antibiotikatherapie führen.

Sowohl die Candida-Infektion als auch Infektionen mit z. B. E. coli entstehen typischerweise multifokal bei hämatogener Streuung. Der Nachweis dieser Keime in bronchialen Sekreten sollte daher in Zusammenhang mit Klinik und dem Röntgenbefund gesehen werden. Candida spp. werden bei tracheobronchialer Besiedlung häufig gefunden und sind meist ohne therapeutische Konsequenz. E. coli, andere gramneg. Enterobakterien und Enterokokken sind typische Kontaminationskeime und häufig nicht relevant.

Fazit für die Praxis

Die bei ambulant erworbener Pneumonie notwendige Diagnostik ist in [Tab. 6] aufgeführt. Um unnötige Antibiotikatherapien zu vermeiden, sollte der behandelnde Arzt eine definitive Diagnose der Pneumonie stellen. Wir empfehlen daher vor der Antibiotikatherapie eine Röntgen-Thoraxaufnahme und eine Messung des CRP durchzuführen. Eine Erregerdiagnostik ist im ambulanten Bereich nur in Ausnahmefällen nötig. Bei hospitalisierten Patienten sollte nur bei entsprechender Infrastruktur eine Sputumuntersuchung durchgeführt werden. Die Bronchoskopie ist sinnvoll bei Therapieresistenz zur Keimgewinnung und in der Differenzialdiagnostik. Bei Patienten mit Risiko für Legionellen-Infektion sollte der Urin-Antigentest verwendet werden. Eine Blutkultur hingegen ist nur bei schwerkranken Patienten sinnvoll ([Tab. 6]).

Tab. 6 Aktuelle Diagnostik der CAP
Untersuchung Bewertung
Apparative Diagnostik
Röntgen-Thoraxaufnahme
sinnvoll zur Diagnosesicherung + Ausschluss DD
Computertomographie der Thoraxorgane bei Komplikationen + Ausschluss DD (Tumor, Embolie, entzündlichen Lungenerkrankungen)
Bronchoskopie bei Therapieresistenz oder Immundefizit zur Keimgewinnung + Ausschluss DD incl. TB
Entzündungsdiagnostik
CRP sinnvoll zur Diagnosesicherung und Verlaufsuntersuchung (Nachteil: unspezifisch)
Prokalzitonin (PCT) in Zukunft möglicherweise besser als CRP, da spezifischer
Mikrobiologie
Sputum: Gram Fbg. + Kultur nur bei guter Infrastruktur
ansonsten zum TB-Ausschluss
Blutkultur nur bei schwerkranken, hospitalisierten Patienten
Serologie bei V. a. Epidemien und Einzelfälle
Pneumokokken-Urinantigen bisher noch nicht empfohlen
Legionellen-Urinantigen sinnvoll bei schwerer Pneumonie und Risikopatienten
Serum
HIV-Antikörpertest sinnvoll bei jüngeren Patienten

Literatur

Bernhard Schaaf

Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Email: schaaf@uni-luebeck.de

Literatur

Bernhard Schaaf

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23538 Lübeck

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Abb. 1 Radiologische Pneumoniediagnostik 49-jähriger Patient mit Husten, gelblichem Auswurf, Dyspnoe und Fieber. Das CRP lag bei 152 mg/l. Die initiale Röntgen-Thoraxaufnahme zeigt eine Pleuropneumonie. Die Kontrollaufnahme nach 14 Tagen oraler Antibiotikatherapie zeigt keine Besserung. Die durchgeführte CT zeigt Unterlappeninfiltrat mit pleuraler Konsolidierung, die transbronchiale Biopsie beweist ein Alveolarzellkarzinom.

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Abb. 2 Ätiologie der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP): mikrobiologische Ergebnisse aus CAPNETZ (www.capnetz.de)

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Abb. 3 Immunochromatographischer Membranassay (Binax NOW®) zum Nachweis von Legionella pneumophila Antigen der Serogruppe 1 im Urin bestehend aus der Testmembran, einem Abstrichtupfer und Reagens A (A). Der Tupfer wird nach Eintauchen in den Urin in das Testbesteck gesteckt und Reagens A wird hinzugegeben. Durch Schließen des Testbestecks kommt die Probe in Kontakt mit auf der Testmembran immobilisierten Anti-L.-Pneumophila-Serogruppe 1 Antikörpern. Bei Antigen-positiven Proben werden konjugierte Antikörper gebunden, so dass sich 15 min nach Testbeginn neben der Kontrollbande eine weitere Bande im Sichtfenster zeigt (B).