Rofo 2006; 178(3): 349-350
DOI: 10.1055/s-2006-933631
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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Keine MRT-Abrechnungsgenehmigung für Kardiologen

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge

Münster

URL: http://www.ra-wigge.de

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Publication Date:
01 March 2006 (online)

 
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Rechtmäßigkeit der Kernspintomographie-Vereinbarung

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschluss vom 16.07.2004 (Az.: 1 BvR 1127/0) festgestellt, dass die Konzentration der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen an gesetzlich Versicherte auf Fachärzte für Radiologie und Nuklearmedizin, als dafür speziell und umfassend qualifizierte Ärzte, durch die zwischen den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge gemäss § 135 Abs. 2 SGB V abgeschlossene Kernspintomographie-Vereinbarung (KernspinV) im Interesse gewichtiger Gemeinwohlbelange erfolgt und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

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1. Entscheidung des Sozialgerichts Berlin

In einer Entscheidung vom 11.2.2004 hatte sich das Sozialgericht Berlin mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Kernspintomographie-Vereinbarung auseinander zu setzen. Ein ermächtigter Krankenhausarzt mit dem Fachgebiet Innere Medizin/Kardiologie, klagte gegen die zuständige Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV) auf Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung im Bereich der Kernspintomographie. Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit Schreiben vom 02.04.2001 beantragte der klagende Arzt die Abrechnungsgenehmigung für die Kernspintomographie. Als Nachweis seiner Qualifikation legte er die Qualitätsrichtlinien der amerikanischen kardiologischen Gesellschaft sowie das Zeugnis der Society for Cardiovascular Magnetic Resonance in englischer Sprache vor. Das entsprechende Antragsformular zur Abrechnungsgenehmigung für Leistungen in der Kernspintomographie wurde vom Kläger nicht ausgefüllt, ebenso wurden die englischen Dokumente trotz Aufforderung nicht übersetzt. Stattdessen reichte der Kläger eine ausführliche Stellungnahme zu seinen Leistungen der kardialen Kernspintomographie ein. Mit Bescheid vom 10.7. 2001 stellte die beklagte KV fest, dass die Anforderungen der Kernspintomographie-Vereinbarung nicht erfüllt sind und erteilte keine Abrechnungsgenehmigung. Ein dagegen gerichteter Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen. Die anschließend dagegen eingereichte Klage hatte keinen Erfolg.

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2. Beschränkung auf Radiologen und Nuklearmediziner rechtmäßig

Das Sozialgericht Berlin stellte in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31.1.2001 (Az.: B 6 KA 24/00 R) fest, dass § 135 SGB V eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die Kernspintomographie-Vereinbarung darstellt. Danach besteht für die Partner der Bundesmantelverträge eine Ermächtigung Qualifikationsvoraussetzungen für die Erbringung vertragsärztlicher Leistungen zu normieren. Demzufolge besteht auch eine Ermächtigung zur Regelung ärztlicher Tätigkeiten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der Kernspintomographie. Eine solche vertragsarztspezifische Abrechnungsvoraussetzung ist - wie hier einschlägig - zulässig, soweit das Berufsrecht eine entsprechende Qualifikation nicht gewährleistet, diese aber zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung erforderlich ist.

Nach § 2 der Kernspintomographie-Vereinbarung ist die Genehmigung nur zu erteilen, wenn der Arzt die Voraussetzungen der fachlichen Befähigung und der apparativen Ausstattung erfüllt. Das Vorliegen aller dieser Voraussetzungen ist vom Arzt gegenüber der KV nachzuweisen. Die fachliche Befähigung ist in Abschnitt B näher geregelt. Nach Abschnitt B § 4 in Verbindung mit § 8 der Kernspintomographie-Vereinbarung hat der Nachweis der fachlichen Fähigkeiten mittels Zeugnissen über

  • die selbstständige Indikationsstellung, Durchführung und Befundung von 1000 verschiedenen kernspintomographischen Untersuchungen unter Anleitung eines für die Durchführung der Weiterbildung in der Kernspintomographie nach der Weiterbildungsordnung befugten Arztes,

  • die Berechtigung zum Führen der Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung Diagnostische Radiologie, Kinderradiologie, Neuroradiologie oder Nuklearmedizin,

  • den Nachweis einer mindestens 24-monatigen ganztägigen Tätigkeit in der kernspintomographischen Diagnostik unter Anleitung eines für die Durchführung der Weiterbildung in der Kernspintomographie nach Weiterbildungsordnung befugten Arztes sowie

  • der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium vor der KV

zu erfolgen.

Der Kläger konnte den Nachweis nicht führen. Entscheidend war zunächst, dass er als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie nicht zum Kreis der in der Kernspintomographie-Vereinbarung genannten Gebiets- oder Schwerpunkt-bezeichnungen gehört. Zum anderen hatte er auch keine Zeugnisse eingereicht, die eine mindestens 24-monatige ganztägige Tätigkeit in der kernspintomographischen Diagnostik unter Anleitung oder die selbständige Indikationsstellung, Durchführung und Befundung von 1000 verschiedenen kernspintomographischen Untersuchungen unter Anleitung eines für die Durchführung der Weiterbildung in der Kernspintomographie nach der Weiterbildungsordnung befugten Arztes enthalten.

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3. Individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten anderer Fachärzte nicht maßgeblich

Die auf Seiten des Klägers bestehende und nachgewiesene hohe Qualifikation in der Kernspintomographie, die er vor allem durch seine Mitwirkung an der Entwicklung der Kernspintomographie des Herzens erworben hat, ist für die von der Kernspintomographie-Vereinbarung vorausgesetzten Nachweise nicht entscheidend. Die dort normierten Voraussetzungen können nicht gänzlich unbeachtet bleiben. Sie sollen einen Qualitätsstandard sichern, der zur Sicherung des Allgemeinwohls dient. Daran ändert auch nichts, dass die Kernspintomographie-Vereinbarung unter Umständen einer bereits in der Entwicklung begriffenen Veränderung hinsichtlich der bereits entwickelten diagnostischen Möglichkeiten (Funktionsanalysen, Bewegungsbilder) zukünftig nicht mehr gerecht wird.

Bestimmte Entwicklungen in der medizinischen Forschung können zwar in der Zukunft weitere Maßstäbe zur Genehmigung nach der Kernspintomographie-Vereinbarung entstehen lassen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nicht erkennbar, dass die in der Kernspintomographie-Vereinbarung aufgeführten Voraussetzungen nicht sinnvoll sind und somit den Kläger in seinen Rechten oder sogar Grundrechten verletzten.

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4. Revision beim Bundessozialgericht anhängig

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin wurde eine sog. Sprungrevision, d.h. eine direkte Anrufung des Bundessozialgerichts ohne vorherige Berufung beim Landessozialgericht Berlin, zugelassen (Aktenzeichen des BSG: B 6 KA 1/05 R).

Ein positiver Ausgang des Kardiologen ist jedoch wenig wahrscheinlich, da das Bundessozialgericht (Urteil vom 31.1.2001, Az.: B 6 KA 24/00 R) und anschließend auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 16.7.2004, Az.: 1 BvR 1127/0) die Rechtsauffassung des SG Berlin in ihren Entscheidungen bestätigt haben. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass zur Abgrenzung abrechnungsfähiger ärztlicher Leistungen auf die für das jeweilige Fachgebiet in der Weiterbildungsordnung genannten Inhalte und Ziele der Weiterbildung und die dort genannten Bereiche, in denen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssen, abgestellt wird.

Zu den Inhalten und Zielen der Weiterbildung in der Kardiologie gehört die selbstständige Durchführung der Magnetresonanztomographie jedenfalls nicht. Diese ist vielmehr ausschließlich besonders aufgeführt bei dem Weiterbildungsinhalt der Radiologie. Ungeachtet der Frage, wie der Kern eines Fachgebietes aus dem Blickwinkel des Berufsrechts zu bestimmen sei und ob die Berufstätigkeit auf diesen Kernbereich beschränkt werden darf, kann nach Auffassung des BVerfG jedenfalls zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Beschränkung auf einen engeren Bereich zulässig sein, für den die Weiterbildungsordnung eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vorschreibt.

Diese Anforderungen der KernspinV an die Qualifikation der Ärzte sind danach verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung und insbesondere der Wirtschaftlichkeit der Versorgung gerechtfertigt. Nach Ansicht des BVerfG ist im Ergebnis die Annahme vertretbar, dass die Konzentration aller kernspintomograpischen Leistungen bei speziell qualifizierten Ärzten der Qualität der Versorgung sowie der Wirtschaftlichkeit im Interesse der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung dient.

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5. "Zusatz-Weiterbildung fachgebundene Magnetresonanztomographie"

An dieser Einschätzung wird sich auch zukünftig für den Bereich der GKV aufgrund der durch das GKV-Modernisierungsgesetz zum 1.1.2004 in § 135 Abs. 2 S. 4 SGB V eingefügten Regelung wenig ändern, wonach die Partner der Bundesmantelverträge berechtigt sind, Regelungen zu treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Zum Kernbereich des Fachgebietes der Inneren Medizin und des Schwerpunktes der Kardiologie gehört die selbständige Durchführung der Kernspintomographie jedoch auch nach der neuen Weiterbildungsordnung eindeutig nicht. Dies belegt ein Blick auf die neu geschaffene "Zusatz-Weiterbildung fachgebundene Magnetresonanztomographie", deren Qualifikationsanforderungen ausschließlich für das Fachgebiet der Radiologie durch den Erwerb des Facharzttitels als nachgewiesen gelten, während sämtliche anderen Facharztgruppen zum Nachweis dieser speziellen "Zusatz-Weiterbildung" weitergehende theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen erbringen müssen, die nicht im Rahmen ihrer Facharztausbildung vermittelt werden.

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge

Münster

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