Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(14): 774
DOI: 10.1055/s-2006-933735
Pro & Contra | Commentary
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stammzelltherapie nach Myokardinfarkt - Pro

J. Müller-Ehmsen1
  • 1Klinik III für Innere Medizin der Universität zu Köln
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eingereicht: 22.2.2006

akzeptiert: 16.3.2006

Publication Date:
05 April 2006 (online)

Die Zelltherapie am Herzen nach Myokardinfarkt ist eine neue vielversprechende Therapiestrategie. Im Gegensatz zu den konventionellen Therapiezielen, der schnellen Revaskularisierung und der Verhinderung des fortgesetzten Zellverlusts ist eine erfolgreiche Zelltherapie in der Lage, zur Regeneration von verloren gegangenem Herzmuskelgewebe beizutragen. Dass dieses im Grundsatz möglich ist, haben viele experimentelle Studien, in denen unreife, aber differenzierte Herzmuskelzellen verwendet wurden, belegt (z. B. 3). Der Sprung in die klinische Anwendung ist gelungen, nachdem deutlich wurde, dass auch Knochenmarkzellen ein Potential zur Regeneration von Herzmuskelgewebe haben [4] [6]. Auch wenn inzwischen klar ist, dass dieser Umstand nicht ganz so einfach nutzbar ist, wie einstmals angenommen, und dass die Differenzierung von Knochenmarkzellen zu Herzmuskelzellen wahrscheinlich nicht, wie erhofft, in bedeutsamer Zahl stattfindet, gibt es doch einige ermutigende Ergebnisse, die darauf hinweisen, dass Knochenmarkzellen durch Sekretion von Wachstumsfaktoren über einen parakrinen Mechanismus zur Regeneration des Herzens beitragen können.

Die ersten klinischen Studien zur Therapie des akuten Myokardinfarkts mit Knochenmarkzellen waren Phase-I-Studien zur Prüfung der Sicherheit der Therapie und bargen daher natürlicherweise das Problem der fehlenden Kontrollgruppe. Inzwischen liegen aber die Ergebnisse der ersten randomisierten und sogar plazebokontrollierten Studien vor. Diese sind jedoch uneinheitlich: Janssens et al. [1] fanden bei 67 Patienten mit ST-Hebungsinfarkt, dass die Injektion von im Mittel 300 Mio. Knochenmarkzellen 24 bis 48 Stunden nach sofortiger perkutaner Intervention nicht zu einer Verbesserung der globalen LV-Funktion führte. Jedoch fand sich eine verbesserte Vitalität und eine verbesserte regionale Kontraktilität in den vom Infarkt am stärksten betroffenen Regionen. Im Gegensatz dazu zeigten Schächinger und Mitarbeiter [5] beim Kongress der „American Heart Association” im November 2005 mit den Daten der Repair-AMI Studie, dass die 95 Patienten, denen im Mittel 4 Tage nach ST- Hebungsinfarkt und Revaskularisation 236 Mio. Knochenmarkzellen intrakoronar verabreicht wurden, nach 6 Monaten eine um 4 % bessere linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) hatten, als die 92 Patienten, die lediglich mit Plazebo behandelt wurden. Interessant ist, dass eine Subgruppenanalyse dieser Studie vermuten ließ, dass besonders die Patienten, deren LVEF kleiner als 49 % war, und die Patienten, die erst ab Tag 5 nach Akutereignis behandelt wurden, von der Zelltherapie profitiert haben. Beide Kriterien wurden in der Studie von Janssens et al. [1] nahezu nie erreicht. In einer weiteren doppel-blinden, randomisierten und plazebokontrollierten Studie, der ASTAMI- Studie [2], wurde bei insgesamt 101 Patienten mit ST- Hebungsinfarkt (nur LAD-Verschluss) keine Verbesserung der globalen LV-Funktion durch intrakoronare Knochenmarkzelltherapie hervorgerufen. Zwar fand die Injektion der Zellen hier im Mittel 6 Tage nach Intervention, und damit gemäß der Repair-AMI Studie zu einem sehr günstigen Zeitpunkt statt, jedoch war die Zahl der injizierten Zellen mit 87 Mio. deutlich geringer als die bei den anderen Studien, so dass (auch angesichts einer geschätzten Kardiomyozytenzahl von 1 Billion im menschlichen linken Ventrikel) dieser Umstand durchaus als Ursache für das Therapieversagen in Frage kommt.

Abzuwarten bleibt, ob die sehr leicht zu gewinnenden und einsetzbaren autologen Knochenmarkzellen oder ob andere Zellarten, wie Kardiomyozyten, die aus embryonalen Stammzellen differenziert wurden, oder kardiale Stammzellen sich als der wirksamste Zelltyp bei der Zelltherapie am Herzen erweisen werden.

Fazit: Zwar gibt es noch viele offene Fragen, und es besteht keine letzte Gewissheit, dass eine Zelltherapie mit Knochenmarkzellen die kardiale Kontraktilität oder die Prognose von Patienten nach Myokardinfarkt verbessert. Dennoch gibt es einen guten Teil vielversprechender klinischer Ergebnisse, so dass im Grundsatz ein erster Schritt in Richtung einer neuartigen Therapieform getan ist.

Literatur

  • 1 Janssens S. et al . Autologous bone marrow-derived stem-cell transfer in patients with ST-segment elevation myocardial infarction.  Lancet. 2006;  367 113-121
  • 2 Lunde K. et al .Effects on left ventricular function by intracoronary injections of autologous mononuclear bone marrow cells in acute anterior wall myocardial infarction: the ASTAMI Randomized Controlled Trial. Scientific Sessions der American Heart Association, Dallas, 13.-16. November 2005, Late-Breaking Clinical Trials IV 2005
  • 3 Müller-Ehmsen J. et al . Rebuilding a damaged heart: long-term survival of transplanted neonatal rat cardiomyocytes after myocardial infarction and effect on cardiac function.  Circulation. 2002;  105 1720-1726
  • 4 Orlic D. et al . Bone marrow cells regenerate infarcted myocardium.  Nature. 2001;  410 701-705
  • 5 Schächinger V. et al .Intracoronary infusion of bone marrow-derived progenitor cells in acute myocardial infarction (REPAIR - AMI). Scientific Sessions der American Heart Association, Dallas, 13.-16. November 2005, Late-Breaking Clinical Trials I 2005
  • 6 Strauer B. et al . Intrakoronare autologe Stammzelltransplantation zur Myokardregeneration nach Herzinfarkt.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 932-938

Dr. med. Jochen Müller-Ehmsen

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