Der Klinikarzt 2006; 35(4): X
DOI: 10.1055/s-2006-939832
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Viel versprechender Einsatz bei Tumorpatienten - Neue Perspektiven für das niedermolekulare Heparin Dalteparin

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Publication Date:
10 May 2006 (online)

 
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Das niedermolekulare Heparin Dalteparin (Fragmin®) hat in jüngster Zeit viel von sich Reden gemacht. Grund waren neben dem 20. Geburtstag, den die Substanz 2005 feierte, auch die neuen Studienergebnisse, die dem niedermolekularen Heparin (NMH) immer wieder neue Anwendungsgebiete eröffnet haben.

Erst kürzlich kam als neue Indikation die internistische Thromboseprophylaxe hinzu. Besonders viel versprechend ist der Einsatz von niedermolekularen Heparinen bei Tumorpatienten. Neben einer zuverlässigen Thromboseprophylaxe konnte in einigen Studien zusätzlich eine Verlängerung der Lebenszeit durch Dalteparin nachgewiesen werden. Prof. A.K. Kakkar, London (UK), ist international führender Experte im Bereich Antikoagulation. Im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) in Basel erläuterte er die neuesten Erkenntnisse zum Einsatz von niedermolekularen Heparinen wie Dalteparin bei Tumorpatienten.

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Niedermolekulares Heparin mit größter Erfahrung

Der Nutzen niedermolekularer Heparine im Einsatz gegen thromboembolische Ereignisse ist gut belegt. Dalteparin ist hochwirksam, zuverlässig und gut verträglich. Die Wirkung der Heparine im Bereich der Thromboseprophylaxe konnte 1975 durch eine große Multizenterstudie bewiesen werden. Damals kam es nicht nur zu einer deutlichen Reduktion der tiefen Beinvenenthrombosen, sondern auch zu einem starken Rückgang der tödlichen Lungenembolien von 16 auf 2%.

Die Entwicklung der niedermolekularen Heparine führte Mitte der 1980er-Jahre zu einer weiteren Verbesserung. Aufgrund einer höheren Bioverfügbarkeit (90-95%), einer längeren Halbwertzeit und einer geringen Eiweißbindung mussten die niedermolekularen Heparine nur noch einmal täglich appliziert werden. Dalteparin erhielt als erstes Präparat dieser Substanzklasse die Zulassung. Es ist damit der Senior unter den niedermolekularen Heparinen mit der meisten Erfahrung.

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Breites Einsatzspektrum und neue Perspektiven

Das Potenzial von Dalteparin scheint immer noch zu wachsen. Neue Studienergebnisse haben im Laufe der letzten Jahren zu Zulassungserweiterungen geführt. Vor 20 Jahren waren noch Patienten in der perioperativen Medizin die wesentliche Zielgruppe. Wie spätere Studien ergaben, litten auch Patienten nach Herzinfarkten, Querschnittslähmung und Hirninfarkten unter einer hohen Thromboserate. Hier galt es, die gute antithrombotische Wirkung der niedermolekularen Heparine auch in großen klinischen Studien zu bestätigen.

Neuerdings konnten vor allem im Bereich der Inneren Medizin und auch in der Onkologie mehrere Untersuchungen belegen, dass internistische und onkologische Patienten von der gezielten Thromboseprophylaxe profitieren. Niedermolekulare Heparine reduzieren nicht nur das Tumorwachstum, wie experimentell nachgewiesen werden konnte, sondern führen auch, wie die FAMOUS[1]-Studie zeigte, zu verbesserten Überlebensraten. Studienergebnisse liegen bislang für das Lungenkarzinom und das Ovarialkarzinom sowie für solide Tumoren des Gastrointestinaltraktes vor. Weitere Studien mit entsprechender Fragestellung sind geplant.

Da die bisherige Datenlage bereits so eindeutig ist, können niedermolekulare Heparine bei Tumorpatienten perioperativ empfohlen werden. Dies gilt auch für Patienten mit palliativer Tumorsituation. Derzeit muss ernsthaft diskutiert werden, ob nicht bei allen Tumorpatienten niedermolekulare Heparine frühzeitig eingesetzt werden sollten. Für einen Einsatz von Dalteparin spricht, dass hier bereits fundierte Daten und Erfahrungen vorliegen.

Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte

Quelle: Symposium im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) in Basel

Antitumoreffekt experimentell bestätigt

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Ajay K. Kakkar

Die Frage nach neuen Erkenntnissen bezüglich der spezifischen Wirksamkeit auf Tumorzellen bzw. -gewebe und des so genannten Antitumoreffekts beantwortete Prof. A.K. Kakkar folgendermaßen:

"Die nach NMH-Gabe beobachtete anhaltende Veränderung auf die Überlebenskurve lässt sich nicht allein durch antithrombotische Effekte wie etwa die Verhinderung stiller, aber tödlicher Thromboembolien erklären. Der genaue antineoplastische Effekt ist noch nicht bekannt. Es gibt Hinweise bzw. experimentelle Befunde zu Effekten auf Tumorzellwachstum, -adhäsion und -metastasierung. Als zugrunde liegende Mechanismen werden antiangiogene Effekte, Stimulation der Apoptose, Hemmung der Bindung von Selektinen an Tumorzellen und Hemmung von Integrinen, die bei der Adhäsion, Invasion und Metastasierung von Tumorzellen eine Rolle spielen, diskutiert. So führte Dalteparin - im Gegensatz zu unfraktionierten Heparinen - in einem Tiermodell zu einem signifikanten Rückgang des Tumorwachstums und der Tumorangiogenese sowie einer starken Induktion der Apoptose in diesen Tumoren ([1]). Vermutlich handelt es sich dabei ohnehin um ein multifaktorielles Geschehen."

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Literatur

  • 01 Nasir FA . Patel HK . Scully MF . et al . The low molecular weight heparin dalteparin sodium inhibits angiogensis and induces apoptosis in an experimental tumour model. Blood 2003; 102 (11): Abstract #2993. 

07 Fragmin Advanced Malignancy OUtcome Study

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Literatur

  • 01 Nasir FA . Patel HK . Scully MF . et al . The low molecular weight heparin dalteparin sodium inhibits angiogensis and induces apoptosis in an experimental tumour model. Blood 2003; 102 (11): Abstract #2993. 

07 Fragmin Advanced Malignancy OUtcome Study

 
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