Psychother Psychosom Med Psychol 2006; 56(8): 309
DOI: 10.1055/s-2006-940088
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der 109. Deutsche Ärztetag in Magdeburg

Gegen Stigmatisierung und für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen und psychosomatischen ErkrankungenThe 109th Meeting of German Physicians in MagdeburgContra Stigmatization and Pro a Better Management of Patients with Psychogenic and Psychosomatic DiseasesFritz  Hohagen
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Publication Date:
04 August 2006 (online)

30 Jahre hat es gedauert, bis der Deutsche Ärztetag wieder ein Thema aus dem Bereich psychischer Erkrankungen aufgriff. Unter den Tagesordnungspunkten II a „Aktive Bekämpfung der Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen” und II b „Stärkung und Förderung der psychiatrisch-psychosomatisch-psychotherapeutischen Kompetenz im ärztlichen Handeln” wurden zwei Problemfelder diskutiert, die von großer gesundheitspolitischer Bedeutung sind. Prof. Norman Sartorius, wissenschaftlicher Direktor des Weltprogramms gegen Stigma und Diskriminierung der World Psychiatric Association, machte in seinem Grundsatzreferat deutlich, was Stigmatisierung und Ausgrenzung für Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen für deren Angehörige und die zuständigen Behandlungsinstitutionen bedeutet und wie sie den Zugang zur ambulanten und stationären Versorgung erschwert. Die Diskussion endete mit einer Vorstandsentschließung, mit der sich die Deutsche Ärzteschaft endlich in eine weltweite Bewegung gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung von psychisch Erkrankten einreiht. Im zweiten Teil des Tagesordnungspunktes „Stärkung und Förderung der psychiatrisch-psychosomatisch-psychotherapeutischen Kompetenz im ärztlichen Handeln” widmete sich der Deutsche Ärztetag der psychosozialen Kompetenz im ärztlichen Handeln. Verschiedene Faktoren wie die Betonung der Apparatemedizin, ständig wachsender Dokumentationsaufwand, inadäquate Vergütungssysteme und ständiger Zeitdruck drohen die psychosoziale Kompetenz des Arztes immer weiter in den Hintergrund zu drängen. Entsprechende Maßnahmen in Fort- und Weiterbildung sowie Schaffung entsprechender Strukturen im ambulanten und stationären Versorgungssystem wurden in der Entschließung gefordert. Besonderer Schwerpunkt der Diskussion war die Stärkung und Förderung der ärztlichen Psychotherapie. Angesichts des eklatanten Nachwuchsmangels des Arztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und angesichts der extremen Arbeitsbelastung der Psychiater in der Basisversorgung, die dem niedergelassenen Psychiater kaum noch Zeit für Richtlinienpsychotherapie lässt, ist es Anliegen der Ärzteschaft, die Psychotherapie als Heilmethode im Spektrum ärztlichen Handelns zu halten. Dies sollte nicht als Positionierung gegen die psychologischen Psychotherapeuten missverstanden werden. Im Gegenteil ist die Kooperation zwischen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sowohl im klinischen Bereich als auch im wissenschaftlichen Umfeld in den meisten Regionen sehr gut. Aber während für die psychologischen Psychotherapeuten die Psychotherapie als alleinige Heilmethode natürlich im Mittelpunkt ihrer berufspolitischen Bemühungen steht, muss sich die Psychotherapie im ärztlichen Lager gegen vielfältige Konkurrenz behaupten. Angesichts knapper Ressourcen ist es deshalb ein wichtiges Zeichen, dass sich die Ärzteschaft explizit zur Stärkung und Förderung der ärztlichen Psychotherapie bekennt.

Positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass im Vorfeld des Deutschen Ärztetags die relevanten wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände in Psychiatrie und Psychosomatik ausgesprochen konstruktiv zusammengearbeitet haben und hier in einem Feld, das durchaus konfliktbesetzt ist, ein Zeichen setzten, dass wichtige Themenbereiche auch in einem konstruktiven Dialog gelöst und vorangebracht werden können. Damit leistete der 109. Deutsche Ärztetag in Magdeburg einen wichtigen Beitrag zu einem konstruktiven Dialog der Gebiete Psychiatrie und Psychosomatik, ebenso wie einen wichtigen Beitrag zur Entstigmatisierung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen und zu einer Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Prof. Dr. Fritz Hohagen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein · Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Email: Hohagen.F@psychiatry.uni-luebeck.de

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