Der Klinikarzt 2006; 35(4): XX
DOI: 10.1055/s-2006-941398
Im Gespräch

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Unbegründete Sorge - Keine Angst vor HES beim Volumenersatz!

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Publication Date:
10 May 2006 (online)

 
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    Joachim Boldt

    Die Anfang des Jahres erstmals vorgestellte, bisher aber noch nicht publizierte VISEP [1] -Studie hat die eigentlich bereits beendete Diskussion um potenzielle nephrotoxische Nebenwirkungen einer kolloidalen Volumenersatztherapie mit Hydroxyethylstärke (HES) wieder angestoßen - eine Diskussion, die nach Ansicht von Herrn Professor Joachim Boldt aus Ludwigshafen so nicht mehr notwendig ist. Denn verwendet man Stärkelösungen der dritten Generation (z.B. HES 130/0,4/9:1) und achtet auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit Kristalloiden ist diese Furcht unbegründet, wie uns der Intensivmediziner und Anästhesiologe bestätigt hat.

    klinkarzt: Herr Professor Boldt, die aktuelle Diskussion um die Volumenersatztherapie bei septischen Patienten hat manchen Mediziner verunsichert. Gibt es eine Standard-Volumenersatztherapie bei Sepsis?

    Prof. J. Boldt: Nein, es besteht zwar ein Konsens, dass die Volumenersatztherapie sehr wichtig ist, doch klare Empfehlungen der großen Fachgesellschaften über deren Einsatz existieren bislang nicht. Grundsätzlich stehen mit den Kristalloiden sowie den Kolloiden Gelatine, Albumin und Stärkelösungen mehrere Alternativen zur Auswahl, die länder- und erfahrungsspezifisch eingesetzt werden.

    klinikarzt: Muss man die beiden Prinzipien Volumen- und Flüssigkeitsersatz immer kombinieren?

    Boldt: Eine strikte Trennung zwischen Flüssigkeitsersatz und Volumenersatz ist kaum möglich, schon weil Kolloide immer in einem Kristalloid gelöst sind. Bei der klassischen Volumenersatztherapie sind jedoch beide Prinzipien praktisch immer verknüpft. Generell gilt: Kristalloide und Kolloide müssen immer zusammen und in ausreichendem Verhältnis gegeben werden. Die Kombination erlaubt eine raschere und verlässlichere hämodynamische Stabilisierung. Ein reiner Flüssigkeitsersatz mit Kristalloiden wie er in den USA üblich ist, ist dagegen eine relativ schlechte Option, da Sie damit den osmotischen Druck in den Gefäßen sogar noch verringern.

    klinikarzt: Nach der Präsentation der VISEP-Studie sind zumindest bei septischen Patienten erneut mögliche nephrotoxische Nebenwirkungen der Kolloidtherapie in die Diskussion geraten. Wie gehen Sie vor, um Nierenschäden vorzubeugen?

    Boldt: Die VISEP-Studie ist noch nicht publiziert, daher kann man im Moment nur kursorische Aussagen dazu machen. Klar ist aber, dass sich die daraus gewonnenen Daten auf eine veraltete HES-Lösung, nämlich HES 200/0,5 beziehen, die heute kaum noch im Einsatz ist. Die Furcht vor Nierenschäden stammt aus der Vergangenheit mit dem Einsatz großmolekularer Stärke. Denn hier gibt es gut publizierte Berichte über potenzielle nephrotoxische Nebenwirkungen, wenn auch große Untersuchungen fehlen. Die Hydroxyethylstärke (HES) der dritten Generation mit ihrem durchschnittlichen Molekulargewicht von 130000 Dalton scheint in diesem Sinn neutral zu sein. Ich kenne keine Untersuchung, die einen negativen Einfluss dieser neuen Stärkepräparation auf die Nierenfunktion belegt.

    Daher empfehle ich persönlich, auf Stärkepräparationen der neuen Generation zurückzugreifen und abhängig von der Höhe des Flüssigkeitsverlusts neben dem Kolloid auch ein Kristalloid im Verhältnis 1:1 bis 1:2 zu applizieren. Wenn man diese Vorsichtsmaßnahmen im Kopf behält, ist man mit der neuen Lösung in einem sehr sicheren Bereich. In unserer Klinik - und wir verwenden die HES-Volumenersatztherapie in einer Größenordnung von rund 40000 Flaschen pro Jahr - haben wir bislang keine Probleme gehabt.

    klinikarzt: Gilt dies auch für Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion?

    Boldt: Anders als bei der alten gibt es für die neue HES-Lösung auch bei Patienten mit Kreatininwerten über 1,5 mg/dl keine Einschränkung. In Ludwigshafen setzen wir HES 130/0,4 auch bei Patienten mit höheren Kreatininwerten zur Volumenersatztherapie ein. Natürlich immer in Kombination mit Kristalloiden.

    klinikarzt: Welche Herausforderungen für die Volumenersatztherapie sehen Sie für die Zukunft?

    Boldt: Ich denke, man sollte das Konzept der Volumentherapie gezielt auf additive Effekte untersuchen. Unser Fokus sollte viel stärker auf den Wirkungen und möglichen Zusatzeffekten einer Volumenersatztherapie mit HES 130/0,4 liegen, wie zum Beispiel antizipierte Effekte auf die Mikrozirkulation oder die inflammatorische Situation bei Sepsispatienten. Möglicherweise kann man damit auch das Sauerstoffangebot im Gewebe verbessern. Dies ist ein interessanter Ansatz beispielsweise für die Fast-Track-Chirurgie. Große klinische Studien sind in der Volumentherapie aber leider sehr schwer durchzuführen und zu finanzieren.

    Herr Professor Boldt, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

    14 Prospektive, randomisierte, multizentrische Studie zum Einfluss einer kolloidalen versus einer kristalloiden Volumenersatztherapie und einer intensivierten versus einer konventionellen Insulintherapie auf die Organfunktion und das Überleben bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock

    14 Prospektive, randomisierte, multizentrische Studie zum Einfluss einer kolloidalen versus einer kristalloiden Volumenersatztherapie und einer intensivierten versus einer konventionellen Insulintherapie auf die Organfunktion und das Überleben bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock

     
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