Rofo 2006; 178(5): 552-553
DOI: 10.1055/s-2006-941612
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
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MRT ohne Gehörschutz ist kein Behandlungsfehler

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Rechtsanwälte Wigge & Kleinke

RA Dr. Peter Wigge
RA Sebastian Sczuka

Münster

URL: http://www.ra-wigge.de

Email: kanzlei@ra-wigge.de

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Publication Date:
17 May 2006 (online)

 
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Die Untersuchung eines Patienten in einem Magnetresonanztomographen (MRT) ohne Gehörschutz ist kein Behandlungsfehler. Dies entschied das Landgericht München I im Fall eines Mannes, der seit seiner MRT-Untersuchung unter Ohrensausen leidet.

Zumindest von der Behandlung mit dem konkret verwendeten MRT geht keine Gefahr einer Gehörschädigung aus, stellte das Gericht in einem aktuellen, noch nicht rechtskräftigen Urteil (vom 8. Februar 2006, Az.: 9 O 14241/01) nach Einholung von mehreren Sachverständigengutachten fest. Da demnach von der Behandlung objektiv keine Gefahr einer Gehörschädigung ausging, bestand darüber hinaus auch keine Aufklärungspflicht über eine solche Gefahr.

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Der Fall

Ein Münchener mit Nackenproblemen hatte sich einer MRT-Untersuchung in einer radiologischen Praxis in München unterzogen. Dafür befand er sich etwa 20 min in dem Gerät, wovon er 13 min und 32 s dem dort herrschenden Schalldruckpegel ausgesetzt war. Bei der Unterzeichnung der Einwilligungserklärung wurde er auf technisch bedingte laute Klopfgeräusche des Gerätes hingewiesen und es wurde mitgeteilt, dass ihm zur Schonung seines Gehörs ein Schallschutz angeboten werde. Hiervon hatte er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Nach der Untersuchung stellte er ein Brausen und Pfeifen in seinem Kopf fest. Dieses wurde in der Folge als Tinitus diagnostiziert. Die Beschwerden des Mannes dauern bis heute an.

In der daraufhin von ihm erhobenen Schmerzensgeldklage wirft er dem behandelnden Arzt vor, ihn nicht auf das Risiko von Gehörschäden hingewiesen zu haben. Ferner behauptet er, die Untersuchung hätte wegen des Risikos einer Gehörschädigung gar nicht ohne Gehörschutz durchgeführt werden dürfen.

Der beklagte Arzt bestreitet, dass der Tinitus überhaupt auf die Behandlung im MRT zurückzuführen ist.

Die für Arzthaftungssachen zuständige 9. Zivilkammer des Landgerichts München I folgte nach einer umfangreichen Beweisaufnahme, insbesondere durch fünf Sachverständigengutachten, letztlich der Argumentation des beklagten Arztes.

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Begründung

Das Gericht folgte den Sachverständigengutachten, die feststellten, dass der Schalldruck bei der konkreten Behandlung nur etwa 85 dB (A) betrug. Bei dieser Lautstärke kann eine Behandlung von unter 15 min - nach den Darlegungen der vom Gericht bestellten Sachverständigen - eine Gehörschädigung jedoch noch nicht bewirken, denn nach den besonderen Festlegungen für die Sicherheit von Magnetresonanzgeräten für die medizinische Diagnostik in der DIN EN 60601-2-33 vom Oktober 2003 seien Lärmschutzmaßnahmen für Patienten erst ab einem effektiven Schalldruckpegel von mehr als 99 dB (A) verpflichtend. Der für das streitgegenständlich verwendete Gerät in einer Untersuchung maximal gemessene Wert von 94 dB (A) sei bei der streitgegenständlichen Untersuchung jedoch nicht erreicht worden. Darüber hinaus sei die Expositionsdauer des Klägers nur als kurzzeitig anzusehen.

Der gerichtliche Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, dass es keinesfalls notwendig und sachlich geboten gewesen sei, dem Kläger einen Gehörschutz anzubieten. Denn aufgrund der vom Sachverständigen ermittelten, o. g. Schalldruckwerte sei ein Hörschaden nicht zu erwarten gewesen. Der bei einer Untersuchung gemessene Maximalwert von 94 dB (A) sei lediglich bei Anwendung schnellerer Gradientenechosequenzen erreichbar, wohingegen bei der streitgegenständlichen Untersuchung leisere Standardsequenzen eingesetzt worden seien. Dies wiederum ergebe sich aus der Befunddokumentation der streitgegenständlichen Untersuchung. Vor diesem Hintergrund sei der berechnete Geräuschpegel bei der streitgegenständlichen Untersuchung nicht hoch genug gewesen, um die Gefahr einer Gehörschädigung hervorzurufen und mithin einen entsprechenden Gehörschutz notwendig zu machen.

Das Gericht folgte den Ausführungen des Sachverständigen. Es machte sich den Inhalt der Gutachten nach eingehender Überprüfung und Würdigung in vollem Umfang zu Eigen. Damit kam es zu dem Schluss, dass auf Grund der konkreten Untersuchungssituation die Gefahr einer Gehörschädigung für den Patienten und Kläger nicht bestand, und es daher auch keinen Behandlungsfehler darstellt, wenn objektiv nicht erforderliche Schutzmaßnahmen unterlassen werden. Daraus folge zugleich, dass über ein Risiko, welches nicht bestanden hat, auch nicht aufzuklären war.

Es bestand somit kein Ansatz für eine Haftung des beklagten Arztes, so dass die Schmerzensgeldklage abzuweisen war.

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Fazit

Mit seinem Urteil hat das Landgericht München I an die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung aus Aufklärungsversäumnissen angeknüpft. Danach soll die Aufklärung dem Patienten kein medizinisches Entscheidungswissen vermitteln, sondern ihm aufzeigen, was der Eingriff für seine persönliche Situation bedeuten kann. Er soll Art und Schwere des Eingriffs erkennen. Dazu müssen ihm die Risiken nicht medizinisch exakt und nicht in allen denkbaren Erscheinungsformen dargestellt werden, sondern ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des konkreten Risikospektrums aufgezeigt werden. Soweit jedoch, wie vorliegend, überhaupt kein Risiko besteht, muss und kann der Arzt den Patienten darüber auch nicht aufklären.

Ähnliches gilt für die Prüfung eines Behandlungsfehlers. Der Arzt schuldet dem Patienten nicht den gewünschten Erfolg, sondern lediglich eine sachgerechte Behandlung. Diese war vorliegend gegeben, denn aufgrund der Untersuchung des Klägers mittels Einsatz von Standardsequenzen betrug der Schalldruck erheblich weniger als die zulässigen 99 dB (A). Mithin war die Verwendung eines Gehörschutzes für eine sachgerechte Behandlung nicht notwendig.

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Praxis

Vor dem Hintergrund dieses Urteils zeigt sich die Notwendigkeit der Einhaltung der strengen Dokumentationspflichten des Arztes. Die Sachverständigengutachten konnten letztlich nur unter Auswertung der sorgfältig geführten Behandlungsunterlagen zu ihrem Ergebnis kommen, welchem dann auch das Gericht folgte. Allein die Befunddokumentation der streitgegenständlichen Untersuchung gab Aufschluss über die bei der Untersuchung eingesetzten Sequenzen des MRT-Gerätes, aufgrund derer die Sachverständigen die erzeugten Schalldruckpegel ermitteln konnten.

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Rechtsanwälte Wigge & Kleinke

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RA Sebastian Sczuka

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