Einleitung
Einleitung
Die zentrale Interaktion arterieller und medullärer Chemorezeptorafferenzen mit den
sensorischen Afferenzen aus der Lunge und den Atemwegen spielt eine wesentliche Rolle
für die Atemrhythmogenese [1]
[2]
[3]
[4]
[5]. Beide Informationen bilden zusammen mit weiteren afferenten Eingängen die Grundlage
für die alternierende Aktivierung in- und exspiratorisch wirksamer Nerven und Muskeln
(IM, EM) [6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]. Unter Ruhebedingungen wird die für die Atmung notwendige Muskelarbeit nahezu ausschließlich
von den IM aufgebracht, während die Exspiration auf den elastischen Rückstellkräften
der Lunge und der Thoraxwände basiert. Bei erhöhtem chemischen Atemantrieb wird nicht
nur die Aktivität der IM gesteigert, sondern die Ausatmung durch die EM unterstützt
[13]. Stimulation der Carotissinusnerven sowie der medullären chemosensiblen Areale in
der Inspiration führen lediglich zur Stimulation der IM, während die Stimulation in
der Ausatemphase lediglich zur Aktivierung der EM führt [14]
[15]. Chemorezeptoren und Lungendehnungsrezeptoren scheinen auch eine bedeutende, aber
bisher nur wenig untersuchte Funktion in der Pathophysiologie von Atmungsstörungen
zu haben. Insbesondere sind hier Atmungsstörungen mit extra- oder intrathorakaler
Atemwegsobstruktion, wie das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS), das Asthma bronchiale
und die chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) zu nennen [16]
[17]. Bronchokonstriktion und Lungenüberblähung mit verstärkten negativen transmuralen
Drücken sind charakteristisch für die Exazerbation des Asthma oder der COPD. Sie gehen
einher mit tonischer inspiratorischer Muskelaktivität über die gesamte Exspiration
[18].
Die vorliegenden Untersuchungen sollen einen Überblick über das Verhalten der Atmung
und ihrer antreibenden Muskulatur unter Ruhebedingungen und unter erhöhtem chemischen
Atemantrieb geben. Dabei soll die atemphasenabhängige neuronale Verrechnung der Signale
chemo- und mechanosensibler Afferenzen überprüft und vergleichend dargestellt werden.
Methoden
Methoden
An 8 Chloralose/Urethan-narkotisierten Katzen wurde, wie in früheren Arbeiten ausführlich
beschrieben, die Trachea kanüliert und ein Ballonkatheter in das untere Ösophagusdrittel
eingeführt [14]
[15]
[19]. Die Körpertemperatur der in Rückenlage positionierten Tiere wurde mittels Temperaturregler
und einem Heizkissen auf 39,0 ± 0,5 °C konstantgehalten. In die linke Arteria und
Vena femoralis wurden Katheter zur Messung des arteriellen Blutdruckes bzw. zur Injektion
von Lösungen und zur Narkosemittel-Substitution eingeführt. Der rechte Carotissinusnerv
wurde vom N. glossopharhyngicus freipräpariert, an einem Faden angeschlungen und peripher
durchtrennt. Die Nn. Vagi wurden vom zervikalen Sympathikus und den Aortennerven getrennt
und mit einem Faden zur späteren Ausschaltung angeschlungen. Die Durchtrennung erfolgte
mit einer Augenschere unter Verwendung von Xylocain-getränkten Wattetupfern zur Vermeidung
von Exzitationen. Rechtsseitig wurde eine Wurzel der Nervus phrenicus (C4 - C6) freigelegt
und peripher durchtrennt. An der rechten Seite wurden die inspiratorischen und exspiratorischen
Interkostalmuskeln (Th6 - Th8) zusammen mit den schrägen Bauchmuskeln (2 cm unter
dem Rippenbogen) freigelegt und mit Parafinöl-getränkten Wattetupfern gegen Austrocknung
geschützt.
Messungen
Die Versuchstiere atmeten Sauerstoff aus einem halboffenen Spirometersystem mit CO2-Absorption. Der tracheale CO2-Partialdruck wurde mit einem Infrarotabsorptionsmessgerät (URAS, Hartmann und Braun)
kontinuierlich gemessen. Das verwendete Spirometer erlaubte, ausgehend von der endexspiratorischen
Atemlage, akute Änderungen der Ein- und Ausatemtiefe zu registrieren und mit der in-
und exspiratorischen Moto-Aktivität zu korrelieren. Der arterielle Blutdruck (Pa) wurde über den Femoralis-Katheter kontinuierlich gemessen (Statham). Aus dem Pulssignal
wurde die Herzfrequenz (fC) gewonnen. Mit bipolaren Edelstahlelektroden wurde die elektrische Aktivität des
N. phrenicus, der inspiratorischen Interkostalmuskeln und der exspiratorisch wirksamen
Interkostal- und Abdominalmuskeln abgeleitet, differenziell verstärkt (Filter: 100
- 10000 Hz) und auf Magnetband gespeichert. Gleichzeitig wurden die Spannungssignale
elektrisch (RC-) integriert (Zeitkonstanten für die Integration: τ = 100 oder 200
msec) und zusammen mit dem arteriellen Blutdruck, der Herzfrequenz, dem Spirometersignal,
den respiratorischen Ösophagusdruckschwankungen und dem trachealen CO2-Partialdruck auf einem Mehrkanalschreiber registriert.
Elektrische Vagus- und Carotissinus-Nerven-Stimulationen
Der linke Carotissinusnerv (CSN) wurde unter Verwendung von bipolaren Edelstahlelektroden
mit elektrischen Impulsen (100 µA, 0,1 ms Dauer, 30 Hz) über eine Minute kontinuierlich
gereizt.
Der linke afferente Stumpf der beiden durchtrennten Nn. vagi (VN) wurde mit elektrischen
Impulsen (50 - 200 µA, 0,1 msec Dauer) mit einen frequenzmodulierten Signal gereizt.
Impulsamplitude und -dauer waren so gewählt, dass vernehmlich die Fasern im Vagus
mit dem größten Durchmesser, also die langsam adaptierenden Lungendehnungsrezeptoren
(LAR), überschwellig gereizt wurden. Kühlung der Nn. vagi haben gezeigt, dass die
Aktivität der LAR bei Temperaturen von 20 °C weitgehend unterbunden wird, während
die dünneren Fasern schnell adaptierender Lungendehnungsrezeptoren (SAR) und die C-Fasern
bei diesen Temperaturen noch aktiv sind [18]. Das Stimulationsmuster simulierte damit die Aktivität von vornehmlich langsam adaptierenden
Lungendehnungsrezeptoren, die als Messfühler für das aktuelle Lungenvolumen dienen
[20]
[21]. Die Pulsfrequenz des Reizsignals wurde aus dem elektrischen Signal der respiratorischen
Ösophagusdruckschwankungen gewonnen. Die Impulsfrequenz des Reizsignals wurde proportional
zur Amplitude des elektrischen Signals des Ösophagusdruckes mithilfe eines spannungskontrollierten
Oszillators (VCO-Element) eingestellt.
Unter Ruhebedingungen entsprach dies einer endexspiratorischen Reizfrequenz von 1
- 5 Hz, die bis zum Ende der Inspiration bis auf ca. 100 Hz anstieg und dann im Verlauf
der Ausatmung wieder bis auf 1 - 5 Hz abfiel. Eine gesteigerte Einatemtiefe wurde
durch Erhöhung der endinspiratorischen Reizfrequenz auf bis zu 250 Hz simuliert, eine
Erhöhung der endexspiratorischen Reizfrequenz auf bis zu 50 Hz bei 100 Hz endinspiratorischer
Reizfrequenz simulierte eine behinderte Exspiration bzw. ein vergrößertes endexspiratorisches
Lungenvolumen (FRC).
Versuchsablauf
Die Untersuchungen begannen ca. 2 Stunden nach Narkoseeinleitung und Durchführung
der vorbereitenden Präparationen und Instrumentierungen. Die Messungen erfolgten nach
Erreichen konstanter Atmungs- und Kreislaufparameter und erstreckten sich unter i.
v. Narkosesubstitution über einen Zeitraum von weiteren 2 - 3 Stunden.
Nach Registrierung der Atmungs- und Kreislaufparameter unter Ruhebedingungen wurden
folgende Versuchsschritte durchgeführt:
-
Simulation einer arteriellen Hypoxie durch elektrische Stimulation des rechten Carotissinusnerven
über 1 Minute,
-
anschließend wurde eine arterielle Hyperkapnie durch Inhalation von 5 % CO2 in O2 zur Stimulation intrakranieller Chemorezeptoren über einen Zeitraum von 15 Minuten
erzeugt.
-
Kombination von Carotissinusnerven-Stimulation und Inhalation von 5 % CO2,
-
bilaterale Vagotomie während Inhalation von 5 % CO2, zuerst der linke Vagus, dann nach 5 Minuten der rechte Vagus,
-
Ruheatmung und Carotissinusnerven-Stimulation nach Vagotomie,
-
Inhalation von 5 % CO2 in O2 nach Vagotomie,
-
Kombination von Carotissinusnerven-Stimulation und Inhalation von 5 % CO2.
Simulation der Aktivität von Lungendehnungsrezeptoren durch afferente elektrische
Vagusreizung
-
Simulation einer „normalen” Dehnungsrezeptor-Aktivität durch Vagusstimulation im Frequenzbereich
von 1 - 5 Impulsen/sec endexspiratorisch und 100 Impulsen/sec am Ende der Inspiration.
-
Simulation einer erhöhten inspiratorischen Lungenblähung durch Vagusstimulation im
Frequenzbereich von 1 - 5 Impulsen/sec endexspiratorisch und bis zu 250 Impulsen/sec
endinspiratorisch.
-
Simulation einer behinderten Exspiration bzw. einer inspiratorischen Verschiebung
der Atemlage durch Vagusstimulation im Frequenzbereich 5 - 50 Impulse/sec endexspiratorisch
und 100 Impulsen/sec endinspiratorisch.
Auswertungen
Aus dem Spirometersignal wurden das Atemzugvolumen (VT), die Ventilation (V'E), die Atemzykluslänge (TC) sowie die Dauer der Inspiration (TI) und der Exspiration (TE) bestimmt. Aus der Amplitude der respiratorischen Druckschwankungen im Ösophagus
(ΔPoes) und VT wurde die dynamische Elastance (Edyn) als Maß für den Atemwegswiderstand berechnet. Die Atemarbeit (W) wurde nach der
Formel W = œ * ΔPoes * VT als Schätzwert für die gesamte aus elastischen und nicht-elastischen Anteilen bestehende
Atemarbeit ermittelt. Aus den elektrischen Signalen wurde die Amplitude (A) und die
Steilheit (slope) der RC-integrierten in- und exspiratorischen Nerven- und Muskelaktivität
(IM, EM) unter den einzelnen Versuchsbedingungen verglichen. Die maximale Amplitude
der IM und EM, die bei den einzelnen Versuchsschritten auftrat, wurde gleich 100 Einheiten
(arbitrary Units) gesetzt. Die bei den einzelnen Versuchsschritten gemessenen Amplituden
wurden auf den jeweiligen Maximalwert bezogen: für die IM-Aktivität bei Kombination
von CSN + VN-Stimulation nach Vagotomie und für die EM-Aktivität unter den genannten
Stimulationsbedingungen vor Vagotomie ([Tab. 1]).
Tab. 1 Einfluss der bilateralen Vagotomie auf die Ruheatmung und auf die Atmung unter erhöhtem
Antrieb (n = 8)
|
|
Nn. vagi intakt |
|
Nach bilateraler Vagotomie |
|
|
Ruheatmung |
CSN-Reiz |
5 % CO2
Inhal. |
5 % CO2
+CSN |
|
Ruheatmung |
CSN-Reiz |
5 % CO2
Inhal. |
5 % CO2
+CSN |
VT (ml/kg) |
X sx
p |
7,18 ± 0,76 |
14,2 ± 2,87 |
17,4 ± 5,22 |
23,4 ± 5,50 |
|
9,78 ± 1,09 *** |
22,3 ± 3,84 *** |
27,8 ±4,63 *** |
31,6 ± 5,00 *** |
V'E (ml/kg/ min) |
x sx
p |
195 ± 37,7 |
379 ± 49,8 |
488 ± 131 |
580 ± 113 |
|
185 ± 50,9 n. s. |
420 ± 71,3 n. s. |
473 ± 107 n. s. |
541 ± 81,0 n. s. |
fR
(1/min) |
x sx
p |
24,3 4,90 |
24,4 5,21 |
25,8 4,95 |
24,5 5,31 |
|
18,2 6,15 * |
19,3 4,55 * |
17,9 4,95 ** |
16,9 5,12 ** |
TI
(sec) |
x sx
p |
1,18 ± 0,35 |
1,12 ± 0,42 |
1,04 ± 0,33 |
1,07 ± 0,38 |
|
1,58 ± 0,42 ** |
1,45 ± 0,23 * |
1,33 ± 0,34 * |
1,13 ± 0,31 * |
TE
(sec) |
x sx
p |
1,29 ± 0,16 |
1,33 ± 0,26 |
1,29 ± 0,20 |
1,39 ± 0,31 |
|
1,71 ± 0,56 * |
1,66 ± 0,31 * |
2,20 ± 0,45 *** |
2,42 ± 0,57 *** |
IM (arbitrary units) |
x sx
p |
16,3 ± 4,0 |
32,6 ± 10,8 |
32,9 ± 10,1 |
49,8 ± 19,7 |
|
24,9 ± 2,94 ** |
65,7 ± 17,4 *** |
71,7 ± 18,0 *** |
100
** |
EM (arbitrary units) |
x sx
p |
3,80 ± 5,00 |
24,1 ± 22,0 |
56,0 ± 6,9 |
100 |
|
1,0 ± 2,4 n. s. |
1,5 ± 3,6 ** |
3,2 ± 3,8 *** |
19,5 ± 15,6 *** |
ΔPoes
(cm H2O) |
x sx
p |
4,60 ± 0,93 |
15,0 ± 3,2 |
17,3 ± 3,6 |
27,5 ± 4,8 |
|
5,46 ± 1,90 * |
17,2 ± 4,30 * |
22,5 ± 6,10 * |
31,2 ± 7,40 ** |
ΔPoes/TI
(cm H2O/sec) |
x sx
p |
3,89 ± 0,93 |
13,4 ± 5,77 |
16,6 ± 6,31 |
25,7 ± 10,2 |
|
3,46 1,25 n. s. |
11,9 3,51 n. s. |
16,9 6,30 n. s. |
27,6 10,1 n. s. |
Edyn
(cm H2O/ ml/kg) |
x sx
p |
0,64 ± 0,15 |
1,01 ± 0,30 |
0,94 ± 0,31 |
1,22 ± 0,37 |
|
0,56 ± 0,21 n. s. |
0,77 ± 0,33 * |
0,80 ± 0,36 * |
0,99 ± 0,38 * |
W (mWatt* sec/kg) |
x sx
p |
1,6* ± 0,5 |
10,4* ± 3,2 |
14,9 ± 4,8 |
31,4 ± 9,3 |
|
2,6 ± 0,8 * |
19,6 ± 6,6 ** |
30,6 ± 9,4 ** |
48,2 ± 10,3 ** |
Signifikanzniveau der Atmungsparameter vor und nach bilateraler Vagotomie: p > 0,05 n. s., p < 0,05*, p < 0,005**, p < 0,0005*** |
Unter konstanten Atmungs- und Kreislaufmessgrößen wurden bei den einzelnen Versuchsschritten
jeweils die Mittelwerte von 10 aufeinanderfolgenden Atemzügen für jedes Versuchstier
ermittelt. Daraus wurden die Mittelwerte (x) und Standardabweichungen (sx) für die Gesamtheit der untersuchten Tiere gebildet und in der Tabelle zusammengestellt.
Die Atmungsparameter unter Ruhebedingungen und unter erhöhtem Atemantrieb vor und
nach bilateraler Vagotomie wurden mittels Fischer's unpaarigem T-Test auf signifikante
Unterschiede hin untersucht [22].
Bei den Versuchsschritten 1 - 3 vor Vagotomie wurde keine Drift der aufgezeichneten
Atmung- und Kreislaufparameter registriert. 20 Minuten nach Vagotomie und den weiteren
Versuchsschritten 5 - 7 waren die Messwerte ebenfalls stabil. Die elektrischen Vagusstimulationen
erfolgten, wie die CSN-Stimulationen, ebenfalls über einen Zeitraum von 1 Minute.
Im Unterschied zu einer konstanten Reizfrequenz, bei der innerhalb von Sekunden eine
Adaptation des Reizerfolges entsteht, erfolgt durch die frequenzmodulierte Stimulation
keine Adaptation der registrierten Größen.
Die Untersuchungen erfolgten mit Zustimmung der Tierversuchskommission beim Regierungspräsidenten
Arnsberg.
Ergebnisse
Ergebnisse
Atmung unter Ruhebedingungen
Die spontane Atmung der narkotisierten Katzen erfolgt durch die inspiratorische Aktivierung
des Zwerchfells und der inspiratorisch wirksamen Muskulatur wie z. B. den externen
Interkostalmuskeln (IM). Nur bei einzelnen Tieren wird in der Exspiration eine geringe
Aktivität der exspiratorisch wirksamen Interkostal- und Abdominalmuskulatur (EM) unter
Ruheatmungsbedingungen registriert, ohne dass dabei messbare positive Drücke im Ösophagus
auftreten. Bei einer mittleren Atemtiefe von 7,18 ± 0,76 ml/kg und einer Atemfrequenz
von 24,3 ± 6,5 Atemzügen/Minute beträgt die Ventilation im Mittel 195 ± 37,7 ml/kg/min,
bei einem endexspiratorischen CO2-Partialdruck von 34 mm Hg ([Tab. 1]).
Atmung unter erhöhtem chemischen Atemantrieb
Simulation von arterieller Hypoxie durch Stimulation eines Carotissinusnerven
CSN-Stimulation führt zu einem mittleren Anstieg von VT auf 14,2 ± 2,9 ml/kg (+ 97 %). Von der normalen Atemlage ausgehend, nehmen sowohl
die Einatemtiefe um 5,3 ± 2,5 ml/kg als auch die Ausatemtiefe 1,8 ± 1,0 ml/kg signifikant
zu. Die Atemmittellage erhöht sich dabei lediglich um 2,6 ± 1,8 ml/kg). Elektrische
Reizung eines Carotissinusnerven führt zur Steigerung der Ventilation um etwa 100
% des Ruhewertes bei nur wenig veränderter Atemfrequenz ([Abb. 2], [Tab. 1]). Die gesteigerte Atemtiefe beruht auf einer Steigerung der Aktivität inspiratorischer
Muskeln, die eine erhöhte respiratorische Druckamplitude im Ösophagus (ΔPoes) bewirkt. Bei unveränderter Entladungsdauer steigt sowohl die Steilheit als auch
die Amplitude der integrierten elektrischen Signale des N. phenicus und der inspiratorischen
Interkostalmuskeln. Darüber hinaus wird die Ausatmung durch Aktivierung der exspiratorischen
Muskeln unterstützt. Dabei wird der Ösophagusdruck in der zweiten Hälfte der Exspiration
(Phase II) vorübergehend positiv.
Abb. 1 Einfluss von unilateraler und bilateraler Vagotomie auf den zeitlichen Verlauf der
registrierten Atemparameter: spirometrisches Volumen (ΔVL), und der integrierten elektrischen Aktivität von inspiratorischen Interkostal- (IM)
und exspiratorischen schrägen Abdominalmuskeln (EM), während Einatmung eines Gasgemisches
mit 5 % CO2 in O2. An der Markierung auf der linken Bildhälfte wird zunächst der linke N. vagus durchtrennt
und in der rechten Bildhälfte der rechte N. vagus. Die Atemlage wird in inspiratorischer
Richtung verschoben; die Aktivität der inspiratorischen und Atemmuskeln erhöht und
die der exspiratorischen Muskeln vermindert. Die Amplituden der IM und EM werden in
beliebigen Einheiten (arbitrary units) gegeben.
Arterielle Hyperkapnie durch Inhalation von 5 % CO2 in O2
Inhalation von 5 % CO2 in O2 führt bei intakten Nn. vagi zu einem Anstieg des Atemzugvolumens von 7,18 ± 0,76
ml/kg auf 17,4 ± 5,22 ml/kg (+ 142 %) und der Ventilation um 150 % des Ausgangswertes,
verbunden mit einer erhöhten Aktivität inspiratorischer Muskeln und einer deutlichen
Unterstützung der Ausatmung durch die exspiratorische Muskulatur. Wie bei der CSN-Stimulation
wird auch bei Inhalation von CO2 der Ösophagusdruck in der zweiten Hälfte der Exspiration positiv.
Kombination von Carotissinusnerven-Stimulation und Inhalation eines Gasgemisches mit
5 % CO2 in O2
Die Kombination beider Atemantriebe führt zur weiteren Steigerung des Atemzugvolumens
und der Ventilation um mehr als 200 % des Ausgangswertes verbunden mit einer mehr
als 3-fach erhöhten Amplitude der inspiratorischen Muskelaktivität und einer maximal
gesteigerten elektrischen Aktivität der exspiratorischen Muskulatur ohne signifikante
Änderung der Atemfrequenz. Die dynamische Elastance (Edyn) als Maß für den Strömungswiderstand ist gegenüber der Ruheatmung verdoppelt und
die Atemarbeit 20-fach erhöht ([Abb. 3]).
Abb. 2 Ruheatmung (control) und Effekte der Carotissinusnerven-Reizung (CSN), Inhalation
eines Gasgemisches mit 5 % CO2 in O2 (CO2) und der Kombination aus 5 % CO2-Inhalation und CSN-Stimulation mit intakten Nn. Vagi (linke Bildhälfte). Dargestellt
sind von oben nach unten: ΔPoes
respiratorische Druckschwankungen im Ösophagus, ΔVL Spirogramm mit Inspiration nach oben, IM RC-integrierte elektrische Aktivität der inspiratorischen Interkostalmuskeln, EM RC-integrierte elektrische Aktivität der exspiratorisch wirksamen schrägen Bauchmuskulatur.
Rechte Bildhälfte: Wiederholung der Registrierung von Ruheatmung und Effekte der Carotissinusnerven-Reizung
(CSN), Inhalation eines Gasgemisches mit 5 % CO2 in O2 (CO2) und der Kombination aus 5 % CO2-Inhalation und CSN-Stimulation mit durchtrennten Nn. vagi. Gain = 0,5 bedeutet Registrierung
der IM mit halber Empfindlichkeit bei Kombination von CO2 und CSN-Stimulation nach Vagotomie.
Atmung nach bilateraler Vagotomie
Bilaterale Vagotomie unter Inhalation von 5 % CO2 führt zur inspiratorischen Verschiebung der Atemlage. Dabei nimmt die endinspiratorische
Atemlage im Mittel um 7,1 ± 2,3 ml/kg zu und die endexspiratorische Atemlage wird
um 1,9 ± 1,3 ml/kg in inspiratorischer Richtung verschoben. Ableitungsuntersuchungen
an der Atemmuskulatur während Inhalation von 5 % CO2 in O2 zeigen nach Vagotomie eine drastische Verminderung der elektrischen Aktivität exspiratorisch
wirksamer Muskeln von 56 ± 6,9 auf 3,2 ± 3,8 Units (p < 0,0005) und um mehr als eine
Verdopplung der inspiratorischen Atemmuskelaktivität ([Abb. 1], [Tab. 1]).
Abb. 3 Die gesamte Atemarbeit (elastische und resistive) als die Hälfte des Produktes aus
Atemzugvolumen und der Ösophagusdruckamplitude in Abhängigkeit von der Ventilation
bei intakten und vagotomierten Tieren.
Ausschaltung der Nn. vagi führt zur Steigerung der Atemtiefe unter Ruheatmungsbedingungen
auf 9,78 ± 1,09 ml/kg (+ 36 %, p < 0,0002), während die Atemfrequenz um 25 % abnimmt
(18,2 ± 6,15 Atemzüge/min, p < 0,02). Dabei wird die Ventilation (185 ± 50,9 ml/kg/min,
p < 0,2) nicht signifikant verändert ([Abb. 2], [Tab. 1]). Auch der endexspiratorische CO2-Partialdruck wird nicht signifikant verändert.
Nach Vagotomie vergrößert sich der Anstieg der Atemtiefe durch CSN-Stimulation auf
22,3 ± 3,84 ml/kg (p < 0,0005). Die vergrößerte Atemtiefe beruht auf einer mehr als
verdoppelten Amplitude der IM-Aktivität, während die Exspiration ohne effektive Unterstützung
der EM erfolgt.
Nach Vagotomie vergrößert sich der Anstieg der Atemtiefe unter Inhalation von 5 %
CO2 signifikant auf 27,8 ± 4,63 ml/kg (+ 184 %).
Die gesteigerte Atemtiefe beruht auf einer mehr als dreifach erhöhten Amplitude der
IM-Aktivität und einer verlängerten Aktivitätsdauer. Die gesteigerte Aktivität der
inspiratorischen Muskeln führt zu einer vergrößerten respiratorischen Druckamplitude
im Ösophagus. Nach bilateraler Vagotomie ist unter Ruheatmung keine effektive Aktivität
exspiratorischer Muskeln mehr nachweisbar ([Abb. 2b]). Die dynamische Elastance, Edyn, wird leicht, aber nicht signifikant gegenüber
dem Ruhewert vermindert. Die Atemarbeit, W, ist nach Vagotomie gegenüber dem Ausgangswert
auf das 1,6fache (+ 62 %) erhöht (p < 0,05). CO2-Inhalation und gleichzeitige Carotissinusnerven-Reizung führen zu einer Vergrößerung
dieses Wertes um das 20fache bei intakten und um das 30fache bei durchtrennten Nn.
vagi ([Tab. 1], [Abb. 3]).
Simulation veränderter Lungenvolumina durch frequenzmodulierte elektrische Stimulation
des afferenten linken N. vagus
Wiederherstellung der Ausgangsparameter vor Vagotomie
Durch Simulation der normalen, atemabhängigen Aktivität mittels endinspiratorischer
Reizfrequenzen von 80 - 100 Hz bei wenigen Impulsen (1 - 5 Hz) in der späten Exspiration
und frühen Inspiration können die untersuchten Atemparameter auf die Ausgangswerte
vor Vagotomie durch Stimulation eines afferenten Vagusstumpfes zurückgeführt werden
([Abb. 4a] u. [5a]). Die Entladungsdauer der inspiratorischen Moto-Aktivität wird bei unveränderter
Steilheit der integrierten elektrischen Aktivität verkürzt, damit wird das Atemzugvolumen
vermindert und die Ein- und Ausatmungsdauer verkürzt. Somit können Ausgangwerte vor
Vagotomie durch entsprechende Anpassung der Reizfrequenz wieder erreicht werden. Die
Effekte werden bereits ausgelöst, wenn die Stimulation auf die Inspiration beschränkt
bleibt.
Abb. 4 Zeitverlauf für den Aortendruck (Part), das Spirogramm (VT) mit Inspiration nach oben, den RC-integrierten elektrischen Aktivitäten der inspiratorischen
Interkostalmuskeln (IM), der exspiratorischen Abdominalmuskeln (EM), und des N. phrenicus
(PhrN) und der frequenzmodulierten Vagusreizung (Vagus-Reiz). Die Vagusreizung in
a erfolgte mit 1 - 5 Hz, 0,9 V-Amplitude, 0,1 msec (Impulsdauer) am Beginn der Inspiration
und steigerte sich kontinuierlich bis auf 100 Hz am Ende der Inspiration, um im Verlauf
der Exspiration wieder auf 1 - 5 Hz abzufallen. Diese Stimulationsparameter führen
zur Wiederherstellung der Atmungsparameter, wie sie unter Ruhebedingungen vor Vagotomie
registriert werden.
In b wird ein Registrierbeispiel für die Simulation einer gesteigerten Einatemtiefe durch
frequenzmodulierte afferente elektrische Vagusreizung nach bilateraler Vagotomie dargestellt.
Die Vagusreizung erfolgte mit wenigen Impulsen (0,9 V-Amplitude, 0,1 msec Impulsdauer)
am Beginn der Inspiration und steigerte sich kontinuierlich bis auf 160 Hz am Ende
der Inspiration, um im Verlauf der Exspiration wieder auf wenige Hz abzufallen. Beachte
die Abnahme der Einatemtiefe, die verminderte Aktivität der IM und die Atemfrequenzsteigerung.
Teil c zeigt ein Registrierbeispiel für die Simulation einer behinderten Exspiration mit
Erhöhung der endexspiratorischen Atemlage durch frequenzmodulierte afferente elektrische
Vagusreizung nach bilateraler Vagotomie. Die Vagusreizung erfolgte mit 50 Impulsen
(0,9 V-Amplitude, 0,1 msec Impulsdauer) am Beginn der Inspiration und steigerte sich
kontinuierlich bis auf 100 Hz am Ende der Inspiration, um im Verlauf der Exspiration
wieder auf 50 Hz abzufallen. Beachte die Aktivierung der EM und die exspiratorische
Verschiebung der Atemlage mit vergrößertem Atemzugvolumen.
Abb. 5 a Basalwerte (Control) und Effekte der CSN-Stimulation (CSN sim.) auf das Atemzugvolumen
(VT), die Amplitude der N. phrenikus-Aktivität (IM) und der Aktivität der exspiratorischen
Abdominalmuskulatur (EM) vor (linke Bildhälfte) und nach bilateraler Vagotomie (rechte
Bildhälfte). Auf der rechten Bildseite wird das Ergebnis der elektrischen Vagusreizung
(VN-stim.) mit verschiedenen endexspiratorischen Reizfrequenzen (0, 10, 20, 30, 40
Hz) bei jeweils 120 Hz endinspiratorischer Reizfrequenz dargestellt, und daneben wird
jeweils die Wirkung der Vagusreizung in Kombination mit der CSN-Stimulation (VN+CSN-stim)
zur Simulation einer behinderten Exspiration gezeigt. b Basalwerte (Control) und Effekte der CSN-Stimulation (CSN-stim.) auf das Atemzugvolumen
(VT), die Amplitude der N. phrenikus-Aktivität (PN) und der Aktivität der exspiratorischen
Abdominalmuskulatur (EM) vor und nach bilateraler Vagotomie (linke Bildhälfte). Auf
der rechten Bildhälfte wird das Ergebnis der elektrischen Vagusreizung (VN-stim.)
mit ansteigenden endinspiratorischen Reizfrequenzen (50, 100, 150, 200 Hz) bei 1 -
5 Hz endexspiratorischer Reizfrequenz dargestellt und daneben jeweils die Wirkung
der Vagusreizung in Kombination mit CSN-Stimulation (VN+CSN-stim.) gezeigt.
Simulation einer vergrößerten Atemtiefe
Durch endinspiratorische Reizfrequenzen von 120 - 250 Hz bei wenigen Impulsen in der
späten Exspiration und frühen Inspiration wird die vagale Aktivität einer vertieften
Atmung simuliert. Die frequenzmodulierte Reizung löst reflektorisch eine flache Atmung
mit gesteigerter Atemfrequenz aus (Abb. [4b] u. [5a]). Dabei hat die Stimulation wenig Einfluss auf die Steilheit der integrierten inspiratorischen
Moto-Aktivität, sondern löst vielmehr den inspiratorischen „off-switch” früher aus
und verkürzt damit die Einatmungsdauer (TI). Bei verminderter Atemtiefe ist auch die Ausatmungsdauer (TE) verkürzt, so dass ein flaches frequentes Atemmuster entsteht. Dabei bleibt die endexspiratorische
Atemlage unverändert. Insgesamt bewirken die Reizparameter eine verminderte Ventilation.
Die verkürzte Inspiration mit Abnahme der inspiratorischen Moto-Aktivität wird bereits
erreicht, wenn die Stimulation auf die Einatmungsphase beschränkt ist, exspiratorisch
zeigt die frequenzmodulierte Stimulation keine deutliche Wirkung.
Simulation einer behinderten Exspiration
Durch endexspiratorische Reizfrequenzen im Bereich von 10 - 50 Hz und 120 Hz am Ende
der Inspiration und frühen Exspiration wird eine Behinderung der Exspiration simuliert.
Dies führt zu einer frequenzabhängigen exspiratorischen Verschiebung der Atemlage,
mit verlängerter Ausatmungsdauer (TE) und Aktivierung der exspiratorischen Muskulatur ([Abb. 4c] u. [5b]). Die Aktivierung der exspiratorischen Moto-Aktivität führt zu einer deutlich vertieften
Exspiration unter das funktionelle Residualvolumen. Bei verminderter IM-Aktivität
bleiben Atemzugvolumen und Ventilation jedoch nahezu unverändert. Die Aktivierung
exspiratorischer Muskeln und damit eine vertiefte Exspiration wird bereits erreicht,
wenn die Stimulation nur auf die Ausatmungsphase beschränkt bleibt.
Kombination von elektrischer Stimulation der Nn. vagi und elektrischer Carotissinusnerven-Stimulation
Bilaterale Vagotomie führt zu einem vergrößerten Atemzugvolumen bei verminderter Atemfrequenz
([Tab. 1]) und nahezu unveränderter Ventilation. Simulation eines erhöhten Atemantriebes durch
elektrische Reizung eines Carotissinusnerven führt zu einem gesteigerten inspiratorischen
Atemantrieb und damit zur vertieften Inspiration. Durch eine elektrische Stimulation
des afferenten N. vagus mit endinspiratorischen Reizfrequenzen von 80 - 100 Hz bei
wenigen Impulsen (1 - 5 Hz) in der späten Exspiration und frühen Inspiration können
die untersuchten Atemparameter auf die Ausgangswerte vor Vagotomie durch Stimulation
eines afferenten Vagusstumpfes wiederhergestellt werden ([Abb. 4a] u. [5a], rechte Bildhälfte).
Weitere Erhöhung der endinspiratorischen/frühexspiratorischen Reizfrequenz auf bis
zu 250 Hz führt zur Abnahme der inspiratorischen Moto-Aktivität und einer leichtgradigen
Aktivierung der exspiratorischen Muskeln in der Ausatmungsphase. Damit nimmt die Atemtiefe
bei unveränderter endexspiratorischer Atemlage ab. Zusätzliche Stimulation eines Carotissinusnerven
führt unter der Vagusreizung zur verminderten Steigerungen der Aktivität inspiratorischer
Muskeln und zu einer verstärkten Aktivierung der exspiratorischen Muskulatur ([Abb. 4b], [5a], rechte Bildhälfte). Dabei wird das Atemzugvolumen vergrößert.
Durch endexspiratorische Reizfrequenzen von 20 - 50 Hz und 120 Hz am Ende der Inspiration
und frühen Exspiration zur Simulation einer behinderten Exspiration wird eine zunehmende
Aktivierung der exspiratorischen Atemmuskeln ausgelöst, die bei gleichzeitiger Carotissinusnerven-Stimulation
erheblich verstärkt wird ([Abb. 4c], [5b], rechte Bildhälfte). Durch die aktive Exspiration wird die Atemlage deutlich in
Richtung Residualvolumen verschoben und das Atemzugvolumen vergrößert.
Einfluss der Vagusstimulation auf den arteriellen Blutdruck und die Herzfrequenz
Stimulationen des afferenten Vagus mit der gewählten Reizstärke bewirken nur leichte
Abnahmen des systolischen und diastolischen arteriellen Blutdruckes (< 10 mm Hg) und
der Herzfrequenz (< 15 Schläge/min). Höhere Reizstärken (> 200 mA oder > 0,5 ms) rufen
hingegen deutliche Bradykardien, verbunden mit Abnahmen des systolischen und diastolischen
Blutdruckes, hervor. Diese stärkeren Herz-Kreislaufreaktionen waren mit einer unregelmäßigen,
mit Seufzern durchsetzten Atmung verbunden, die durch Anpassung der Reizparameter
vermieden wurde.
Diskussion
Diskussion
Das Zusammenwirken der Aktivität von Chemorezeptorafferenzen mit der Volumen- und
Strömungsinformation von tracheo-pulmonalen Dehnungsrezeptoren stellt den zentralen
Einstellmechanismus der Atemrhythmogenese und der respiratorischen Moto-Aktivität
dar. Ein erhöhter chemischer Atemantrieb durch Inhalation eines Gasgemisches mit erhöhtem
CO2-Partialdruck oder erniedrigtem O2-Partialdruck sowie die elektrische Stimulation eines Carotissinusnerven oder der
chemosensiblen Areale auf der ventralen Medulla oblongata führen zur alveolaren Ventilationssteigerung,
die im Wesentlichen auf einem vergrößerten Atemzugvolumen und weniger auf der Atemfrequenzerhöhung
beruht. Dabei wird die Aktivität inspiratorisch wirksamer Atemmuskeln in der Inspiration
erhöht und die Ausamtung durch die exspiratorischen Muskeln unterstützt.
Der Beitrag der langsam adaptierenden (LAR) tracheo-pulmonalen Dehnungsrezeptoren
an diesem Mechanismus wird durch die Durchführung einer bilateralen Vagotomie bei
erhöhtem Atemantrieb verdeutlicht: es kommt zu einer drastischen Vermindung der exspiratorischen
Muskelaktivität bei gleichzeitiger Erhöhung der inspiratorischen Muskelaktivität,
die eine Vergrößerung des Atemzugvolumens mit einer Verschiebung der Atemlage in inspiratorischer
Richtung, also in Richtung der totalen Lungenkapazität zur Folge hat. Unter den Bedingungen
eines erhöhten chemischen Atemreizes wird eine deutliche und signifikante Erhöhung
der Atemarbeit nach Vagotomie gezeigt, die aufgewendet werden muss, um eine vergleichbare
Ventilation zu erreichen, wie unter nicht-vagotomierten Bedingungen ([Abb. 3]). Eine erhöhte Lungenblähung wirkt sich ungünstig auf die Funktion des Zwerchfells
und, wenn auch weniger deutlich, auch auf die der Interkostalmuskeln aus. Mit der
Methode der frequenzmodulierten elektrischen Stimulation der afferenten Nn. vagi mit
Impulsen, die vornehmlich die vagalen Fasern mit dem größten Durchmesser, also die
LAR erfassten, konnten die Kontrollgrößen der Atmungsparameter wieder hergestellt
werden. Diese Befunde unterstreichen die Bedeutung der im N. vagus verlaufenden Lungendehnungsrezeptor-Informationen
für die Atmung Lungengesunder. Wenig bekannt sind die Pathomechanismen für Patienten
mit Exazerbation einer COPD, bei denen die Bronchokonstriktion zur Erhöhung des Lungenvolumens
(Volumen pulmonum auctum) führt, oder Patienten mit der obstruktiven Form der Schlafapnoe,
bei denen es durch extrathorakale Stenosen zu Behinderungen der Inspiration und/oder
der Exspiration kommt [10]
[11]
[12]
[23]. Lediglich Ninane u. Mitarb. konnten bei einem Teil ihrer Patienten mit COPD eine
exspiratorische Aktivierung der schrägen Bauchmuskulatur zeigen, die mit dem Grad
der Atemwegsobstruktion korrelierte [24].
Schon die inzwischen historischen Untersuchungen von Hering und Breuer [25] und später von Wyss [26] konnten zeigen, dass die Ausschaltung von Lungendehnungsrezeptoren durch bilaterale
Vagotomie zur Vergrößerung des Atemzugvolumens mit Abnahme der Atemfrequenz führt.
Die Ventilation bleibt dabei nahezu unverändert. Die Inspiration als aktiver Vorgang
beruht auf der Kontraktion des Zwerchfells und der inspiratorischen Interkostalmuskulatur.
Die Exspiration unter Ruhebedingungen ist jedoch ein passiver Vorgang, der auf der
Eigenelastizität von Lunge und Thoraxwänden besteht. Erst bei erhöhtem Atemantrieb
wird die Exspiration durch die Aktivierung der exspiratorischen Muskeln unterstützt.
Nach bilateraler Vagotomie ist die Aktivität der inspiratorischen Atemmuskeln vergrößert
und verlängert. Der Effekt der bilateralen Vagotomie konnte durch Stimulation eines
zentralen Vagusstumpfes im Frequenzbereich von 1 - 5 Hz während endexspiratorischer
Reizung und 80 -120 H2 in der endinspiratorischen Phase aufgehoben werden. Dieser Frequenzbereich entspricht
dem Entladungsverhalten langsam adaptierender Lungendehnungsrezeptoren unter Ruhebedingungen
[27]
[28] und wird auch von anderen Autoren für die elektrische Vagusstimulation angegeben
[29]
[30]
[31]. Erhöhung der Reizstromstärke (Impulsamplitude oder -dauer) führt regelmäßig zu
inspirationsfördernden Atemantworten (Seufzer), wie sie in typischer Weise bei Stimulation
von schnell adaptierenden Lungendehnungsrezeptoren (RAR) mit geringerem Faserdurchmesser
durch mechanische Reizung [7], sowie durch inhalierte Noxen oder bronchokonstriktorisch wirksamen Substanzen ausgelöst
werden [18]
[32]. Darüber hinaus wird durch i. v. Gabe von Histamin oder von kontinuierlichem negativen
Atemwegsdruck (CNAP) in narkotisierten spontan atmenden Katzen eine tonische Aktivität
inspiratorisch wirksamen Nerven- und Muskelaktivität erzeugt, die über die gesamte
Exspirationsphase andauert (ETIA). Um zwischen den Reflexwirkungen der drei wesentlichen
Typen von vagalen Afferenzen zu unterscheiden, wurden beide Nn. vagi auf verschiedenen
Temperaturen zwischen 4 °C und 37 °C gekühlt. CNAP stimuliert RARs und hemmt SARs.
Histamin wurde zur Stimulation von RARs appliziert und wurde kombiniert mit kontinuierlichem
positiven Atemwegsdruck (CPAP) zur Stimulation von SARs. Die tonische exspiratorische
Aktivität wird im Diaphragma und in der parasternalen IM durch beide Reize, Histamin
und CNAP ausgelöst. Kühlung der Nn. vagi auf Temperaturen unter 14 °C unterdrückt
die Aktivität der LAR und verstärkt die Wirkung der SAR und damit die tonische inspiratorische
Aktivität in der Ausatmungsphase. Nach Vagotomie konnte weder Histamin noch CNAP eine
ETIA auslösen.
Auch die Stimulation von marklosen vagalen Afferenzen, wie die der J-Rezeptoren können
weitgehend ausgeschlossen werden, da sie typischerweise eine hochfrequente flache
Atmung hervorrufen [1]. Durch Anpassung der Reizparameter konnten diese Atemmuster vermieden werden.
Die Untersuchungen von Meessen und Mitarb. an der Katze zeigen, dass die tonische
Aktivität inspiratorisch wirksamer Nerven und Muskeln in der Exspiration über einen
vagalen Reflexkreis zustande kommt. Daran sind C-Fasern nicht beteiligt. Histamin-induzierte
ETIA, beruht auf der Stimulation von RARs und wird durch SARs gehemmt. Mechanische
Stimulation von RARs ist ein wirkungsvoller Reiz für die Induktion von ETIA. Dies
lässt schließen, dass Hyperinflation bei akutem Asthma zumindest teilweise auf ETIA
durch eine Imbalanz zwischen SAR- und RAR-Aktivität ausgelöst wird. Auch beim Menschen
bewirkt Histamin eine ETIA, verbunden mit einer akuten Lungenblähung [33].
Die inhalative Applikation topisch wirksamer Anticholinergika, wie Thiotropiumbromid,
senkt den Tonus der glatten Bronchialmuskulatur und kann damit einer Stimulation von
RARs wirkungsvoll entgegenwirken und ein Ungleichgewicht von LAR- und RAR-Aktivierung
verhindern. Damit wird eine akute Lungenüberblähung wirkungsvoll vermindert, indem
die tonische Aktivierung der inspiratorischen Muskulatur unterbleibt. Patienten mit
chronisch obstruktiver Lungenerkrankung haben unter dem Schutz von Anticholinergika
weniger Dyspnoe und ein gesteigertes körperliches Leistungsvermögen [34]. Inwieweit RARs in der Bronchialschleimhaut durch Anticholinergika direkt beeinflusst
werden, ist weiterhin unklar. Während CO2-Inhalation oder Carotissinusnerven-Stimulation ist die Aktivität der inspiratorischen
Muskeln ohne Volumenrückmeldung durch die Lungendehnungsrezeptoren wesentlich gesteigert.
Die Folge ist eine gesteigerte Ventilation nach Wegfall der inspirationshemmenden
Wirkung der LAR [35]
[36]. Die Reizantwort der exspiratorischen Muskulatur ist unter diesen Bedingungen drastisch
vermindert, und das Atemzugvolumen wird fast ausschließlich in inspiratorischer Richtung
gesteigert. Bereits bei der Ruheventilation bewirkt die Vagotomie eine erhöhte Atemarbeit
[36]. Bei sehr starkem Atemantrieb ist die Ventilationsantwort nach Vagotomie jedoch
vermindert. Die hier vorgestellten Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies durch die
verminderte Aktivität exspiratorischer Muskeln bedingt ist [13]. Aufgabe der LAR ist es, bei erhöhtem Atemantrieb eine Verteilung der Atemmuskelarbeit
auf die inspiratorischen und exspiratorischen Atemmuskeln zu bewirken. Damit wird
die Atemlage auf der Ruhe-Dehnungs-Kurve von Lunge und Thorax weniger in Richtung
Totaler Lungenkapazität verschoben als nach Vagotomie.
Bei Simulation einer gesteigerten Einatemtiefe durch Erhöhung der endinspiratorischen
Reizfrequenz wird die Inspiration vorzeitig abgebrochen, und das Atemzugvolumen wird
kleiner als bei intakten Nn. vagi gefunden. Trotz erhöhter Atemfrequenz wird die Ventilation
vermindert. Die Steilheit der integrierten inspiratorischen Muskelaktivität wird dabei
nicht wesentlich verändert. Ableitungsuntersuchungen an respiratorischen Neuronen
von von Euler u. Mitarb. zeigen, dass die LAR die Einatmung volumenabhängig beenden,
indem sie die Terminierung der Aktivität inspiratorischer Neurone einleiten [7].
Eine Steigerung der endexspiratorischen Atemlage oder aber eine inspiratorische Verschiebung
der Atemlage ist von größter pathophysiologischer Bedeutung im Hinblick auf eine beginnende
Atemwegsobstruktion oder für die Entwicklung eines Lungenemphysems. Die Simulation
eines gesteigerten intrathorakalen Gasvolumens durch die elektrische Stimulation von
Lungendehnungsrezeptoren bewirkt einerseits eine Aktivierung der exspiratorischen
Atemmuskeln und führt damit zu einer aktiven Exspiration bis zum funktionellen Residualvolumen.
Die LAR wirken auf diese Weise einer Steigerung des intrathorakalen Gasvolumens entgegen.
In der Literatur wurde bisher lediglich eine Verlängerung der Ausatmung ohne aktive
Exspiration beschrieben [37]
[38]. Dabei ging man von einer Hemmung der inspiratorischen Mechanismen aus, die dem
Zeitintegral des exspirierten Volumens entsprach [39]. Bekannt ist jedoch [40]
[41], dass die langsam adaptierenden Lungendehnungsrezeptoren exspiratorische Neurone
des Nucleus retroambigualis hemmen, wenn der Atemwegswiderstand in der Exspiration
erhöht ist; bei Verschiebung der Atemlage in inspiratorischer Richtung bewirken die
LAR eine Aktivierung exspiratorischer Neurone. Mit der vorliegenden Untersuchung zeigen
wir, dass es bei einer erhöhten exspiratorischen Reizfrequenz im Nervus vagus zu einer
Aktivierung der exspiratorischen Muskeln kommt: dies deutet auf die Aktivierung exspiratorischer
Neurone, vermittelt durch eine erhöhte LAR-Aktivität in der zweiten Hälfte der Ausatmung
oder Phase II der Exspiration hin, in der keine Phrenikus-Aktivität besteht.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die durchgeführten Akutversuche zeigen unter erhöhtem Atemantrieb eine gesteigerte
inspiratorische Moto-Aktivität und eine durch die exspiratorischen Atemmuskeln unterstützte
Ausatmung. Diese Beobachtung zeigt, dass langsam adaptierende Lungendehnungsrezeptoren
dabei als Messfühler eines Servomechanismus für die Erhaltung der Atemlage nahe der
funktionellen Residualkapazität wirken. Ihre Wirkung kann bei akuter Bronchokonstriktion
durch die schnell adaptierenden Lungendehnungsrezeptoren überdeckt werden. Die elektrische
Vagusreizung mit den hier gewählten Parametern verhindern eine inspiratorische Überblähung
der Lungen und unterstützen die Exspiration durch die Aktivierung der exspiratorisch
wirksamen Interkostal- und der schrägen Abdominalmuskulatur. Die Lungendehnungsrezeptoren
bewirken weiterhin, dass das Atemzugvolumen bei erhöhtem Atemantrieb in in- und exspiratorischer
Richtung gesteigert wird und dass auf diese Weise die Atemmittellage nur wenig entlang
der Ruhe-Dehnungskurve in Richtung der totalen Lungenkapazität verschoben wird. Dies
minimiert die elastische Atemarbeit. Im Falle einer behinderten Exspiration, durch
Erhöhung der endexspiratorischen Vagusreizfrequenz simuliert, führen Lungendehnungsrezeptoren
sowohl zur Aktivierung exspiratorischer Muskeln als auch zu einer verlängerten Ausatmungszeit
und unterstützen damit die Ausatmung. Bei arterieller Hyperkapnie oder Simulation
von Hypoxie durch elektrische Carotissinusnerven-Reizung wird die exspiratorische
Muskelaktivität deutlich verstärkt.