Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2006; 41(5): 315-321
DOI: 10.1055/s-2006-944427
Fachwissen: Topthema

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Pathophysiologie von koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz

Der kardiale RisikopatientPathophysiology of coronary artery disease and heart failure.Tim Frenzel, Gregor Theilmeier
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Publication Date:
19 May 2006 (online)

Kardiovaskuläre Vorerkrankungen können das Risiko für perioperative kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität erheblich erhöhen.1 Die Behandlung solcher Vorerkrankungen und die Anwendung präventiver kardio- bzw. vaskuloprotektiver Strategien können dieses Risiko senken. Aber es profitiert nicht jeder Patient mit kardiovaskulären Risikofaktoren von solchen Strategien, die selber mit einem erheblichen Komplikationsrisiko behaftet sein können. Für die Erkennung und Behandlung solcher Erkrankungen ist die Kenntnis der zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen essentiell wichtig. Daher soll in der vorliegenden Kurzübersicht die klinisch relevante Pathophysiologie der koronaren Herzkrankheit (KHK), und der Herzinsuffizienz inklusive ausgewählter Klappenvitien zusammengefasst werden.

Comorbid cardiovascular diseases can significantly increase the risk for perioperative morbidity and mortality. Increasing age of surgical populations and increasing invasiveness of surgical procedures further contribute to a siginificantly increased perioperative cardiovascular complication rate. Treatment of cardiovascular comorbidities and prevention of cardiovascular complications can decrease the perioperative risk. For detection and treatment of cardiovascular risk patients a thorough understanding of the underlying pathophysiology is of utmost importance. This article therefore reviews clinically relevant features of cardiovascular diseases with an emphasis on coronary artery disease and heart failure.

Kernaussagen

  • Die koronare Herzerkrankung (KHK) ist die Folge einer fortgeschrittenen atherosklerotischen Plaquebildung (= Atherogenese).

  • Prädilektionsstellen für atherosklerotische Plaques sind Arterienbifurkationen. (Dort herrscht turbulente Strömung, die das Endothel per se schädigt!).

  • Noxen (z.B. Nikotin) und Grunderkrankungen (z.B. Hypercholesterinämie) können die Atherogenese beschleunigen.

  • Atherosklerotische Läsionen entstehen in Phasen:

    • Endotheliale Dysfunktion (= verminderte Bioaktivität des endothelabhängigen Vasodilatators Stickstoffmonoxid): noch keine morphologische Veränderung des Endothels, Endothel jedoch erhöhtem Scherstress ausgesetzt.

    • Schaumzellläsion: proinflammatorische Moleküle (vermehrt freigesetzt durch Noxen oder Grunderkrankungen) rekrutieren Monozyten; diese wandern in den subendothelialen Raum und differenzieren dort in Makrophagen, die in ihrem Zytosol Lipide akkumulieren (= Schaumzellen).

    • Komplexe Plaque: durch permanente Zellproliferation in der subendothelialen Läsion wächst die Plaque immer weiter und organisiert sich: zu einer (kollagenreichen) Kappe aus glatten Muskelzellen und einem (lipidreichen) Kern aus Makrophagen; der Kern wächst auf Kosten der zunächst noch stabilen Kappe, die Kappe kann reißen!

  • Gefahren von Plaquewachstum und -vulnerabilität:

    • Zunehmende Stenosierung des Gefäßes durch Plaquewachstum, dadurch Gefahr der manifesten Koronarinsuffizienz und Myokardischämie mit evtl. Nekrose und Infarkt (kleinerer Teil der perioperativen Infarkte).

    • Destabilisierung kleinerer Läsionen, die rupturgefährdet sind, insbesondere wenn die gefährliche perioperative Hämodynamik hinzutritt.

    • Thrombusformation und -apposition infolge Einreißens der Plaquekappe; der entstehende Thrombus ist entweder stabil (dann Gefahr des Myokardinfarkts, da Thrombus Gefäß zunehmend verlegt) oder instabil (dann Gefahr des akuten Koronarsyndroms mit rezidivierenden Ischämien, da Thrombus sich von der Plaque löst und embolisiert).

  • Das Risiko für einen perioperativen Myokardinfarkt wird bestimmt durch Scherstress, Koagulabilität des Blutes und Plaquestabilität!

  • Unter den Belastungen eines chirurgischen Eingriffs kann aus einer stabilen Plaque eine instabile werden. Dieser Prozess lässt sich momentan noch nicht beeinflussen. Möglicherweise haben Statine stabilisierende Effekte.

  • Die Pathophysiologie der Herzinsuffizienz ist durch ein erniedrigtes Herzzeitvolumen gekennzeichnet sowie durch die Kompensationsmechanismen des Organismus, die daraus resultieren:

    • Indirekte Steigerung der Kontraktilität des Myokards durch Erhöhung der Vorlast

    • Direkte Steigerung der Kontraktilität durch das sympathoadrenerge System (Herzfrequenzanstieg durch erhöhte Noradrenalinfreisetzung)

    • Steigerung des arteriellen Blutdrucks durch Erhöhung der Nachlast

  • Eine therapeutische Erhöhung von Nachlast oder Kontraktilität kann für den Patienten deletäre Folgen haben.

Literaturverzeichnis

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  • 9 Young JB. New therapeutic choices in the management of acute congestive heart fauilure. RevCardiovascMed 2001: S19-S24

Dr. med. Tim Frenzel

Anästhesist und Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Münster UKM.

Email: frenzel@anit.uni-muenster.de

PD Dr. med. Gregor Theilmeier

OA an der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Münster und Leiter der Arbeitsgruppe Exp-ANIT Entzündung.

Email: theilmeier@anit.uni-muenster.de

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